Landgericht Lüneburg
Urt. v. 04.03.2003, Az.: 3 O 78/02
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 04.03.2003
- Aktenzeichen
- 3 O 78/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 39568
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2003:0304.3O78.02.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 25.02.2003 durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 4 714,99 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin 53 % und die Beklagten 47 % als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten wegen Schäden aus einer Blockadeaktion aus Anlass eines Transportes von Castor-Behältern auf der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg am 27./28.03.2001 geltend.
Am 27.03.2001 wurde auf den vorgenannten Gleiskörpern die sich im Eigentum der Deutschen Bahn Netz AG befinden ein Transportzug mit sechs Castor-Behältern für abgebrannte Kernbrennstäbe geführt.
In Höhe von Bahnkilometer 201 bei Süschendorf im Landkreis Lüchow-Dannenberg befand sich im Gleisbett ein ca. 50 m langes Stahlrohr sowie ein Betonblock, in welche Stahlröhren eingelassen worden waren. Diese Vorrichtungen waren einige Zeit vor dem Transport dort eingelassen worden und mit Gleisschottersteinen verdeckt worden. Am Abend des 27.03.2001 fesselte sich der Beklagte zu 5) an beiden Unterarmen an das vorgenannte Stahlrohr fest. Er arretierte das Schloss und konnte sich selbst nicht mehr befreien. Die Beklagten zu 1) - 4) ketteten sich jeweils einen ihrer Arme in je eines der einbetonierten Stahlrohre fest und konnten sich ebenfalls nicht mehr befreien. Auf Grund dieser Blockade wurde der gegen 22.20 Uhr am 27.03.2001 eintreffende Castor-Transportzug an dieser Stelle aufgehalten und konnte seine Fahrt vorerst nicht mehr fortsetzen. Der Transportzug musste in den Bahnhof nach Dahlenburg zurückgeführt werden.
Die Beklagten wurden nacheinander in der Nacht vom 27. auf 28.03.2001 aus ihren Verankerungen befreit, die Beklagte zu 3) erst am Nachmittag des Folgetages.
Der Transportzug konnte daher erst am 28.03.2001 gegen 16.50 Uhr den Bahnkilometer 201 bei Süschendorf passieren.
In der Folgezeit hat die Deutsche Bahn Netz AG die durch die Aktion der Beklagten und die Rettungsmaßnahmen aufgetretenen Schäden an dem Gleisbett reparieren lassen. Hierfür hat die Deutsche Bahn Netz AG 9 221,72 DM (entspricht 4 714,99 EUR) mindestens aufgewendet, wobei auch der Betonblock und das Stahlrohr aus dem Gleisbett entfernt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung der ... vom 27.04.2001, Bl. 8, 9 d.A., Bezug genommen.
Folgende Schadenspositionen werden von der Klägerin geltend gemacht:
1. Reparaturkosten: | 4 714,99 EUR |
---|---|
2. Schotter für das Gleisbett: | 587,99 EUR |
3. Verzögerungsschaden: | 4 807,29 EUR |
insgesamt: | 10 110,27 EUR. |
Die Schadensersatzansprüche für die Gleisreparatur und den Schotter sind an die Klägerin von der Deutschen Bahn Netz AG abgetreten worden. Die Klägerin hat die Abtretung angenommen.
Mit Schreiben vom 12.09.2001 wurden die Beklagten jeweils aufgefordert, den vermeintlichen Gesamtschaden der Klägerin bis zum 08.10.2001 zu begleichen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 15-24 d.A. Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, dass die Beklagten selber das 50 cm lange Stahlrohr in das Gleisbett eingebracht hätten.
Wegen der ca. 20stündigen Blockade durch die Beklagten sei ihr im Übrigen ein Verzögerungsschaden in Höhe von 4 807,29 EUR entstanden, und zwar bedingt durch Überstundenvergütungen, die an die ... hätten gezahlt werden müssen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 10 110,27 EUR nebst 5 % Zinsen hierauf über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.10.2001 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Durch die Beklagten selbst seien keine erheblichen Schäden an dem Gleiskörper verursacht worden, die Vorrichtungen für die Blockadeaktion sei von Dritten in das Gleisbett eingebracht worden. Im Übrigen hätte der Betonblock auch nicht aus dem Gleisbett entfernt werden müssen, weil die Verkehrssicherheit des Gleisbettes nicht beeinträchtigt worden sei. Der Schaden werde auch in der Höhe bestritten.
Auf den Hinweis des Gerichtes an die Klägerin, in der mündlichen Verhandlung am 25.02.2003, dass die Schadensposition in Höhe von 587,99 EUR für den Schotter nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden ist, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Position 2 in der Rechnung vom 27.04.2001, Bl. 8 d.A., Bezug genommen und im Übrigen auf die von den Beklagten vorgelegte Anlage B1, Bl. 59 d.A., verwiesen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat vorsorglich Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz vom 25.02.2003 des Prozessbevollmächtigten der Beklagten Bl. 113-115 d.A. beantragt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg.
I.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten für die Reparaturarbeiten an dem Gleisbett in Höhe von Bahnkilometer 201 auf der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg aus § 823 Abs. 1 BGB. Insoweit haben die Beklagten widerrechtlich in die Eigentumsrechte der Deutsche Bahn Netz AG eingegriffen. Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, § 903 Satz 1 BGB. Der Eingriff der Beklagten in die Eigentumsrechte der Klägerin ist rechtswidrig. Eine Zustimmung der Klägerin liegt nicht vor.
Die Beklagten müssen sich auch etwaige Eigentumsbeeinträchtigungen zurechnen lassen, soweit diese erst durch die Rettungsaktion zu Gunsten der Beklagten verursacht worden sind. Insoweit haften die Beklagten als so genannte "Zweckveranlasser". Dies wird von den Beklagten im Grunde auch nicht angegriffen. Die Beklagten haften aber auch für die Kosten, die durch die Entfernung des Betonblockes der Deutschen Bahn Netz AG entstanden sind. Nach § 830 Abs. 1 BGB ist jeder für den ganzen Schaden verantwortlich, wenn dieser Schaden durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursacht worden ist. Dabei stehen Anstifter und Gehilfen Mittätern gleich, § 830 Abs. 2 BGB. Die Beklagten haben sich zumindest die Vorbereitungshandlungen Dritter bewusst zu Nutze gemacht. Bei lebensnaher Betrachtung handelt es sich um eine einheitliche und gezielt geplante Blockadeaktion, bei welcher jeder der Teilnehmer für den auftretenden Sachschaden einzutreten hat. Auch das weitere Vorbringen der Beklagten gegen diese Schadensposition greift letztlich nicht durch. Die Deutsche Bahn Netz AG musste sich nicht mit dem Verbleib des Betonklotzes in dem Gleisbett abfinden. Der Grundsatz der Naturalrestitution gebietet, dass der Eigentümer selbst entscheiden darf, ob er Veränderungen an seinem Eigentum hinnehmen will oder nicht. Es mag zwar sein, dass die Funktionsfähigkeit des Gleisbettes für sich nicht beeinträchtigt war, aber die Deutsche Bahn Netz AG durfte zum einen alles unternehmen, um etwaige zukünftige Beeinträchtigungen durch den Betonklotz zu vermeiden; zum anderen ist das Integritätsinteresse der Deutschen Bahn Netz AG zu berücksichtigen. Bei einem eventuellen Rückbau des Gleiskörpers würden der Deutschen Bahn Netz AG auch zusätzliche Kosten durch die Demontage des Betonblockes entstehen, die sie dann wahrscheinlich nicht mehr gerichtlich durchsetzen könnte.
Substantiierte Angriffe gegen die Höhe der Reparaturkosten betreffend die Rechnung vom 27. April 2001 haben die Beklagten nicht vorgebracht. Die Ansprüche der Deutsche Bahn Netz AG sind wirksam an die Klägerin abgetreten worden. Die diesbezüglich vorgebrachten Bedenken der Beklagten sind ohne Substanz. Für die Wirksamkeit der Abtretung reicht es aus, dass die Forderung "bestimmbar" ist.
II.
Der Klägerin stehen die geltend gemachten 587,99 EUR für den Schotter an den Gleisanlagen nicht zu. Trotz ausdrücklichen Hinweises des Gerichtes konnte die Klägerin diese Schadensposition nicht näher darlegen. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Rechnung vom 27.04.2001 der ..., Bl. 8 d.A., Bezug genommen hat, ist unter der Position 2 bereits eine Pauschalposition festgehalten und in dem Betrag von 4 714,99 EUR enthalten. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nunmehr auf das Angebot der ... vom 29.05.2001, Bl. 59 d.A., abstellt, reicht dies zur Substantiierung ebenfalls nicht aus. Zum einen stammt dieses Angebot vom 29.05.2001, liegt also zeitlich nach der erstellten Reperaturrechnung vom 27.04.2001. Zum anderen trägt die Klägerin widersprüchlich vor, den auf S. 4 des Schriftsatzes vom 11.09.2002 Bl. 70 d.A. hat die Klägerin noch ausdrücklich in Abrede gestellt, dass dieses Angebot mit den durchgeführten Arbeiten etwas zu tun hat.
III.
Der Klägerin stehen auch nicht die geltend gemachten 4 807,29 EUR als Verzögerungsschaden zu. Unabhängig von der Frage, ob als Anspruchsgrundlage § 826 BGB dem Grunde nach zu bejahen sein würde, hat die Klägerin einen Schaden in dieser Höhe nicht hinreichend dargelegt, jedenfalls ist sie insoweit beweisfällig geblieben. Trotz Aufforderung des Gerichtes hat sie die Berechnungsgrundlage und die Vertragsgrundlage in Beziehung zur ... nicht näher dargelegt. Diese Schadenspositionen konnten die Beklagten auch erfolgreich mit Nichtwissen bestreiten. Insoweit haben die Beklagten keine eigenen Wahrnehmungen gemacht, § 138 Abs. 4 ZPO. Das Beweisangebot der Klägerin für diese Schadenspositionen:
Vorlage der Rechnung der ... vom 15.06.2001, in Kopie anbei, Bl. 6 d.A.
reicht zum Beweis der Entstehung dieser Forderung nicht aus. Zum einen ist die Rechnung vom 15.06.2001 nicht unterschrieben, insoweit wird auf § 416 ZPO Bezug genommen. Selbst wenn man über diesen Punkt aber hinweggehen würde, so wäre durch die Vorlage dieser Urkunde allenfalls bewiesen, dass die ... die auch zur Deutschen Bahn-Gruppe gehört, eine solche Rechnung ausgestellt hat. Wie sich die Forderung zusammensetzt und wie es zur Höhe der Forderung gekommen ist, kann zur Überzeugung des Gerichtes durch diese Urkunde nicht bewiesen werden.
Der Klägerin war auch kein Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 25. Februar 2003 einzuräumen, weil der Inhalt dieses Schriftsatzes für die Entscheidung ohne Bedeutung war.
IV.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus den §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a.F.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.