Landgericht Lüneburg
Urt. v. 14.02.2003, Az.: 6 S 80/01

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
14.02.2003
Aktenzeichen
6 S 80/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 39575
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2003:0214.6S80.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - AZ: 12 C 268/00

Fundstelle

  • JWO-MietR 2004, 100

Amtlicher Leitsatz

  1. 0.

    Leitsatz:

  2. 1.

    Schönheitsreparaturen umfassen alle diejenigen Gebrauchsspuren, die durch den Gebrauch der Mietsache üblicherweise entstehen. Der Austausch einer milchig gewordenen Fensterscheibe gehört nicht dazu.

  3. 2.

    Die Klausel §Der Mieter hat auf seine Kosten das Mietobjekt ... im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und alle dafür notwendigen Reparaturen auf seine Kosten durchführen zu lassen" verstößt gegen wesentliche Grundgedanken des Mietrechts und ist daher unwirksam.

  4. 3.

    Um eine Individualvereinbarung handelt es sich nur dann, wenn dem Mieter mehrere Alternativen zur Auswahl gestellt worden sind und der Mieter frei entscheiden kann, welche der verschiedenen Alternativen er vereinbaren will.

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 03.05.2001 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner die Isolierglasscheibe des im Obergeschoss in dem Hause ... zur Südseite gelegenen Velux-Fensters auszutauschen bzw. austauschen zu lassen gegen eine klare Isolierglasscheibe.

Es wird festgestellt, dass die auf Seite 30 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages vom 15.06.1988 abgedruckte Klausel "der Mieter hat auf seine Kosten das Mietobjekt und die mitvermieteten Anlagen und Einrichtungen .... im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und alle dafür notwendigen Reparaturen auf seine Kosten durchführen zu lassen" hinsichtlich der Erhaltungspflicht und der vorzunehmenden Reparaturen unwirksam ist.

Es wird ferner festgestellt, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, das Mietobjekt im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und alle dafür erforderlichen Reparaturen auf ihre Kosten durchführen zu lassen, soweit eine solche Pflicht ausschließlich aus der Klausel auf Seite 30 des Mietvertrages hergeleitet wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Die Kosten erster Instanz tragen die Kläger zu 30 % und die Beklagten zu 70 %; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung der Kläger hat Erfolg.

2

Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Austausch der Isolierglasscheibe im südlich gelegenen Velux-Fenster, weil die Scheibe milchig-trüb und damit undurchsichtig geworden ist. Dieser Anspruch der Kläger ergibt sich aus § 536 BGB. Die Beklagten als Vermieter sind verpflichtet, die Mietsache im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten.

3

Bei der Ersetzung der milchig-trüb gewordenen Isolierglasscheibe handelt es sich nicht um Schönheitsreparaturen im Sinne von § 8 Nr. 5 des Mietvertrages, deren Überwälzung auf den Mieter auch in einem Formularvertrag zulässig ist. Zu dem Bereich der Schönheitsreparaturen gehören alle diejenigen Gebrauchsspuren, die durch den Gebrauch der Mietsache üblicherweise entstehen. Der hier erforderlich gewordene Austausch einer Fensterscheibe gehört dazu nicht.

4

Der erforderliche Austausch der Isolierglasscheibe gehört zu den Erhaltungsmaßnahmen im Sinne der Vereinbarung, wie sie auf Seite 30 des Mietvertrages niedergelegt ist. Diese Vereinbarung ist jedoch unwirksam und schränkt daher die aus § 536 BGB den Vermieter treffende Pflicht nicht ein.

5

Ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei der Vereinbarung auf Seite 30 des Mietvertrages um eine zusätzliche maschinenschriftliche Vereinbarung handelt, ist auch diese Vereinbarung eine allgemeine Geschäftsbedingung und nicht eine Individualvereinbarung. Zwar haben die Beklagten vorgetragen, dass diese Vereinbarung getroffen worden sei, weil anderenfalls die Miete hätte höher ausfallen müssen. Um eine Individualvereinbarung würde es sich aber nur dann handeln, wenn die Mieter mehrere Alternativen zur Auswahl gestellt worden sind und der Mieter frei entscheiden kann, welche der verschiedenen Alternativen er vereinbaren will. Allein die von den Beklagten behauptete Erklärung der Vermieter, die Miete müsse anderenfalls höher ausfallen, ist keine echte Alternative, weil der Mieter damit nicht zwei oder mehr Möglichkeiten hat, wie er sich tatsächlich entscheiden kann. Ob diese Klausel von den Beklagten erstmals in einem Mietvertrag verwandt worden ist, ist für den Charakter als allgemeine Geschäftsbedingung nicht entscheidend. Auch eine erstmalig verwandte Klausel kann eine vorformulierte Klausel sein, die für künftige Fälle entsprechend verwandt werden kann.

6

Die auf Seite 30 des Mietvertrages enthaltene Klausel "der Mieter hat auf seine Kosten das Mietobjekt und die mitvermieteten Anlagen und Einrichtungen ... im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und alle dafür notwendigen Reparaturen auf seine Kosten durchführen zu lassen" ist unwirksam, weil sie gegen wesentliche Grundgedanken des Mietrechts verstößt. Zur Feststellung, ob eine Klausel wirksam ist, ist sie unabhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalles zunächst weit auszulegen. Verstößt die weit auszulegende Klausel gegen Grundgedanken des Mietrechts, so ist sie unwirksam.

7

Nimmt man die Klausel wörtlich, so muss der Mieter sämtliche an dem Mietobjekt anfallenden Reparaturen auf eigene Kosten vornehmen lassen, unabhängig davon, worauf sie zurückzuführen sind und um welche Art Reparaturen es sich handelt. Der Mieter müsste folglich im Bedarfsfall das Dach decken lassen, Risse in den Wänden beseitigen, eine etwa schadhaft gewordene Absicherung gegen Grundwasser reparieren lassen, die Außenhaut des Hauses im Bedarfsfall erneuern usw. Eine Einschränkung auf durch den Mietgebrauch erforderliche Reparaturen lässt sich der Klausel nicht entnehmen. Damit sind die auf den Mieter zukommenden Kosten unabsehbar und lassen sich nicht von vornherein in etwa kalkulieren. Nach dem Inhalt der Klausel müsste der Mieter die Ursache eines Wassereinbruchs im Keller beseitigen, auch wenn die Ursache in einer fehlerhaften Bauausführung liegt. Darauf, ob diese Alternativen bei dem konkreten Mietobjekt überhaupt in Betracht kommen, kommt es für die Frage der Wirksamkeit der Klausel nicht an.

8

Eine Klausel mit dem vorstehenden Inhalt verstößt gegen wesentliche Grundgedanken des Mietrechts. Hauptpflicht des Vermieters ist es, dem Mieter dem Gebrauch der Sache zur Verfügung zu stellen und die Sache im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten. Für diese Hauptpflichten bekommt der Vermieter als Gegenleistung den Mietzins. Eine Überwälzung der Erhaltenspflicht auf den Mieter durch allgemeine Geschäftsbedingungen ist nur in ganz eingeschränkten Umfang möglich. Als zulässig hat die Rechtsprechung bisher die sogenannte Kleinreparaturklausel angesehen, bei der es darum geht, dass der Mieter kleinere Reparaturen auf eigene Kosten durchführen lässt, um einen Streit darüber zu vermeiden, ob Ursache des aufgetretenen Schadens ein Verschulden des Mieters ist. Eine solche Kleinreparaturklausel findet sich auch in den vorliegenden Mietvertrag in § 8 Nr. 6 für einen Betrag bis zu 100,00 DM im Einzelfall. Die auf Seite 30 des Mietvertrages vorgesehen Überwälzung der gesamten Erhaltungspflicht auf den Mieter widerspricht dem Wesen des Mietvertrages und macht aus dem Wohnraummietvertrag eine Art "Wohnraumleasingvertrag".

9

Die Feststellung der Unwirksamkeit war entsprechend dem Klagantrag auf die in der Klausel enthaltene Erhaltungspflicht und die vorzunehmenden Reparaturen zu beschränken. Dementsprechend war festzustellen, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, das Mietobjekt im gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten und alle dafür erforderlichen Reparaturen auf ihre Kosten durchzuführen, soweit eine solche Verpflichtung aus der Klausel auf Seite 30 des Mietvertrages hergeleitet wird. Soweit eine solche Verpflichtung dagegen aus § 8 hergeleitet wird, kann eine Unwirksamkeit in dieser Allgemeinheit jedenfalls nicht festgestellt werden, so dass zur Klarstellung eine entsprechende Einschränkung auszusprechen war.

10

Dementsprechend sind die Beklagten nach § 536 BGB verpflichtet, die trüb gewordenen Scheibe des Veluxfensters zu erneuern.

11

Die Kostenentscheidung entspricht dem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Parteien und beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass es den Klägern in erster Instanz um einen Austausch des ganzen Fensters und nicht nur der Scheibe ging, wie sich aus der Streitwertangabe in der Klage und daraus ergibt, dass die Kläger für den Austausch des Fensters 3. 500 DM angesetzt haben.