Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.10.2020, Az.: 2 A 336/19
Anrechnung; Ausbildungsförderung; Einkommen; Sterbegeld, beamtenrechtliches
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 22.10.2020
- Aktenzeichen
- 2 A 336/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 71846
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 21 BAföG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das beamtenrechtliche Sterbegeld gilt nicht als Einkommen gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG, weil dessen Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegensteht.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung eines beamtenrechtlichen Sterbegeldes als Einkommen im Rahmen der Berechnung der Ausbildungsförderung streitig.
Der 1997 geborene Kläger nahm zum Wintersemester 2017/2018 an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) ein Bachelorstudium der Forstwirtschaft auf und beantragte hierfür am 9. August 2017 bei der Beklagten die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Die Beklagte bewilligte dem Kläger, zuletzt mit dem Änderungsbescheid vom 23. Mai 2019, für den Bewilligungszeitraum September 2017 bis August 2018 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 414,00 Euro. Dabei rechnete sie eigenes Einkommen des Klägers in Höhe von monatlich 108,00 Euro sowie Einkommen der Mutter des Klägers in Höhe von monatlich 212,56 Euro auf den Bedarf an. Bei der Einkommensanrechnung für die Mutter wurden insgesamt 34.488,00 Euro als Einkommen berücksichtigt, welches sie für das Jahr 2015 glaubhaft machte. Da ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 noch nicht vorlag, wurden die Leistungen dem Kläger unter dem Vorbehalt der Rückforderung gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 BAföG bewilligt.
Nach Vorlage eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 wurde das Einkommen der Mutter des Klägers auf der Grundlage der Festsetzungen des Steuerbescheides neu berechnet. Aufgrund der bislang nicht berücksichtigten Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft (3.718,00 Euro) sowie einer Sterbegeldzahlung in Höhe von 8.379,62 Euro nach § 22 Niedersächsisches Beamtenversorgungsgesetz (NBeamtVG) ergab sich ein Einkommensbetrag für das Jahr 2015 von nunmehr 46.586,00 Euro.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 entschied die Beklagte gemäß § 24 Abs. 2 Satz 3 BAföG abschließend über die Ausbildungsförderung des Klägers für den Zeitraum September 2017 bis August 2018, wobei sich nunmehr ein Förderungsbetrag in Höhe von monatlich 136,00 Euro errechnete. Als Einkommen der Mutter des Klägers wurden 491,06 Euro auf den Bedarf angerechnet. Damit ergab sich für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum ein Überzahlungsbetrag in Höhe von 3.336,00 Euro.
Mit Schreiben vom 6. November 2019 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung des Bescheides vom 29. Oktober 2019. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Steuerbescheid aus dem Jahr 2015 unter anderem das Sterbegeld enthalte, welches seiner Mutter für den Tod seines Vaters gezahlt worden sei. Die Berücksichtigung des Sterbegeldes sei nicht korrekt, da es sich gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG um eine Einnahme handele, deren Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegenstehe. Mit Bescheid vom 22. November 2019 wurde der Überprüfungsantrag des Klägers abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X für eine Rücknahme des Bescheides lägen nicht vor. Die Hinzurechnung des Sterbegeldes zum Einkommen nach § 21 Abs. 1 BAföG sei bereits aufgrund der seitens des Finanzamtes erfolgten Zuordnung zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit rechtmäßig erfolgt. Die Außerachtlassung der zugeflossenen Beträge unter Anwendung des § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG komme dabei nicht in Betracht. Dies erfordere die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber dem Personenkreis, dem außerhalb des Anwendungsbereiches des Versorgungsrechtes der Beamten eine solche Leistung nicht zur Verfügung stehe, um die Beerdigungskosten eines Angehörigen zu tragen. Ferner sehe das Einkommensteuerrecht im Rahmen des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) für jeden Steuerpflichtigen vor, die Beisetzungskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend zu machen und diese gegebenenfalls von einer Versteuerung freizustellen. Hieran knüpfe das BAföG mit § 25 Abs. 6 BAföG an.
Dagegen hat der Kläger am 19. Dezember 2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass das Sterbegeld bereits deshalb nicht als Einkommen im Sinne von § 21 Abs. 1 BAföG anzurechnen sei, weil es im Ergebnis steuerfrei sei. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg habe in seinem Urteil vom 16. Januar 2019 überzeugend entschieden, dass ein nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich zu versteuerndes beamtenrechtliches Sterbegeld nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei sei, weil es sich um Bezüge aus öffentlichen Mitteln handele, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt würden. Unabhängig davon unterfalle das gezahlte Sterbegeld aber dem Anwendungsbereich von § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG, da es eine Einnahme sei, die für einen anderen Zweck als für die Deckung des Bedarfs im Sinne des BAföG bestimmt sei. Das gezahlte Sterbegeld solle eine finanzielle Hilfestellung zur Abdeckung des infolge des Todesfalles entstehenden Mehraufwandes wie zum Beispiel Bestattungskosten bieten. Es solle hingegen nicht zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs des Auszubildenden dienen. Der Zweck des Sterbegeldes würde vollständig konterkariert, wenn es zunächst an das hinterbliebene Elternteil ausgezahlt, anschließend aber mittelbar sofort wieder durch eine Anrechnung bei der Ausbildungsförderung der gemeinsamen Kinder genommen werde. Ferner stehe die Tatsache, dass das beamtenrechtliche Sterbegeld nicht aufwandsbezogen sei, von vornherein nicht im Zusammenhang mit der Frage, ob es zweckgebunden geleistet werde. Eine Leistung könne für einen bestimmten Zweck gezahlt werden, ohne dabei an einen konkreten Aufwendungsnachweis geknüpft zu sein. Auch liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht vor, weil dann bereits die Zahlung von Sterbegeld im Rahmen von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen an sich einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darstellen würde.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. November 2019 zur Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Oktober 2019 zu verpflichten, soweit er den Bewilligungszeitraum September 2017 bis August 2018 betrifft und soweit bei der Berechnung des Leistungsanspruchs (für diesen Bewilligungszeitraum) ein Sterbegeld in Höhe von 8.379,62 Euro berücksichtigt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die förderungsrechtliche Hinzurechnung des Sterbegeldes zum Einkommen der Mutter des Klägers sei nach § 21 Abs. 1 BAföG rechtmäßig erfolgt. Grundlage für die Feststellung der positiven Einkünfte sei der der Beklagten vorliegende bestandskräftige Einkommensteuerbescheid, an dessen Einkommensfeststellungen die Beklagte bei ihrer Entscheidung zwingend gebunden sei, wovon auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgehe. Aus diesem Grund seien die Festsetzungen des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2015 übernommen worden, wobei das Sterbegeld vom zuständigen Finanzamt eben gerade nicht steuerfrei belassen worden sei. Es erscheine auch abwegig, das Sterbegeld der Steuerfreiheit des § 3 Nr. 11 EStG zuzuordnen. Das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg könne nicht überzeugen. Zudem sei dagegen Revision eingelegt worden, sodass die Entscheidung nicht rechtskräftig geworden sei. Auch stehe die Vorschrift des § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG der Anrechnung des gezahlten Sterbegeldes nicht entgegen. Das beamtenrechtliche Sterbegeld sei nicht aufwandsbezogen, werde an überlebende Ehepartner oder Abkömmlinge als Vorteil aus der vorangegangenen Dienstleistung geleistet und sei eben gerade nicht zweckgebunden. Soweit damit einer Hilfebedürftigkeit entgegengewirkt werden sollte, bestehe diese ganz wesentlich gerade im Unterhaltsbedarf aufgrund des Todes eines Unterhaltsverpflichteten, sodass die Anrechnung vollständig der Zielrichtung der in § 1 BAföG vorgegebenen Grundprinzipien des BAföG und damit dem Zweck entspreche, Ausbildungsförderung nur insoweit zu leisten, wie der Familie eigene Mittel nicht zur Verfügung ständen. Es liege ferner ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor und es stelle eine Ungleichbehandlung des Sterbegeldes gegenüber anderweitigem Einkommen dar, wenn solche pauschalen Einkünfte wie Sterbegeldanrechnung frei blieben, obgleich diese für den Lebensunterhalt bzw. für Unterhaltsleistungen verwendet werden könnten, zugleich aber die Berücksichtigung von Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Sterbefall (in § 25 Abs. 6 BAföG) von deren konkretem Nachweis und davon abhängig gemacht werde, dass diese Aufwendungen den Nachlass selbst überstiegen.
Die Beklagte hat zwei Probeberechnungen des Anspruches des Klägers unter Außerachtlassung des beamtenrechtlichen Sterbegeldes eingereicht (eine Probeberechnung ohne Berücksichtigung von möglichen Auswirkungen auf die Höhe des Einkommensteuerbetrages und eine Probeberechnung mit einer errechneten verringerten Einkommen-steuer).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die die Kammer im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29. Oktober 2019 insoweit, als sie in dem Bewilligungszeitraum September 2017 bis August 2018 das der Mutter des Klägers ausgezahlte beamtenrechtliche Sterbegeld als Einkommen berücksichtigt hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Anspruchsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 29. Oktober 2019, soweit das Sterbegeld als Einkommen der Mutter berücksichtigt wurde, ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Der zu überprüfende Verwaltungsakt ist rechtswidrig, wenn er im Zeitpunkt seines Erlasses nicht mit den geltenden Rechtsvorschriften vereinbar ist.
Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf den Bescheid vom 29. Oktober 2019 vor. Dieser ist rechtswidrig, soweit das der Mutter des Klägers ausgezahlte Sterbegeld von der Beklagten in dem Bewilligungszeitraum September 2017 bis August 2018 als Einkommen berücksichtigt wurde und für diesen Zeitraum ein höherer Erstattungsbetrag als492,00 Euro nach entsprechender Aufhebung der vorherigen Bewilligungsbescheide gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BAföG geltend gemacht wird. Damit ist die geltend gemachte Rückforderung für den Zeitraum September 2017 bis August 2018 in Höhe von 2.844,00 Euro rechtswidrig.
Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BAföG gilt als Einkommen – vorbehaltlich des Satzes 3, der Absätze 2a, 3 und 4 – die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 und 2 EStG. Nicht als Einkommen gelten gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG Einnahmen, deren Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegensteht; dies gilt insbesondere für Einnahmen, die für einen anderen Zweck als für die Deckung des Bedarfs im Sinne dieses Gesetzes bestimmt sind. Daraus folgt allerdings, dass auch Einnahmen, die für die Deckung des Bedarfs bestimmt sind, nicht als Einkommen gelten, wenn ihre Zweckbestimmung der Anrechnung entgegensteht (Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 45. Lfg., Juli 2019, § 21, Rn. 29).
Ein der Anrechnung auf den Bedarf entgegenstehender Zweck kann sich aus einer Rechtsvorschrift, einer ausdrücklichen Erklärung des Leistungsgebers oder der Art der Leistung ergeben. Die Zweckbestimmung steht einer Anrechnung z.B. bei vermögensbildenden Leistungen, beim Pflegegeld nach den §§ 37, 38 SGB XI, bei den Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII oder bei den Leistungen nach dem WoGG entgegen (vgl. Winkler in: BeckOK Sozialrecht, 58. Ed., Stand 1.9.2020, § 21 BAföG Rn. 52). Ebenso werden nach Nr. 4 die Verletztenrente aus der Unfallversicherung oder das Blindengeld vom Einkommensbegriff ausgenommen (Knoop in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl., 2020, § 21, Rn. 46 m.w. N.). Der Zweck steht nicht entgegen beispielsweise bei Zinsen aus Schmerzensgeld, bei einem Erasmus-Stipendium, beim Darlehen der Student Finance England und bei einem Sanierungsgewinn (vgl. Winkler in BeckOK Sozialrecht, aaO, Rn. 53 m.w.N.).
Das Sterbegeld zählt grundsätzlich und auch vorliegend zum Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 EStG. Unabhängig davon, ob es sich bei dem beamtenrechtlichen Sterbegeld um eine steuerfreie Einnahme im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG handelt, wie es das FG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 16. Januar 2019 - 11 K 11160/18 (Revision anhängig: BFH VI R 8/19) -, juris, ausgeführt hat (a. A. FG Düsseldorf, Urteil vom 15. Juni 2020 - 11 K 2024/18 E -, juris), liegt hier ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vor, in dem das Sterbegeld als zu versteuerndes Einkommen berücksichtigt wurde. Das OVG Lüneburg hat in seinem Beschluss vom 26. September 2018 - 4 LA 367/17 -, juris, Rn. 11 zur Bindungswirkung von Einkommensteuerbescheiden ausgeführt, dass die Ämter für Ausbildungsförderung bei der Berechnung des auf den Bedarf des Auszubildenden anzurechnenden Einkommens nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an den Inhalt bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide gebunden seien. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Rechtsschutz erfordere es nicht, diese Bindungswirkung zu beseitigen. Rechtsschutz gegen Einkommensteuerbescheide sei schon zur Einhaltung der behördlichen und gerichtlichen Kompetenzen im dafür vorgesehenen Verfahren zu verwirklichen, das eine behördliche und notfalls gerichtliche Überprüfung durch die Finanzgerichte als die dazu berufenen Fachgerichte eröffne. Eine zusätzliche Überprüfung durch die Ämter für Ausbildungsförderung und die Verwaltungsgerichte verstieße gegen diese vom Gesetzgeber vorgesehene Kompetenzordnung.
Dem folgend kann der Kläger nicht damit gehört werden, dass es sich bei dem beamtenrechtlichen Sterbegeld um eine steuerfreie Einnahme handele und es somit bereits deshalb nicht als Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 1 BAföG zu berücksichtigen sei.
Jedoch gilt das beamtenrechtliche Sterbegeld gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG nicht als Einkommen, weil seine Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegensteht (so auch VG Stade, Urteil vom 15.10.2019 - 4 A 1301/17 - V.n.b.). Der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG steht der bestandskräftige Steuerbescheid nicht entgegen, weil sich dessen Bindungswirkung auf die Einkommensermittlung, insbesondere für Einkünfte nach § 2 Abs. 1 und 2 EStG, bezieht. Auch stellt § 21 Abs. 4 BAföG eine Ausnahmeregelung für Einnahmen dar, die an sich unter das Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 1 bis 3 BAföG fallen (Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 45. Lfg., Juli 2019, § 21, Rn. 27), womit Einkünfte nach § 2 Abs. 1 und 2 EStG, die ggf. bereits in einem bestandskräftigen Steuerbescheid ausgewiesen wurden, erfasst sein können.
Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 NBeamtVG erhalten beim Tod einer Beamtin oder eines Beamten die überlebende Ehefrau oder der überlebende Ehemann und die Abkömmlinge der oder des Verstorbenen Sterbegeld. Das Sterbegeld ist in Höhe des Zweifachen der Dienstbezüge oder der Anwärterbezüge der oder des Verstorbenen ausschließlich der Auslandskinderzuschläge, des Auslandsverwendungszuschlags und der Vergütungen in einer Summe zu zahlen.
Das Sterbegeld ist eine Versorgungsleistung, die der Hinterbliebenenversorgung zuzuordnen ist; sie soll dazu dienen, die Kosten der letzten Krankheit und der Bestattung des Verstorbenen zu decken. Gleichzeitig soll den Hinterbliebenen damit die Umstellung auf die veränderten Lebensverhältnisse infolge des Todesfalls erleichtert werden. Die Sterbegeldzahlung ist nicht davon abhängig, dass den berechtigten Personen derartige Kosten tatsächlich oder mindestens in Höhe des Sterbegeldes entstanden sind (vgl. Strötz, in: GKÖD Bd. I, Stand: September 2020, § 18 BeamtVG, Rn. 3).
Gemessen hieran soll das Sterbegeld damit einem anderen Zweck als der Deckung des Bedarfs im Sinne des § 11 Abs. 1 BAföG (Lebensunterhalt, Ausbildung) dienen. Selbst wenn das Sterbegeld nicht nur die Kosten der letzten Krankheit und der Bestattung des Verstorbenen decken, sondern auch den Hinterbliebenen eine Umstellung der Lebensführung durch den Wegfall des Einkommens des Verstorbenen erleichtern soll, worin die Deckung des Bedarfs aufgrund der entstandenen Lücke gesehen werden könnte, steht trotzdem die Zweckbestimmung des Sterbegeldes der Anrechnung entgegen. Gerade die damit bezweckte Erleichterung der Anpassung an die neuen Lebens- und Einkommensverhältnisse würde nicht eintreten, wenn man das Sterbegeld als Einkommen berücksichtigen würde. Im Übrigen ließe sich nicht feststellen, in welcher Höhe das Sterbegeld welchem Zweck dienen soll.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Auszahlung des Sterbegeldes gem. § 22 Abs. 1 NBeamtVG nicht davon abhängt, ob der berechtigten Person tatsächlich die Kosten entstanden sind, für die das Sterbegeld bestimmt ist, sondern das Sterbegeld als Pauschale in Höhe des Zweifachen der Dienstbezüge oder der Anwärterbezüge der oder des Verstorbenen ausgezahlt wird. Eine gesetzliche Zweckbindung und Nachweispflicht besteht somit nicht. Dies ist jedoch nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass auch andere Leistungen, die anerkanntermaßen nicht angerechnet werden, wie das Pflegegeld, das den Zweck hat, pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, oder das Blindengeld, welches zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen gezahlt wird, an die berechtigten Personen ausgezahlt werden, ohne dass Nachweise dafür erbracht werden müssen, für welche konkreten Aufwendungen diese Leistungen verwendet werden. Über dieses Geld können die Berechtigten frei verfügen. Ferner werden diese Leistungen genauso wie das Sterbegeld unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Berechtigten gezahlt.
Entgegen der Auffassung der Beklagen liegt in der Nichtberücksichtigung des beamtenrechtlichen Sterbegeldes als Einkommen gemäß § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Sofern der Gesetzgeber eine Ausnahmevorschrift in § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG für Einnahmen vorgesehen hat, deren Zweckbestimmung einer Anrechnung auf den Bedarf entgegensteht, ist es nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Nichtberücksichtigung der Einnahmen, die unter diese Vorschrift fallen, sodann gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen sollte. Insbesondere ist es nicht geboten, Personen, die unterschiedliche Einnahmen haben, welche unterschiedlich zu bewerten sind, so zu stellen, als hätten sie dieselben Einkünfte. Dasselbe gilt hinsichtlich der von der Beklagten geltend gemachten Ungleichbehandlung des beamtenrechtlichen Sterbegeldes gegenüber anderem Einkommen unter Berücksichtigung der Härtefallregelung des § 25 Abs. 6 BAföG. Der Gesetzgeber hat bewusst zwischen verschiedenen Einkommensarten differenziert, so dass auch eine unterschiedliche Behandlung von unterschiedlichem Einkommen, hier des besonders geregelten beamtenrechtlichen Sterbegeldes gegenüber anderweitigem Einkommen, gerechtfertigt ist. Eine Ungleichbehandlung läge nur vor, wenn man gleiche Einkommensarten unterschiedlich behandeln würde.
Da das Sterbegeld nicht als Einkommen gem. § 21 Abs. 4 Nr. 4 BAföG gilt, im Übrigen jedoch zum Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 EStG zählt und der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig ist, sind bei der Berechnung durch die Beklagte die Auswirkungen auf die Höhe des Einkommensteuerbetrages nicht zu berücksichtigen. § 21 BAföG, der den Einkommensbegriff definiert und im Einzelnen regelt, welche Beträge von dem Einkommen abgezogen werden können, sieht einen Abzug fiktiver Steuern nicht vor. Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BAföG kann lediglich die für den Berechnungszeitraum zu leistende Einkommen- und Kirchensteuer abgezogen werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 09. März 2011 - 4 LA 218/10 -, juris, Rn. 5). Tatsächlich ist in dem Steuerbescheid für das Jahr 2015 Einkommensteuer in Höhe von 2.528,00 Euro festgesetzt worden, die hier auch zu berücksichtigen ist.
Damit ergibt sich ohne Berücksichtigung des Sterbegeldes ein Förderungsanspruch des Klägers in dem Zeitraum September 2017 bis August 2018 in Höhe von monatlich 373,00 Euro (statt 136,00 Euro). Damit hat die Beklagte gegen den Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum lediglich einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 492,00 Euro [(414,00 Euro – 373,00 Euro) x 12], so dass der Bescheid hinsichtlich einer Rückforderung in Höhe von 2.844,00 Euro (3.336,00 Euro – 492,00 Euro) rechtswidrig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.