Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.01.2022, Az.: 14 ME 55/22
Antragsänderung; Beschwerdebegründung; Bestimmtheit; Grundverfügung; unzulässig; Zwangsgeld
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.01.2022
- Aktenzeichen
- 14 ME 55/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59502
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.10.2021 - AZ: 6 B 1133/21
Rechtsgrundlagen
- § 70 VwVG ND
- § 146 Abs 4 S 3 VwGO
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 26. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 26. Oktober 2021 bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde ist bereits unzulässig.
a. Zum einen genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht. Nach dieser Bestimmung muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Dies erfordert, dass sich der Beschwerdeführer auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes qualifiziert, ins Einzelne gehend und fallbezogen mit der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung befasst und für das Beschwerdegericht nachvollziehbar aufzeigt, dass und warum diese Entscheidung unrichtig und im Ergebnis aufzuheben oder zu ändern ist (vgl. zu den Darlegungsanforderungen im Einzelnen: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 25.7.2014 - 13 ME 97/14 -, NordÖR 2014, 502 f. - juris Rn. 4 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Antragstellerin im Schriftsatz vom 23. November 2021 nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat die von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren zuletzt ausdrücklich gestellten Anträge, "die Aufhebung der Vollziehung des Zwangsgeldbescheides des Antragsgegners vom 29. Juli 2021 anzuordnen" (Schriftsatz v. 24.9.2021, S. 1 = Blatt 17 der Gerichtsakte), und "die Aufhebung der Vollziehung an(zu)ordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO)" (Schriftsatz v. 4.10.2021, S. 1 = Blatt 44 der Gerichtsakte), bereits für unzulässig erachtet (Beschl. v. 26.10.2021, Umdruck S. 9 ff.). Mit dieser die erstinstanzliche Entscheidung tragenden Begründung setzt sich die Beschwerde nicht, jedenfalls nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise auseinander, wenn sie ohne weitere Diskussion mit den Erwägungen in der erstinstanzlichen Entscheidung behauptet, das Verwaltungsgericht habe ihre gestellten unzulässigen Anträge nach § 88 VwGO durch Auslegung als zulässige Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes behandeln können.
b. Zum anderen ist eine Antragsänderung, wie sie hier die Antragstellerin mit der Beschwerde vorgenommen hat (Schriftsatz v. 23.11.2021, S. 1 = Blatt 80 der Gerichtsakte), im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO grundsätzlich unzulässig, soweit sich die Sach- oder Rechtslage nicht nachträglich geändert hat oder andernfalls effektiver Rechtsschutz nicht zu erlangen ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 14.11.2014 - 13 ME 187/14 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 19.3.2013 - 8 ME 44/13 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 15.3.2011 - 11 ME 59/11 -, juris Rn. 7; Hessischer VGH, Beschl. v. 12.7.2011 - 1 B 1046/11 -, juris Rn. 32; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.5.2009 - OVG 11 S 24.09 -, juris Rn. 5).
Keine der genannten Ausnahmen ist hier gegeben. Die Sach- und Rechtslage hat sich nicht nachträglich, also nach Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung, geändert. Die Zulassung einer Ausnahme ist auch nicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten. Denn der nun im Beschwerdeverfahren gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Juli 2021 (Blatt 9 der Beiakte 2) konnte ohne Weiteres im bereits eingeleiteten erstinstanzlichen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gestellt werden und kann - mangels eigener Antragsfrist (vgl. statt aller Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 469 (Stand: Juli 2021) m.w.N.) - auch noch in einem weiteren, neuen erstinstanzlichen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zulässigerweise gestellt werden. Die erstmalige Sachentscheidung dieses Antrags im Beschwerdeverfahren widerspräche der gesetzgeberisch gewollten Konzentration des Beschwerdeverfahrens auf die Gründe, die vom Beschwerdeführer in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts und dem erstinstanzlichen Streitgegenstand geltend gemacht werden, und würde zu einer erstmaligen materiell-rechtlichen Prüfung durch das Beschwerdegericht führen, die dem Straffungs- und Beschleunigungsziel der besonderen Regelungen über die Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuwiderliefe (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 18.5.2017 - 13 ME 62/17 -, juris Rn. 33).
2. Mit Blick auf ein etwaiges weiteres Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes weist der Senat zur Klarstellung darauf hin, dass im Fall einer zulässigen Antragsänderung die Beschwerde gleichwohl unbegründet wäre. Denn die Antragstellerin kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 29. Juli 2021 über die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 15.000 EUR und die weitere Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 25.000 EUR voraussichtlich nicht beanspruchen.
Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses der Antragstellerin, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten der Antragstellerin aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren bei summarischer Prüfung zu erkennen ist, dass ihr Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.2004 - 2 BvR 821/04 -, NJW 2004, 2297, 2298 - juris Rn. 20; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 970 ff. m.w.N.). Dagegen überwiegt das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.10.1995 - BVerwG 1 VR 1.95 -, juris Rn. 3). Bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der in dem Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.9.1998 - BVerwG 11 VR 6.98 -, juris Rn. 4) jedoch offen, kommt es auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.2019 - BVerwG 1 VR 1.19 -, NVwZ-RR 2019, 971 - juris Rn. 6; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.3.2020 - 13 ME 30/20 -, juris Rn. 7).
Die danach gebotene Abwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Antragsgegners vom 29. Juli 2021 über die Festsetzung eines Zwangsgelds in Höhe von 15.000 EUR und die erneute Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 25.000 EUR.
a. Die Zwangsgeldfestsetzung (Ziffer 1 des Bescheids v. 29.7.2021) findet eine Rechtsgrundlage in § 70 Abs. 1 NVwVG in Verbindung mit §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 2, 67 NPOG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind erfüllt, und nach § 114 Satz 1 VwGO relevante Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
(1) Die Einwände der Antragstellerin gegen die Bestimmtheit der Grundverfügung des Antragsgegners im Bescheid vom 23. Juni 2021 (Blatt 50 ff. der Gerichtsakte), der bestandskräftig geworden ist, und gegen die Annahme eines Verstoßes gegen die sich hieraus für sie ergebenden (Verhaltens-)Pflichten greifen nicht durch.
Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung dienen der Durchsetzung einer vollziehbaren Grundverfügung. Einwendungen, die sich der Sache nach auf die Grundverfügung beziehen, sind demzufolge nach § 70 Abs. 1 NVwVG in Verbindung mit § 64 Abs. 5 NPOG im Vollstreckungsverfahren unbeachtlich. Indes ermöglicht § 64 Abs. 1 NPOG nur die Vollstreckung eines im Sinne inhaltlich hinreichender Bestimmtheit vollstreckungsfähigen Verwaltungsakts als Grundlage der Verwaltungsvollstreckung. Denn die für Einleitung und Durchführung der Verwaltungsvollstreckung erforderliche konkrete Feststellung, dass der Pflichtige seine Verpflichtung aus dem Verwaltungsakt noch nicht erfüllt hat, ist nur bei einem inhaltlich hinreichend bestimmten Verwaltungsakt möglich. Ist ein Verwaltungsakt wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht vollstreckungsfähig, schließt dieser Mangel Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung auch bei Unanfechtbarkeit der Grundverfügung aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.1.2013 - 8 S 2919/11 -, NVwZ-RR 2013, 451 - juris Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.1.1998 - 10 B 3029/97 -, juris Rn. 4 jeweils m.w.N.).
(a) Hier mangelt es der Grundverfügung des Antragsgegners im Bescheid vom 23. Juni 2021 indes nicht an der erforderlichen Bestimmtheit.
Im verfügenden Teil des Bescheids vom 23. Juni 2021 ist unter Ziffer I. folgende Anordnung getroffenen worden: "Ich untersage Ihnen ab dem 24.06.2021 die diagnostische und therapeutische Behandlung von Patienten in Ihrer Augenarztpraxis. Jegliche Tätigkeiten, bei denen medizinische Instrumente oder Geräte in direkten Kontakt mit dem Auge des Patienten kommen, dürfen in Ihrer Praxis nicht durchgeführt werden. Es ist Ihnen ausschließlich erlaubt, patientenferne Dienstleistungen, wie z.B. das Führen eines allgemeinen Beratungsgespräches oder das Ausstellen von Rezepten und Überweisungen, anzubieten." Im begründenden Teil des Bescheids vom 23. Juni 2021 wird diese Anordnung maßgeblich mit den fortdauernden unhygienischen Zuständen in der Praxis der Antragstellerin, mit wiederholt durchgeführten nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft genügenden Behandlungen und mit sich daraus ergebenden Infektionsgefahren für die Patienten sachlich gerechtfertigt. Zudem wird die getroffene Anordnung noch einmal klar dahin wiederholt, dass alle Behandlungen untersagt sind, bei denen ein direkter Kontakt zwischen medizinischem Instrument oder Gerät und dem Auge des Patienten besteht.
Hiernach kann für die Antragstellerin kein vernünftiger Zweifel bestanden haben, welche (Verhaltens-)Pflichten ihr mit der Grundverfügung auferlegt worden sind. Alle ärztlichen Behandlungen, die einen direkten Kontakt zwischen medizinischem Instrument oder Gerät und dem Auge des Patienten bedingen, sind untersagt. Lediglich Behandlungen, die einen solchen Kontakt nicht erfordern und die vom Antragsgegner zutreffend als "patientenferne Dienstleistungen" beschrieben wurden, sind ihr noch gestattet. Wenn die Antragstellerin demgegenüber meint, auch nach der Anordnung im Bescheid vom 23. Juni 2021 dürfe sie weiterhin "patientennahe" Behandlungen durchführen und müsse nur "invasive" Behandlungen unterlassen (vgl. bspw. den Schriftsatz der Antragstellerin v. 4.10.2021, dort S. 4 = Blatt 47 der Gerichtsakte, und die eidesstattliche Erklärung der Antragstellerin v. 22.11.2021, Blatt 83 der Gerichtsakte), findet dies in dem eindeutigen Bescheid vom 23. Juni 2021 keinerlei Anhalt. Auch die von ihr bemühte E-Mail des Leiters des Gesundheitsamts des Antragsgegners vom 9. Juli 2021 (Blatt 11 der Gerichtsakte) trägt hierzu nichts aus. Sie beinhaltet zunächst nur eine Korrespondenz zwischen dem Gesundheitsamt des Antragsgegners und der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN); sie wurde nicht an die Antragstellerin adressiert, sondern dieser nur zur Kenntnis gegeben. Ein Willen des Antragsgegners, die im Bescheid vom 23. Juni 2021 gegenüber der Antragstellerin getroffenen Anordnungen zu modifizieren, ist der E-Mail nicht ansatzweise zu entnehmen. Vielmehr nimmt die E-Mail auch in der Sache nur auf diese Anordnung Bezug und erläutert diese nur dahin, dass der Antragstellerin weiterhin "die berührungslose Untersuchung des Auges oder eine Spaltlampenuntersuchung" (Anm.: Unterstreichung durch den Senat) gestattet bleibt. Diese Erläuterung steht in Übereinstimmung mit der im Bescheid vom 23. Juni 2021 angeordneten Untersagung von Behandlungen, die einen direkten Kontakt zwischen medizinischem Instrument oder Gerät und dem Auge des Patienten bedingen. Auch die anschließende bloße Beschreibung der "berührungslose(n) Untersuchung des Auges" als "nichtinvasiv" ändert den Inhalt der im Bescheid vom 23. Juni 2021 getroffenen Anordnung nicht.
(b) Die Antragstellerin hat mit ihrem Verhalten auch einen Verstoß gegen Pflichten begangen, wie sich diese aus der Grundverfügung des Antragsgegners im Bescheid vom 23. Juni 2021 für sie ergeben.
Die Antragstellerin hat in der von ihr am 22. November 2021 (Blatt 83 der Gerichtsakte) abgegebenen eidesstattlichen Erklärung Folgendes eingeräumt: "Wenn behauptet wird, bei der letzten Begehung in meiner Praxis, nämlich am 22.07.2021, hätte ich mindestens eine Fremdkörperentfernung eingeräumt, so mag das stimmig sein … Ich kann anhand meiner Dokumentation feststellen, dass ich am 24.06.2021, also einen Tag nachdem mir die Anordnung zugegangen war, eine 'Fremdkörperentfernung' durchgeführt habe, dabei handelt es sich aber um keinen invasiven Eingriff, bei dem ich mit dem Auge - im Sinne der Anordnung - in Berührung kam. Es handelte sich um das Entfernen einer Wimper, die als Fremdkörper im Auge empfunden wurde. Diese Wimper habe ich mit einer sterilen Einmalpinzette aus dem Augenlid entfernt, ich komme bei solchen Behandlungen nicht mit dem Auge unmittelbar in Berührung."
Dieses von der Antragstellerin eingeräumte Verhalten verstieß gegen die in der Grundverfügung des Antragsgegners im Bescheid vom 23. Juni 2021 bestimmten Pflichten. Die Entfernung von Fremdkörpern durch den Augenarzt mittels eines medizinischen Instruments (hier: Pinzette) ist auch dann, wenn der Fremdkörper nicht in den Augapfel eingedrungen ist, sondern an oder auf dessen Oberfläche liegt, eine der im Bescheid vom 23. Juni 2021 untersagten "Tätigkeiten, bei denen medizinische Instrumente oder Geräte in direkten Kontakt mit dem Auge des Patienten kommen". Denn als "Auge" ist nicht nur der optische Apparat (Augapfel) anzusehen, sondern auch der Augennerv (Sehnerv) und die verschiedenen Hilfs- und Schutzorgane (Augenmuskeln, Augenlider, Tränenapparat und Augenhöhle) (vgl. nur Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 268. Aufl. 2020, S. 169 f. - Stichwort "Auge"). Nach Auffassung des Senats ist es ausgeschlossen, dass bei einer Fremdkörperentfernung mittels eines medizinischen Instruments nicht wenigstens einer dieser Bestandteile des Auges in direkten Kontakt mit dem medizinischen Instrument kommt.
Soweit die Antragstellerin das von ihr in der eidesstattlichen Erklärung vom 22. November 2021 ausdrücklich eingeräumte Verhalten im Nachhinein zu leugnen oder zu korrigieren versucht (vgl. den Schriftsatz der Antragstellerin v. 9.12.2021, Blatt 92 ff. der Gerichtsakte, und die eidesstattliche Erklärung der Antragstellerin v. 9.12.2021, Blatt 95 f. der Gerichtsakte), ist dies für den Senat angesichts der vorausgegangenen detaillierten Schilderung der Abläufe und insbesondere der dort von der Antragstellerin vorgenommenen zeitlichen Einordnung der Geschehnisse in Bezug zu der Anordnung des Antragsgegners vom 23. Juni 2021 schlicht nicht glaubhaft.
(2) Auch mit den Einwänden gegen die Höhe des festgesetzten Zwangsgelds dringt die Antragstellerin nicht durch. Der Antragsgegner hat ein Zwangsgeld in der Höhe von 15.000 EUR in Ziffer III. der Grundverfügung vom 23. Juni 2021 angedroht. Diese Grundverfügung ist bestandskräftig geworden. Der Antragsgegner ist auch nicht verpflichtet, die dieser Grundverfügung zugrundeliegenden Ermessenserwägungen bei jeder Maßnahme des Verwaltungszwangs zu wiederholen. Das Ermessen ist bei der Festsetzung eines Zwangsmittels nach dessen Androhung vielmehr intendiert (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.8.2021 - 2 B 973/21 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 31.8.2020 - 10 A 1906/20 -, juris Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.8.2019 - 1 S 1263/19 -, NVwZ-RR 2020, 297 - juris Rn. 6 f.). Die Vollstreckung ist die Regel; das Absehen davon die Ausnahme (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.11.2021 - 1 ME 133/21 -, juris Rn. 12). Sachliche Gründe, die es geboten hätten, das Zwangsgeld ausnahmsweise abweichend von der bestandskräftig gewordenen Androhung festzusetzen, sind angesichts des Verhaltens der Antragstellerin nicht ansatzweise ersichtlich.
b. Auch in Bezug auf die erneute Zwangsgeldandrohung (Ziffer 2 des Bescheids v. 29.7.2021) bietet das Vorbringen der Antragstellerin keinen Anlass, vom Regelvorrang des Vollziehungsinteresses nach § 70 Abs. 1 NVwVG in Verbindung mit § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG abzusehen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).