Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.02.2024, Az.: 10 LA 44/24

Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Bindungen bei der Entscheidung über den Erlass einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Ablehnung eines Asylantrages

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.02.2024
Aktenzeichen
10 LA 44/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15355
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0201.10LA44.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 28.12.2023 - AZ: 2 A 205/23

Amtlicher Leitsatz

Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Bindungen bei der Entscheidung über den Erlass einer Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen der Ablehnung eines Asylantrages.

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichterin der 2. Kammer - vom 28. Dezember 2023 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag der Beklagten,

die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen,

hat keinen Erfolg. Denn der von ihr geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist von ihr nicht hinreichend dargelegt worden.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich und einer abstrakten Klärung zugänglich ist, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf, nicht schon geklärt ist und (im Falle einer Rechtsfrage) nicht bereits anhand des Gesetzeswortlauts und der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung sowie auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 28.3.2022 - 1 B 9.22 -, juris Rn. 21, und vom 8.8.2018 - 1 B 25.18 -, juris Rn. 5, zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; ferner: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2022, § 78 AsylG Rn. 21 ff. m.w.N.).

Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (u.a. Senatsbeschluss vom 12.1.2022 - 10 LA 175/21 -, juris Rn. 4 m.w.N.):

1. dass eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfrage konkret und eindeutig bezeichnet,

2. ferner erläutert wird, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre, und

3. schließlich dargetan wird, aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

Ob eine als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage entscheidungserheblich ist, ist anhand der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts zu prüfen, soweit gegen diese keine begründeten Verfahrensrügen erhoben worden sind (ständige Rechtsprechung des Senats: u.a. Senatsbeschluss vom 25.7.2019 - 10 LA 155/19 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Diese Tatsachenfeststellungen sind im Zulassungsverfahren bindend und unterliegen dort anders als in einem Berufungsverfahren keiner Richtigkeitskontrolle (Senatsbeschluss vom 28.1.2021 - 10 LA 12/21 -, juris Rn. 7).

Die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit der bezeichneten Frage im Berufungsverfahren (2.) setzt voraus, dass substantiiert dargetan wird, warum sie im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte und - im Falle einer Tatsachenfrage - welche (neueren) Erkenntnismittel eine anderslautende Entscheidung nahelegen (ständige Rechtsprechung des Senats: u.a. Senatsbeschluss vom 12.1.2022 - 10 LA 175/21 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.1.2022 - 9 LA 29/20 -, juris Rn. 5). Die Begründungspflicht verlangt daher, dass sich der Zulassungsantrag mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen ist (Senatsbeschluss vom 12.1.2022 - 10 LA 175/21 -, juris Rn. 8 m.w.N.; vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.5.2022 - 1 B 44.22 -, juris Rn. 14 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Darlegung einer Tatsachenfrage setzt außerdem eine intensive, fallbezogene Auseinandersetzung mit den von dem Verwaltungsgericht herangezogenen und bewerteten Erkenntnismitteln voraus (Senatsbeschluss vom 12.1.2022 - 10 LA 175/21 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.1.2022 - 9 LA 29/20 -, juris Rn. 5; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23.9.2021 - 4 LA 111/20 -, juris Rn. 25), weil eine Frage nicht entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, die sich schon hinreichend klar aufgrund der vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Erkenntnismittel beantworten lässt (GK-AsylG, Stand: Mai 2022, § 78 AsylG Rn. 609 m.w.N; vgl. auch BVerwG, Beschlüsse vom 30.1.2014 - 5 B 44.13 -, juris Rn. 2, und vom 17.2.2015 - 1 B 3.15 -, juris Rn. 3, zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Erforderlich ist daher über den ergebnisbezogenen Hinweis, dass der Bewertung der Situation in dem betreffenden Land zu der als klärungsbedürftig bezeichneten Tatsachenfrage durch das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gefolgt werde, hinaus, dass in Auseinandersetzung mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts und den von ihm herangezogenen Erkenntnismitteln dargetan wird, aus welchen Gründen dieser Bewertung im Berufungsverfahren nicht zu folgen sein wird (GK-AsylG, Stand: Mai 2022, § 78 AsylG Rn. 610 m.w.N.; vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.8.2021 - 1 LA 43/21 -, juris Rn. 2). Dabei ist es Aufgabe des Zulassungsantragstellers, durch die Benennung von Anhaltspunkten für eine andere Tatsacheneinschätzung, also insbesondere durch das Anführen bestimmter (neuerer) Erkenntnisquellen, darzutun, dass hierfür zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 30.4.2021 - 6 Bf 42/21.AZ -, juris Rn. 20; GK-AsylG, Stand: Mai 2022, § 78 AsylG Rn. 610 f. m.w.N.). Es reicht deshalb nicht, wenn der Zulassungsantragsteller sich lediglich gegen die Würdigung seines Vorbringens durch das Verwaltungsgericht wendet und eine bloße Neubewertung der vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Erkenntnismittel verlangt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 12.12.2019 - 9 LA 452/19 -, juris Rn. 5; GK-AsylG, Stand: Mai 2022, § 78 AsylG Rn. 609 m.w.N.; vgl. auch Hailbronner, Stand: März 2022, § 78 AsylG Rn. 28).

Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag der Beklagten nicht.

Sie hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob ein bei der Rückkehrentscheidung bzw. dem Erlass einer Abschiebungsandrohung zu berücksichtigendes inlandsbezogenes Abschiebungsverbot, auch eine während des Asylverfahrens bestehende Aufenthaltsgestattung eines Mitglieds der Kernfamilie sein kann bzw. ob die Aufenthaltsgestattung gemäß § 55 AsylG einen rechtmäßigen Aufenthalt begründet der vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 15. Februar 2023 - C-484/22) im Rahmen des Art. 5 Buchstaben a und b der Rückführungsrichtlinie Berücksichtigung finden muss?"

Das Verwaltungsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung Ziff. 5 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. September 2023, mit dem die Klägerin, nach Ablehnung ihres Asylantrags als offensichtlich unbegründet (Ziff. 1 bis 3) und der Nichtfeststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Ziff. 4), zur Ausreise aufgefordert und ihre Abschiebung in die Republik Moldau angedroht wurde, aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Aufhebungsentscheidung hat es ausgeführt, dass die Abschiebungsandrohung derzeit rechtswidrig sei, weil ihrem Erlass nach Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115/EG zu berücksichtigende Belange entgegenstünden. Bei der Abschiebungsandrohung handele es sich um eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, bei deren Erlass nach Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115/EG das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen des betreffenden Drittstaatsangehörigen in gebührender Weise zu berücksichtigen seien. Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof reiche es nicht aus, dass diese Belange - wie bislang im deutschen nationalen Recht vorgesehen - nur in einem dem Erlass der Abschiebungsandrohung nachfolgenden Verfahren betreffend den Vollzug der Rückkehrentscheidung geltend gemacht werden könnten. Bestünden damit Gründe im Sinne des Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115/EG, dann sei wegen des Vorrangs des Unionsrechts § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach dem Erlass der Abschiebungsandrohung das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegensteht, nicht anzuwenden. Dies führe dazu, dass auch der unterschiedliche Verlauf der Asylverfahren der einzelnen Familienmitglieder eine Verletzung des Kindeswohls bzw. der zu betrachtenden familiären Bindungen der betroffenen Ausländer darstellen könne, der bei dem Erlass der Abschiebung zu berücksichtigen sei. Der im Jahr 2023 geborene Sohn der Klägerin verfüge während seines noch laufenden Asylverfahrens über eine Aufenthaltsgestattung im Sinne des § 55 AsylG, die er einer Abschiebung entgegenhalten könne. Die der Klägerin erteilte Aufenthaltsgestattung erlösche bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens, so dass sie diese ihrer Abschiebung nicht mehr entgegenhalten könne. Eine Trennung der Klägerin von ihrem sehr jungen Sohn, mit dem sie zusammenlebe, für einen unabsehbaren Zeitraum müsse aufgrund des geringen Alters ihres Kindes jedoch vermieden werden, um dessen Kindeswohl nicht zu beeinträchtigen. Dies sei nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs bereits bei Erlass der Abschiebungsandrohung zu berücksichtigen.

Damit stellt sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht in der von ihr formulierten Form. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend nicht auf ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis oder die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Kindes der Klägerin abgestellt (vgl. auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 1.8.2023 - 2 ZB 23.30551 -, juris Rn. 3 bis 6), sondern in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die von der Beklagten im vorliegenden Fall unterlassene, aber in Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115/EG vorgesehene gebührende Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Bindungen vor Erlass der Rückkehrentscheidung (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.12.2023 - 1 B 13.23 -, juris Rn. 8) und darauf, dass die Berücksichtigung im vorliegenden konkreten Einzelfall dazu führen müsse, dass aufgrund der durch die Abschiebungsandrohung gegenüber der Klägerin möglichen Trennung von ihrem noch nicht einmal einjährigen Kind, das seiner Abschiebung die Aufenthaltsgestattung entgegenhalten könne, die Rückkehrentscheidung nicht ergehen dürfe.

Insoweit ist die von der Beklagten aufgeworfene Frage auch bereits grundsätzlich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, Beschluss vom 15.2.2023 - C-484/22 -, juris): Art. 5 RL 2008/115/EG darf im Hinblick auf seinen Zweck, im Rahmen des mit der Richtlinie eingeführten Rückkehrverfahrens die Wahrung mehrerer Grundrechte - u.a. die in Art. 24 GRC verankerten Grundrechte des Kindes - zu gewährleisten, nicht eng ausgelegt werden (Rn. 23). Art. 5 RL 2008/115/EG verwehrt es somit einem Mitgliedstaat, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne die relevanten Aspekte des Familienlebens des betreffenden Drittstaatsangehörigen gebührend zu berücksichtigen, die er geltend macht, um den Erlass einer solchen Entscheidung zu verhindern (Rn. 25 f.). Folglich steht Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115/EG einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der die Verpflichtung, beim Erlass einer Abschiebungsandrohung das Wohl des Kindes und dessen familiäre Bindungen zu berücksichtigen, als erfüllt gilt, solange die Abschiebung nicht vollzogen wird (Rn. 27). Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115 EG ist daher dahin auszulegen ist, dass er verlangt, das Wohl des Kindes und seine familiären Bindungen im Rahmen eines zum Erlass einer gegen einen Minderjährigen ausgesprochenen Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens zu schützen, und es nicht genügt, wenn der Minderjährige diese beiden geschützten Interessen im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug dieser Rückkehrentscheidung geltend machen kann, um gegebenenfalls eine Aussetzung deren Vollzugs zu erwirken (Rn. 28). Art. 5 RL 2008/115/EG i.V.m. Art. 24 GRC ist darüber hinaus auch dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten vor Erlass einer Rückkehrentscheidung das Wohl des Kindes auch dann gebührend zu berücksichtigen haben, wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um einen Minderjährigen, sondern um dessen Elternteil handelt (EuGH, Urteil vom 11.3.2021 - C-112/20 -, juris Rn. 43; vgl. zu Ehegatten auch Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.11.2023 - 13 ME 195/23 -, juris Rn. 5 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die von der Beklagten aufgeworfene Frage auch insoweit nicht entscheidungserheblich, als sie sich auf ein inländisches Vollstreckungshindernis und einen rechtmäßigen Aufenthalt bezieht. Maßgeblich ist danach vielmehr, ob das Kindeswohl und die familiären Bindungen bei der Rückkehrentscheidung gebührend berücksichtigt worden sind. Ob im vorliegenden Fall die Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Bindungen (Art. 5 Buchstaben a) und b) RL 2008/115/EG) unter Berücksichtigung der Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylG) des Kindes der Klägerin dazu führt, dass eine Rückkehrentscheidung ihr gegenüber nicht ergehen darf, ist demgegenüber eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu etwa Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 20.11.2023 - 13 ME 195/23 -, juris Rn. 6 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.7.2023 - 11 S 985/22 -, juris Rn. 19 ff.), die einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren nicht zugänglich wäre (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11.12.2023 - 1 B 13.23 -, juris Rn. 3). Zu diesen Einzelfallumständen gehört gegebenenfalls auch, dass, wie von der Beklagten in der vorliegenden Konstellation angeführt, der Aufenthalt nur vorübergehend gestattet ist.

Soweit die von der Beklagten aufgeworfene Frage danach überhaupt noch entscheidungserheblich und einer allgemeinen Klärung zugänglich sein könnte, hat sie mit der Begründung ihres Zulassungsantrags nicht unter Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts in ausreichender Weise dargelegt, aus welchen Gründen der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Rückkehrentscheidung stünden Belange des Kindeswohls und familiäre Bindungen entgegen, nicht zu folgen sein könnte. Soweit sie es als fraglich ansieht, ob das Kindeswohl bei einem nur vorübergehenden Aufenthalt eines Elternteils in Deutschland nicht schon gebührend Berücksichtigung finde, wenn die Wiederherstellung der familiären Gemeinschaft in naher Zukunft im Herkunftsland oder einem anderen Staat möglich sei, bleibt offen, aus welchen Gründen eine vorübergehende Trennung, deren Dauer wie vorliegend völlig offen ist, eines Minderjährigen von seinem Elternteil, mit dem es sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, in ausreichender Weise das Kindeswohl und die familiären Bindungen berücksichtigen können soll, insbesondere wenn das Kind - wie hier - noch kein Jahr alt ist. Die Beklagte hat etwa auch nicht dargelegt, dass bzw. weshalb es nicht zu einer solchen Trennung kommen wird, das Kindeswohl einer solchen Trennung nicht entgegenstünde oder das Bundesamt die Belange des Kindeswohls und der familiären Bindung bei der Abschiebungsandrohung im hier vorliegenden konkreten Einzelfall gebührend berücksichtigt habe. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gerade nicht genügt, wenn das Kindeswohl und die familiären Bindungen im Rahmen eines nachfolgenden Verfahrens betreffend den Vollzug dieser Rückkehrentscheidung berücksichtigt werden, um gegebenenfalls die Aussetzung deren Vollzugs zu erwirken, wie es die Beklagte wohl im Hinblick auf die von ihr angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14. April 2023 (Az. 19 K 5933/20.A) vertritt (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 11.12.2023 - 1 B 13.23 -, juris Rn. 4, 8). Den Ausführungen der Beklagten ist auch nicht in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen, weshalb die Berücksichtigung des Kindeswohls in der vorliegenden Konstellation zu einer erheblichen Verlängerung der Dauer des Prüfverfahrens führen würde und eine zeitnahe Rückführung bei negativem Ausgang des Asylverfahrens nicht mehr gewährleistet werden könnte. Darüber hinaus legt sie nicht dar, dass der von ihr insoweit angeführte Beschleunigungsgrundsatz einen Verzicht auf die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Berücksichtigung des Kindeswohls und der familiären Bindungen bereits vor Erlass der Abschiebungsandrohung rechtfertigen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).