Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.02.2024, Az.: 2 ME 108/23

Antrag auf vorläufige Wiederholung einer Bachelorarbeit im Studiengang Informatik; Täuschungsversuch in einem besonders schweren Fall

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.02.2024
Aktenzeichen
2 ME 108/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0202.2ME108.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 23.10.2023 - AZ: 6 B 4708/23

Fundstellen

  • GewArch 2024, 167-169
  • NordÖR 2024, 284

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Frage, ob in einer Prüfung getäuscht wurde, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung. Ein Einschätzungsspielraum besteht für den Prüfenden bzw. den Prüfungsausschuss hinsichtlich der Frage, ob es sich um einen besonders schwerwiegenden Fall der Täuschung handelt.

  2. 2.

    Maßstab für die Abgrenzung eines gewöhnlichen Täuschungsversuchs von einem besonders schweren Fall ist in erster Linie das objektive Kriterium, in welchem Ausmaß der Prüfling die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt.

  3. 3.

    Es verstößt nicht gegen Art. 12 GG, im Falle eines besonders hohen Maßes an Täuschungsenergie eine Prüfung als endgültig nicht bestanden zu erklären bzw. den Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen vorzusehen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer - vom 23. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Wiederholung seiner Bachelorarbeit im Studiengang Informatik.

Der Antragsteller studiert bei der Antragsgegnerin den Bachelorstudiengang Informatik. Im Januar 2023 legte er seine Bachelorarbeit vor. Mit Bescheid vom 12. Mai 2023 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass seine Gesamtprüfung im Bachelorstudiengang Informatik gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 der Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Informatik der Leibniz Universität A-Stadt (PO) als "endgültig nicht bestanden" erklärt werde. Zur Begründung führte sie aus, dass die vorgelegte Bachelorarbeit auffällige Ähnlichkeiten zu der im Juli 2022 beim selben Prüfer vorgelegten Bachelorarbeit eines Kommilitonen des Antragstellers aufweise. Unter anderem sei die Struktur (Inhaltsverzeichnis mit Kapitel- und Unterkapitelüberschriften) fast vollständig, weite Teile des Textes seien paraphrasiert und mehrere Textstellen wörtlich übernommen worden. Die eingereichte PDF-Version stimme in auffälliger Weise nicht mit der eingereichten und unterschriebenen Papierfassung überein. In der PDF-Version sei Kapitel 7 komplett von seinem Kommilitonen übernommen worden. In der Papierversion enthalte Kapitel 7 einen anderen Inhalt. Die Vielzahl der Strukturplagiate, Ideenplagiate und wörtlichen Übernahmen ließen nur den Schluss zu, dass das Vorgehen systematisch und mit Vorsatz erfolgt sei. Da die Qualität der Arbeit inhaltlich sehr schwach sei, wäre die Arbeit unabhängig von der Entscheidung zum Plagiatsvorwurf mit "nicht bestanden" bewertet worden. Den mit Schreiben vom 30. Mai 2023 erhobenen Widerspruch des Antragstellers wies der Prüfungsausschuss des Studiengangs Informatik in seiner Sitzung vom 13. Juni 2023 zurück. Dies teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2023 mit.

Der Antragsteller hat am 8. August 2023 Klage beim Verwaltungsgericht Hannover erhoben und am 18. September 2023 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung der beantragten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, mit der er die vorläufige Wiederholung seiner Bachelorarbeit begehrt, hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass die Bachelorarbeit gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 PO im Regelfall einmal wiederholt werden könne. Das endgültige Nichtbestehen mit dem Ausschluss des Prüflings für das Studium werde nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PO erst ausgesprochen, wenn eine Wiederholung der Prüfungsleistung nicht möglich sei. § 18 Abs. 1 Satz 4 PO setze einen besonders schwerwiegenden Fall der Täuschung voraus, wobei das Plagiat pauschal als solcher erwähnt werde. Die Prüfungsordnung sehe jedoch für diesen Fall nicht vor, dass der endgültige Ausschluss vom Studium die zwingende Folge sei. Dies erfordere eine Ermessensentscheidung auch bei Plagiatsfällen. Er sei in Hinblick auf die Anfertigung der Arbeit und angesichts seiner Situation davon ausgegangen, dass die Verwendung der Vorlage seines Freundes bedenkenlos sei. Dass es hierbei zu übereinstimmenden Passagen gekommen sei, bedauere er. Den Arbeiten liege ein gemeinsamer Forschungskontext zugrunde, sodass er nicht daran gedacht habe, dass die Nutzung der fremden Arbeit einen Verstoß gegen die Prüfungsordnung darstelle. Dass die Nutzung als Täuschung gelte, sei ihm auch im Hinblick auf seine mangelnden Kenntnisse der Umstände in Deutschland nicht bewusst gewesen. Dass sich die PDF-Version von der ausgedruckten unterscheide, sei ein Versehen, worin kein Täuschungswille zu sehen sei. Insoweit beruhe der von der Antragsgegnerin angenommene Plagiatsvorwurf auf einem unzutreffenden Sachverhalt. Im März 2023 habe er den Vortrag zu seiner Bachelorarbeit gehalten, der mit der Note 4,0 bewertet worden sei. Auch dies spreche gegen einen schwerwiegenden Täuschungsversuch. Die Erwägungen der Antragsgegnerin seien unverhältnismäßig. Mit der Nutzung der Bachelorarbeit seines Kommilitonen habe er nicht die Absicht verfolgt, diese zum Zweck der Erstellung eines Plagiats zu verwenden. Die subjektive Komponente, die fremde Arbeit als eigene darzustellen, fehle. Seine Einlassung im Rahmen der Anhörung und im Widerspruchsbescheid ließen erkennen, dass er sich aus der Arbeit keine Vorteile habe erschleichen wollen, sondern davon ausgegangen sei, dass bei gleichem Forschungsthema Ähnlichkeiten in der Abfassung naheliegend seien. Im Hinblick auf sein Herkunftsland habe er dies nicht als "wissenschaftlichen Diebstahl" erkannt. Dadurch, dass das endgültige Nichtbestehen der Gesamtprüfung im Bachelorstudiengang Informatik erklärt worden sei und eine Teilnahme an weiteren Prüfungs- und Studienleistungen mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen worden sei, werde er doppelt sanktioniert. § 18 Abs. 1 Satz 4 PO sehe nicht vor, dass beide Maßnahmen gleichzeitig festgestellt werden könnten. Ein Abwarten bis zur Rechtskraft einer Entscheidung im Klageverfahren sei ihm nicht zumutbar, da dies einige Jahre dauern und er in dieser Zeit seine Ausbildung nicht fortsetzen könne.

Mit Beschluss vom 23. Oktober 2023 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Anordnungsanspruch ersichtlich sei. Der Antragsteller räume ein, dass seine Bachelorarbeit Übereinstimmungen mit der Arbeit seines Kommilitonen enthalte. Es liege ein besonders schwerwiegender Fall der Täuschung vor. Die Bachelorarbeit des Antragstellers enthalte im Hauptteil 36 Unterabschnitte. In 26 Fällen seien die Überschriften sowie die Gliederung wörtlich aus der Arbeit seines Kommilitonen übernommen worden. Im weiteren Verlauf fänden sich in 23 der 36 Unterabschnitte wörtliche oder annähernd wörtliche bzw. paraphrasierte Textübernahmen. Darüber hinaus seien etliche Unterabschnitte vom Aufbau und der Textlänge identisch. Die Bachelorarbeit des Antragstellers stelle sich aufgrund dessen als Plagiat dar, mit dem er bewusst eine fremde Leistung als eigene habe erscheinen lassen wollen. Er hätte wissen müssen, dass die Übernahme fremder Texte ohne Kennzeichnung gegen die Regeln der wissenschaftlichen Praxis verstoße. Darüber hinaus sei er bereits im Laufe seines Studiums bei der Anfertigung zweier Hausarbeiten wegen Plagiierens auffällig geworden. Entgegen der Ansicht des Antragstellers könne auch die einmalige Abgabe eines Plagiats einen besonders schwerwiegenden Fall der Täuschung darstellen mit der Folge, dass die Gesamtprüfung als endgültig nicht bestanden erklärt werden könne. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses sei auch nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Der Prüfungsausschuss habe in der Beratung über den Widerspruch des Antragstellers am 13. Juni 2023 dessen schützenswerte Belange benannt und gewichtet. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise habe er das Kriterium der Sicherung wissenschaftlicher Integrität in Forschung und Lehre als eine der zentralen Aufgaben einer Hochschule gewertet und festgehalten, dass sich diese insbesondere auch in der Qualität ihrer Abschlüsse widerspiegeln müsse. Von sachfremden Erwägungen habe sich die Antragsgegnerin erkennbar nicht leiten lassen. Ein Härtefall im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 PO sei im Falle einer besonders schwerwiegenden Täuschung nicht gegeben. § 18 Abs. 1 Satz 4 PO gelte in diesem Fall vorrangig.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde und beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hannover vom 23. Oktober 2023 - - die Beschwerdegegnerin zu perlfichten, ihm vorläufig die Wiederholung der Bachelorarbeit im Bachelorstudiengang Informatik zu gestatten und ihm hierfür die Anmeldung zu erlauben sowie die Erstellung einer neuen Bachelorarbeit als Wiederholungsleistung (mit Zuteilung eines Themas) zuzulassen,

hilfsweise die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 8. August 2023 - 6 A 4205/23 - gegen den Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 12. Mai 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beschwerdegegnerin vom 6. Juli 2023 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die in seiner Begründung dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, stellen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg in Frage. Der Antragsteller hat auch unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens keinen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 ZPO hinreichend glaubhaft gemacht. Zurecht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, einen besonders schweren Fall der Täuschung durch den Antragsteller anzunehmen und die gesamte Prüfung als endgültig nicht bestanden zu erklären, rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 PO wird beim Versuch, das Ergebnis einer Prüfungs- oder Studienleistung durch Täuschung zu beeinflussen, die betreffende Leistung mit "nicht bestanden" bewertet. Nach Satz 4 der Norm kann der Prüfungsausschuss in besonders schwerwiegenden Fällen - insbesondere bei einem wiederholten Mitführen nicht zugelassener Hilfsmittel nach Beginn der Leistung oder einem Plagiat - den Prüfling von der Erbringung weiterer Prüfungs- und Studienleistungen ausschließen oder die gesamte Prüfung als endgültig nicht bestanden erklären.

Zu berücksichtigen ist, dass die gerichtliche Kontrolle der Entscheidung der Antragsgegnerin nur in bestimmten Grenzen möglich ist. Zwar unterliegt die Frage, ob eine Täuschung vorliegt, der vollen gerichtlichen Überprüfung. Hinsichtlich der Frage, ob es sich um einen "besonders schwerwiegenden Fall" der Täuschung handelt, besteht allerdings ein Beurteilungsspielraum des Prüfungsausschusses (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 24.7.2015 - 2 ME 96/15 -, nicht veröffentlicht, unter Bezugnahme auf VGH BW, Urt. v. 19.4.2000 - 9 S 2435/99 -, juris Rn. 34 u. VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013 - 7 K 3335/11 -, juris Rn. 47, jeweils zur Entziehung eines Doktorgrads). Die Entscheidung über diese Frage ist in der Prüfungsordnung bewusst einem dem einzelnen Prüfer übergeordneten wissenschaftlichen Gremium zugewiesen, das dazu in der Lage ist, die Einordnung und Gewichtung des Falles auf der Basis bestehender Erfahrungswerte und unter Heranziehung von Vergleichsfällen nach prüfungsrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Auch insoweit handelt es sich - was einen Beurteilungsspielraum kennzeichnet - um die Zuordnung eines festgestellten Sachverhalts im Gesamtzusammenhang von Prüfungsverfahren. Aufgrund des bestehenden Beurteilungsspielraums kann im Rahmen der gerichtlich insoweit nur eingeschränkten Prüfung grundsätzlich nur ermittelt werden, ob der Prüfer bzw. Prüfungsausschuss von falschen Tatsachen ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt hat, allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder willkürlich gehandelt hat (BVerwG, Beschl. v. 13.5.2004 - 6 B 25.04 - u. v. 11.8.1998 - 6 B 49.98 -; Urt. v. 21.10.1993 - 6 C 12.92 -; Senatsbeschl. v. 5.11.2012 - 2 LA 177/12 -; Urt. v. 24.5.2011 - 2 LB 158/10 -, jeweils juris). Dass die Entscheidung der Antragsgegnerin bzw. des Prüfungsausschusses gemessen an diesen Grundsätzen rechtsfehlerhaft ist, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.

Der Vortrag des Antragstellers, entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts könne auch ein Plagiat einen einfachen Täuschungsversuch darstellen; das Verwaltungsgericht grenze anhand objektiver Kriterien zwischen einem einfachen Täuschungsversuch und einem besonders schwerwiegenden Fall ab und habe daher die subjektive Komponente nicht ausreichend berücksichtigt, verkennt den Beurteilungsspielraum des Prüfungsausschusses. Dass der Antragsteller Ausführungen aus der Bachelorarbeit seines Kommilitonen übernommen und damit getäuscht hat, stellt er nicht in Abrede. Es kommt nach den obigen Darlegungen zum Beurteilungsspielraum nicht darauf an, wie das Verwaltungsgericht den Begriff der besonders schwerwiegenden Täuschung auslegt und ihn von einer einfachen Täuschung abgrenzt; entscheidend ist, ob der Prüfungsausschuss bei seiner Kategorisierung der Täuschung von falschen Tatsachen ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt hat, allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder willkürlich gehandelt hat. Das ist nicht ersichtlich.

Maßstab für die Abgrenzung eines "gewöhnlichen" Täuschungsversuchs, der nach § 18 Abs. 1 Satz 1 PO allein das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge hat, von einem besonders schweren Fall, der darüber hinaus mit dem Ausschluss vom weiteren Prüfungsverfahren geahndet werden kann, ist in erster Linie das objektive Kriterium, in welchem Ausmaß der Prüfling die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.12.1976, Buchholz 421.0 Nr. 78 S. 60). Subjektive Faktoren wie eine persönliche Notlage des Prüflings, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, sind demgegenüber (neben anderen denkbaren Gesichtspunkten wie etwa der Generalprävention) auf der Rechtsfolgenseite der Norm bei der Betätigung des Ermessens durch die Prüfungsbehörde, ob sie zu der scharfen Sanktion des Ausschlusses vom Prüfungsverfahren greifen will oder nicht, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu würdigen (HambOVG, Beschl. v. 19.11.2013 - 3 Bs 274/13 -, juris Rn. 12).

Die Begründung in dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid ist für den Senat nachvollziehbar. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, dass dort von falschen Tatsachen ausgegangen wurde, sachfremde Erwägungen angestellt wurden, allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder willkürlich gehandelt wurde. Der Antragsteller ersetzt im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Prüfungsausschusses durch seine Auffassung und meint, dass nur eine einfache Täuschung vorliege, insbesondere auch, weil er durch die Prüfungssituation gestresst gewesen sei und familiäre und gesundheitliche Probleme gehabt habe. § 18 Abs. 1 Satz 4 PO sieht aber gerade in Falle eines Plagiats einen besonders schwerwiegenden Fall der Täuschung vor. Damit darf der Prüfungsausschuss in einem solchen Fall nur in Ausnahmefällen keine besonders schwerwiegende Täuschung annehmen, etwa dann, wenn nur in sehr geringem Umfang eine fremde Leistung als eigene ausgegeben wurde. Das ist beim Antragsteller aber gerade nicht der Fall. Ein Plagiat ist die Anmaßung fremder geistiger Leistungen; sowohl die wörtliche als auch die leicht abgewandelte ("paraphrasierte"), sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus anderen Quellen muss nach dem Zitiergebot als grundlegender Anforderung wissenschaftlichen Arbeitens an den jeweiligen Stellen gekennzeichnet werden (vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 28.9.2023 - 6 B 824/23 -, juris Rn. 29, 33). In diesem Sinne liegt ein Plagiat vor. Die Annahme eines schweren Falls i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 4 PO ist nicht erst dann gerechtfertigt, wenn die ganze Arbeit eines anderen abgeschrieben und als eigene ausgegeben wird (vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 10.10.2017 - 6 A 1586/16 -, juris Rn. 27). Insofern führen die Darlegungen des Antragstellers zu einzelnen, vom Verwaltungsgericht zitierten Textpassagen nicht weiter. Soweit der Antragsteller ausführt, er und sein Kommilitone hätten von demselben Betreuer dieselbe Aufgabenstruktur erhalten, nämlich eine App für Smartwatches und Smartphones zu entwickeln, nur die Thematik der App sei unterschiedlich gewesen, weshalb eine Ähnlichkeit der Arbeiten naheliege, erschließt sich nicht, weshalb der Antragsteller nicht angegeben hat, Leistungen seines Kommilitonen übernommen zu haben. Im Übrigen widerlegt er auch im Rahmen seiner Beschwerdebegründung nicht, dass er in erheblichem Umfang nicht nur Überschriften bzw. die Gliederung, sondern auch textliche Ausführungen - wenn auch teilweise "nur" paraphrasiert - übernommen hat. Er sieht offenbar selbst ein, dass er hier einen Fehler gemacht hat und die Quelle hätte angeben müssen.

Soweit der Antragsteller ausführt, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass die Benutzung der Arbeit seines Kommilitonen als Vorlage gegen Regeln verstoße, überzeugt das nicht. Zum einen muss ihm als Student an einer Hochschule bewusst sein, dass eine solche Vorgehensweise unzulässig ist (zumal er diesen Fehler bereits bei der Anfertigung zweier Hausarbeiten begangen hat). Zum anderen hat er die Arbeit seines Kommilitonen nicht lediglich als Vorlage benutzt, sondern wesentliche Teile übernommen und insbesondere Textpassagen wörtlich oder paraphrasiert übernommen, ohne dies zu kennzeichnen.

Dass der Antragsteller meint, seine Arbeit sei in Teilen als Eigenleistung bewertbar gewesen, führt nicht dazu, dass kein Plagiat vorliegt. Soweit er sich auf Stress im persönlichen Umfeld sowie familiäre und gesundheitliche Probleme beruft, rechtfertigt das die Täuschung nicht und lässt das Plagiat nicht weniger schwer wiegen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Prüfungsausschuss diesen Umständen im Rahmen seiner Ermessensentscheidung kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen hat.

§ 18 Abs. 1 Satz 4 PO verstößt auch nicht gegen Art. 12 GG. Es ist nicht zu beanstanden, im Falle eines besonders hohen Maßes an Täuschungsenergie eine Prüfung als endgültig nicht bestanden zu erklären bzw. den Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungsleistungen vorzusehen (Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 244). Zwar ist nach § 18 Abs. 1 Satz 4 PO im Falle eines Plagiats stets ein besonders schwerwiegender Fall anzunehmen, was im Einzelfall - etwa beim bereits erwähnten Plagiieren in geringem Umfang - die angeordneten Rechtsfolgen als unverhältnismäßig erscheinen lassen kann. Da es sich um eine Ermessensvorschrift handelt, kann in einem solchen Fall vom Ausschluss von der Erbringung weiterer Prüfungs- und Studienleistungen oder der Erklärung der gesamten Prüfung als endgültig nicht bestanden abgesehen werden. Es verbleibt damit ein Entscheidungsspielraum, innerhalb dessen solchen und vergleichbaren Grenzfällen Rechnung getragen werden kann. Die Norm ist damit nicht unverhältnismäßig oder - wie der Antragsteller meint - unkonkret, sondern auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sind die Umstände des Einzelfalls, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, abzuwägen, was dem Grundrecht auf Berufsausbildungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG angemessen Rechnung trägt (vgl. auch HambOVG, Beschl. v. 19.11.2013 - 3 Bs 274/13 -, juris Rn. 21). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen folglich nicht (vgl. zu den aus Art. 12 GG folgenden Anforderungen an eine Norm, die das Fehlverhalten eines Prüflings sanktioniert, auch BVerwG, Urt. v. 21.3.2012 - 6 C 19.11 -, juris Rn. 20 ff., wonach die Sanktionierung von Prüferbeeinflussungen zugunsten der ehrlichen Kandidaten die Chancengleichheit in staatlichen Prüfungen absichert, die durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistet ist und der Aspekt der Generalprävention im Prüfungsrecht allgemein einen legitimen Stellenwert beansprucht; Urt. v. 27.2.2019 - 6 C 3.18 -, juris Rn. 15 ff., wonach sowohl das zu sanktionierende Verhalten als auch die an dieses geknüpfte Sanktionsfolge so klar ersichtlich sein müssen, dass jeder Prüfling sein Verhalten problemlos danach ausrichten und jede Gefahr des Eingriffs in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG vermeiden kann; vgl. zudem VGH BW, Urt. v. 21.11.2012 - 9 S 1823/12 -, juris Rn. 39 ff. u. OVG Bremen, Beschl. v. 14.3.2017 - 2 PA 6/17 -, juris Rn. 12 ff.).

Aus diesen Gründen führen auch die übrigen vom Antragsteller vorgebrachten Argumente nicht zum Erfolg der Beschwerde. Nicht ersichtlich ist insbesondere, dass dem Antragsteller eine besonders schwere Täuschung deshalb vorgeworfen wurde, weil er in der Vergangenheit wegen Plagiierens aufgefallen ist. Der Prüfungsausschuss hat sich ausführlich mit der Bachelorarbeit des Antragstellers auseinandergesetzt und die übereinstimmenden Passagen mit der Bachelorarbeit seines Kommilitonen gekennzeichnet. Im Bescheid vom 12. Mai 2023 heißt es: "Form und Vielzahl der plagiierten Stellen und ihre Streuung über große Teile der Arbeit schließen einfaches Versehen aus und lassen sich nur durch Vorsatz erklären". Der Vorwurf an den Antragsteller ist hier, dass er die Unzulässigkeit seines Vorgehens hätte kennen müssen und das versehentliche Fehlen von Quellenangaben ausgeschlossen werden könne. Das ergibt sich auch auf Seite 2 des Bescheids, wo es heißt, der Antragsteller sei aufgrund des Plagiierens während des Studiums "entsprechend belehrt worden".

In Bezug auf den Hilfsantrag folgt der Senat ebenfalls der Begründung des Verwaltungsgerichts. Darüber hinaus kann der Antrag auch deshalb keinen Erfolg haben, weil der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig ist und damit kein Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bestehen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 18.4 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).