Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.02.2024, Az.: 1 KN 191/21

Antrag gegen einen dem Vorhaben der Errichtung eines Mehrfamilienhauses entgegenstehenden Bebauungsplans; Festsetzung der höchstzulässigen Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.02.2024
Aktenzeichen
1 KN 191/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 11104
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0212.1KN191.21.00

Fundstellen

  • BauR 2024, 897-898
  • DÖV 2024, 538
  • NordÖR 2024, 283

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ob eine Festsetzung zur höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden von der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt ist, ist auch anhand der städtebaulichen Zielsetzungen der Ermächtigungsgrundlage zu beurteilen.

  2. 2.

    § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erlaubt es, bei der Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden nach Gebäudetypen, die im öffentlichen Baurecht anerkannt sind (Einzelhaus, Doppelhaus, Hausgruppe), zu unterscheiden. Das gilt jedenfalls bei der Festsetzung einer absoluten Höchstzahl.

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 1. November 2021 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 071 "Hagenbreite Südost/Bahnhofstraße 4-6a" wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich gegen den einfachen Bebauungsplan Nr. 071 "Hagenbreite Südost/Bahnhofstraße 4-6a", der ihrem Ziel, ein Mehrfamilienhaus zu errichten, entgegensteht.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks G. -Straße in der Gemeinde H. (Gemarkung H., Flur ..., Flurstück ...). Dabei handelt es sich um ein streifenförmiges Grundstück, das im Norden auf einer Breite von ca. 24 m an die Straße G. und im Süden auf etwa gleicher Breite an die Straße I. grenzt. In Nord-Süd-Richtung beträgt die Tiefe des Grundstücks ca. 200 m. Es ist mit einem Wohngebäude, der sogenannten J. Villa, und einem Nebengebäude bebaut. Von der Straße G. aus gemessen liegt das Grundstück mit etwa 65 m seiner Tiefe im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 022 "Ortskern" aus dem Jahr 1990, der lediglich im Einzelnen aufgeführte Vergnügungsstätten ausschließt.

Die Antragstellerin beabsichtigt, die auf ihrem Grundstück bestehenden Gebäude abzureißen und an deren Stelle ein Wohngebäude mit 12 Wohneinheiten und 18 Stellplätzen, davon 7 in Querstellung direkt an der Hagenbreite angeordnet, zu errichten. Eine entsprechende Bauvoranfrage der Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin zum Anlass dafür, den angefochtenen Bebauungsplans Nr. 071 "Hagenbreite Südost/Bahnhofstraße 4-6a" aufzustellen. Planungsziele waren die Festlegung der Anzahl der Wohneinheiten pro Gebäude zur Regelung der baulichen Dichte sowie die Begrenzung der Zufahrtsbreiten zur jeweiligen Erschließungsstraße, um Beeinträchtigungen des Straßenraumes zu reduzieren und gegliederte Vorgartenbereiche zu sichern. Das ca. 1,9 ha große Plangebiet liegt fast vollständig im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 022, dessen Festsetzungen durch die vorliegende Planung unberührt bleiben.

Die Aufstellung des angefochtenen Plans im beschleunigten Verfahren gemäß § 13a BauGB verlief wie folgt: Am 24. Februar 2020 fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss. Die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung erfolgte im Zeitraum vom 22. März 2021 bis zum 26. April 2021 und erneut im Zeitraum vom 19. Juli 2021 bis 20. August 2021. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss sodann in seiner Sitzung am 1. November 2021 den Bebauungsplan als Satzung. Der Plan wurde im Amtsblatt des Landkreises Göttingen am 4. November 2021 (Amtsblatt Nr. 68) bekannt gemacht.

Die textlichen Festsetzungen des angefochtenen Plans lauten:

1. Zahl der Wohneinheiten

1.1. 1Pro Wohngebäude der Vorderhausbebauung (Gebäude in erster Reihe zu den öffentlichen Erschließungsstraßen) sind im Bereich einer Bautiefe der Grundstücke von maximal 26 m zur Straße bei Einzelhäusern maximal 4 und bei Doppelhäusern je Haushälfte maximal 2 Wohneinheiten und bei Hausgruppen je End- und Mittelhaus maximal 1 Wohneinheit zulässig. 2Ausnahmeweise können bei bestehenden Doppelhäusern der Vorderhausbebauung je Doppelhaushälfte maximal vier Wohneinheiten zugelassen werden, wenn diese bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bebauungsplans über eine solche Anzahl an Wohneinheiten pro Doppelhaushälfte verfügten. 3Die Bautiefe ist lotrecht zur seitlichen Grundstücksgrenze des jeweiligen Grundstückes an der östlichen Grundstücksgrenze zu messen. 4In den nachfolgenden Reihen (Hinterhausbebauung) sind je Einzelhaus maximal 2 Wohneinheiten und bei Doppelhäusern und Hausgruppen je End- und Mittelhaus maximal 1 Wohneinheit zulässig. (§ 9 Abs. 1 Nr. 6 und § 31 Abs. 1 BauGB)

5Bei einer Bebauung des Vorderhausbereiches mit einer Doppel- und Reihenhausbebauung, die sich in die Tiefe des Grundstückes entwickelt (Zeilenlage senkrecht zur Straße), zählt die Doppelhaushälfte bzw. das Kopfhaus der Reihenhausbebauung zur Straße zur Vorderhausbebauung und die nachfolgende Gebäudehälfte bzw. die nachfolgenden Gebäude der Reihenhausbebauung zur Hinterhausbebauung. 6Gebäudeteile und rückwärtige Anbauten der Vorderhäuser mit Wohnnutzungen, die die vorgegebene Bautiefe von 26 m überschreiten, zählen zum Vorderhaus. [Nummerierung der Sätze durch den Senat]

2. Nebenanlagen

2.1. Die Grundstückszufahrt darf an der Grundstücksgrenze zur Straße (G., Bahnhofstraße) eine Gesamtbreite von maximal 6,0 m je Baugrundstück nicht überschreiten. (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB)

Weitere Regelungen trifft der Plan nicht.

Gegen den Bebauungsplan hat die Antragstellerin unter dem 29. Dezember 2021 Normenkontroll- und Normenkontrolleilantrag erhoben. Die Planung sei keine Maßnahme der Innenentwicklung i.S.d. § 13a BauGB. Die Festsetzungen zur Zahl der Wohneinheiten überschritten die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Sie stellten nicht bloß auf ein Wohngebäude, sondern zugleich auf dessen Stellung zur Erschließungsstraße bzw. auf dessen Stellung auf dem Baugrundstück, auf dessen Stellung zu den Grundstücksgrenzen und schließlich sogar auf die Bautiefe ab. Ob die textliche Festsetzung gemäß Nr. 2.1. zur maximalen Gesamtbreite der Grundstückszufahrt zur Straße Hagenbreite ohne Regelung zu deren Ort von § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB gedeckt sei, sei fraglich. Jedenfalls sei die Festsetzung, die die Anzahl der Zufahrten nicht begrenze, nicht geeignet, die erklärten Ziele der Antragsgegnerin, Erhalt von Stellplätzen im öffentlichen Raum, Förderung der Verkehrssicherheit und Erhalt der Vorgartenzonen, zu erreichen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 071 "Hagenbreite Südost/Bahnhofstraße 4-6a" für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Plan. Sie verfolge das Ziel, die Nachverdichtung insbesondere wegen des damit verbundenen erhöhten Stellplatzbedarfs und zum Erhalt der bisher gegliederten Vorgartenbereiche zu begrenzen. Gleichzeitig wolle sie die Eigentümer hinsichtlich der baulichen Nutzung ihrer Grundstücke möglichst wenig beschränken. Die getroffene Regelung zur höchstzulässigen Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden ermögliche der Antragstellerin eine Bebauung ihres Grundstücks mit ca. 8 Wohneinheiten, was im Vergleich zu den im Bestand durchschnittlich vorhandenen 4 Wohneinheiten pro Grundstück eine moderate Nachverdichtung darstelle.

Den Normenkontrolleilantrag hat der Senat mit Beschluss vom 18. August 2022 (- 1 MN 192/21 -, n.v.) als unbegründet zurückgewiesen. Bei der im Übrigen rechtmäßigen Planung sei die Frage, ob die Festsetzungen zur höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden von der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt seien, im Eilverfahren nicht abschließend zu beurteilen. Die daher erforderliche Interessenabwägung gehe zulasten der Antragstellerin aus, da anderenfalls die Hauptsache faktisch vorweggenommen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet.

Der Plan überschreitet hinsichtlich der Festsetzungen zur Zahl der Wohneinheiten die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.

Nach dieser Norm kann im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festgesetzt werden. Eindeutig im Rahmen dieser Regelung hält sich die Festsetzung einer absoluten Zahl, wie beispielsweise "zwei Wohnungen pro Wohngebäude". Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Plangeber darauf aber nicht beschränkt, sondern kann auch eine relative Zahl (etwa "höchstens eine Wohnung je angefangene 100 m2 Grundstücksfläche") wählen. Entscheidend ist, dass die Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sowohl bei der Angabe einer absoluten als auch einer relativen Zahl unter bodenrechtlichen Gesichtspunkten, die für die Auslegung der durch § 9 BauGB eröffneten Festsetzungsmöglichkeiten leitend zu sein haben, Sinn ergibt. Mit der Angabe einer absoluten Zahl lässt sich vor allem das städtebauliche Ziel einer einheitlichen Struktur des Gebiets in Bezug auf die Wohnform (z.B. Ein- und Zweifamilienhäuser) erreichen. Die Begrenzung der Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden durch Angabe einer relativen Zahl ist dagegen eher ein Instrument, mit dem die Wohn- oder Besiedlungsdichte eines Gebiets gesteuert werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.10.1998 - 4 C 1.97 -, BVerwGE 107, 256 = ZfBR 1999, 43 = BauR 1999, 148 = juris Rn. 17 f.).

Hier hat die Antragsgegnerin die Vorgabe von absoluten Zahlen gewählt, die im Einzelnen von weiteren Faktoren wie Gebäudetyp, Standort und Ausrichtung auf dem Grundstück sowie Lage der Wohngebäude zueinander abhängen. Bezüglich der Wohnform will die Antragsgegnerin die Errichtung größerer Mehrfamilienhäuser wie das Vorhaben der Antragstellerin mit 16 WE verhindern, da dieses Vorhaben die "bisherige kleinteilige Bebauung mit Gebäuden der Hauptnutzung" unterbräche (Planbegr. S. 12). Stattdessen will sie die Kleinteiligkeit der Bebauung im Plangebiet erhalten und gleichzeitig eine moderate Nachverdichtung zulassen (vgl. Planbegr. S. 16). Es geht also auch um eine Steuerung der Wohn- oder Besiedlungsdichte. Beide Zielsetzungen sind im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB - wie oben ausgeführt - zulässig. Dass eine absolute Zahl nicht auch zur Steuerung der Wohndichte verwendet werden dürfte, lässt sich der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen.

Mit der weiteren Abstufung der maximal zulässigen Zahl der Wohneinheiten pro Wohngebäude je nach gewähltem Gebäudetyp (Einzelhaus, Doppelhaus, Hausgruppe) bewegt sich die Antragsgegnerin noch in dem von der Ermächtigungsgrundlage gesteckten Rahmen. Bei dieser Differenzierung verwendet sie im öffentlichen Baurecht anerkannte Gebäudetypen, die § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO zur Definition der offenen Bauweise verwendet. Was unter Doppelhaus bzw. Hausgruppe im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift zu verstehen ist, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.3.2015 - 4 B 65.14 -, ZfBR 2015, 702 = BRS 83 Nr. 112 = juris Rn. 6). Diese Differenzierung dient auch einem städtebaulichen Ziel, da damit die maximal zulässige Anzahl von Wohneinheiten in einem als Einheit erscheinenden, wenn auch sich im Falle des Doppelhauses und der Hausgruppe auf mehrere Baugrundstücke erstreckenden Baukörper gesteuert wird (vgl. auch OVG NRW, Beschl. v. 12.3.2001 - 7 B 290/01 -, BauR 2001, 1238 = BRS 64 Nr. 65 = juris Rn. 4 f.). Hinzu kommt, dass bei einer Bebauung mit Doppelhäusern und Hausgruppen typischerweise ohnehin eine höhere Wohn- und Besiedlungsdichte vorliegt als bei einer Bebauung mit Einzelhäusern. Daraus kann ein im Rahmen der Zielsetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB liegender städtebaulicher Bedarf folgen, eine weitere Verdichtung durch eine stärkere Beschränkung der Zahl der Wohneinheiten zu begrenzen.

Soweit die Antragsgegnerin eine weitere Abstufung der maximal zulässigen Anzahl der Wohneinheiten in Einzel- und Doppelhäusern dahingehend vorgenommen hat, dass zwischen Wohngebäuden der "Vorderhausbebauung (Gebäude in erster Reihe zu den öffentlichen Erschließungsstraßen) im Bereich einer Bautiefe der Grundstücke von maximal 26 m zur Straße hin" und Wohngebäuden der "Hinterhausbebauung", definiert als die der Vorderhausbebauung "nachfolgenden Reihen", unterschieden wird, ist dies nicht mehr von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt. Zwar ist eine Aufteilung der Baugrundstücke in Bereiche mit intensiverer und geringerer Nutzung dem öffentlichen Baurecht nicht fremd und ließe sich auch durch eine Unterteilung des Plangebiets in Bereiche mit unterschiedlichen Ausnutzungsmöglichkeiten erreichen. Die Anknüpfung der baulichen Nutzung an eine Vorder- bzw. Hinterhausbebauung, die nicht mit der festgesetzten Bautiefe korreliert, lässt sich dagegen in der gewählten Form mithilfe des planungsrechtlichen Instrumentariums nicht abbilden. Bereits die verwendeten Begrifflichkeiten "Vorderhaus-" bzw. "Hinterhausbebauung" werden zwar im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet, entspringen aber nicht dem öffentlichen Baurecht. Anders als bei den verschiedenen Gebäudetypen fehlt es an einem Anknüpfungspunkt in einer rechtlichen Regelung. Hinzu kommt entscheidend, dass für die an die Unterscheidung von "Vorder-" bzw. "Hinterhausbebauung" anknüpfenden Festsetzungen keine mit den Zielsetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB kompatiblen bodenrechtlichen oder städtebaulichen Gesichtspunkte streiten. Diese Festsetzungen führen dazu, dass es nicht einen definierten Bereich mit der für die Vorderhausbebauung geltenden Wohnungszahlbegrenzung gibt, sondern dass sich die Vorderhausbebauung im Sinne der Festsetzung weit von der Erschließungsstraße zurückziehen kann. Erst ab vollständiger Lage hinter der 26-m-Linie ist sie im Hinblick auf die zugelassene Wohnungszahl wie eine Hinterhausbebauung zu behandeln (Umkehrschluss aus TF 1.1. Satz 1). Es wäre angesichts dessen auch möglich, dass ein Gebäude mit der für Vorderhausbebauung zulässigen Wohnungshöchstzahl auf Höhe mit oder sogar hinter der Hinterhausbebauung des Nachbargrundstücks liegt. Zusätzlich hängt die höchstzulässige Wohnungsanzahl nach den Planfestsetzungen bis zu einer Bautiefe von 26 m von der Ausrichtung des Gebäudes zur Straße ab (vgl. TF 1.1. Satz 5). Eine städtebauliche Ordnung dergestalt, dass die Intensität der Wohnnutzung mit der Entfernung von der Erschließungsstraße abnimmt, was dem im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB anerkannten städtebaulichen Ziel der Steuerung der Wohn- und Besiedlungsdichte dienen könnte, wird damit nicht gefördert. Auch die Bestimmung einer Struktur des Baugebiets kann so schon im Ausgangspunkt nicht gelingen. Damit aber dient die Festsetzung insoweit nicht mehr den von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckten Zielen und überschreitet die rechtlichen Grenzen der Ermächtigungsgrundlage. Es entsteht der Eindruck, dass die Antragsgegnerin sich weniger von städtebaulichen Aspekten leiten ließ, sondern vielmehr versucht hat, den uneinheitlichen Bestand abzubilden. Hierfür spricht auch die Ausnahmeregelung der TF 1.1. Satz 2.

Der Mangel der Planung führt zur Gesamtunwirksamkeit des angegriffenen Plans. Ein anderes Ergebnis käme nur unter der Voraussetzung einer Teilbarkeit des Plans in Betracht, die vorläge, wenn der Plan auch ohne die fraglichen Festsetzungen noch ein sinnhaftes Ganzes ergäbe und wenn mit Sicherheit anzunehmen wäre, dass die Antragsgegnerin ihn, hätte sie von der Unwirksamkeit der Festsetzungen gewusst, auch ohne diese beschlossen hätte. Dabei genügt es für die Annahme der Teilbarkeit nicht, dass der Rat der Antragsgegnerin der Teilwirksamkeit des Plans im Zweifel den Vorzug vor dessen Gesamtunwirksamkeit gegeben hätte. Bereits wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass der Rat den Plan in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der tatsächlich gefundenen Lösung auch in anderen Teilen geändert hätte, fehlt es an der Teilbarkeit (Senatsurt. v. 13.5.2022 - 1 KN 62/20 -, BauR 2022, 1329 = DVBl 2022, 1103 = juris Rn. 55).

Gemessen hieran ist der Plan nicht teilbar. Reduziert auf die Vorgabe einer absoluten Zahl für einzelne Gebäudetypen ergeben die Festsetzungen zur höchstzulässigen Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden kein sinnhaftes Ganzes, stünden doch für die Gebäudetypen Einzel- und Doppelhaus zwei absolute Zahlen zur Auswahl. Fallen damit sämtliche Festsetzungen der TF 1.1. weg, bleibt auch für den Erhalt des Plans hinsichtlich der TF 2.1. kein Raum. Abgesehen davon, dass nichts dafür vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass die Antragsgegnerin auch bei Wegfall der Festsetzungen zur höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden an der Festsetzung zur maximalen Zufahrtsbreite pro Grundstück hätte festhalten wollen, stellt sich auch die Frage der Abwägungsgerechtigkeit der letztgenannten Festsetzung, wenn - nach Wegfall der TF 1.1. - die Errichtung von Mehrfamilienhäusern mit entsprechendem Stellplatzbedarf zulässig wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 analog, § 709 S. 2, § 711 S. 1 und 2 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Normenkontrollverfahren wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Prof. Dr. Lenz
Dr. Tepperwien
Glowienka