Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.02.2024, Az.: 14 LA 71/23

Rückzahlung eines auf vertraglicher Grundlage gewährten Stipendiums

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.02.2024
Aktenzeichen
14 LA 71/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10415
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0205.14LA71.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 18.04.2023 - AZ: 4 A 42/21

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 18. April 2023 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg.

Der Kläger, Rechtsnachfolger der Niedersächsischen Akademie für Brand- und Katastrophenschutz (NABK), begehrt vom Beklagten die Rückzahlung eines auf vertraglicher Grundlage gewährten Stipendiums in Höhe von 21.000,00 Euro nebst Zinsen ab dem 28. Oktober 2020 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für ein Studium des Studiengangs Bauingenieurwesen an der F. Hochschule mit feuerwehrtechnischer Zusatzausbildung. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, an den Kläger 21.000,00 Euro nebst Zinsen ab dem 14. November 2020 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen. Die - hinsichtlich der Zinsen - weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das angefochtene Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen der vom Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO teilweise schon nicht in einer § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt sind und im Übrigen nicht vorliegen.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, Beschl. v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 -, juris Rn. 32 und v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 -, juris, Rn. 10; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 206 jeweils m.w.N.). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann ein Berufungszulassungsantrag nur dann Erfolg haben, wenn für jedes der die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts selbständig tragenden Begründungselemente ein Zulassungsgrund dargelegt worden ist und vorliegt (NdsOVG, Beschl. v. vom 28.6.2022 - 10 LA 234/20 -, juris Rn. 2, u. v. 1.8.2022 - 10 LA 14/22 -, juris Rn. 3 m.w.N.).

Nach diesem Maßstab begründen die Einwände des Beklagten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der gewährten 21.000,00 Euro (nebst Zinsen) aus § 10 Satz 2 des Stipendienvertrages hat.

Der mit "Nebenabreden" überschriebene § 10 des Stipendienvertrages lautet wie folgt:

Der Stipendiat verpflichtet sich, nach Abschluss des Studiengangs Bauingenieurwesen (Wasser- und Tiefbau) mit feuerwehrtechnischer Zusatzausbildung ein gegebenenfalls ausgesprochenes Einstellungsangebot der NABK anzunehmen. Soweit die Beschäftigungsdauer an der NABK den Zeitraum, für den die Stipendienzahlung erfolgen, unterschreitet, ist die NABK insoweit zur Rückforderung berechtigt.

Unstreitig hat der Beklagte das Einstellungsgebot des Klägers vom 29. September 2020, wonach der Beklagte im Niedersächsischen Landesdienst auf einem mit der Besoldungsgruppe A 10 vergüteten Dienstposten am Standort G. beschäftigt werden sollte, nicht angenommen.

Anders als der Beklagte meint, steht der Rückforderung nicht entgegen, dass dem Beklagten das Einstellungsangebot erst nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums unterbreitet wurde. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend ausgeführt, dass sich eine Verpflichtung des Klägers, dem Beklagten bereits (deutlich) vor Abschluss seines Studiums ein Einstellungsangebot zu unterbreiten, nicht aus dem Stipendiumsvertrag ergibt.

Es handelt sich hier auch nicht - wie der Beklagte geltend macht - um eine unklare Regelung. Vielmehr regelt der Vertrag gerade nicht, dass ein Einstellungsangebot bereits (deutlich) vor Abschluss des Studiums unterbreitet werden muss. Eine zeitliche Vorgabe hierzu enthält der Vertrag gerade nicht. Damit kann ein Einstellungsangebot (auch) nach Abschluss des Studiums erfolgen. Grundsätzlich muss der Kläger auch wissen, dass der Stipendiat sein Studium und die Zusatzausbildung abgeschlossen hat, um mit ihm tatsächlich planen und ihm eine freie Stelle anbieten zu können. Den Stipendiaten, die ihre Ausbildung finanziert bekommen haben, ist es im Austausch für diese Leistung auch ohne Weiteres zumutbar, nach dem Abschluss ihres Studiums einen gewissen Zeitraum bis zu einem eventuellen Stellenangebot des Klägers zu überbrücken.

Auch aus dem Sinn und Zweck des Stipendienvertrages ergibt sich nichts anderes. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich schon aus der Präambel erschließt, dass die Stipendiumsverträge dem Zweck dienen, für das Land Niedersachsen feuerwehrtechnische Nachwuchskräfte zu gewinnen. Hierfür wendet das Land Niedersachsen erhebliche Finanzmittel auf. Als Gegenleistung für die Mittelgewährung verpflichten sich die Stipendiaten, die Ausbildung zu absolvieren und nach Abschluss dieser Ausbildung ein gegebenenfalls ausgesprochenes Einstellungsangebot des Klägers anzunehmen (vgl. bereits NdsOVG, Beschl. v. 2.4.2019 - 4 LA 235/18 -, juris Rn. 10). Zweck der Verträge ist es dagegen nicht - wie der Beklagte aber meint -, den Stipendiaten Sicherheit für ihre Lebensplanung nach dem Studium zu bieten.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es den Stipendiaten nicht zugemutet werden kann, nach Mitteilung über den erfolgreichen Abschluss ihres Studiums und des Zusatzlehrgangs auf unbestimmte Zeit auf eine Nachricht des Klägers warten zu müssen. Dabei braucht hier nicht entschieden werden, ob für das Einstellungsangebot die dreimonatige Ausschlussfrist des § 11 Abs. 1 des Stipendiumsvertrages zugrunde zu legen ist, oder ob der Kläger auf die Mitteilung des Stipendiaten, dass das Studium sowie die Zusatzausbildung abgeschlossen sind, unter Berücksichtigung des Interesses des Stipendiaten, möglichst schnell wieder seinen Lebensunterhalt zu sichern, unverzüglich reagieren muss und die Drei-Monats-Frist nur die maximale Obergrenze darstellt. Der Kläger hat hier auf die Mitteilung des Beklagten, sein Studium am 28. September 2020 erfolgreich abgeschlossen zu haben, unverzüglich reagiert, indem er bereits mit Schreiben vom 29. September 2020, dem Beklagten zugegangen am 1. Oktober 2020, ein Einstellungsangebot unterbreitet hat. Eine Wartezeit von lediglich drei Tagen ist auch bei Anwendung eines strengen Maßstabs in jedem Fall zumutbar.

Unerheblich ist der Einwand des Beklagten, anderen Stipendiaten sei bereits vor Abschluss des Studiums ein Einstellungsangebot unterbreitet worden. Maßgeblich ist die vertragliche Regelung zwischen dem Beklagten und dem Kläger. Eine Selbstbindung des Klägers an eine Verwaltungspraxis könnte sich allenfalls ergeben, wenn es keine vertragliche Regelung gebe und die Ausgestaltung allein in seinem Ermessen stünde.

Es kommt auch nicht darauf an, ob und bei wem der Beklagte sich vor Abschluss seines Studiums erkundigt haben will, ob ihm ein Einstellungsangebot unterbreitet werden wird. Der Kläger ist - wie ausgeführt - zur Unterbreitung eines Stellenangebotes vor Abschluss des Studiums nicht verpflichtet.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen der von dem Beklagten geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage entweder schon auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden oder aber (ggf. ergänzend) auf der Basis bereits vorliegender Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 127, 142 ff., 149 und 151 ff.).

In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht vor.

Der Beklagte wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

ob nach dem formularmäßig verwendeten Stipendiumsvertrag des Klägers das Einstellungsgebot vor oder nach erfolgreichem Abschluss des Studiums nebst feuerwehrtechnischer Zusatzausbildung vorliegen muss.

Die Frage ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Sie ist vielmehr - wie bereits unter 1. ausgeführt - aus dem Stipendiumsvertrag selbst eindeutig dahin zu beantworten, dass es ausreichend ist, wenn der Kläger ein Einstellungsangebot nach dem (mitgeteilten) Abschluss des Studiums nebst Zusatzangebotes unterbreitet.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).