Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.02.2024, Az.: 1 LA 88/23

Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO an eine verdichtete Wohnbebauung in Wohngebieten und an die offenen Bauweise; Vorrang des aus den Planfestsetzungen ersichtlichen Willens des Plangebers vor den tatsächlichen Verhältnissen bei Bestimmung der Eigenart des Baugebiets nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.02.2024
Aktenzeichen
1 LA 88/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0216.1LA88.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 25.05.2023 - AZ: 2 A 160/21

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zu den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO an eine verdichtete Wohnbebauung in Wohngebieten und den Anforderungen der offenen Bauweise (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO).

  2. 2.

    Auch bei Bestimmung der Eigenart des Baugebiets nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO kommt dem aus den Planfestsetzungen ersichtlichen Willen des Plangebers Vorrang vor den tatsächlichen Verhältnissen zu (Anknüpfung an Senatsbeschl. v. 24.2.2022 - 1 ME 186/21 -, BauR 2022, 743 = juris Rn. 6).

  3. 3.

    § 7 NBauO ist nicht nachbarschützend.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 2. Kammer - vom 25. Mai 2023 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von vier Mehrfamilienhäusern auf einem seinem Wohnhaus benachbarten Grundstück; er meint, die Dimensionierung des Vorhabens sowie die Anordnung namentlich von Balkonen und Dachterrassen zu seinem Grundstück hin verletzten seine Nachbarrechte.

Das Vorhaben soll auf einem 9.470 m2 großen, vormals teils mit dem Gebäude einer Klinik bebauten, im Übrigen parkartig angelegten Grundstück westlich der H.-Straße im Stadtgebiet der Beklagten errichtet werden. Westlich des Vorhabengrundstücks lag ursprünglich ein ca. 1,7 ha großes Villengrundstück ("G. -Grundstück"). Nach Abriss der dortigen Villa erließ die Beklagte im Jahr 2011 für dieses Grundstück, das Grundstück der damals schon aufgegebenen Klinik sowie einige nördlich davon gelegene Privatgrundstücke die 6. Änderung des für das Gebiet bisher geltenden Bebauungsplans. Das Klinikgrundstück setzte sie als Allgemeines Wohngebiet (WA), den Nordosten des G. -Grundstücks als Reines Wohngebiet (WR1) fest. Für das WA ist die offene Bauweise, für das WR1 eine Einzelhausbebauung sowie zwei Wohnungen je Gebäude festgesetzt. Für beide Gebiete gilt eine zweigeschossige Bauweise, für das WR1 zusätzlich eine Höhenbegrenzung von 9,5 bzw. 9,8 m über (Bau-)Straßenniveau. Die Grund- und Geschossflächenzahl ist im WR1 auf 0,3/0,6, im WA auf 0,4/0,8 festgesetzt. Das mit einem großzügigen Einfamilienhaus bebaute Grundstück des Klägers liegt am Ostrand des festgesetzten WR1 und grenzt unmittelbar an die Westseite des Vorhabengrundstücks an.

Das unter dem 3. März 2021 genehmigte Vorhaben umfasst insgesamt vier im Westen des Grundstücks nach Art eines nach Norden offenen Hufeisens angeordnete Gebäude mit je zwei Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss sowie insgesamt 62 Wohneinheiten. Das in Nord-Süd-Richtung ausgerichtete Haus D soll in einem Abstand von ca. 7-8 m - gemessen an der Brüstung des obersten Vollgeschosses - entlang der nördlichen Westgrenze des Grundstücks errichtet werden. Südlich schließt mit einem inneren Abstand von ca. 6 m sich das in Ost-West-Richtung ausgerichtete Haus C an, das zur westlichen Grundstücksgrenze einen Grenzabstand von ca. 5 m hält. Das Gelände zwischen Haus D und Haus C fällt nach Westen ab. Ausweislich des Abstandsflächenplans hat dies zur Folge, dass die abstandsrechtlich maßgeblichen Gebäudehöhen bei gleichbleibender Brüstungshöhe zunehmen und die Abstandsflächen sich im Westen des Gebäudezwischenraums auf einer Länge von bis zu 5 m um bis zu ca. 40 cm überschneiden. Hierfür erteilte die Beklagte eine Abweichung von § 7 Abs. 1 NBauO. Haus D weist zur westlichen Grundstücksgrenze zahlreiche Balkone auf; auf dieser Gebäudeseite sind ferner sowohl auf dem oberen Vollgeschoss von Haus D als auch dem von Haus C mehrere Dachterrassen angeordnet.

Die vom Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Vorhaben verletze keine Nachbarrechte des Klägers. Die Grenzabstände zu seinem Grundstück seien eingehalten. Die Abweichung von § 7 Abs. 1 NBauO verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Da § 7 Abs. 1 NBauO nicht drittschützend sei, könne der Kläger nur die Berücksichtigung öffentlich-rechtlich geschützter nachbarlicher Belange bei der Ermessensentscheidung über die Abweichung einfordern, diese mithin nur mit der Begründung angreifen, die Baumaßnahme beeinträchtige ihn unzumutbar. Das sei hier nicht der Fall. Ob die Abweichungsentscheidung formell rechtmäßig sei und ob eine Atypik die Abweichung rechtfertige, könne dahinstehen. Auf den Gebietserhaltungsanspruch könne der Kläger sich nicht berufen, da sich die genehmigte Nutzungsart im Rahmen der Planfestsetzungen halte. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung seien nicht drittschützend. Der Planbegründung lasse sich eine drittschützende Zielsetzung nicht entnehmen. Ein Austauschverhältnis im Sinne der "Wannsee"-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne einen Drittschutz schon deshalb nicht vermitteln, weil der Bebauungsplan hier - anders als im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall - aus einer Zeit stamme, in der die Voraussetzungen, unter denen eine Gemeinde Festsetzungen mit Drittschutz versehen könne, bereits allgemein bekannt gewesen seien. Die Festsetzung zur (offenen) Bauweise sei, unabhängig davon, ob ihr Drittschutz zukomme, eingehalten. Das Vorhaben halte Abstand zu den seitlichen Grundstücksgrenzen. In welchem Maß dies geschehen müsse, regele nicht der Bebauungsplan, sondern das Bauordnungsrecht. Einen aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO herzuleitenden Gebietsprägungserhaltungsanspruch könne der Kläger nicht geltend machen, da sein Wohngrundstück - erstens - nicht im selben Baugebiet wie das Vorhabengrundstück liege und - zweitens - die geplante Wohnnutzung der gebietstypischen Nutzungsart "Wohnen" entspräche. Aus der Zahl und Größe der genehmigten Wohneinheiten folge nichts anderes, zumal sich in der Umgebung weitere Mehrfamilienhäuser und eine große Pflege- und Altenwohnanlage fänden. Das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme werde beachtet. Dies werde durch die Einhaltung der Grenzabstände indiziert, ein Ausnahmefall sei hier nicht ersichtlich. Erdrückende Wirkung entfalte das Vorhaben nicht. Unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten würden trotz der bodentiefen Fenster und Balkone nicht geschaffen. In bebauten innerstädtischen Bereichen seien erhöhte Einsichtsmöglichkeiten zu erwarten; ihnen sei durch bauliche Selbsthilfe zu begegnen. Auf der Ostseite des Klägergrundstücks befinde sich eine Mauer. Die Terrasse der Kläger sei 7,80 m von der Grundstücksgrenze entfernt, die im ersten Stock des Hauses D angeordneten Balkone hielten ebenfalls Abstand von der Grundstücksgrenze. Die Dachterrassen seien nur teilweise in der Nachbarschaft des Klägergrundstücks gelegen; die von dort eröffneten Einsichtsmöglichkeiten seien zumutbar.

II.

Der dagegen gerichtete, auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel und grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann dargelegt, wenn es dem Rechtsmittelführer gelingt, wenigstens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angegriffenen Entscheidung derart mit plausiblen Gegenargumenten in Frage zu stellen, dass sich dadurch etwas am Entscheidungsergebnis ändern könnte. Überwiegende Erfolgsaussichten sind nicht erforderlich; es genügt, wenn sich diese auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens als offen erweisen. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

a)

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verletze das Vorhaben einen Gebietsprägungserhaltungsanspruch, auf den er sich berufen könne. Unabhängig davon, ob sich der Kläger als Bewohner des WR1 gegenüber dem im WA geplanten Vorhaben auf einen Gebietsprägungserhaltungsanspruch berufen kann, fehlt es hier bereits an dem dafür jedenfalls nötigen objektiven Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO. Dieser läge nur vor, wenn das Vorhaben, das vordergründig der für das Gebiet festgesetzten Nutzungsart entspricht, im Einzelfall nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspräche. Ob in diesem Zusammenhang die Eigenart eines Wohngebietes überhaupt die Kubatur der Wohngebäude oder die Anzahl der Wohnungen je Wohngebäude umfassen kann, ist zweifelhaft (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2023 - 1 ME 132/22 -, NVwZ 2023, 1024 = juris Rn. 8), kann hier aber dahinstehen. Denn für das Gebiet der ehemaligen Klinik lässt sich ein auf Einfamilien- oder kleinere Mehrfamilienhäuser beschränkter Gebietscharakter nicht erkennen. Bei der Bestimmung der konkreten Eigenart des Baugebiets sind zwar die bei der Planung vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse als "Kontext" der Planung zu berücksichtigen. Vorrang gebührt jedoch dem in den Planfestsetzungen zum Ausdruck gekommenen planerischen Willen der Gemeinde; denn § 15 BauNVO ist kein Instrument zur Korrektur ihrer Planungsabsichten (vgl. zu § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Senatsbeschl. v. 24.2.2022 - 1 ME 186/21 -, BauR 2022, 743 = juris Rn. 6). Hier ist bereits die bei Planänderung im Jahr 2011 vorgefundene Situation kein Indiz für einen auf kleine Nutzungseinheiten beschränkten Gebietscharakter - die Vorgängernutzung des Grundstücks war die einer Klinik in einem Gebäude, das in seinen Ausmaßen immerhin einer Verbindung der geplanten Häuser A und B entsprach und daher - auch wenn nach dem Vortrag des Klägers kein Notaufnahmebetrieb stattfand - mit erheblichem Publikumsverkehr verbunden gewesen sein dürfte. Entscheidend ist aber: Weder die konkreten Planfestsetzungen noch die Planbegründung geben hinreichende Anhaltspunkte für eine Absicht der Beklagten, dem Gelände den Charakter eines weniger intensiv als nun vorgesehen genutzten Gebiets zu geben. Gerade der Umstand, dass - im auffälligen Gegensatz zum WR1 - keine Einzelhausbebauung, keine maximale Gebäudehöhe und keine maximale Wohnungszahl je Gebäude festgesetzt, die Grund- und Geschossflächenzahl erhöht und das Baufenster nicht im Interesse einer kleinteiligen Gebäudestruktur unterbrochen wurde, deutet darauf hin, dass die Beklagte sich hier eine intensivere Nutzung vorgestellt hat. Soweit der Kläger auf Seite 5 der Planbegründung und das dort formulierte Ziel, freistehende Wohngebäude auf großen Baugrundstücken zu entwickeln, anführt, bezieht sich die fragliche Passage auf das G-Grundstück. Die Formulierung auf Seite 8 der Planbegründung:

"Für den Bereich der ehemaligen Klinik wurde entgegen der Festsetzung aus dem Ursprungsplan anstelle der geschlossenen die offene Bauweise festgesetzt. Damit soll eine der näheren Umgebung entsprechende bauliche Entwicklung bzw. Nachnutzung des vorhandenen großzügigen Grundstücks begünstigt werden."

genügt nicht, um einen gegenteiligen Gebietscharakter zu begründen. Der Begriff einer "der näheren Umgebung entsprechenden baulichen Entwicklung" ist dehnbar, zumal die Festsetzung der offenen Bauweise lediglich die Pflicht (und das Recht) des Bauherrn aufhebt, bis unmittelbar an die seitlichen Grundstücksgrenzen heranzubauen und Gebäudekörper von mehr als 50 m Länge zu errichten. Nur für das WR wird anschließend das Ziel formuliert, "den villenartigen Siedlungscharakter der näheren Umgebung aufzunehmen". Zu beachten ist auch, dass auf Seite 7 der Planbegründung bei der Erläuterung der Art der baulichen Nutzung die WA-Festsetzung mit den "perspektivische[n] Nutzungsmöglichkeiten für die ehemalige Klinik" und nur die WR-Festsetzung mit der "geplanten besonderen Wohnruhe" begründet wird. Die Nutzungsdichte relativiert sich im Übrigen deutlich, berücksichtigt man, auf welcher Fläche sie verwirklicht wird. Die 62 auf einer Grundfläche von rd. 9.400 m2 entstehenden Wohneinheiten (1 Wohneinheit je 151 m2) bedeuten keine wesentlich höhere Siedlungsdichte und damit Nutzungsintensität als etwa die 8 Wohneinheiten auf dem rd. 1300 m2 großen Grundstück H. -Straße (1 Wohneinheit je 163 m2). Dass sie sich im Westen des Grundstücks konzentrieren, ist in den im Plan vorgegebenen Baufenstern angelegt.

b)

Auch die vom Kläger angeführten Argumente für einen Verstoß des Vorhabens gegen die Festsetzung der offenen Bauweise im Bebauungsplans führen nicht zur Zulassung der Berufung. Der Kläger argumentiert, die Festsetzung der offenen Bauweise sei hier in Anwendung der "Wannsee"-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 9.8.2018 - 4 C 7.17 -, BVerwGE 162, 363 = juris Rn. 21) drittschützend, da sie die ihr Unterworfenen im Interesse der Herstellung eines bestimmten Gebietscharakters objektiv in ein System wechselseitiger Verpflichtungen einbinde; Nachbarschutz könne unter diesen Voraussetzungen auch in neueren Bebauungsplänen begründet werden, ohne dass ein auf Drittschutz abzielender Wille des Plangebers ersichtlich sein müsse. Die Festsetzung der offenen Bauweise gebiete auch die Einhaltung seitlicher Abstände zwischen mehreren auf dem Baugrundstück selbst errichteten Gebäuden. Der einzuhaltende Abstand bemesse sich nach dem landesgesetzlichen Abstandsflächenrecht, hier nach § 7 NBauO, der hier infolge einer objektiven Rechtswidrigkeit der erteilten Abweichung bzw. deshalb, weil neben der bauordnungsrechtlichen Abweichung nicht auch noch eine Befreiung von der Festsetzung der offenen Bauweise erteilt worden sei, nicht eingehalten sei.

Ernstliche Zweifel begründet diese Argumentationsweise schon deshalb nicht, weil sie dem tragenden Argument des Verwaltungsgerichts (UA S. 18 f.), die Festsetzung der offenen Bauweise i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO regele nur das "Ob" des seitlichen Grenzabstandes, während die Frage des "Wieviel" allein im Bauordnungsrecht geregelt sei, mithin nicht jeder Verstoß gegen die §§ 5 ff. NBauO automatisch einen Verstoß gegen die Festsetzung der offenen Bauweise begründe, keine plausiblen Gegenargumente entgegensetzt (vgl. in diesem Sinne auch Fischer, in: Brügelmann, BauGB, § 22 BauNVO Rn. 122, Stand der Bearbeitung: Oktober 2019). Der Hinweis darauf, dass die bauplanungsrechtliche Regelung des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO mit dem landesrechtlich geregelten Abstandsflächenrecht Hand in Hand gehe, ersetzt diese Diskussion nicht.

Unabhängig davon widerspricht die Sichtweise des Klägers, die Festsetzung der offenen Bauweise zwinge zur Einhaltung von Grenzabständen zwischen Baukörpern auf dem Baugrundstück selbst, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat entschieden, dass die Regelung der Bauweise allein die Anordnung der Gebäude auf einem Baugrundstück im Verhältnis zu den Nachbargrundstücken betrifft (BVerwG, Beschl. v. 31.1.1995 - 4 NB 48.93 -, NVwZ 1995, 696 = BRS 57 Nr. 23 = juris Rn. 22). Soweit - wie der Kläger betont - im weiteren Verlauf dieser Entscheidung ausgeführt wird, dass auf einem in offener Bauweise bebaubaren Grundstück auch mehrere Einzelhäuser stehen dürften, "soweit sie die erforderlichen seitlichen Grenzabstände einhalten", bezieht sich dies gerade auf die Grenzabstände, d.h. die Abstände zur Grundstücksgrenze, nicht auf interne Gebäudeabstände.

Schließlich kann aus dem Umstand, dass sowohl für das WA als auch für das WR1 - in unterschiedlicher Ausprägung - die offene Bauweise festgesetzt ist, nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass der Plangeber mit der Festsetzung dieser Bauweise - auch soweit sie (unterstelltermaßen) landesrechtlich bestimmte innere Grenzabstände vorsieht - gerade die Grundstücke im WA und im WR1 zu einer "Schicksalsgemeinschaft" verbunden hätte. Dies lässt sich auch nicht in Verbindung mit der bereits unter a) zitierten Aussage auf Seite 8 der Planbegründung feststellen. Der Umfang der näheren Umgebung, auf die auf Seite 8 der Planbegründung Bezug genommen wird, ist nicht näher bezeichnet, nicht erkennbar auf das Plangebiet beschränkt und liegt mit Blick auf die Weitläufigkeit der das Plangebiet umgebenden Villenbebauung auch nicht auf der Hand. Insoweit fehlt es bereits an der zur Begründung eines Drittschutzes erforderlichen Konkretisierbarkeit des Begünstigten- und Verpflichtetenkreises. Dass, wie unter a) ausgeführt, WA und WR1 insgesamt sehr unterschiedlichen Festsetzungen unterworfen sind und aus der Planbegründung auch unterschiedliche Zielvorstellungen für diese Gebiete hervorgehen, tritt hinzu. Das auf Seite 6 der Planbegründung dargestellte "Bebauungs- und Erschließungskonzept" vermag die Annahme, der Plangeber habe einen einheitlichen Gebietscharakter herstellen wollen, ebenfalls nicht zu rechtfertigen; dieses zeigt für das I. -Gelände zwar eine Nutzungsvorstellung auf; für das Gelände der ehemaligen Klinik wird jedoch lediglich der Altbaubestand wiedergegeben, dessen Fortführung zum Planungszeitpunkt erklärtermaßen - dies zeigen schon die weit darüber hinausgehenden Baufenster - nicht mehr im Raum stand. Für diesen Bereich enthält das Konzept mithin nur nachrichtliche Darstellungen, hingegen keine Planungsvorstellungen.

c)

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich auch, dass die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, namentlich zur nach Auffassung des Klägers verletzten Zweigeschossigkeit sowie zur Grund- und Geschossflächenzahl, und zu den überbaubaren Grundstücksflächen, namentlich zu derjenigen Baugrenze, von der eine nach Auffassung des Klägers rechtswidrige Befreiung erteilt wurde, hier nicht ausnahmsweise nachbarschützend sind. Eine planerische Absicht, einem das Vorhaben- und das Klägergrundstück einschließenden abgrenzbaren Gebiet einen über Ausnutzungskennziffern und Baugrenzen bewirkten einheitlichen Gebietscharakter zu verleihen, ist nicht erkennbar. Das auf eine objektive Verletzung dieser Festsetzungen abzielende Zulassungsvorbringen ist damit nicht entscheidungserheblich.

d)

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die der Beigeladenen erteilte Abweichung von § 7 Abs. 1 NBauO verletze seine Nachbarrechte. Da, wie unter b) ausgeführt, nicht von der Festsetzung der offenen Bauweise, sondern von der - nicht nachbarschützenden (Breyer, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 10. Aufl. 2020, § 7 Rn. 8) - bauordnungsrechtlichen Vorgabe eines bestimmten inneren Gebäudeabstands auf dem Baugrundstück abgewichen wird, hat das Verwaltungsgericht seine Prüfung zu Recht darauf beschränkt, ob bei der Betätigung des Abweichungsermessens nachbarliche Belange des Klägers fehlerhaft gewürdigt wurden, was es zutreffend nur für den Fall für möglich gehalten hat, dass die mit der Abweichung ermöglichte Bebauung sich dem Kläger gegenüber als rücksichtslos darstellt (vgl. Senatsbeschl. v. 19.1.2023 - 1 ME 132/22 -, NVwZ 2023, 1024 = juris Rn. 14). Das hat der Kläger auch mit seinem die Abweichung von einer nicht drittschützenden Norm unterstellenden Zulassungsvorbringen (S. 25 f.) nicht dargelegt. Soweit er meint, die seine Belange beeinträchtigende Abweichung sei deshalb rücksichtslos, weil für sie keinerlei tragfähige Gründe sprächen, ist ihm nicht zu folgen. Die einzige von seinem Grundstück aus wahrnehmbare Abweichung - die vom internen Gebäudeabstand zwischen den Gebäuden C und D - ist jedenfalls im Ansatz durch die Besonderheit des topographisch sehr unregelmäßigen Geländes gerechtfertigt.

e)

Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben wahre mit Blick auf die von ihm geschaffenen Einsichtsmöglichkeiten auf das Klägergrundstück das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die - hier mehr als komfortable - Einhaltung der Grenzabstände eine Zumutbarkeit der in innerörtlichen Lagen grundsätzlich zu erwartenden Einsichtsmöglichkeiten indiziere. Der Hinweis des Klägers auf die privilegierte Wohnlage seines Hauses übergeht, dass der Plangeber, der diese geschaffen hat, ihr gleichzeitig durch die Anordnung eines grenznah zu seinem Grundstück gelegenen Baufensters und die Ermöglichung einer breitfrontigen zweigeschossigen Bebauung ohne Höhenbegrenzung in diesem Baufenster Grenzen gesetzt hat. Soweit der Kläger auf die Vielzahl der an der Westseite des Hauses D angeordneten Balkone und der auf den Häusern C und D vorgesehenen Dachterrassen verweist, hat das Verwaltungsgericht diesen Vortrag bereits zutreffend relativiert: Nur ein Teil dieser Aussichtsmöglichkeiten liegt in der Nähe des Klägergrundstücks, die Einsichtsmöglichkeiten von den Balkonen sind nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts bereits jetzt durch eine Mauer auf dem Klägergrundstück beschränkt und die in besonderem Maße sensiblen Bereiche des Klägergrundstücks liegen von der Grundstücksgrenze ein gutes Stück entfernt. Dass die geplanten Dachterrassen "überdimensioniert" wären, lässt sich den Bauplänen nicht entnehmen. Als erdrückende Riegelbebauung, die auf dem Klägergrundstück eine "Gefängnishofatmosphäre" schaffen würde, stellen sich die Häuser C und D des Vorhabens ebenfalls - bei weitem - nicht dar.

2.

Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter d), wonach der Kläger nicht umfassend die objektive Rechtmäßigkeit der erteilten Abweichung von § 7 Abs. 1 NBauO, sondern lediglich die angemessene Berücksichtigung seiner öffentlich-rechtlich geschützten Interessen bei der Ermessensentscheidung einfordern kann, wären die als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Fragen nach den Voraussetzungen und der Normstruktur des § 66 NBauO in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).