Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.02.2024, Az.: 14 OB 28/24

Unzulässigkeit der Berichtigung des Aktivrubrums nach § 118 Abs. 1 VwGO aus Anlass einer Änderung der Rechtsauffassung über die Zulässigkeit einer subjektiven Klageänderung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.02.2024
Aktenzeichen
14 OB 28/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 10473
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:0206.14OB28.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 22.12.2023 - AZ: 4 A 4207/22

Fundstellen

  • FA 2024, 113
  • FA 2024, 153

Amtlicher Leitsatz

Eine Berichtigung des Aktivrubrums nach § 118 Abs. 1 VwGO aus Anlass einer Änderung der Rechtsauffassung über die Zulässigkeit einer subjektiven Klageänderung ist unzulässig.

Tenor:

Auf die Beschwerde wird der Berichtigungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Berichterstatter der 4. Kammer - vom 22. Dezember 2023 aufgehoben.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2023, mit dem das Aktivrubrum des Hauptsacheerledigungsbeschlusses vom 11. August 2023 dahingehend geändert wurde, dass als Klägerin nur noch die unter Ziffer 1. genannte Klägerin geführt wird und die Kläger zu 2. bis 4. gestrichen werden, weil diese nicht Kläger seien, ist rechtswidrig und daher aufzuheben.

Es kann dahinstehen, ob der elektronisch abgefasste Berichtigungsbeschluss bereits deswegen aufzuheben ist, weil er entgegen § 118 Abs. 2 Satz 3 VwGO nicht mit dem - ebenfalls elektronisch abgefassten - Hauptsacheerledigungsbeschluss verbunden worden ist.

Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine Berichtigung nicht vor.

Nach der gemäß § 122 Abs. 1 VwGO für Beschlüsse entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 118 Abs. 1 VwGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Berichtigt werden können alle Bestandteile der Entscheidung und damit grundsätzlich auch das Rubrum. Unrichtig ist ein Rubrum, wenn dem Gericht bei dessen Formulierung ein Erklärungsirrtum unterlaufen ist, wenn also das Gewollte und das Erklärte auseinanderfallen. Erfasst werden nur Irrtümer in der Umsetzung der getroffenen Erklärung und nicht Fehler in der Willensbildung. Inhaltlich falsche Entscheidungen können nicht nach § 118 Abs. 1 VwGO berichtigt werden (OVG NRW, Beschl. v. 10.1.2017 - 8 A 2710/13 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Die Unrichtigkeit ist offenbar, wenn sich dieses Auseinanderfallen aus dem Beschluss selbst oder aus den Vorgängen bei seinem Erlass für die Beteiligten ohne Weiteres feststellen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.2.2013 - BVerwG 5 B 100.12 -, juris Rn. 2; Senatsbeschl. v. 31.2.2022 - 14 OA 136/22 - n.v.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 6.4.2021 - 1 L 45/19 -, juris Rn. 2; Bayerischer VGH, Beschl. v. 31.5.2012 - 15 B 10.191 -, juris Rn. 3; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 118 Rn. 3 f.).

Hieran gemessen liegt schon keine Unrichtigkeit des Aktivrubrums des Hauptsacheerledigungsbeschlusses vom 11. August 2023 im Sinne des § 118 Abs. 1 VwGO vor. Denn es handelt sich nicht um einen dem Verwaltungsgericht unterlaufenen Erklärungsirrtum, sondern um einen Fehler in der Willensbildung, der berichtigt werden soll.

Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1. beantragt, das "Aktivrubrum zu berichtigen". Hierbei handelt es sich um eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO in Form der Einbeziehung weiterer Kläger (vgl. hierzu Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 91 Rn. 2). Denn die Kläger zu 2. bis 4. waren zuvor nicht an dem gerichtlichen Verfahren beteiligt im Sinne des § 63 Nr. 1 VwGO. Wer Kläger im Sinne dieser Vorschrift ist, ist Folge der Klageerhebung und wird durch Klage bestimmt (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO 26. Aufl. 2020, § 63 Rn. 3). Der Klageschrift vom 26. September 2022 ist eindeutig zu entnehmen, dass nur die Klägerin zu 1. zunächst Klägerin des Verfahrens sein soll. Erst in Folge des Antrags vom 25. Juli 2023 hat der Berichterstatter am 28. Juli 2023 verfügt, das Aktivrubrum anzupassen. Aufgrund der ebenso im Schriftsatz vom 25. Juli 2023 erklärten Erledigung der Hauptsache hat das Verwaltungsgericht sodann das Verfahren der Kläger zu 1. bis 4. mit Beschluss vom 11. August 2023 eingestellt und über die Kosten entschieden. Das Verwaltungsgericht hat demzufolge auch die Kläger zu 2. bis 4. als Beteiligte im Sinne des § 63 Nr. 1 VwGO angesehen, mithin die mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023 beantragte Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO als zulässig erachtet und auch das Verfahren der Kläger zu 2. bis 4. wegen Erledigung der Hauptsache eingestellt sowie über die Kosten entschieden. Eine Änderung dieser Rechtsauffassung, die erst durch Geltendmachung der Erhöhungsgebühren seitens der Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens ausgelöst wurde, ist im Wege der Berichtigung nach § 118 VwGO nicht möglich.

Ob dagegen die Prozessbevollmächtigte die Erhöhungsgebühren nach Nr. 1008 VV RVG mit Erfolg geltend machen kann, bedarf hier keiner Entscheidung, sondern obliegt zunächst der Prüfung im Kostenfestsetzungsverfahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).