Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.2013, Az.: 1 KN 190/11
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.12.2013
- Aktenzeichen
- 1 KN 190/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 53454
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2013:1209.1KN190.11.0A
Amtlicher Leitsatz
Ein außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs projektierter Lebensmittelmarkt mit 1000 m2 Verkaufsfläche kann im Bereich des Regionalen Raumordnungsprogramms der Region Hannover (2005) nur dann als herausgehobener Nahversorgungsstandort angesehen werden, wenn er im Wesentlichen der Nahversorgung dient (hier verneint). Es bleibt offen, ob ein solcher Markt in Einklang stünde mit dem Konzentrationsgebot des Landes Raumordnungsprogramms Niedersachsen 2008.
Tenor:
Auf Antrag des Antragstellers wird der vom Rat der Antragsgegnerin am 4. Oktober 2011 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 138 "Verbrauchermarkt F." für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 138 "Verbrauchermarkt F.", weil dieser sein benachbartes landwirtschaftlich genutztes Grundeigentum dadurch beeinträchtige, dass seitens des ermöglichten Verbrauchermarktes Abwehrklagen wegen Geruchsimmissionen zu erwarten sein.
Das Plangebiet liegt am südöstlichen Ausgang der Ortschaft F. an der Südwestseite der Hauptstraße (K G.). Dem Antragsteller gehört das unmittelbar westlich anschließende Flurstück 234/77, Flur 12 der Gemarkung F., das zumindest größtenteils im Außenbereich liegt. Auf diesem Grundstück stand zum Zeitpunkt der Begutachtung durch die GEO-Net Umweltconsulting vom Februar 2010 eine Maschinenhalle. Unter deren westlich angebrachten Vordach hielt der Kläger etwa 16 Milchkühe zum Abkalben sowie in der Regel 10 Kälber auf Stroh. Nach seiner Einschätzung erlaubten es die Flächen, dort 40 Tiere zu halten. Außerdem waren auf dem lang gestreckten, nordsüdlich ausgerichteten Grundstück Lagerflächen für Grassilage (südlich der Halle) und Maissilage (nördlich dieser Halle) angelegt.
Die Hofstelle des Antragstellers liegt ca. 200 m nordwestlich des Planbereichs. Der Hof verfügt grundsätzlich über Flächen von ca. 50 ha.
Der Antragsteller übertrug Mitte 2011 den Betrieb auf Pachtbasis auf seinen Neffen (H. I.). Dieser gibt an, die Flächen als Landwirt gewinnbringender und daher erweitert bewirtschaften zu wollen. Eine in den etwa sechs Jahren nach Änderung des Flächennutzungsplanes im Jahre 2006 angekündigte Erweiterung der Tätigkeiten wurde - nach Angaben des Antragstellers: wegen des Generationenwechsels - bislang nicht ins Werk gesetzt. Der Antragsteller macht dazu jetzt geltend, ab dem Jahr 2014 sollten in dem Stall im Winter statt 40 Rindern insgesamt 85 Rinder gehalten werden. Im Sommer, wenn die Rinder auf der Weide seien, solle der Stall für die Mast von 35 Schweinen genutzt werden. Zusätzlich sollten 30-50 Stück Geflügel gehalten werden. Mit dieser Ausstattung sei eine auskömmliche Landwirtschaft möglich.
Die Antragsgegnerin stellte fest, dass die Nahversorgung in ihrer Ortschaft F. möglicherweise gefährdet ist. In der Ortschaft werden an der Südseite der Hauptstraße ein Penny-Markt mit knapp 700 qm Verkaufsfläche sowie ein NP-Markt (Bruchstraße 9, unter 400 qm) betrieben. Die Antragsgegnerin nimmt an, der NP-Markt sei wegen geringer Parkmöglichkeiten und Verkaufsfläche auf Dauer nicht überlebensfähig. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung wird der Markt noch betrieben.
Auf Grund ihrer Gefährdungsprognose änderte die Antragsgegnerin 2006 ihren Flächennutzungsplan und wies einen Standort für großflächigen Einzelhandel südöstlich von F. am Ortsausgang der K G. aus. Dazu wurde ein Gutachten der CIMA eingeholt. Diese stellte dar, dass der Standort für einen Nahversorger ungünstig, weil entfernt von den Wohnquartieren (also nicht fußläufig) gelegen sei. Alternativstandorte wurden erwogen und insbesondere aus verkehrstechnischen Gründen verworfen. Das Gutachten stellte weiter dar, dass die vorgesehene Verkaufsfläche für die Nahversorgung eigentlich überdimensioniert sei. Das Vorhaben werde auch Kaufkraft aus umliegenden Ortschaften abziehen. Das sei aber beabsichtigt, weil diese keinen Vollsortimenter hätten. Darüber hinaus sei damit zu rechnen, dass der NP-Markt im Ortszentrum durch die Neuansiedlung gefährdet wäre (S. 33: "Gefährdet sind dabei die Märkte, die auf kleineren Flächen anbieten ..."), eventuell auch andere kleinere Geschäfte. Die Antragsgegnerin nahm das zur Kenntnis. Vor die Alternative gestellt, entweder die ersatzlose Schließung des NP-Marktes und damit die Existenz der Nahversorgung zu riskieren oder den NP-Markt durch eine Neuansiedlung zu gefährden, entschied sich die Antragsgegnerin für die zweite Variante und beschloss die Änderung des Flächennutzungsplanes in diesem Sinne.
2008 beschloss die Antragsgegnerin, den angegriffenen Bebauungsplan aufzustellen. Die frühzeitige Beteiligung wurde vom 30. März 2009 bis 30. April 2009 durchgeführt. Die Antragsgegnerin legte den Plan aus. Der Antragsteller (30. September 2009) sowie weitere Personen und öffentliche Stellen erhoben während der Auslegungszeit Einwendungen. Diese hatten mehrere Schwerpunkte: Es wurde ein Konflikt zwischen dem Markt und der westlich angrenzenden landwirtschaftlichen Flächennutzung gesehen. Wie bei der Änderung des Flächennutzungsplans spielte die Gefährdung des Versorgungskerns von F. eine wesentliche Rolle. Die Verschlechterung des Landschaftsbildes, der Wasserhaushalt und die Steigerung der Verkehrsgefahren wurde angesprochen.
Der Antragsteller hatte wiederholt Erweiterungsabsichten für seine Tierhaltung angekündigt. Während der Planauslegung ließ er in Bezug auf diese Absichten durch seinen Bevollmächtigten vortragen:
"Unser Mandant, Herr A., ist Vollerwerbslandwirt und betreibt unmittelbar an der westlichen Grenze zum Plangebiet und unmittelbar neben dem geplanten Verbrauchermarkt einen Rindermaststall. Darüber hinaus werden auf diesem Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Verbrauchermarkt der Mist sowie Futtersilage gelagert. Bei diesem Grundstück handelt es sich darüber hinaus um die potenzielle Erweiterungsfläche für den landwirtschaftlichen Betrieb unseres Mandanten, da dieses Grundstück verkehrsgünstig in unmittelbarer Nähe zur Hofstelle liegt. Mit einer erheblichen Erweiterung der Rindermast, insbesondere der Bullenmast, ist daher im Rahmen der Planung zu rechnen."
Die Einwendungen wies die Antragsgegnerin überwiegend zurück. Ihr Rat beschloss den Plan Nr. 138 am 4. Oktober 2011 als Satzung; das machte sie am 14. Oktober 2011 öffentlich bekannt. Der Plan setzt ein Sondergebiet mit dem Zweck Verbrauchermarkt an der K G. fest. Das Straßenland wird als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen. Der Plan regelt auch die Einfahrt vom Marktbereich zur Regionsstraße; die Verkehrsfläche ist so dimensioniert, dass Vorkehrungen zur Sicherheit des Verkehrs ermöglicht werden. Im Süden der Sondergebietsausweisung ist eine eingeschossig überbaubare Fläche von 1.900 qm festgesetzt. Die Verkaufsfläche ist in der textlichen Festsetzung Nr. 1 Plan auf 1.000 qm begrenzt. Im Südosten und Süden sind Pflanzstreifen vorgesehen, im Norden ein Versickerungsgebiet für Niederschlagswasser. Die Planurkunde enthält weiter eine örtliche Bauvorschrift mit Gestaltungsvorgaben.
Die Begründung des Plans macht sich hinsichtlich der raumordnerischen Beurteilung die Ausführungen zum Flächennutzungsplan zu Standort und Größe des Vorhabens zu Eigen. In Bezug auf den Konflikt zwischen Markt und Landwirtschaft hatte die Antragsgegnerin eine Stellungnahme der Region eingeholt. Diese ergab, dass keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Nachbarschaft von Markt und Landwirtschaft bestehen. Die Antragsgegnerin bestellte ferner ein Gutachten zur Geruchsbelastung durch den vorhandenen Viehbestand (Pferde nach Stallplätzen; Antragsteller nach Bestand) der Hofstellen. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass der Wert für Gewerbegebiete nur in einem sehr kleinen Teil des Plangebietes, der für Stellplätze vorgesehen ist, überschritten werde. Das Gutachten erwähnt, dass der Antragsteller vom Aspekt der Geruchslast her gesehen noch Erweiterungsmöglichkeiten habe, bis die Obergrenze erreicht sei. Ein eingeholtes Lärmgutachten ergab keine bedenklichen Immissionen aus dem Plangebiet.
Raumordnungsrechtlich ist die Antragsgegnerin als Gemeinde Mittelzentrum (RROP der Region Hannover, D 1.6.1 03). Weiter ist in Beikarte 1a der Ortsteil F. als "Herausgehobener Nahversorgungsstandort" gekennzeichnet. Die Region stellte mit Schreiben vom 11. Juni 2006 fest, aus ihrer Sicht sei das Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung vereinbar.
Zur Begründung seines Normenkontrollantrages macht der Antragsteller geltend:
Es liege ein ungelöster Geruchskonflikt vor. Zwar habe die Antragsgegnerin ein Gutachten eingeholt. Darin sei für ihn eine zu geringe Tierzahl angesetzt worden, weil seine Erweiterungsabsichten nicht berücksichtigt seien. Ohnehin müsse die baurechtlich zulässige Tierzahl angesetzt werden. Es sei ein strengerer Grenzwert als der für Gewerbegebiete anzusetzen, weil es sich um einen Lebensmittelmarkt handele. Der Zusatzverkehr des Marktes erschwere die Betriebsführung auf seinem Grundstück. Alternativstandorte für den Markt seien nicht ausreichend erwogen worden. Die Ansiedlung würde zu einer Verödung des zentralen Versorgungskerns führen.
Der Plan führe zu Verkehrsgefahren aufgrund der Einmündung des Marktverkehrs in den allgemeinen Verkehr. Er produziere Überschwemmungen und Grundwasserknappheit, weil die ermöglichte Versiegelung das Versickern des anflutenden Regenwassers verhindere. Schließlich sei der Artenschutz nicht beachtet worden; im Plangebiet gebe es Nahrungsgrundlagen für Schleiereule und Turmfalken.
Der Antragsteller beantragt,
den am 4. Oktober 2011 vom Rat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 138 "Verbrauchermarkt F." für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Plan sei fehlerfrei abgewogen und auch sonst rechtmäßig. Die Erweiterungsabsichten des Antragstellers seien nicht hinreichend konkretisiert. Es gebe keinen Anlass, den Grenzwert für Geruchsbelastungen heraufzusetzen, weil die Belästigung im zulässigen Rahmen Risiko des Investors sei. Der ausgelöste Zusatzverkehr fließe in den allgemeinen Verkehr ein, die Regionsstraße sei nicht für private Rangiervorgänge des Antragstellers da.
Die Standort- und Kapazitätsfrage seien im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes breit abgewogen worden. Neue Aspekte seien nicht aufgetaucht; der Bebauungsplan stütze sich auf eben diese Abwägung und wiederhole sie. Das Vorhaben stelle kein Einzelhandelsgroßprojekt iSd § 11 BauNVO dar. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre der Standort raumordnungsverträglich, weil es sich um einen "Herausgehobenen Nahversorgungsstandort" handele, der auch nach LROP an dieser Stelle zulässig sei. Schließlich sei das RROP auch dann als geltendes Recht anzuwenden, wenn es im Widerspruch zum LROP stehe. Die Verkehrsgefahren seien im Benehmen mit der zuständigen Behörde behandelt und durch die Dimensionierung der Verkehrsfläche berücksichtigt worden. Die Kapazität der wassertechnischen Anlagen sei fachmännisch berechnet worden.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
II.
Der fristgerecht gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist antragsbefugt, wer geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller in seinem Recht aus § 1 Abs. 7 BauGB auf Abwägung seiner Belange verletzt wurde. Denn sein dem Planbereich benachbartes Grundstück will er für eine erweiterte Landwirtschaft nutzen. Die Plangeberin hat diese Erweiterungsabsichten indessen möglicherweise fehlerhaft nicht in die Abwägung eingestellt.
Der Normenkontrollantrag ist begründet.
Der Plan ist zwar erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, weil er nach der planerischen Konzeption der Antragsgegnerin notwendig ist (BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8). Diese will ihre Nahversorgung sichern. Das ist ein berechtigtes Anliegen. Sie will darüber hinaus auch die Nahversorgung benachbarter Siedlungen mit übernehmen. Daraus ergibt sich, dass ein tragfähiges Konzept auch für einen großflächigen Einzelhandel grundsätzlich vorliegt. Aus dem Raumordnungsprogramm der Region ergibt sich, dass an "Herausgehobenen Nahversorgungsstandorten" auch die Ansiedlung von großflächigen Einzelhändlern für möglich gehalten wird, deren Verkaufsfläche über das für eine Nahversorgung in der Regel geltende Maß hinausgeht.
Der Plan verstößt allerdings gegen das Konzentrationsgebot des Landesraumordnungsprogramms Teil II 2008 (LROP) und damit gegen § 1 Abs. 4 BauGB. Ob der Plan auch gegen das Integrationsgebot des geltenden LROP verstößt, bleibt offen.
Die Feststellung der Region vom 11. Juni 2006 zur raumordnungsrechtlichen Rechtmäßigkeit des Standortes entfaltet keine Bindungswirkung. Denn solche Feststellungen sind keine Verwaltungsakte, da sogar Feststellungen der Raumordnungsbehörden nach Abschluss eines Raumordnungsverfahrens gemäß § 11 Abs. 5 NdsROG keine unmittelbare Bindung entfalten. Vielmehr handelte es sich nur um die Mitteilung, aus Sicht der zuständigen Behörde bestünden keine Bedenken.
Das raumordnungsrechtliche Konzentrationsgebot des Nds LROP lässt großflächigen Einzelhandel nur im zentralen Siedlungsgebiet des zentralen Ortes zu. Das Nds LROP 2008 legt das im Konzentrationsgebot in Ziff. 2.3.03 Satz 5 fest:
5Neue Einzelhandelsgroßprojekte sind nur innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes des jeweiligen Zentralen Ortes zulässig (Konzentrationsgebot).
Die Begründung des LROP 2008 führt dazu auf S. 90 aus:
"Die standörtliche Konzentration von Einrichtungen der Daseinsvorsorge in den Zentralen Orten sichert die Aufrechterhaltung und Erreichbarkeit einer leistungsfähigen Versorgungsinfrastruktur. Der Einzelhandel trägt als Frequenzbringer ganz wesentlich zu ihrer Stabilisierung bei. Es ist daher raumordnerisches Ziel, Einzelhandelsnutzungen den Zentralen Orten zuzuordnen. Das Konzentrationsgebot gilt auch für Einzelhandelsgroßprojekte mit nicht innenstadtrelevantem Kernsortiment.
Das Konzentrationsgebot ist erfüllt, wenn sich der Standort eines Einzelhandelsgroßprojektes innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes befindet. Dabei ist nicht ausschließlich auf den baulichen Bestand abzustellen, sondern es sind auch die sich im Rahmen der Flächennutzungsplanung verdichteten Zielvorstellungen der Gemeinde zur geordneten städtebaulichen Entwicklung des Zentralen Ortes zu Grunde zu legen."
Das Konzentrationsgebot ist ein hinreichend bestimmtes Ziel der Raumordnung. Zweifel daran hat auch der Antragsteller nicht geäußert.
Das Integrationsgebot der Ziff. 2.3.03 Satz 6, 7 LROP verlangt die Ansiedlung neuen großflächigen Einzelhandels darüber hinaus nur innerhalb städtebaulich integrierter Lagen:
6Neue Einzelhandelsgroßprojekte, deren Kernsortimente innenstadtrelevant sind, sind nur innerhalb der städtebaulich integrierten Lagen zulässig (Integrationsgebot).
7Diese Flächen müssen in das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs eingebunden sein.
Die Begründung LROP 2008 S. 90 führt zum Integrationsgebot zu den Sätzen 6 (Integrationsgebot) und 7 aus:
"Leitvorstellung der Raumordnung ist ein attraktiver und funktionsfähiger Handelsplatz "Innenstadt" und damit einhergehend eine nachhaltige Nutzung der vorhandenen Siedlungs- und Versorgungsstrukturen. Ziel des Integrationsgebotes ist es, bei der Ansiedlung oder Erweiterung von Einzelhandelsgroßprojekten die Funktionsfähigkeit zu wahren und zu stärken. Städtebaulich integrierte Lagen stehen im engen räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit den zentralen Versorgungsbereichen im Sinne des § 2 Abs. 2 und § 9 Abs. 2a BauGB. Sie verfügen über ein vielfältiges und dichtes Angebot an Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen, haben einen wesentlichen fußläufigen Einzugsbereich und sind in das ÖPNV-Netz eingebunden. Von Bedeutung ist auch ein attraktives Parkmanagement für den individuellen Verkehr. Entsprechend ihrer unterschiedlichen Versorgungsfunktion können sowohl Innenstädte bzw. Ortsmitten /-kerne als Hauptzentren sowie Stadtteilzentren als Nebenzentren das Kriterium der "städtebaulich integrierten Lage" erfüllen."
Das Integrationsgebot des LROP ist ein wirksames Ziel der Raumordnung (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2013 - 1 ME 56/13 -, [...]Rdnr. 29 f.).
Die beiden angeführten Gebote des LROP erfassen nur großflächige, d. h. Einzelhandelsvorhaben mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 qm (vgl. Seite 89 der Erläuterungen zum LROP 2008). Das vorliegende Vorhaben ist großflächig, da eine Verkaufsfläche von 1.000 qm geplant ist.
Das Regionale ROP der Region Hannover konkretisiert die beiden Gebote zur Einzelhandelssteuerung in den Festsetzungen D 1.6.1 04 Abs. IV ff:
RROP 2005 Region Hannover:
Die Ansiedlung neuer sowie die Erweiterung vorhandener großflächiger Einzelhandelsbetriebe außerhalb
- der zentralörtlichen Standortbereiche,
- des zentralörtlichen Ergänzungsbereiches Oberzentrum,
- der herausgehobenen Nahversorgungsstandorte,
- der Standorte von Fach- und Verbrauchermärkten sowie
- der herausgehobenen Fachmarktstandorte
ist unzulässig.
Die zentralörtlichen Standortbereiche, die herausgehobenen Nahversorgungsstandorte, die Standorte von Fach- und Verbrauchermärkten sowie die herausgehobenen Fachmarktstandorte sind in der zeichnerischen Darstellung bzw. den Beikarten 1 a und b abschließend festgelegt. Herausgehobene Nahversorgungsstandorte werden nur außerhalb der zentralörtlichen Standortbereiche festgelegt.
Der Ortsteil F. ist nicht zentrales Siedlungsgebiet der Antragsgegnerin. Demgemäß liegt der geplante Standort auch nicht im kartenmäßig bezeichneten zentralörtlichen Standortbereich. Ein solcher wird im Regionalen Raumordnungsprogramm 2005 nur für einen Teilbereich in B. durch Längsschraffur bezeichnet.
Allerdings ist der Ortsteil F. in der Beikarte 1a zum RROP als "Herausgehobener Nahversorgungsstandort" qualifiziert. Gemäß Ziffer D 1.6.1 04 Abs. 6 RROP der Region Hannover sind großflächige Einzelhandelsbetriebe an "Herausgehobenen Nahversorgungsstandorten" zulässig. Diese werden beschrieben als Standorte mit ergänzender Versorgungsfunktion für den zentralen Ort (Begründung RROP S. 64).
Nach dem RROP, wie es sich bei unbefangener Lektüre darstellt, wäre der Standort also raumordnungsrechtlich zulässig, weil ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb an einem "Herausgehobenen Nahversorgungsstandort" planerisch ermöglicht wird.
Ob eine solche Deutung des Regionalen Raumordnungsprogrammes 2005 mit den Regelungen des Landesraumordnungsprogrammes 2008 zu vereinbaren wäre und ob dies, falls zu verneinen, automatisch zur Unwirksamkeit des RROP 2005 führte oder der Region zur Anpassung eine gewisse Frist einzuräumen (gewesen) wäre, kann hier unentschieden bleiben. Denn die genannte Regelung des RROP weist F. nicht uneingeschränkt und für alle dort liegenden Flächen die Qualität eines Hervorgehobenen Nahversorgungsstandortes zu, an dem sogar großflächiger Lebensmittel-Einzelhandel raumordnungsrechtlich zulässig ist. Mit der Festlegung eines Ortsteils als "Herausgehobener Nahversorgungsstandort" durch Einzeichnung des "grünen Quadrats" sind so weitgehende Folgerungen/Privilegien nicht verbunden. Das ergibt sich aus der Begründung/Erläuterung des Regionalen Raumordnungsprogrammes 2005. Dort heißt es auf Seite 64:
Die herausgehobenen Nahversorgungsstandorte sind Standorte mit ergänzender Versorgungsfunktion für die Zentralen Orte. Sie liegen außerhalb der zentralörtlichen Standortbereiche. Es handelt sich um ländlich strukturierte Siedlungen mit Einzelhandelszentren, die aufgrund ihres ergänzenden Versorgungsangebotes die Grundversorgung in günstiger Entfernung zum Wohnort in allen Teilen der Region Hannover sicherstellen. Sie dienen primär der stadtteil- bzw. ortsteilbezogenen Nahversorgung. Herausgehobene Nahversorgungsstandorte umfassen jeweils die geschlossenen Siedlungsbereiche der abschließend festgelegten Stadt- und Ortsteile. Die geschlossenen Siedlungsbereiche umfassen auch die Ortsränder. Großflächiger Einzelhandel soll hier möglich sein, sofern die Funktion der Zentralen Orte nicht beeinträchtigt wird.
Das heißt nun nicht, dass an jedwedem Ortsrand großflächige Einzelhandelsbetriebe positioniert werden dürfen. Auch für diese gilt das in den vorangehenden Ausführungen aufgestellte Erfordernis, sie müssten primär der stadt- oder ortsteilbezogenen Nahversorgung dienen. Der Nahversorgung dienen Einzelhandelsbetriebe nicht schon dann, wenn sie Güter des täglichen Bedarfs offerieren. Dazu würden Lebensmittel sicher zählen, sich allerdings schon die Frage stellen, ob das Sortiment dann nicht auf einen gewissen Grundbedarf zu konzentrieren ist. Hinzukommen muss aber, dass diese Märkte jedenfalls vom wesentlichen Kreis der abzusehenden Kunden fußläufig erreicht werden können. Daran fehlt es hier aus mehreren Gründen. Zum einen ergibt schon die Schilderung der Standortsuche (s. S. 2 f. der Planbegründung), dass der in Rede stehende Markt nicht im Wesentlichen der Versorgung von Einwohnern F. s, sondern auch der von J. und K. dienen soll. Das war unter anderem der Grund, weshalb die Standorte am Orts-Westrand (u.a. Festplatz) ausschieden. Denn eine dortige Positionierung des Marktes hätte zur Folge gehabt, dass Bewohner dieser beiden Ortsteile F. vollständig hätten durchqueren müssen.
Zum anderen kann der gewählte Standort auch von den Bewohnern F. s nicht im Wesentlichen fußläufig erreicht werden. Es mag im Einzelnen Schwierigkeiten bereiten, die noch hinzunehmenden Entfernungen zu bestimmen, jenseits derer die "Fußläufigkeit" nicht mehr würde bejaht werden können. Der Senat sieht eine gewisse Orientierungshilfe im sog. Einzelhandelserlass NRW (Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben; Bauleitplanung und Genehmigung von Vorhaben, vom 22.9.2008). Auf dessen 21 wird ausgeführt, der Nahbereich werde je nach Siedlungsstrukturen, zentralörtlichen Gegebenheiten und Einwohnerdichte variieren. Als Faustformel könne gelten, dass die Einrichtungen mit Gütern des täglichen Bedarfs noch in einer Gehzeit von 10 Minuten erreicht werden könnten. Das entspreche in etwa einer Entfernung von 700 bis 1.000 m.
Es kann unentschieden bleiben, ob diese Wegstrecke in ländlichen Bereichen maßvoll gestreckt oder auch gekürzt werden muss/kann. Für ersteres könnte die Siedlungsstruktur des Ortsteils (weniger intensivierte Wohnnutzung) sowie die Vermutung sprechen, eine Landbevölkerung sei eher daran gewöhnt, Fußwege auf sich zu nehmen. Dem widerspricht allerdings etwas die Mitteilung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, Ortschaften mit so gestreuten Ortsteilen, wie sie die Antragsgegnerin nun einmal darstelle, und mit diesem öffentlichen Personennahverkehr seien notwendigerweise auf eine Bevölkerung angewiesen, welche den PKW nutze. Das könnte die Annahme stärken, Ortschaften wie F. würden verstärkt von Bewohnern getragen, welche im Zweifelsfalle eher im Auto denn zu Fuß unterwegs seien.
Das kann aber unentschieden bleiben. Denn streicht man mit dem Zirkel einen Radius von 900 m ausgehend vom Plangelände über die Ortschaft, dann sind allenfalls zwei Fünftel davon als Bereiche zu bezeichnen, welche zumutbare fußläufige Verbindung zum Plangelände haben. Das reicht für die Annahme "primärer" Versorgung dieses Ortsteils nicht aus.
Das Planvorhaben könnte am vorgesehenen Standort raumordnungsrechtlich nur dann verwirklicht werden, wenn es sich um einen Nahversorgungsbetrieb mit nicht mehr als 800 qm Verkaufsfläche handelte und daher nicht raumordnungsrechtlicher Steuerung unterläge, bzw. wenn sonst ein Charakter als Nahversorgungsbetrieb ersichtlich wäre. Das ist nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um ein normales Einzelhandelsgroßprojekt. Die Verkaufsfläche von 800 qm ist überschritten.
Ein raumordnungsrechtlicher Zielabweichungsbescheid ist nicht ergangen, da das Vorhaben offenbar nur am RROP und nicht am LROP gemessen wurde.
Offen bleiben kann auch, ob die planerische Abwägung das Interesse des Antragstellers, nicht einer Immissionskonfliktlage ausgesetzt zu werden, rechtmäßig überwunden hat. Es spricht allerdings viel dafür, dass kein Abwägungsfehler vorliegt, wenn man den aktuellen Tierbestand des Antragstellers zu Grunde legt.
Insbesondere war es nicht fehlerhaft, die Schutzwürdigkeit des Plangebietes nach den Maßstäben für ein Gewerbegebiet zu bewerten. Wenn der Freiluftbereich der Beigeladenen zu geruchsbelastet sein sollte, wird sie ihre Waren ausschließlich gebäudeintern präsentieren; dies ist ihr unternehmerisches Risiko. Nach den Wertungen des Verordnungsgebers (s. § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO) sind Lebensmittelmärkte selbst in ländlich strukturierten Misch-, d. h. Dorfgebieten zulässig, in denen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sogar vorrangig auf die Entwicklungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Betriebe Rücksicht zu nehmen ist.
Der Antragsteller selbst bestreitet im Übrigen die Richtigkeit des Gutachtens zur Geruchsbelastung nicht. Er ist lediglich der Ansicht, es hätten die erhöhten Tierzahlen berücksichtigt werden müssen, die sich aus den Erweiterungsabsichten seines Neffen ergäben. Es ist vorliegend nicht erforderlich, die Ernsthaftigkeit dieser Erweiterungsabsichten, die schon seit Jahren nicht umgesetzt worden sind, zu bewerten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. § 709 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.