Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.07.2003, Az.: 4 LB 178/03

Aufwendungszuschuss; Bedarfszeitraum; Begräbnis; Einsetzbarkeit; fiktiver Verbrauch; Grabpflege; Heim; Heimbewohner; Heimkosten; Heimträger; Härte; Schonung; Sozialhilfe; Vermögen; Verwertbarkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.07.2003
Aktenzeichen
4 LB 178/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48579
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.12.2001 - AZ: 6 A 50/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es bedeutet für einen älteren, heimpflegebedürftigen Menschen eine Härte, wenn der bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss nach § 13 NPflegeG von dem Einsatz eines für Begräbnis und Grabpflege angesparten Vermögens abhängig gemacht wird.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 106, 105) zur Ablehnung des "fiktiven Verbrauchs" eines Vermögens im Bedarfszeitraum gilt nicht für Fälle, in denen während des Streits um die Einsetz- und Verwertbarkeit des Vermögens zur Deckung von Heimkosten Schulden des Heimbewohners bei dem Heimträger auflaufen, die den Wert des Vermögens übersteigen.

Gründe

1

I. Die am 7. Januar 1926 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung eines bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses nach § 13 NPflegeG.

2

Sie lebt seit dem 26. Februar 1992 in der Ev.-luth. Heimstätte {B.} e.V., einer Einrichtung der stationären Dauerpflege. Mit Wirkung vom 13. Juli 1999 ist sie der Pflegestufe I der gesetzlichen Pflegeversicherung zugeordnet. Für die Klägerin ist Frau {C.} als Betreuerin u.a. für die Wahrnehmung aller Vermögensangelegenheiten bestellt. Der Ehemann der Klägerin verstarb im Jahr 1996.

3

Mit Bescheid vom 4. Mai 2000 stimmte der Landkreis Osnabrück auf den Antrag der Pflegeeinrichtung der gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen für die Zeit vom 1. Dezember 1999 bis zum 30. Juni 2001 in Höhe von 1.169,70 DM monatlich zu.

4

Am 15. August 2000 beantragte der Einrichtungsträger die Gewährung eines bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses für die Klägerin. Aus den dem Antrag beigefügten Unterlagen ist ersichtlich, dass die Klägerin (wohl) im Juni 2000 für die Pflege eines Doppelgrabes, in dem der verstorbene Ehemann beigesetzt ist, einen Grabpflegevertrag für die Dauer von 30 Jahren abgeschlossen hat. Hierfür erbrachte sie eine Vorausleistung in Höhe von 7.500,-- DM.

5

Den Antrag auf Gewährung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 2001 ab, da gemäß § 13 NPflegeG neben dem Einkommen auch das Vermögen der Pflegebedürftigen zur Deckung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen einzusetzen sei. Insbesondere sei auch solches Vermögen zu berücksichtigen, das innerhalb von zehn Jahren vor Aufnahme in die Pflegeeinrichtung verschenkt oder unter Wert veräußert worden sei. Zu berücksichtigen sei ein Freibetrag in Höhe von 4.500,-- DM. Das durch einen Grabpflegevertrag gebundene Vermögen sei nicht geschützt. Der Vertrag sei kündbar. Eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG bestehe nicht.

6

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 2. Februar 2001 mit der Begründung Widerspruch ein, es sei in ihren wohlverstandenen Interesse, wenn die Betreuerin dafür sorge, dass die Grabpflege gesichert sei. Die Stadt Osnabrück lasse eine Beerdigung im städtischen Bereich nur zu, wenn die Grabpflege im Zeitpunkt des Todes gesichert sei. Ansonsten werde nur eine anonyme Bestattung zugelassen. Die durch den Grabpflegevertrag entstandenen Kosten seien von dem Taschengeld der Klägerin angespart worden.

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Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Weser-Ems mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2001 zurück. Der bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss vermindere sich um das nach Maßgabe des § 13 Abs. 5 NPflegeG einzusetzende Einkommen oder Vermögen der Pflegebedürftigen. Die Klägerin verfüge über verwertbares Vermögen, weil sie den Grabpflegevertrag kündigen und dadurch den fälligen Rückzahlungsanspruch auf bisher noch nicht erbrachte Leistungen der Gärtnerei erlangen könne. Der Einsatz von Vermögen sei lediglich in den Fällen des § 88 Abs. 2 BSHG ausgeschlossen. Beträge zur Bestreitung der Grabpflegekosten seien dort nicht aufgeführt. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG sei lediglich ein Schonbetrag von 4.500,-- DM zu berücksichtigen. Eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG liege ebenfalls nicht vor. Es sei weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Einsatz des Vermögens eine angemessene Lebensführung oder eine angemessene Alterssicherung erschwere. Eine besondere Härte liege auch nicht darin, dass durch den Einsatz des den Schonbetrag übersteigenden Vermögens möglicherweise die Grabpflege nicht mehr im Sinne der Klägerin gewährleistet sei.

8

Die Klägerin hat am 5. April 2001 Klage erhoben.

9

Sie hat vorgetragen: Ihr 1996 verstorbener Ehemann sei in der durch die Betreuerin erworbenen Doppelgrabstelle beigesetzt. Der Erwerb dieser Grabstelle sei nur deshalb möglich gewesen, weil die Grabpflege sichergestellt worden sei. Ihre Betreuerin habe sich deshalb persönlich gegenüber dem Friedhofsamt der Gemeinde {D.} verpflichtet, die Grabpflege zu übernehmen. Ihr Sohn sei obdachlos und lebe von Sozialhilfemitteln, so dass es keine Verwandten gebe, die die Grabpflege durchführen könnten. Die Betreuerin sei seit dem Sommer des Jahres 2000 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, diese Verpflichtung zu erfüllen. Sie (die Klägerin) habe über ein Postsparbuch mit einem Bestand von 5.000,-- DM verfügt. Hiervon seien 2.500,-- DM zur Begleichung der entstandenen Kosten in Höhe von 7.500,-- DM genutzt worden. Der weitere Betrag sei aus angesparten Taschengeldmitteln bezahlt worden. Sie sei  nicht verpflichtet, den Grabpflegevertrag zu kündigen. Bestehende Verträge vor Erreichen der Sozialhilfebedürftigkeit seien zu respektieren. Jedenfalls müsse dieser Vertrag erst dann gekündigt werden, wenn Leistungen in Höhe von 2.500,-- DM erbracht worden seien. Diesen Betrag habe sie aus ihrem geschützten Eigenvermögen bezahlt. Die Verpflichtung, das für den Grabpflegevertrag aufgewendete Vermögen einzusetzen, stelle eine unangemessene Härte dar. Der Anspruch auf Zahlung des Pflegewohngeldes bestehe ab dem 1. Dezember 1999, weil der Landkreis Osnabrück erst mit Bescheid vom Mai 2000 der gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen rückwirkend ab dem 1. Dezember 1999 zugestimmt habe.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagen vom 8. Januar 2001 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 6. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 einen bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss nach § 13 NPflegeG ohne Anrechnung ihres für einen Grabpflegevertrag aufgewendeten Vermögens zu gewähren.

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Die Beklage hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie im Wesentlichen die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden wiederholt. Ergänzend hat sie vorgetragen: Leistungen ab dem 1. Dezember 1999 stehe bereits entgegen, dass der Antrag erst im August 2000 gestellt worden sei.

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Mit Urteil vom 19. Dezember 2001 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 6. März 2001 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin auf deren Antrag vom August 2000 mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 einen bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss ohne Anrechnung ihres für einen Grabpflegevertrag aufgewendeten Vermögens zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin könne nicht auf die Kündigung des Grabpflegevertrages und die Rückforderung des aufgewendeten Betrages verwiesen werden, weil dies für sie eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG bedeute. Da eine anderweitige Grabpflege nicht sichergestellt werden könne, habe die Klägerin bei Kündigung des Vertrages jedenfalls nicht mehr die Gewähr, neben ihrem vorverstorbenen Ehemann in einer Wahlgrabstätte beigesetzt zu werden, welche entsprechend ihrer Bestimmung gestaltet und für einen längeren Zeitraum nach ihrem Tode angemessen gepflegt würde. Gerade dies entspreche aber der Bestimmung einer Familiengrabstätte, mit der dem Bedürfnis insbesondere alter Menschen Rechnung getragen werden solle, der ehelichen Verbundenheit mit dem Partner über den Tod hinaus Ausdruck zu verleihen. Der Anwendung des § 88 Abs. 3 BSHG stehe nicht entgegen, dass Vermögen grundsätzlich nur unter der Voraussetzung schonungswürdig sei, dass es zur Deckung eines Bedarfs erforderlich sei, welchen der Hilfesuchende noch zu seinen Lebzeiten habe. Dass Alterssicherung im Sinne dieser Regelung begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden finde, bedeute nicht, dass Aufwendungen, die über den eigenen Tod hinauswirkten, von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 88 Abs. 3 BSHG herausfielen. Ein Härtefall könne sich auch unter einem anderen als dem dort ausdrücklich angesprochenen Gesichtspunkt der Daseinsvorsorge ergeben. Erforderlich sei lediglich eine Sachlage, die nach der in § 88 Abs. 2 BSHG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ein vergleichbares Gewicht beanspruche. Das treffe hier zu. Ein ausschließliches Affektionsinteresse des Hilfebedürftigen könne genügen, die Verwertung eines Vermögensgegenstandes als unzumutbar erscheinen zu lassen. Kein geringeres Gewicht komme dem Wunsch eines alten Menschen zu, seine letzte Ruhe neben seinem Ehepartner in einer Grabstätte zu finden, die auch nach seinem Tode für einen längeren Zeitraum angemessen gepflegt werde. Dieser Wunsch habe einen unmittelbaren Bezug zum allgemeinen, durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrecht. Es gehöre zu den elementaren Äußerungsformen menschlicher Handlungsfreiheit, die Art der Grabstätte und insbesondere die Bestattung in einem Doppelgrab neben einem nahestehenden Menschen zu bestimmen. Dem sei auch im Bereich der Sozialhilfe Rechnung zu tragen. Daraus folge zugleich, dass ein Vermögenseinsatz, mit dem entsprechende Vorkehrungen getroffen würden, insofern einem zu Lebzeiten bestehenden Bedarf Rechnung trage, als dem Hilfebedürftigen damit die Möglichkeit eröffnet werde, die ihm verbleibende Lebenszeit in dem Bewusstsein und der Vorstellung zu verbringen und zu erleben, seine letzte Ruhe an der Seite seines Ehepartners zu finden und dafür entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Es gehe daher nicht lediglich um einen zukünftigen Bedarf, dem im Wege „postumer Vorsorge“ Rechnung getragen werde, sondern um die gegenwärtige Lebenssituation der Betroffenen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der aufgewendete Betrag über Jahre für diesen Zweck angespart worden sei, und zwar im Wesentlichen während eines Zeitraums, als noch keine Pflegewohngeldbedürftigkeit bestanden habe. Zugunsten der Klägerin falle auch ins  Gewicht, dass es sich bei dem den maßgeblichen Freibetrag übersteigenden Vermögen um einen Betrag handele, mit dem der durch das Einkommen der Klägerin nicht gedeckte Teil der Heimkosten nur für einen begrenzten Zeitraum von wenigen Monaten zu finanzieren gewesen sei, während bei der zum Zeitpunkt der Antragstellung 74-jährigen Klägerin von einem deutlich längeren Zeitraum der Heimpflegebedürftigkeit auszugehen sei, so dass mit dem Vermögenseinsatz auch keine nachhaltige Selbsthilfe verbunden gewesen sei. Einer Schonung des für die Grabpflege verwendeten Vermögens stehe auch § 15 BSHG nicht entgegen. Die Vorschrift wolle (lediglich) die menschenwürdige Bestattung eines Verstorbenen gewährleisten. Das schließe die Schutzwürdigkeit von Vorkehrungen zu Lebzeiten, die ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen für die Sicherung der Grabpflege nach dem eigenen Tod getroffen würden, nicht aus. Der Anspruch auf den begehrten Aufwendungszuschuss bestehe ab dem 1. Dezember 1999. Hinsichtlich des Anspruchsbeginns regele § 12 Abs. 2  DVO-NPflegeG, dass eine Förderung nach § 13 NPflegeG am Ersten des Monats beginne, in dem die Fördervoraussetzungen erstmals vorlägen, wenn der Antrag innerhalb von drei Monaten danach gestellt werde, im Übrigen ab Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt worden sei. Hier komme die Gewährung des bewohnerbezogenen Zuschusses frühestens von dem Zeitpunkt an in Betracht, ab dem der Einrichtungsträger berechtigt gewesen sei, pflegebedürftigen Heimbewohnern die zuschussfähigen Aufwendungen gesondert in Rechnung zu stellen. Dies sei nach dem Bescheid des Landkreises Osnabrück vom 4. Mai 2000 ab dem 1. Dezember 1999 der Fall. Der Verordnungsgeber habe ersichtlich nicht den Fall bedacht, dass dem Einrichtungsträger - wie hier - die Zustimmung zur gesonderten Berechnung für einen mehr als drei Monate zurückwirkenden Zeitraum erteilt werde, so dass der Klägerin der Zuschuss ab dem entsprechenden Zeitpunkt zustehe, da deren Bedürftigkeit von Anfang an vorgelegen habe.

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Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 8. April 2003 (Az.: 4 LA 78/92) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie macht u.a. geltend: Der geforderte Vermögenseinsatz stelle eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG nicht dar. Der Wunsch, in einem Wahlgrab bestattet zu werden, sei grundgesetzlich nicht geschützt. Es sei nicht angemessen, den Wunsch nach einer bestimmten Form der Bestattung durch Freilassung erheblicher Vermögensbeträge zu entsprechen. Es komme auch nicht entscheidend darauf an, dass die Klägerin das Vermögen nach ihren Angaben angespart habe, um die Grabpflegekosten begleichen zu können. Entscheidend sei auch nicht, ob das Vermögen im Verhältnis zu dem zu deckenden Bedarf an Heimkosten gering und nicht geeignet sei, nachhaltige Selbsthilfe zu ermöglichen. Solange ein Vermögen nicht verwertet sei, könne es dem Bedarf  Monat für Monat entgegengehalten werden. Es könne also nicht von einem fiktiven Verbrauch des Vermögens innerhalb weniger Monate ausgegangen werden.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

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II. Die Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nicht begründet.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin auf deren Antrag vom August 2000 mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 einen bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss ohne Anrechung ihres für einen Grabpflegevertrag aufgewendeten Vermögens zu gewähren.

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Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - NPflegeG - vom 22. Mai 1996 (Nds. GVBl. S. 245) in der ab 1. Februar 1999 geltenden Fassung des Gesetzes vom 21. Januar 1999 (Nds. GVBl. S.10). Nach dieser Vorschrift erhalten Träger von vollstationären Einrichtungen der Dauerpflege bewohnerbezogene Zuschüsse in Höhe der Aufwendungen nach § 9 für diejenigen nach § 8 Abs. 3 des NPflegeG zu berücksichtigenden Pflegebedürftigen, die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder den Vorschriften über die Kriegsopfersorge erhalten oder ohne den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss erhalten würden. Der Zuschuss vermindert sich um das nach Maßgabe des Abs. 5 der genannten Vorschrift einzusetzende Einkommen und Vermögen.

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Die Klägerin ist klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO. Der Anspruch auf Zahlung des bewohnerbezogenen Aufwendungszuschusses steht nach § 13 Abs. 1 NPflegeG zwar den dort genannten Einrichtungen zu. Die Klägerin kann hier aber gleichwohl geltend machen, in ihren Rechten verletzt zu sein, da sie (auch) diejenige ist, die durch die Gewährung oder Ablehnung des Zuschusses in ihrer Rechtsstellung berührt wird (vgl. Urt. d. Sen. v. 10. 04. 2002 – 4 LB 4/02 – NVwZ-RR 2003, 125 [OVG Nordrhein-Westfalen 28.05.2002 - 12 B 360/02]).

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Die Beteiligten streiten hier allein um die Frage, ob der von der Klägerin geschlossene Grabpflegevertrag rückabzuwickeln ist, weil es sich bei dem dafür aufgewendeten Geldbetrag um verwertbares und einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 88 Abs. 1 BSHG oder ob es sich wegen einer Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG um zu schonendes Vermögen handelt.

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Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz von Vermögen abhängig gemacht werden, wenn dies für den Hilfesuchenden eine Härte bedeuten würde. Grundsätzlich setzt eine solche Härte eine Fallgestaltung voraus, die nach den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG vom Vermögenseinsatz frei bleiben soll, aber wegen ihrer Atypik nicht von der Aufzählung des § 88 Abs. 2 BSHG erfasst werden konnte (BVerwG, Urt. v. 29. April 1993 - 5 C 12.90 - BVerwGE 92, 254). Leitgedanke dieser Bestimmungen über den Vermögenseinsatz ist es zu gewährleisten, dass dem Hilfeempfänger ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit erhalten bleibt. § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG regelt hierzu beispielhaft, dass eine Härte bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vor allem dann anzunehmen ist, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Die Vorschriften über das Schonvermögen sollen gewährleisten, dass die Sozialhilfe die vorhandenen wesentlichen Lebensgrundlagen nicht beeinträchtigt. Sie soll nicht zu einem wirtschaftlichen Ausverkauf und zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die genannte Vorschrift sich nicht auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen beschränkt, sondern auch immaterielle Werte wie den Besitz von Familien- und Erbstücken im Sinne des Abs. 2 Nr. 5 und von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, besonders wissenschaftlicher und künstlerischer Bedürfnisse im Sinne des Abs.  2 Nr. 6 der genannten Vorschrift schützt (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 28. Mai 1998 - 6 B 20.95 - FEVS 49, 218, 223).

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Vor diesem Hintergrund teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine Verpflichtung der Klägerin zur Kündigung des Grabpflegevertrages und Rückforderung des gezahlten Betrages eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG bedeutet. Denn das Bedürfnis der Klägerin, neben ihrem vorverstorbenen Ehemann ihre letzte Ruhe in einer Wahlgrabstätte zu finden, die entsprechend ihrer Bestimmung gestaltet und für einen längeren Zeitraum nach ihrem Tode angemessen gepflegt wird, ist keineswegs geringer einzuschätzen als die Interessen von Hilfesuchenden, denen § 88 Abs. 2 BSHG Schutz vor der Verwertung von Gegenständen wegen deren immateriellen Wertes bietet (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 28. Mai 1998, a.a.O.). Das Verwaltungsgericht führt in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin aus, dass die von der Klägerin gewählte Vorgehensweise dem Bedürfnis insbesondere alter Menschen entspricht, der ehelichen Verbundenheit mit dem Partner über den Tod hinaus Ausdruck zu verleihen. Die Vorstellungen  über Tod und Bestattung gehören zum Kern der Persönlichkeit und haben für viele Menschen im Alter herausragende Bedeutung. Der Wunsch der Klägerin hat deshalb - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - einen unmittelbaren Bezug zum allgemeinen, durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrecht. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht auch in der Einschätzung, dass es vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten, die sich hierfür auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden (Urt. v. 9. August 1999 - 6 K 4252/98 -, NVwZ-RR 2000, 167) beruft, um die Deckung eines bereits zu Lebzeiten bestehenden Bedarfs geht. Denn die Klägerin hat durch die von ihr gewählte Vorgehensweise auf ihre gegenwärtige Lebenssituation reagiert und  sich die Möglichkeit eröffnet, die ihr verbleibende Lebenszeit in dem Bewusstsein und der Vorstellung zu verbringen und zu erleben, ihre letzte Ruhe an der Seite ihres Ehepartners zu finden und dafür entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Der Vermögenseinsatz trägt damit einem zu Lebzeiten bestehenden Bedarf Rechnung. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die in § 88 Abs. 3 BSHG als denkbarer Härtefall ausdrücklich genannte Erschwerung einer angemessenen Alterssicherung ebenfalls für die Klägerin spricht. Denn sie muss lediglich wegen der besonders hohen und mit durchschnittlichen Alterseinkünften nicht zu deckenden Pflegekosten Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Gerade diese besondere Notlage, der die überwiegende Mehrheit der Menschen unkalkulierbar ausgesetzt werden kann, gibt Anlass, den Grundgedanken der Vermögensschutzvorschriften heranzuziehen, dass die Sozialhilfe nicht zu einer nachhaltigen sozialen Herabstufung führen soll (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 28. Mai 1998, a.a.O).

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Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Soweit sie ausführt, der Wunsch, in einem Wahlgrab bestattet zu werden, sei grundgesetzlich nicht geschützt, greift dies bereits deshalb nicht durch, weil es vorliegend nicht um die Frage geht, ob aus Grundrechten Leistungsansprüche abgeleitet werden können, sondern um die Schonung von vorhandenem Vermögen. Hierfür ist aber entscheidend, ob eine den in § 88 Abs. 2 BSHG ausdrücklich genannten Fallgruppen vergleichbare Situation vorliegt. Das ist - wie dargelegt - der Fall. Aus den obigen Ausführungen folgt auch, dass es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht um die Befriedigung eines erst nach dem Tode entstehenden Bedarfs geht. Soweit die Beklagte einwendet, eine Härte könne nicht daraus abgeleitet werden, dass die Klägerin das Vermögen bereits vor Beginn ihrer Pflegewohngeldbedürftigkeit zum Abschluss eines Grabpflegevertrages verwendet habe, trifft es zwar zu, dass allein dieser Umstand das Vorliegen einer Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG wohl  nicht begründet. Die Verfahrensweise der Klägerin unterstreicht aber die Vergleichbarkeit ihres Anliegens mit den durch § 88 Abs. 2 Nr. 5 und 6 BSHG ausdrücklich genannten geschützten immateriellen Interessen.

31

Nach allem ist das Vermögen der Klägerin nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG geschützt, ohne dass es auf das weitere Argument des Verwaltungsgerichts ankommt, der verlangte Vermögenseinsatz führe ohnehin nicht zu einer nachhaltigen Selbsthilfe, da mit dem einzusetzenden Vermögen die ungedeckten Heimkosten nur für wenige Monate zu finanzieren seien. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte diesem Argument das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Dezember 1997 – BVerwG 5 C 7.96BVerwGE 106, 105, entgegenhält und meint, das Vermögen schließe den geltend gemachten Anspruch – Monat für Monat – so lange aus, als es tatsächlich nicht eingesetzt oder verwertet worden sei, inzwischen also für mehrere Jahre, merkt der Senat das Folgende an: Es ist schon fraglich, ob der vom  Bundesverwaltungsgericht entwickelte sozialhilferechtliche Grundsatz auf den bewohnerbezogenen Aufwendungszuschuss des § 13 NPflegeG übertragen werden kann, da dieser gerade nicht Sozialhilfe (Notlagenhilfe), sondern Förderung der Einrichtung mit Landesmitteln ist und den pflegebedürftigen Heimbewohner gerade von Sozialhilfe unabhängig machen soll. Aber auch sozialhilferechtlich besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem vom  Bundesverwaltungsgericht entschiedenen und dem vorliegenden Fall: Dort ging es um den Anspruch eines schwerstbehinderten Kindes, das zu Hause von seinen Eltern gepflegt wurde, auf Gewährung von Pflegegeld nach § 69 Abs. 4 Satz 2 BSHG a. F.. Diesem Anspruch durfte nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Vermögen der Eltern – Monat für Monat aufs neue – entgegengehalten werden, auch wenn es nicht reichte, den Bedarf für den gesamten Bedarfszeitraum (von acht Monaten ab Einstellung der Hilfe bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides) zu decken. Hier dagegen laufen jeden Monat – gleichsam als Kehrseite der Verweigerung der Leistung zur Deckung von Heimkosten – Schulden der Klägerin bei dem Heimträger auf. In einem solchen Fall kann ein Hilfesuchender, wenn sich der Streit um die Einsetz- und Verwertbarkeit des Vermögens bis zur rechtskräftigen Entscheidung aus von ihm nicht zu beeinflussenden Gründen über mehrere Jahre hinzieht, mit dem Vermögen, das die Heimkosten nur für wenige Monate deckt, nicht die über Jahre aufgelaufenen Heimschulden bezahlen. Ihm droht damit der Verlust des Heimplatzes, ohne dass er das mit dem Einsatz des Vermögens verhindern kann. Einen solchen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht mit dem Urteil vom 19. Dezember 1997 nicht entschieden, da das schwerstbehinderte Kind seinen Eltern nicht etwa monatliche Leistungen in Höhe des Pflegegeldes schuldete und nicht etwa befürchten musste, dass diese ihn nicht mehr pflegten, wenn das Pflegegeld wegen des einzusetzenden Vermögens eine Zeit lang nicht gewährt wurde. Hier kommt es – wie dargelegt – nicht darauf an, wie lange die Klägerin auf den Einsatz von Vermögen verwiesen werden darf, da sie es überhaupt nicht einzusetzen braucht.

32

Der Senat teilt schließlich auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Klägerin der bewohnerbezogene Aufwendungszuschuss mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 zu gewähren ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.

33

Die Kostenentscheidungen beruhen auf den §§ 154 Abs. 2, 167, 188 Satz 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

34

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben.