Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2003, Az.: 8 LA 89/03
Androhung; Bestattung; Einäscherung; Ersatzvornahme; Gefahr; Kosten; Kostenerstattung; vorausgehender Verwaltungsakt; Zwangsmittel
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.07.2003
- Aktenzeichen
- 8 LA 89/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48021
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 09.04.2003 - AZ: 1 A 99/03
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 GefAbwG ND
- § 64 Abs 2 GefAbwG ND
- § 66 Abs 1 GefAbwG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Durchführung einer Bestattung im Wege der Ersatzvornahme.
Gründe
Der Zulassungsgrund hat keinen Erfolg, weil die von der Beklagten geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO nicht vorliegen.
Entgegen der Annahme der Beklagten bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, da das Verwaltungsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat. Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, der die Klägerin zur Erstattung der Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung ihrer Mutter verpflichtet, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Einäscherung nach § 66 Abs. 1 NGefAG. Dabei kann dahinstehen, ob die Einäscherung überhaupt im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt worden ist, was den Verwaltungsvorgängen nicht eindeutig entnommen werden kann. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre die Ersatzvornahme nämlich rechtswidrig gewesen. Die Klägerin hat am 17. Januar 2002 bei der Beklagten einen Antrag auf Feuerbestattung gestellt. Damit hat sie die Einäscherung in Auftrag gegeben. Daher bestand kein Grund, die Einäscherung am 25. Januar 2002 im Wege der Ersatzvornahme vornehmen zu lassen. Folglich hat die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der durch die Einäscherung entstandenen Kosten. Ob sie von der Klägerin statt dessen Gebühren für die Benutzung des Krematoriums erheben kann, kann dahin stehen, da die Beklagte keinen Gebührenbescheid erlassen hat, sondern ihren Anspruch auf § 66 Abs. 1 NGefAG stützt.
Soweit die Beklagte die Erstattung der Kosten verlangt, die ihr durch die Beisetzung der Urne, insbesondere den Erwerb des Nutzungsrechts an einem Urnenreihengrab, entstanden sind, ist der angefochtene Bescheid ebenfalls rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, das die Ersatzvornahme nicht ohne vorausgehenden Verwaltungsakt erfolgen durfte.
Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 NGefAG dürfen Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt nur dann angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist, weil Maßnahmen gegen Personen nach den §§ 6 bis 8 NGefAG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.
Zunächst ist schon zweifelhaft, ob nach der Einäscherung der Leiche überhaupt eine gegenwärtige Gefahr bestand. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Bestattung von Leichen vom 29. Oktober 1964 (Nieders. GVBl. S. 183) müssen Leichen zwar vor Ablauf von 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes bestattet, in eine öffentliche Leichenhalle überführt oder zur Bestattung an einem anderen Ort auf den Weg gebracht werden. Mit der Einäscherung der Leiche war der Verstoß gegen diese Bestimmung, der zunächst vorlag, aber beseitigt. Daher war eine gegenwärtige Gefahr wegen Verstoßes gegen die Verordnung nach der Einäscherung entgegen der Darstellung der Beklagten nicht mehr vorhanden. Das gilt auch für Gesundheitsgefahren, die von der Leiche vor der Einäscherung möglicherweise ausgegangen sind.
Folglich hätte eine gegenwärtige Gefahr nach der Einäscherung nur dann bestanden, wenn ein Verstoß gegen § 8 Abs. 4 Satz 2 der Friedhofssatzung der Beklagten, der die Bestattung der Urne innerhalb von 2 Monaten nach der Einäscherung vorschreibt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in allernächster Zeit zu erwarten gewesen wäre (vgl. § 2 Abs. 1 Buchst. b NGefAG). Ob dies der Fall war, kann indessen dahinstehen. Denn die Beklagte hätte der Klägerin nach der Einäscherung ohne weiteres durch einen Verwaltungsakt unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung der Ersatzvornahme aufgeben können, die Bestattung der Urne innerhalb der o. g. Frist vornehmen zu lassen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dafür ausreichend Zeit zur Verfügung stand. Es hat auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte nicht von vorneherein davon ausgehen konnte, dass die Klägerin der Anordnung, die Urne rechtzeitig zu bestatten, nicht nachgekommen würde. Daher lagen die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte auf den Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes verzichten durfte, nicht vor. Außerdem war die Beklagte nicht befugt, von der Androhung der Ersatzvornahme nach § 70 Abs. 1 Satz 2 NGefAG abzusehen. Deshalb war die Bestattung der Urne im Wege der Ersatzvornahme rechtswidrig. Das hat zur Folge, dass die Beklagte von der Klägerin die Erstattung der ihr durch die Bestattung entstandenen Kosten nicht verlangen kann.
Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache entgegen der Annahme der Beklagten keine grundsätzliche Bedeutung besitzt. Denn sie wirft keine Rechtsfragen auf, die im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedürfen. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Fragen, die im vorliegenden Fall entscheidungserheblich sind, grundsätzlich klärungsbedürftig sein sollen.