Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.2003, Az.: 1 NDH M 1/03

Aufsichtspflicht; körperliche Berührung; Lehrer; Suspendierung; Wiedereinsetzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.07.2003
Aktenzeichen
1 NDH M 1/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48020
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.11.2002 - AZ: 10 A 2/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung durch die Disziplinarkammer ist bei Versäumung der Beschwerdefrist dem Beamten gemäß §§ 25 NDO, 44 und 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

2. Ein Lehrer ist verpflichtet, auch außerdienstlich im Rahmen einer Jugendfreizeit körperliche Distanz zu den ihm anvertrauten Kindern zu wahren.

Gründe

I.

1

Der im Jahre 1948 geborene Antragsteller wurde im März 1975 zum Realschullehrer ernannt und im Mai 1976 zum Beamten auf Lebenszeit berufen. Seit 1985 ist er Konrektor an der Orientierungsstufe D. (Amt der Besoldungsgruppe A 14 BBesO). Er ist ledig. Abgesehen von dem vorliegenden Disziplinarverfahren ist der Antragsteller bisher disziplinar- und strafrechtlich nicht aufgefallen.

2

Im Juni 2002 wurde der beteiligten Behörde bekannt, dass gegen den Antragsteller bereits im Juli 2001 eine Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen gestellt und daraufhin staatsanwaltliche Ermittlungen eingeleitet worden waren. In der Anklageschrift vom 8. August 2002 warf die Staatsanwaltschaft E. – Zweigstelle F. – dem Antragsteller vor, während einer Jugendfreizeit des Deutschen Roten Kreuzes F. in G. (H.) vom 5. Juli bis 15. Juli 2001 durch neun Straftaten sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren (Kind) (§ 176 Abs. 1 StGB) vorgenommen zu haben. Mit Beschluss vom 14. Februar 2003 - 19 b Ls 804 Js 6905/01-26/02 - lehnte das Amtsgericht F. – Jugendschöffengericht – die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, weil nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens kein zureichender Anhalt im Sinne hinreichenden Tatverdachts für ein Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB bestehe. Die sofortige Beschwerde des Nebenklägers verwarf die Jugendkammer des Landgerichts E. bei dem Amtsgericht F. durch Beschluss vom 2. Juni 2003 - 17 Qs 15/03 - als unbegründet.

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Mit Verfügung vom 21. Juni 2002 leitete die beteiligte Behörde gegen den Antragsteller das förmliche Disziplinarverfahren ein. Dieses Verfahren setzte die beteiligte Behörde mit Verfügung vom 4. Juli 2002 nach § 17 Abs. 2 NDO bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen aus. In der Einleitungsverfügung wird dem Antragsteller vorgeworfen, während einer Jugendfreizeit des Deutschen Roten Kreuzes F. in G. (H.), bei der er als Jugendleiter eingesetzt gewesen sei, vom 5. Juli bis 15. Juli 2001 mehrere sexuelle Verfehlungen begangen zu haben. Mit dem am 11. November 1991 geborenen Schüler I. aus J. habe er mindestens fünf Nächte gemeinsam in seinem Bett in der Jugendherberge „K.“ übernachtet und nach dem morgendlichen Aufwachen den Schüler unterhalb der Bekleidung an Rücken, Bauch und Penis gestreichelt und massiert, wobei er mit dem Schüler gemeinsam unter einer Bettdecke gelegen habe. Ferner stehe er in dem Verdacht, den Schüler einmal aufgefordert zu haben, sich gänzlich vor ihm zu entkleiden, weil er Sonnenbrand habe und er ihn mit Sonnenschutzmittel habe eincremen wollen. Er habe ihn dann am ganzen Körper – auch an Po und Penis – eingecremt. Den am 16. April 1990 geborenen Schüler L. aus M. habe er aufgefordert, seine Hose herunter zu lassen und sein T-Shirt hochzuziehen, damit er ihn wegen seiner aufgetretenen Heuschnupfenallergie untersuchen könne. Dabei solle er den Schüler am Bauch, den Unterarmen und am Penis berührt haben. Weiterhin bestehe der dringende Verdacht, dass er während der Jugendfreizeit Schüler in der Gemeinschaftsdusche unsittlich berührt habe, indem er die vollständig entkleideten Schüler anlässlich einer sogenannten „Zeckenkontrolle“ im Genitalbereich untersucht und auch am Penis berührt habe. Nach der Beendigung der Jugendfreizeit habe er die Schüler N. und O. sowie einen weiteren Schüler P. durch einen an die Eltern gerichteten Brief für mehrere Tage zu sich nach Hause eingeladen.

4

Nachdem die beteiligte Behörde dem Antragsteller hierzu zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme geboten hatte, enthob sie den Antragsteller mit Verfügung vom 18. Juli 2002 wegen der Schwere der gegen ihn erhobenen Vorwürfe gemäß § 91 NDO vorläufig des Dienstes.

5

Am 19. August 2002 hat der Antragsteller gemäß § 95 Abs. 2 NDO die Disziplinarkammer angerufen und zur Begründung ausgeführt: Es treffe zwar zu, dass der Schüler N. vier Nächte in seinem Bett übernachtet, dass er ihn mit einem Sonnenschutzmittel eingecremt, dass er den Schüler O. untersucht und auch eine Zeckenkontrolle durchgeführt habe. Dabei sei es jedoch zu keinem Zeitpunkt zu irgendwelchen sexualbezogenen Handlungen gekommen. Als Leiter der Jugendfreizeit des Deutschen Roten Kreuzes habe ihm eine Fürsorgepflicht sämtlichen Teilnehmern gegenüber sowie auch eine große Verantwortung oblegen, wovon alle seine ihm jetzt vorgeworfenen Handlungen geprägt gewesen seien. Wie sich aus dem im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstellten Gutachten des Diplom-Psychologen Q. vom 12. Mai 2002 über die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Schüler N. und O. ergebe, hätten beide Schüler sämtliche Handlungen erst im Nachhinein als verwerflich angesehen. Während der Durchführung der Freizeit sei dieses nicht der Fall gewesen. Die Schüler hätten zu keiner Zeit irgendwelche Gegenmaßnahmen unternommen. Sie hätten auch nur ausgesagt, dass eine Berührung stattgefunden haben solle, hierdurch seien aber weder sie noch er sexuell erregt worden.

6

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

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die vorläufige Dienstenthebung der beteiligten Behörde durch die Verfügung vom 18. Juli 2002 aufzuheben.

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Die beteiligte Behörde hat beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Durch Beschluss vom 20. November 2002 hat die Disziplinarkammer entschieden, dass die Verfügung vom 18. Juli 2002 aufrecht erhalten bleibe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

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 Gegen diesen ihm am 22. November zugestellten Beschluss, in dem in der Rechtsmittelbelehrung angegeben ist, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats seit Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen ist, wendet sich der Antragsteller mit seiner am 18. Dezember 2002 eingelegten Beschwerde. Zur Begründung trägt er vor: Die Beschwerde sei innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses angegebenen Frist eingelegt worden. Selbst wenn diese Frist tatsächlich unrichtig sein sollte, sei die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses zulässig. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil seine Verfahrensbevollmächtigten im Hinblick auf die unrichtige Rechtsmittelbelehrung ein Verschulden an der Fristversäumnis nicht treffe. Die Beschwerde sei auch begründet. Nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens rechtskräftig abgelehnt worden sei, stehe fest, dass es gegen ihn ein Strafverfahren nicht geben werde. Sein Verhalten widerspreche nicht seiner Dienstpflicht zur Erziehung und achtungsvollem Verhalten. Nach den Umständen des Einzelfalles seien die tatsächlich vorliegenden, eingeräumten und unwidersprochen gebliebenen Handlungen nicht geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in seine pflichtgemäße Amtsführung nachhaltig zu beeinträchtigen.

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Der Antragsteller beantragt,

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den angefochtenen Beschluss zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

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Die beteiligte Behörde beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie entgegnet: Auch wenn die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens rechtskräftig abgelehnt worden sei, rechtfertige das Verhalten des Antragstellers gleichwohl seine vorläufige Dienstenthebung, auch wenn es den hinreichenden Tatverdacht einer strafbaren Handlung nach § 176 Abs. 1 StGB nicht begründen könne. Die unzulässige Nähe, die der Antragsteller zu dem Schüler I. zugelassen habe, sei auch dann als schwere Dienstpflichtverletzung anzusehen, wenn die Sexualbezogenheit der Handlungen nicht nachzuweisen wäre.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge (Beiakten A und B) Bezug genommen.

II.

18

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig.

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Zwar ist die Beschwerde gegen den ihm am 22. November 2002 zugestellten Beschluss der Disziplinarkammer am 18. Dezember 2002 und damit nicht innerhalb der in § 78 Abs. 2 NDO vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung bei der Disziplinarkammer eingelegt worden. Die Frist des § 58 Abs. 2 VwGO, wonach die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig ist, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt worden ist, gilt im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht. Allerdings ist die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Beschwerde „innerhalb eines Monats seit Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen“ ist, unrichtig. Gleichwohl ist eine Anwendung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift der Verwaltungsgerichtsordnung in § 25 NDO nicht vorgesehen und deshalb ausgeschlossen.

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Gemäß § 25 NDO iVm §§ 44 und 45 StPO ist dem Antragsteller aber wegen Versäumung der Beschwerdefrist des § 78 Abs. 2 NDO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Verteidiger des Antragstellers konnte darauf vertrauen, dass die in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses angegebene Frist richtig ist. Die Versäumung der Frist ist in einem solchen Fall als unverschuldet anzusehen (§ 44 Satz 2 StPO, vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 4. Aufl. 1999, § 44 RdNr. 38).

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Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Disziplinarkammer hat mit Recht entschieden, dass die Anordnung der beteiligten Behörde, den Antragsteller gemäß § 91 NDO vorläufig des Dienstes zu entheben, rechtlich nicht zu beanstanden ist.

22

Nach § 91 NDO kann die Einleitungsbehörde einen Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das vorläufige Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Da die Einleitungsverfügung nicht nur eine formale Voraussetzung der vorläufigen Dienstenthebung, sondern deren materielle Grundlage ist, muss die Einleitungsverfügung rechtswirksam getroffen worden sein. Außerdem ist nach § 91 NDO für die vorläufige Dienstenthebung - das ergibt sich aus der Gesetzessystematik (vgl. NDH, Beschl. v. 6.8.1999 - 1 NDH M 1/98 -; Köhler/Ratz, Bundesdisziplinarordnung und materielles Disziplinarrecht, 2. Aufl. 1994, RdNr. 7 zu § 91) - der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens vorausgesetzt, das seiner Bedeutung nach eine nur im förmlichen Disziplinarverfahren zu verhängende Maßnahme erwarten lässt (vgl. NDH, Beschl. v. 11.1.1993 - 1 ND M 1511/92 -; Claussen/Janzen, BDO - Kommentar, 8. Aufl. 1996, RdNr. 2 b zu § 91). Da Gehaltskürzungen durch die oberste Dienstbehörde bis zum Höchstmaß verhängt werden (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 NDO) und für sie deshalb die Durchführung eines förmlichen Disziplinarverfahrens, das sich in die Untersuchung und in das Verfahren vor dem Disziplinargericht gliedert (§ 34 Satz 1 NDO), nicht erforderlich ist, bedarf es zur Rechtfertigung einer vorläufigen Dienstenthebung des hinreichenden Verdachts eines Dienstvergehens, das mindestens die Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt (§ 10 NDO) erfordert (vgl. NDH, Beschl. v. 4.10.2001 - 1 NDH M 1061/01 - m. w. Nachw.).

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Die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers sind, wie die Disziplinarkammer mit Recht angenommen hat, erfüllt. Das förmliche Disziplinarverfahren ist durch die Verfügung der beteiligten Behörde vom 21. Juni 2002 wirksam eingeleitet worden. Gegen den Antragsteller besteht auch der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens, das seiner Bedeutung nach voraussichtlich zumindest eine Degradierung (§ 10 NDO) erfordert.

24

Die gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe rechtfertigen den Verdacht, gegen die ihm aus § 62 Satz 3 NBG obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen zu haben. Der Umstand, dass der Antragsteller die ihm vorgeworfenen Verfehlungen nicht im Rahmen seines Amtes als Konrektor, sondern außerhalb des Dienstes, nämlich im Rahmen einer Jugendfreizeit des Deutschen Roten Kreuzes F. in G. (Sauerland), bei der er als Jugendleiter eingesetzt war, begangen hat, befreit ihn nicht von seiner disziplinaren Verantwortung. Nach § 85 Abs. 1 Satz 2 NBG ist ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles geeignet ist, das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung des Beamten nachhaltig zu beeinträchtigen. Das ist hier der Fall. Als Lehrer hatte der Antragsteller entsprechend dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule (§ 2 NSchG) gegenüber Schülern nicht nur die Pflicht zum Unterricht, sondern auch zur Erziehung unter Beachtung der Elternrechte. Hieraus ergibt sich für ihn unter anderem auch die Pflicht, die Distanz zu wahren, die - bei aller zulässigen Zuwendung und Hilfsbereitschaft - zur Erfüllung des Bildungsauftrages und der Wahrung der Elternrechte unerlässlich ist (vgl. NDH, Beschl. v. 11.6.2003 - 2 NDH M 6/02 -). Der Senat hält nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen die Annahme für gerechtfertigt, dass der Antragsteller während der Jugendfreizeit des Deutschen Roten Kreuzes F. in G. vom 5. Juli bis 15. Juli 2001 gegenüber den ihm anvertrauten Minderjährigen ein schwerwiegendes Fehlverhalten gezeigt hat.

25

Der gegen den Beamten bestehende ernsthafte Verdacht eines schwerwiegenden Fehlverhaltens wird nicht dadurch ausgeräumt, dass die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptverfahrens rechtskräftig abgelehnt worden ist. Dies bedeutet lediglich, dass dem Antragsteller ein strafrechtlicher Vorwurf nicht zu machen ist, und es hat in praktischer Hinsicht die Konsequenz, dass die beteiligte Behörde im weiteren Verlauf des Disziplinarverfahrens die vorliegenden und zukünftige Ermittlungsergebnisse, namentlich die Aussagen der betroffenen Kinder, selbständig zu würdigen hat, ohne dass aus einem Strafverfahren tatsächliche Feststellungen gemäß § 18 NDO eine Bindungswirkung entfalten könnten.

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Der gegen den Antragsteller in disziplinarrechtlicher Hinsicht bestehende Verdacht wird bei summarischer Prüfung auch nicht dadurch entkräftet, dass, wenn man der Behauptung des Antragstellers Glauben schenkt, bei den von ihm eingeräumten Berührungen weder er noch die betroffenen Kinder sexuell erregt worden seien. Der beschließende Senat teilt die Auffassung der Disziplinarkammer, dass die Eltern und die Öffentlichkeit darauf vertrauen können müssen, dass einer Lehrkraft anvertraute Kinder - sei es in der Schule, sei es auf einer Freizeit - nicht körperlichen Berührungen im Intimbereich durch diese Lehrkraft ausgesetzt werden. Betreuungspersonen sind auch strikt gehalten, mit Kindern „verfängliche“ Situationen, wie Übernachten in einem gemeinsamen Bett und Untersuchungen im Genitalbereich, zu vermeiden.

27

Die Erklärungen, die der Antragsteller im vorliegenden Verfahren für sein Handeln vorgebracht hat, sind nicht geeignet, das ihm vorgeworfene Fehlverhalten zu rechtfertigen. Wenn der Antragsteller meint, bei dem Schüler I. sei es wegen äußerer und innerer Umstände (Lärm der anderen Kinder, Heimweh) aus pädagogischen Gründen geboten gewesen, die körperliche Distanz zu verringern, so hat er die von einem Lehrer bei einem solchen, vermeintlich fürsorglichen Vorgehen stets zu beachtenden Grenzen eindeutig überschritten. Mehrmaliges Übernachten in einem gemeinsamen Bett und vor allem das nach dem morgendlichen Aufwachen erfolgte Streicheln und Massieren des Kindes unter der Bettdecke an Rücken und Bauch sind pädagogisch ebenso wenig zu akzeptieren wie das Eincremen des gänzlich entkleideten Kindes mit einem Sonnenschutzmittel an Po und Penis. Die „Zeckenkontrolle“ in der Gemeinschaftsdusche durch Abtasten auch im Genitalbereich der Kinder ist ebenfalls unter keinen Umständen zu dulden, insbesondere nicht mit der vom Antragsteller vorgetragenen Erklärung, er trage eine Gleitsichtbrille und der Duschraum sei abgedunkelt gewesen. Dieses Vorbringen ist als reine Schutzbehauptung zu werten.

28

Bei außerdienstlichen Verfehlungen eines Lehrers, die den Intimbereich von minderjährigen Kindern berühren und das Schamgefühl dieser Kinder verletzen, handelt es sich um ein schwerwiegendes Dienstvergehen, zu dessen Ahndung angesichts der Anzahl der Verfehlungen nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen (mindestens) eine Degradierung erforderlich ist (vgl. Köhler/Ratz, Bundesdisziplinarordnung, 3. Aufl. 2003, B II 12, Rn. 16 und 17).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 NDO.

30

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben (§§ 78 Abs. 3 Satz 2, 90 NDO).