Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.07.2003, Az.: 12 ME 250/03

Cannabis; Gutachten; Nichtbeibringung; regelmäßiger Konsum

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.07.2003
Aktenzeichen
12 ME 250/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.05.2003 - AZ: 1 B 148/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Hinweis der Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV ist kein Verwaltungsakt.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Fahrerlaubnisentziehungsverfügung muss nicht angedroht werden.

Die Frist zur Erklärung des Einverständnisses mit einer Eignungsuntersuchung kann verlängert werden.

Gründe

1

Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe für das von ihm beabsichtigte Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht bewilligt werden, weil dem beabsichtigten Rechtsmittel, dessen Begründung der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers als Entwurf zu den Akten gereicht hat, die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht zukommt.

2

Nach dem jetzigen Sach- und Streitstand spricht nichts dafür, dass der Antragsteller mit seiner beabsichtigten Beschwerde aus den in dem vorgelegten Entwurf enthaltenen Gründen, auf deren Prüfung der Senat in dem Beschwerdeverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt wäre, Erfolg haben könnte.

3

Entgegen der Ansicht des Antragstellers war hier wie in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO allgemein eine vorherige Androhung einer derartigen Anordnung bzw. eine Anhörung hierzu nicht erforderlich, denn die formellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Vollziehbarkeitsanordnung sind in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO abschließend geregelt (vgl. hierzu m.w.N. auch auf eine abweichende Ansicht: Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2002, § 80, Rn. 182 m.w.N., speziell zur Entbehrlichkeit einer Anhörung: Beschl. des erkennenden Senats v. 24.1.1994 – 12 M 6521/93 -).

4

Auch der Ansicht des Antragstellers, der durch § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV geforderte Hinweis an den Betroffenen darauf, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einer Weigerung, einer Untersuchungsanordnung Folge zu leisten, oder im Fall der nicht fristgerechten Beibringung eines geforderten Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, stelle einen Verwaltungsakt dar, der durch die Einlegung eines Widerspruchs suspendiert werden könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr ist dieser – hier in dem Anforderungsschreiben der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2003 enthaltene - Hinweis ebenso wie die Aufforderung, sich untersuchen zu lassen bzw. ein Gutachten beizubringen (vgl. hierzu die Nachweise bei: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 11 FeV, Rn. 26; § 46 FeV, Rn. 15), einer gesonderten Anfechtung nicht zugänglich. Rechtsschutz kann der Betroffene auch insoweit über eine auf § 11 Abs. 8 FeV gestützte Fahrerlaubnisentziehungsverfügung erhalten. Entsprechend ist auch eine Grundlage für den von dem Antragsteller reklamierten Vertrauensschutz dahingehend, dass die Antragsgegnerin die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur in Form einer isoliert anfechtbaren Auflage zur Fahrerlaubnis gemäß § 46 Abs. 2 FeV habe anordnen dürfen, nicht ersichtlich.

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Schließlich greift die Rüge des Antragstellers, die Anordnung zur Beibringung des verweigerten Eignungsgutachtens sei rechtswidrig, nicht durch.

6

Die Anordnung ist nicht, wie der Antragsteller meint, unverständlich. Vielmehr legt die Antragsgegnerin entsprechend § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV die Gründe für die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers dar, indem sie auf die im Hinblick auf Cannabinoide positiven Drogenscreenings vom 21. Mai 2002 und 7. Januar 2003 verweist und gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV als zunächst zu klärende Frage diejenige nach einem gewohnheitsmäßigen Cannabiskonsum bezeichnet. Die weitere Fragestellung – „Sollte ein nur gelegentlicher Konsum erfolgen, muss weiterhin die Frage geklärt werden, ob die Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss zuverlässig von Ihnen getrennt werden kann“ – ist sprachlich verunglückt, lässt sich ihrem Inhalt nach jedoch ohne weiteres dahingehend erschließen, dass nach der Fähigkeit der Trennung von Cannabiskonsum und Fahren im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gefragt wird.

7

Weiterhin kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg auf eine zu kurze Frist für die Erklärung seines Einverständnisses mit der geforderten Begutachtung berufen. Zwar hat der Antragsteller das Anordnungs-Schreiben vom 11. Februar 2003 nach seinen Angaben erst am 21. Februar 2003 – dem Ende der von der Antragsgegnerin gesetzten Frist – erhalten. Die Antragsgegnerin hat jedoch mit Schreiben vom 27. Februar 2003 im Zusammenhang mit der Anhörung des Antragstellers zu der beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung erklärt, dass eine Einreichung der Einverständniserklärung noch bis zum 7. März 2003 erfolgen könne. Diese Fristverlängerung gehört nicht in den Zusammenhang, für den das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 5.7.2001 – 3 C 13/01 - , NJW 2002, 78, 79 f.) eine „Heilung“ als nicht möglich bezeichnet hat. Die in Rede stehende höchstrichterliche Feststellung bezieht sich lediglich auf die Konstellation, dass eine Behörde nachträglich - etwa im Gerichtsverfahren – darzulegen sucht, objektiv hätten seinerzeit Umstände vorgelegen, die Anlass zu Zweifeln an der Fahreignung hätten geben und eine entsprechende Untersuchungsanordnung hätten rechtfertigen können. Hinzu kommt, dass der Antragsteller bereits mit Schreiben vom 24. Februar 2003 – eingegangen bei der Antragsgegnerin am 27. Februar 2003, dem Datum der Anhörung mit erweiterter Fristsetzung – die Beibringung des geforderten Eignungsgutachtens eindeutig verweigert hatte.

8

Zu Unrecht wendet der Antragsteller ein, die Rechtswidrigkeit der Aufforderung, ein Gutachten beizubringen, ergebe sich auch daraus, dass die Rechtsgrundlage für dieses Verlangen nicht genannt werde. Denn in der Betreffzeile des Schreibens der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2003 wird auf § 14 FeV verwiesen. Im Weiteren reicht es aus, dass die Antragsgegnerin ihre Anordnung auf Grund einer zutreffenden Tatsachenbasis getroffen hat (vgl. hierzu allgemein den Beschluss des erkennenden Senats vom 5.11.2002 - 12 ME 700/02 - , Zfs 2003, 322 f.). Dass hier die tatsächliche Grundlage für eine Anordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV gegeben war, ergibt sich zum einen daraus, dass – wie bereits dargelegt - zwei der durch die Antragsgegnerin angeordneten Drogenscreenings positiv waren. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 1.11.2002 – 12 ME 705/02 - , S. 3 f BA; vom 22.1.2003 – 12 ME 8/03 - , S. 3 f. BA, und vom 5.2.2003 – 12 LA 16/03 - , S. 5 BA), dass auf einen regelmäßigen Konsum von Cannabisprodukten geschlossen werden kann, wenn ein Proband selbst unter dem Druck eines zeitlich begrenzten Drogenscreening-Verfahrens nicht in der Lage ist, sich des Konsums von Cannabis zu enthalten. Denn der Sinn eines derartigen Drogenscreening-Verfahrens besteht gerade darin, dem Betroffenen Gelegenheit zu dem Nachweis zu geben, dass er jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum auf den Drogenkonsum verzichten kann. Hieraus folgt zum anderen weiterhin, dass nunmehr der in dem medizinisch-psychologischen Gutachten des B. vom 6. November 2001 (Beiakte A, Bl. 73) enthaltene Vorbehalt für den Fall eines positiven Drogenscreenings – „In einem solchen Fall müsste die Fahreignung des Untersuchten erneut in Frage gestellt werden“ – in Verbindung mit den nicht angegriffenen Auflagenbescheiden der Antragsgegnerin vom 12. November und 10. Juni 2002 als weitere, Eignungszweifel begründende Tatsache im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eingreift.

9

Schließlich ist eine Obliegenheit der Antragsgegnerin, dem Antragsteller Untersuchungsstellen zu benennen, die Zahlungserleichterungen gewähren, nicht ersichtlich.