Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.07.2003, Az.: 5 LA 58/02

Beamter; Berufung; Berufungszulassung; Dienstunfall; Dienstunfähigkeit; Kausalität; Zulassung; Zulassungsgrund

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.07.2003
Aktenzeichen
5 LA 58/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48426
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.02.2002 - AZ: 13 A 4068/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Berufungszulassungsverfahrens, zu prüfen, ob sich die angefochtene Entscheidung aus anderen, von dem Verwaltungsgericht und den Beteiligten bisher nicht erwogenen Gründen als im Ergebnis zutreffend erweist, wenn diese Prüfung die Auswertung zahlreicher ärztlicher Gutachten (hier: zur Kausalität eines Dienstunfalls für eine später festgestellte Dienstunfähigkeit) erfordert.

Gründe

1

Den form- und fristgerecht gestellten Anträgen der Beklagten zu 1) und 2) auf Zulassung der Berufung ist zu entsprechen, weil die Rechtssache hinsichtlich einzelner die angefochtene Entscheidung tragender Gründe besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und hinsichtlich anderer, die angefochtene Entscheidung ebenfalls selbständig tragender Gründe ernstliche Zweifel an deren Richtigkeit bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und die Beklagten zu 1) und 2) diese Zulassungsgründe unter Beachtung der übrigen Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO dargelegt haben (§ 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO).

2

Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Bescheide vom 27. Januar und 14. August 2000, durch die die Beklagte zu 1) die Anerkennung des von dem Kläger am 4. März 1993 erlittenen Unfalls als Dienstunfall (Bescheide vom 21.1. und 2.6.1999) teilweise zurückgenommen hat, aufgehoben und außerdem die Beklagte zu 2) unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide vom 12. August 1999 und 24. Oktober 2001 verpflichtet, dem Kläger ab 1. März 1998 Unfallruhegehalt nach § 36 BeamtVG zu gewähren.

3

Hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, die teilweise Rücknahme (Bescheide vom 27.1. und 14.8.2000) des Bescheides vom 21. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1999, durch die der Unfall des Klägers vom 4. März 1993 als Dienstunfall anerkannt wurde, sei rechtswidrig, weil die Rücknahme wegen Versäumung der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG ausgeschlossen sei, weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf.

4

Solche Schwierigkeiten sind anzunehmen, wenn die mit der Beantwortung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage verbundene Klärung in qualitativer Hinsicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden ist. Hinsichtlich der Frage, ob besondere Schwierigkeiten in diesem Sinne vorliegen, ist dem Berufungsgericht durch § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. Lüneburg, Beschl. v. 28.2.2003 - 5 LA 16/03 -; Schoch u. a. (Meyer-Ladewig), VwGO - Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Januar 2003, RdNr. 28 und 29 zu § 124).

5

In dem die Anerkennung des Dienstunfalls betreffenden Bescheid vom 21. Januar 1999 heißt es:

6

Die am 04.03.93 erlittene Verletzung Ihres Mandanten - Rippenprellung rechts bei vorhandener neurotischer Depression mit phobischen aber auch konversionsneurotischen Zügen - wird als Dienstunfall ... anerkannt.

7

In dem diesen Bescheid betreffenden Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1999 heißt es:

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Ihrem Widerspruch ... gebe ich statt, indem ich meinen Bescheid vom 21.01.99 dahingehend ändere, dass die Verletzungsfolgen wie folgt lauten:

9

- Rippenprellung rechts und nachfolgende psychoreaktive Gesundheitsstörungen gemäß den Feststellungen des psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. med. C..

10

In dem die Rücknahme dieser Anerkennungsentscheidung betreffenden Widerspruchsbescheid vom 14. August 2000 heißt es:

11

Auf Grund der sich aus dem Gesamtvorgang ergebenden Sachverhaltskenntnis habe ich mit Bescheid vom 27.01.2000 den Widerspruchsbescheid vom 02.06.1999 insoweit zurückgenommen, als das Unfallgeschehen für eine weitergehende Verletzung als im Bescheid vom 21.01.1999 formuliert als kausal angesehen wurde.

12

Die Frage, ob die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG bereits deshalb gewahrt ist, weil der Widerspruchsbescheid am 2. Juni 1999 und der zurücknehmende Bescheid vor Ablauf eines Jahres am 27. Januar 2000 ergangen ist, und ob die Rechtssache deshalb besondere rechtliche Schwierigkeiten aufweist, weil bisher - soweit ersichtlich - höchstrichterlich nicht entschieden ist, ob in einem solchen Fall - wie das Verwaltungsgericht offenbar annimmt - auf das Datum des Erstbescheides (21.1.1999) abzustellen ist, seit dessen Erlass im Zeitpunkt der Rücknahme (27.1.2000) mehr als ein Jahr vergangen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn insoweit sind mit dem Zulassungsantrag Bedenken nicht geltend gemacht.

13

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergeben sich aber hinsichtlich der von dem Verwaltungsgericht unter Hinweis auf den Organisationsplan der Beklagten zu 1) bejahten Frage, ob die Beklagte zu 1) bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG Kenntnis von den Tatsachen erhalten hat, die die Rücknahme rechtfertigen sollen. Positive Kenntnisse in diesem Sinne erlangt die Behörde, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigende Tatsachen feststellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.1984 - Großer Senat 1 und 2.84 -, BVerwGE 70, 356, 364; BVerwG, Urt. v. 20.12.1999 - 7 C 42.98 -, BVerwGE 110, 226, 234; Kopp/Ramsauer, VwVfG - Kommentar, 8. Aufl., RdNr. 142 zu § 48 m. w. Nachw.). Als die Rücknahme rechtfertigende Tatsachen sind in den Rücknahmebescheiden (27.1. und 14.8.2000) Feststellungen genannt, die in dem Entlassungsbericht der Neutrauchburger Fachkliniken vom 18. September 1996 und dem psychiatrischen Gutachten von Dr. med. D. vom 8. September 1997 enthalten sind, und der Umstand, dass dienstlich bedingte Begegnungen des Klägers mit getöteten Kindern nicht vor dem Dienstunfall (4.3.1993), wie nach Auffassung der Beklagten zu 1) Prof. E. unrichtigerweise in seinem Gutachten vom 14. Juli 1998 angenommen habe, sondern erst nach dem Dienstunfall auf Grund einer Umsetzung mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 stattgefunden hätten. Wann diese Umstände dem für die Rücknahme zuständigen Amtsträger bekannt worden sind, ist den vorgelegten Verwaltungsvorgängen nicht mit Eindeutigkeit zu entnehmen und hängt davon ab, wann die für die Umsetzung zuständige Polizeidirektion (Beklagte zu 2) und der für die Aufbewahrung der ärztlichen Äußerungen vom 18. September 1996 und 8. September 1997 zuständige Gesundheitsdienst der Beklagten zu 1) den für die Rücknahme zuständigen Amtsträger entsprechend benachrichtigt haben. Mit dem Verwaltungsgericht und dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren ist davon auszugehen, dass der Beklagten zu 1) - wie sich aus dem Anerkennungsbescheid vom 21. Januar 1999, in dem von Depressionen und phobischen sowie konversionsneurotischen Zügen des Klägers gesprochen wird, ergibt - die psychische Erkrankung des Klägers vor dem Dienstunfall (4.3.1993) bekannt war. Hieraus ergibt sich aber nicht die Kenntnis der für die Rücknahme maßgeblichen Tatsachen. Denn für die mit den Rücknahmebescheiden (v. 27.1. und 14.8.2000) verneinte, aber mit dem Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 1999 bejahte Kausalität des Dienstunfalls (4.3.1993) für die Dienstunfähigkeit des Klägers, die zu dessen Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Februar 1998 führte (Verf. v. 15.4.1999), kommt es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auf die Schwere dieser Vorerkrankung an und deren Bedeutung im Verhältnis zu dem Dienstunfall (4.3.1993) für die dann festgestellte Dienstunfähigkeit. Für diese Bewertung ist die Beklagte zu 1) auf die in dem Rücknahmebescheid genannten Unterlagen und Umstände und deren Auswertung angewiesen. Es bedurfte also der Kenntnis des Klinikberichtes vom 18. September 1996 und des Gutachtens vom 8. September 1997 sowie der Kenntnis des Zeitpunktes der Umsetzung. Nach dem Vortrag der Beklagten, der nicht in Widerspruch zu den vorgelegten Verwaltungsvorgängen steht, sind diese Umstände aber erst im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers auf Gewährung eines Unfallruhegehalts vom 29. Juli 1999 bekannt geworden, so dass die Rücknahme vor Ablauf der Jahresfrist verfügt wurde (Bescheid vom 27.1.2000). Die Annahme des Klägers und des Verwaltungsgerichts, die Beklagte zu 1) habe diese Informationen schon im Rahmen des die Anerkennung des Unfalls vom 4. März 1993 als Dienstunfall betreffenden Verwaltungsverfahrens (Bescheide vom 21.1. und 2.6.1999) erhalten, lässt sich in tatsächlicher Hinsicht nur durch eine - im Rahmen dieses Zulassungsverfahrens nicht gebotene - genaue Analyse des sehr umfangreichen Aktenmaterials und gegebenenfalls Äußerungen der bei den Beklagten zu 1) und 2) einschließlich des Gesundheitsdienstes der Beklagten zu 1) befassten Sacharbeiter aufklären. Dieser Umstand rechtfertigt die Annahme, dass insoweit die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweist.

14

Hinsichtlich der die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Rücknahmebescheide vom 27. Januar und 14. August 2000 seien rechtswidrig, darüber hinaus selbständig tragenden Begründung, die Beklagte habe das ihr durch § 48 Abs. 1 VwVfG eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt, bestehen ernstliche Richtigkeitszweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). In diesem Zusammenhang wird in dem angefochtenen Urteil ausgeführt: Die Beklagte zu 1) sei bei ihrer Entscheidung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Sie habe in ihrem Bescheid vom 27. Januar 2000 die Rücknahme mit der Begründung für gerechtfertigt gehalten, die Neutrauchburger Fachklinik habe ihren Bericht vom 18. September 1996 "chronische anlagebedingte seelische Erkrankungen und auffällige Persönlichkeitsstrukturen" bei dem Kläger festgestellt. Die in Anführungsstrichen wiedergegebene Diagnose weise darauf hin, dass die Beklagte zu 1) angenommen habe, die Fachklinik habe in ihrem Entlassungsbericht ausdrücklich von einer anlagebedingten seelischen Erkrankung des Klägers gesprochen. Diese Formulierung - auf die es entscheidend ankomme, denn die Beteiligten stritten ja gerade darum, ob die Erkrankung des Klägers "anlagebedingt" oder durch den Dienstunfall verursacht sei - enthalte der Bericht, auf den sich die Beklagte beziehe, jedoch nicht.

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Gegen die Richtigkeit dieser Annahmen des Verwaltungsgerichts bestehen ernstliche Zweifel aus zwei Gründen. Einmal betrifft die Frage, ob die Dienstunfähigkeit des Klägers, die zu dessen Versetzung in den Ruhestand führte (v. 15.4.1999), durch eine anlagebedingte seelische Erkrankung oder durch den Dienstunfall vom 4. März 1993 verursacht worden ist, nicht das der Beklagten zu 1) durch § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eingeräumte Ermessen, sondern die Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Verwaltungsaktes (Bescheide vom 21.1 und 2.6.1999), soweit mit ihm die Kausalität zwischen Dienstunfall und Dienstunfähigkeit bejaht wurde. Zum anderen hat die Beklagte zu 1) die in den Rücknahmebescheiden (27.1.und 14.8.2000) angenommene fehlende Kausalität nicht allein auf die genannte Formulierung aus dem Entlassungsbericht vom 18. September 1996 zurückgeführt, sondern auf diesen Bericht insgesamt sowie das Gutachten von Dr. F. vom 8. September 1997 und den ebenfalls erwähnten Umstand der späteren und in dem Gutachten von Prof. C. vom 14. Juli 1998 nach Ansicht der Beklagten zu 1) nicht zutreffend berücksichtigten Umsetzung des Klägers.

16

Die Zulassung der Berufung ist auch gerechtfertigt ,hinsichtlich der mit dem angefochtenen Urteil unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide (v. 12.8.1999 und 24.10.2001) ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten zu 2), dem Kläger rückwirkend ab dem 1. März 1998 Unfallruhegehalt nach § 36 BeamtVG zu gewähren. Denn diesen Anspruch begründet das Verwaltungsgericht damit, dass die für diesen Anspruch nach § 36 Abs. 1 BeamtVG vorausgesetzte Kausalität zwischen dem Dienstunfall vom 4. März 1993 und der Dienstunfähigkeit des Klägers, die zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des Februar 1998 geführt hat (Bescheid vom 15. Februar 1999), deshalb zu bejahen ist, weil der bestandskräftige Bescheid vom 21. Januar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1999 eine entsprechende Feststellung enthält und die Rücknahme dieses Bescheides insoweit rechtswidrig ist. Da diese Annahme - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - nach Zulassung der Berufung einer Überprüfung im Berufungsverfahren bedarf, gilt dies auch hinsichtlich des mit der angefochtenen Entscheidung zugesprochenen Anspruchs auf Gewährung eines Unfallruhegehalts, dem diese Annahme zugrunde liegt.

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Die danach gerechtfertigte Zulassung der Berufung kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, auf die von dem Verwaltungsgericht für entscheidungserheblich gehaltenen Umstände (Bestandskraft der die Kausalität zwischen Dienstunfall und Dienstunfähigkeit bejahenden Bescheide (v. 21.1. u. 2.6.1999) und daraus abgeleitete Erfüllung der sich aus § 36 Abs. 1 BeamtVG für den Unfallruhegehaltsanspruch ergebenden Voraussetzungen) seien nicht entscheidungserheblich, weil sich aus dem Gutachten von Prof. C. vom 14. Juli 1998 die umstrittene Kausalität zwischen Dienstunfall und Dienstunfähigkeit mit Eindeutigkeit ergebe und deshalb die für die Rücknahme der Anerkennungsbescheide vom 21. Januar und 2. Juni 1999 nach § 48 Abs. 1 VwVfG vorausgesetzten Rechtswidrigkeit nicht angenommen werden kann und die für den Ruhegehaltsanspruch nach § 36 BeamtVG vorausgesetzte Kausalität zu bejahen ist.

18

Zwar spricht angesichts der nachfolgend zitierten Ausführungen einiges für diese Annahme:

19

Ergänzend ist zu beachten, dass der von früheren Polizeiärzten reklamierte Unfall unabhängige, zeitlich vorangegangene Verlauf durch das Unfallereignis eindeutig durchbrochen und in seinem Schweregrad massiv verschärft worden ist. Zwar bestanden vorher vereinzelt kurzfristige Anpassungsstörungen und psychosomatische Symptome, diese waren aber diagnostisch allenfalls als krisenhafte Anpassungsreaktionen zu werten und hoben die Bewältigungsmöglichkeiten und die Einsatzbereitschaft im beruflichen Umfeld nicht auf. Auch wären sie seinerzeit leicht einer therapeutischen Bearbeitung zugänglich gewesen. Auch handelte es sich aus ärztlicher Sicht teilweise um typische leichtere Belastungsreaktionen, wie sie angesichts der dienstlichen Situation verständlich und adäquat waren. Die Brisanz des Unfallereignisses in seiner psychischen Traumatisierung durch den Vorgesetzten wuchs dadurch, dass diese dienstlichen Altersbelastungen (z. B. die Begegnung mit getöteten Kindern) in der beruflichen Beziehung zu dem Vorgesetzten unterstützend aufgefangen wurden, sondern jedenfalls subjektiv verschärft waren. Dies mag die Verletzbarkeit des Probanden durch das Unfallereignis und seine psychische Bedrohlichkeit unspezifisch erhöht haben, verbunden mit einer Verschlechterung seiner Bewältigungsmöglichkeiten und Abgrenzung gegenüber dem Unfallereignis. Aus ärztlicher Sicht ist diese erhöhte Verletzlichkeit aber nicht auf eine krankhafte Empfindlichkeit des Probanden vor dem Unfallereignis zurückzuführen, sondern auf eine erhöhte Belastung und deutlich reduzierte Unterstützung. Es soll hiermit verdeutlicht werden, dass das vom körperlichen her äußerlich relativ banale Unfallereignis psychisch und sozial eine starke nicht zu bewältigende Traumatisierung darstellte, die als Ursache für die Belastungsreaktionen und den chronisch psychisch gestörten Zustand adäquat ist.

20

Diese und die übrigen Ausführungen des Gutachtens von Prof. C. hat sich der Amtsarzt in seinem Gutachten vom 19. August 1998 zu eigen gemacht. Nach bisherigem Sachstand spricht vieles dafür, dass dem Amtsarzt die bereits erwähnten ärztlichen Äußerungen vom 13. September 1996 und 8. September 1997, aus denen die Beklagte zu 1) Zweifel für hinsichtlich der Feststellungen von Prof. C. herleitet, vorgelegen habe. Jedoch ist den sich daraus ergebenden Zweifeln hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Rücknahmebescheide (v. 27.1. und 14.8.2000) und der Versagung des Unfallruhegehaltes (Bescheide v. 12. August und 24. Oktober 2001), auf Grund derer sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis als zutreffend erweisen könnte, in diesem Zulassungsverfahren nicht nachzugehen. Denn mit der Frage, ob diese Zweifel berechtigt sind, hat sich weder das Verwaltungsgericht befasst, noch haben sich die Beteiligten bisher dazu geäußert und es widerspräche dem Sinn und Zweck des Zulassungsverfahrens, Rechtsfragen, die bisher nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren, abschließend zu beantworten.

21

Da aus diesen Gründen die Zulassung der Berufung bereits gerechtfertigt ist, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob auch die darüber hinaus geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 und 5 VwGO) die begehrte Zulassung rechtfertigen.

22

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124 a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

23

Die Berufung ist - ungeachtet der in einem Zulassungsverfahren vorgetragenen Gründe - innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124 a Abs. 6, Abs. 3 Satz 3 bis 5 VwGO). Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, einzureichen (§ 124 a Abs. 6 Satz 2 VwGO).