Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.11.2022, Az.: 5 A 184/21
Approbation; Approbation als Arzt; Widerruf; Straftat; Unwürdigkeit; Verurteilung; Volksverhetzung; Widerruf der Approbation als Arzt: Verurteilung wegen Volksverhetzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.11.2022
- Aktenzeichen
- 5 A 184/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 67424
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2022:1107.5A184.21.00
Rechtsgrundlagen
- BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
- StGB § 130
Amtlicher Leitsatz
Eine Verurteilung wegen Volksverhetzung ist grundsätzlich approbationsschädlich.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
Der 1948 geborene Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin und seit 1985 in niedergelassener Praxis tätig.
Die Ärztekammer wandte sich am 14. Juni 2012 an den Beklagten und legte ein Schreiben des Klägers an den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen vom 20. April 2012 vor. Der Kläger schrieb unter anderem "Interessanter zu diskutieren ist die Frage, warum werden Juden weltweit verachtet und haben ständig Stress mit den Islamisten sowie Katholiken? Eine Antwort könnte sein, dass alle diese Religionen aus dem mosaischen Satanismus hergeleitet werden können und deshalb Jahwes Truthähne (Priester) überall ihre Blut- und Todesspuren auf diesem Planeten hinterlassen" sowie "Es ist Zeit, mit dem gesamten mosaischen Schwachsinn aufzuhören. Die Zeit läuft hierfür ab. Nutzen Sie die Hand, die Ihnen Günther Grass freundlicherweise gereicht hat, und ändern Sie Ihr zionistisches Verhalten, bevor es andere mit Ihnen tun." Die Staatsanwaltschaft G. leitete ein Ermittlungsverfahren ein -H. /12 -, das nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Wegen eines Schreibens an die Leiterin einer weiterführenden Schule leitete die Staatsanwaltschaft im selben Jahr ein weiteres Ermittlungsverfahren ein -I. /12 -, das ebenfalls nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist.
Die Ärztekammer legte dem Beklagten unter dem 6. August 2012 einen Antrag des Klägers vom 19. Juli 2012 für die nächste Kammerversammlung vor, die Beschneidung aus religiösen Gründen grundsätzlich abzulehnen, weil eine Körperverletzung und ein Verstoß gegen die Menschenrechte vorliege. Die Beschneidung afrikanischer Mädchen werde grundsätzlich abgelehnt, warum solle dies nicht für den männlichen Nachwuchs gelten. Außerdem benähmen sich die beschnittenen Männer etwas höheren Alters im Sexualverkehr "wie brutale Tiere und missbrauchen, unterdrücken, unterwerfen und demütigen die Frauen (...). Deshalb lehnen Prostituierte vielfach den Sexualverkehr mit Beschnittenen ab. (...) Außerdem ist die Beschneidung ein Blutsbund zwischen dem satanistischen Gott Jahwe. Deshalb können die Rabbiner nicht anders handeln, weil sie bereits satanisch sind." Der Kläger schloss seine Antragsbegründung mit den Worten "Ich hoffe, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie machen sich nicht zu jüdischen Arschkriechern und Vasallen des mosaischen Satanismus." Der Kläger übersandte der Ärztekammer nach Aktenlage im Nachgang jedenfalls weitere Schreiben vom 12. September 2012 und vom 26. September 2012 ähnlichen Inhalts.
Mit Strafbefehl vom J. 2020 wurde der Kläger vom Amtsgericht K. wegen Volksverhetzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen, zu einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen zu je 100,00 Euro verurteilt. Zum Sachverhalt stellte das Amtsgericht fest, dass der Kläger 1. auf der von ihm am 7. November 2019 betriebenen Internetseite L. a) ein Foto veröffentlichte, das an den Zitzen einer Sau hängende Ferkel zeige, die von ihm nachträglich mit "Juden", "Christen", "Moslems", und "Migranten" beschriftet worden seien und neben denen in gleicher Weise mit "Mörder", "Verbrecher", und "Faulpelze" gekennzeichnete weitere Ferkel zu sehen seien, wodurch die Angehörigen der genannten Bevölkerungsgruppen mit Mördern und Verbrechern auf eine Stufe gestellt und ihnen durch die Darstellung als Tier gezielt ihr Menschsein abgesprochen worden sei, und b) ein Pressefoto veröffentlicht habe, das einen Rabbiner zeige, dessen Vater während der Zeit des Nationalsozialismus ausgebürgert worden sei und der nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit zurückerlangt habe, und auf dem der Kläger der ursprünglichen Überschrift "Zurück ins Land der Täter" die Worte "um zu schmarotzen, Schuldkomplexe zu züchten und religiöse Wahnvorstellungen der Juden aus ihren Irrenhäusern zu vermitteln!" hinzugefügt habe und einen Tierkopf auf das Gesicht des Rabbiners montiert habe, wodurch der abgebildeten Person aufgrund ihrer Herkunft und ihres Glaubens ebenfalls ihr Menschsein abgesprochen worden sei und 2. am 18. Dezember 2019 in seiner Arztpraxis, seinem Wohnhaus sowie seinem Pkw insgesamt 529 Einzelexemplare der von ihm verfassten Hetzschrift "M." zum Zweck der Weitergabe an Interessierte vorrätig gehalten habe, in der Juden als "schmarotzende jüdische und zionistische Ratten" und "zionistische Missgeburten" bezeichnet würden, welche die Vernichtung Deutschlands betrieben.
Mit Schreiben vom 15. September 2020 hörte der Beklagte den Kläger zu dem beabsichtigen Widerruf seiner Approbation als Arzt an. Auf die Stellungnahme vom 16. November 2020 wird verwiesen.
Mit Bescheid vom N. Dezember 2020 hat der Beklagte die Approbation des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs widerrufen und ihn aufgefordert, nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides seine Approbationsurkunde im Original zu übersenden. Der Beklagte nahm Bezug auf den Sachverhalt, der dem Strafbefehl und den zwei davor bei der Staatsanwaltschaft G. geführten und eingestellten Strafverfahren zugrunde liegt. Darüber hinaus lägen mehrere Schreiben aus den Jahren 2012 bis 2013 an verschiedene Personen und Institutionen sowie an die Ärztekammer vor, die diverse Verunglimpfungen des Staates Israel und des Judentums sowie Äußerungen mit rechtsradikalen Tendenzen enthielten. Zudem habe der Beklagte über die Ärztekammer Fotos von zwei Schildern erhalten, die am Haus des Klägers befestigt gewesen seien. Rechtlich bezog sich der Beklagte auf § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO. Aus der strafgerichtlichen Verurteilung und den dem Beklagten vorliegenden weiteren Dokumenten folge die Unwürdigkeit des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Die dargestellten, seit Jahren anhaltenden Aussagen bzw. Verhaltensweisen des Klägers seien geeignet, das Ansehen und Vertrauen in den ärztlichen Berufsstand zu zerstören, da er seit Jahren gegen seine Berufspflichten verstoße (Präambel, §§ 1 Abs. 1 und Abs. 2, 2 Abs. 1 und 7 Abs. 1 BO). Aus der Verurteilung wegen Volksverhetzung, den Erkenntnissen aus den diversen Ermittlungsverfahren und den von dem Kläger verfassten Schreiben gehe hervor, dass er über ein massiv menschenverachtendes Weltbild mit antisemitischen und rassistischen Ansätzen verfüge und nationalsozialistischem Gedankengut, das ebenfalls durch seine menschenverachtenden Ansichten, insbesondere gegenüber Juden, gekennzeichnet sei, mindestens nahestehe. Äußerungen, die darauf zielten, gewisse Bevölkerungsgruppen als "minderwertig" oder "verachtenswert" darzustellen bzw. ihnen das Recht auf Existenz abzusprechen, seien mit den Grundsätzen der Berufsordnung in keiner Weise vereinbar. Der Kläger habe dieses Gedankengut auch noch durch die zahlreichen von ihm an verschiedene Institutionen geschriebenen Briefe sowie in Form seines im Jahr 2017 verfassten Buches und über die von ihm betriebene Internetseite öffentlich verbreitet. Zudem habe er zahlreiche Exemplare des von ihm verfassten Buches in den Praxisräumen aufbewahrt und aus der Strafakte gehe hervor, dass Zeugen ausgesagt hätten, dass sie die Bücher im Rahmen von Hausbesuchen bei Patienten gesehen hätten und dass der Kläger Teile der von ihm in der Vergangenheit gefertigten Schreiben auf den Praxiscomputern gefertigt bzw. diese in der Praxis gedruckt und vervielfältigt habe. Teilweise solle er das nichtärztliche Personal angewiesen haben, ihm dabei behilflich zu sein. Weiter wirke sich erschwerend aus, dass er bereits seit mindestens acht Jahren derartige Äußerungen tätige und gegen ihn bereits mehrere strafrechtliche Verfahren geführt worden seien, da so ein gewisser innerer Hang zur konsequenten Missachtung der Rechtsordnung, zu der die Gesamtheit aller gesetzlichen Vorschriften, insbesondere auch die Grundrechte gehörten, deutlich werde. Die Würdigkeit erfordere eine Gesamtbetrachtung, für die auch Verhaltensweisen in der Vergangenheit relevant seien; insofern gebe es bei der Frage der Würdigkeit keine Ausschlussfristen, ab wann gewisse Sachverhalte nicht mehr verwertet werden dürften. Trotz der Tatsache, dass vor dem letzten Strafverfahren bereits zwei Strafverfahren gegen den Kläger geführt worden seien, habe dieser unverändert weiterhin derartige und sogar noch schlimmere Äußerungen getätigt. Zudem sei er Mitglied der AfD, in der es bekanntermaßen rechte Tendenzen gebe, aber selbst dort sei ihm mit einem Ausschluss gedroht worden. Der Umstand, dass er Patienten verschiedener Ethnien in seiner Praxis behandele, rechtfertige keine andere Entscheidung, da eine objektive Betrachtung stattzufinden habe und im Rahmen der Gesamtbetrachtung auf einen durchschnittlichen objektiven Beobachter abzustellen sei, für den die von dem Kläger getätigten Äußerungen auch ohne Kenntnis der Tatsache, dass er den ärztlichen Beruf ausübe und ohne genaue Kenntnis der Berufsordnung nur schwer erträglich sein dürften. Die von dem Kläger getätigten Äußerungen ließen sich auch nicht als Satire rechtfertigen, da sowohl das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als auch das Grundrecht auf Kunstfreiheit ihre Grenzen dort finden würden, wo die Grundrechte anderer, insbesondere das verfassungsrechtlich und auch strafrechtlich als höchstes Gut angesehene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen seien und die Würde des Menschen verneint bzw. aberkannt werden solle. Es sei auch unerheblich, ob sich die Äußerungen nur gegen eine Religion/Volksgruppe oder alle richteten. Dass in seinem Buch auch andere Themen behandelt worden seien, stelle keine Rechtfertigung für die getätigten und abgeurteilten Äußerungen dar, sondern erwecke eher den Eindruck, dass diese relativiert/bagatellisiert werden sollten. Damit seien die Äußerungen an sich, in welchem Zusammenhang sie auch immer getätigt worden seien, keinesfalls mit den ärztlichen Grundsätzen und dem Bild eines Arztes in der Öffentlichkeit vereinbar und geeignet, Patienten davon abzuhalten, rechtzeitig ärztliche Hilfe, besonders bei dem Kläger, in Anspruch zu nehmen. Für einen durchschnittlichen objektiven Beobachter sei es nur schwer verständlich, wie jemand, der derartige Äußerungen tätige, berechtigt sein solle, den ärztlichen Beruf weiterhin auszuüben, dessen Hauptaufgabe es sei, das Leben zu achten und zu erhalten. Der Kläger habe keine Lehren aus den eingestellten Strafverfahren gezogen, keine Verhaltensveränderung durchlaufen und auch das letzte Strafverfahren inklusive Verurteilung habe anscheinend keine nachhaltige Wirkung auf ihn gehabt. So habe er im November 2020 zwei Schilder an der Rückseite seines Grundstücks und somit für die Öffentlichkeit sichtbar angebracht, von denen jedenfalls das eine unverkennbar auf die Gedenkstätten für Holocaustopfer anspiele und der Kläger damit den Eindruck vermittele, dass die Opfer des Holocaust derartige Gedenkstätten nicht verdient hätten. Mit den getätigten Äußerungen und Veröffentlichungen habe er sowohl sein eigenes berufsbezogenes Ansehen als auch das der Ärzteschaft insgesamt mit entsprechenden negativen Rückwirkungen auf die Einschätzungen der persönlichen wie fachlichen Integrität der beruflichen Betätigung untergraben. Der Kläger könne damit von Seiten seines Berufsstandes Respekt und Achtung nicht mehr erwarten. Dabei sei unerheblich, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung einen geringeren Strafrahmen aufweise als einfacher Diebstahl, da die Unwürdigkeit nicht nur mit der erfolgten Verurteilung wegen Volksverhetzung begründet werde und die Annahme einer Unwürdigkeit kein Mindeststrafmaß voraussetze, sondern sogar aus einem nicht strafbaren Verhalten herrühren könne. Einer abschließenden Prüfung der Frage, ob der Kläger auch als unzuverlässig i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BÄO anzusehen sei, bedürfe es nicht, da ein Arzt sowohl würdig als auch zuverlässig sein müsse, um seinen Beruf ausüben zu dürfen. Habe sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe, sei seine Approbation zwingend zu widerrufen. Ein Ermessensspielraum bestehe bei dieser Entscheidung nicht. Der Approbationswiderruf sei auch verhältnismäßig, insbesondere verhältnismäßig im engeren Sinne. Wegen der von ihm begangenen Straftat und den seit Jahren erfolgenden menschenverachtenden Äußerungen sowie des dadurch drohenden Ansehensverlustes für die Ärzteschaft falle die Abwägung zu Lasten des Klägers aus. Individuelle Umstände wie sein Alter, seine familiäre oder finanzielle Situation sowie Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit seien dabei nicht zu berücksichtigen. Dass mit einem Widerruf die Vernichtung der beruflichen Existenz verbunden sein könne, habe er hinzunehmen, da er durch sein Fehlverhalten die Ursache für den Approbationswiderruf gesetzt habe. Es bestehe letztlich die Möglichkeit, die Wiedererteilung der Approbation zu beantragen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO) und ggf. zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs zu erhalten (§ 8 Abs. 1 BÄO).
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 6. Januar 2021 Klage erhoben. Sein Patientenstamm umfasse Patienten verschiedener Ethnien und Religionen. Er behandele alle seine Patienten mit der gleichen, im Arztberuf gebotenen Gewissenhaftigkeit. Der Kläger übe den Arztberuf erfolgreich und voller Verantwortung seit vielen Jahrzehnten aus - und zwar auch ohne den Druck dieses Verfahrens. Er habe seine Praxis über Jahre hinweg mit einem von ihm selbst eingestellten "dunkelhäutigen Berufskollegen afghanischer Abstammung" betrieben, und Angestellte und Auszubildende mit Migrationshintergrund beschäftigt, was im Widerspruch zu dem Vorwurf stehe, dass er eine rassistische Gesinnung habe. Er habe für seinen Assistenzarzt sogar gebürgt, was wegen dessen Status als Nicht-EU-Bürger nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland seinerzeit notwendig gewesen sei.
In dem Buch und auf der Internetseite, die der Verurteilung vom O. 2020 zugrunde lägen, habe er mitunter Formulierungen gewählt, mit denen er über das angestrebte Ziel hinausgeschossen sei. Er bereue seine Versäumnisse und habe sich seitdem in jeder Hinsicht tadellos verhalten. Die Gesamtschau seiner Veröffentlichungen führe den Leser zu einem Gesellschafts- und Weltbild, welches von dem Bestreben bestimmt sei, Missstände aufzuzeigen und einen Beitrag zur Verbesserung eines gedeihlichen Miteinanders von Mensch, Tier, Natur und Umwelt zu leisten. Er distanziere sich von den strafrechtlich relevanten Bezügen in seinem Buch auf das Deutlichste. Das vom Kläger verfasste Buch "P." setze sich themenübergreifend mit vielen Missständen auseinander, die ein friedliches Zusammenleben der Völker verhinderten. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema sei erlaubt, und bei der Wahl der Mittel sei nicht das Anstandsempfinden eines, vielleicht gerade bei diesem Thema, besonders empfindlichen Lesers der zu wählende Maßstab. Die Inhalte der Internetseite habe er bereits erhebliche Zeit vor Erlass des Strafbefehls wieder gelöscht. Die Exemplare seines Buches seien eingezogen.
Kein einziges Exemplar des Buches sei für die Patienten des Klägers zugänglich in den Praxisräumen gelagert worden. Der weitaus größte Teil der vorgehaltenen Bücher habe sich zum Zeitpunkt der Sicherstellung - wie auch schon zuvor - in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Unterstellschuppen befunden, der nicht einmal Teil des Gebäudes sei, in welchem sich die Praxisräume des Klägers befinden. Der Kläger habe die gefallenen Äußerungen weder im besonders geschützten Arzt-Patient-Verhältnis getroffen, noch seien die Ausführungen überhaupt in - irgendeinem - Zusammenhang mit der Ausübung des Arztberufs gefallen. Es habe nicht gegen Berufspflichten verstoßen.
Wie weit die Grenzen der Meinungsfreiheit gezogen würden, verdeutliche der Fall Böhmermann, bei dem die Staatsanwaltschaft von einer Satire ausgegangen sei, die weder strafrechtliche noch berufliche Konsequenzen nach sich gezogen habe. Vor den Grenzen der Meinungsfreiheit sei auch die ihm zur Last gelegte Darstellung eines Tierkopfes auf dem Gesicht eines Rabbiners zu bewerten. Die Darstellung von Tieren mit menschlichen Eigenschaften und von Menschen mit tierischen Eigenschaften seien Stilmittel, die seit Jahrtausenden in vielen Kulturen gebräuchlich seien.
Der Kläger stehe allen führenden Religionen sehr kritisch gegenüber und sei der Überzeugung, dass den Menschen ohne Religionen ein friedlicheres Zusammenleben möglich wäre. Das in dem Strafbefehl geahndete Verhalten des Klägers sei stets der Ausdruck einer Kritik von Religionen als Instrument, aber nie als Ausdruck der Kritik des einzelnen Menschen, der dieser Religion folge. Der Beklagte verkenne, dass eine Kritik an Israel, soweit es den Kläger betreffe, eine Kritik am Staat Israel sei, nicht hingegen an seinen Staatsbürgen und erst recht nicht an Juden als Mitgliedern der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Es gebe auch kein Gebot für einen Arzt, Kritik am Staat Israel nicht äußern zu dürfen. Mit dem Erhalt der Approbation sei kein Arzt aufgefordert, seine Rechte als kritischer Staatsbürger aufzugeben und sich fortan in stillem Erdulden aller Missstände zu üben. Das Grundgesetz schütze auch die negative Religionsfreiheit und auch die Kritik an Religionen.
Das dem Kläger strafrechtlich zur Last gelegte Geschehen rechtfertige unter keinem Gesichtspunkt die Prognose, dass er nicht das Vertrauen verdiene, welches für die zukünftige Berufsausübung erforderlich sei. Zu berücksichtigen sei, dass er zuvor noch nie wegen einer Straftat verurteilt worden sei. Die Verurteilung "nur" zu einer Geldstrafe belege, dass der Unrechtsgehalt im Rechtsfolgengefüge der hier einschlägigen Straftaten nach § 130 Abs. 1 und 2 StGB im unteren Bereich liege. Zudem bemesse das StGB selbst einem einfachen Diebstahl einen höheren Strafrahmen zu als einem Vergehen nach § 130 Abs. 1 oder 2 StGB. Soweit das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 15. September 2020 auf Sachverhalte abstelle, die sich im Jahr 2012 oder noch früher ereignet haben, sei nach Ablauf von etwa neun oder zehn Jahren kein Anhaltspunkt mehr dafür zu gewinnen, dass der Kläger nicht zukünftig seinen Arztberuf zuverlässig ausüben werde. Dies gelte erst recht im Hinblick darauf, dass es in den genannten Verfahren nach der Erinnerung des Klägers in zwei Fällen zu Einstellungen mangels Vorliegens eines Tatverdachts gekommen sei und, soweit erinnerlich, in einem Fall zu einer Einstellung wegen geringer Schuld. Gleiches gelte für von dem Beklagten nicht genau bezeichnete weitere Schreiben aus den Jahren 2012 und 2013 an Dritte. Eine kritische Auseinandersetzung mit den von dem Beklagten angesprochenen Themen - Staat Israel, Beschneidung männlicher Personen, Streben nach wirtschaftlicher Macht Israels, Russlands und Chinas - sei, unabhängig von der Einstellung zu den aufgeworfenen Fragen, schon angesichts des Zeitablaufs ebenfalls nicht geeignet, bei der Bewertung des vom Kläger zukünftig zu erwartenden Verhaltens einen objektiven Beurteilungsmaßstab darzustellen. Das von dem Beklagten initiierte Verfahren, den Kläger gutachterlich als psychisch krank darzustellen, sei gescheitert. Das gegen ihn geführte aufsichtsrechtliche Verfahren sei daher mit Bescheid vom Q.. April 2013 eingestellt worden.
Die an dem Haus des Klägers angebrachte Beschriftung befinde sich dort seit vielen Jahren. Es handele sich bei den Gedenktafeln um Aufrufe, die den Leser anregten, über den Umgang mit der Kreatur Tier nachzudenken und daran zu erinnern, dass dieser Umgang trotz zunehmender Sensibilität der Gesellschaft in vielen Bereichen auch heute noch in vielerlei Hinsicht ungenügend und kritikwürdig sei.
In der vom Kläger unterhaltenen Website sei nichts weiter zu sehen als der Ausdruck eines wachen Staatsbürgers, der gesellschaftlich relevante Themen anspreche und zur Diskussion darüber anrege.
Das vielfältige soziale Engagement des Klägers durchziehe sein Leben - wie auch sein Berufsleben - in unterschiedlichsten Ausprägungen. Der Kläger setze sich im besten humanistischen Verständnis für Menschen-, Tier- und Pflanzenrechte mit Denkanstößen ein, die an den bisherigen Grenzen und Verständnissen rüttelten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom N. Dezember 2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Soweit der Kläger vortrage, dass durch ein Aufzeigen der Missstände ein friedliches Zusammenleben der Völker gefördert werden solle, erschließe sich dies nicht, da lediglich Kritik geübt werde, aber keine Lösungskonzepte angeboten würden, um diesen Zweck zu fördern. Die seit Jahren vom Kläger verfassten Schriften gingen zudem weit über das Üben von Kritik hinaus. Vielmehr handele es sich um Verunglimpfungen und die Verbreitung antisemitischen Gedankenguts.
Die Darstellungen des Klägers seien auch abseits von Strafvorschriften nicht als Satire einzustufen, was auch nicht mit besonderer Empfindlichkeit zusammenhänge. Dies belegten sowohl die Auswertungen im Strafverfahren als auch die Beschwerde über die nach der strafrechtlichen Verurteilung angebrachten Plakate am Haus des Klägers. Auch die Website des Klägers, auf der sich nach wie vor israelfeindliche Zeichnungen fänden, sei weiter in Betrieb.
Dass es zu keinen neuen Straftaten gekommen sei, verstehe sich von selbst, da der Kläger nunmehr unter dem Druck des approbationsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stehe.
Der Vergleich mit dem Fall von Herrn Böhmermann greife nicht, da dieser im Gegensatz zum Kläger gerade nicht verurteilt worden sei und jener auch kein Angehöriger der Heilberufe sei. Ferner zeugten gerade dieser Vergleich und die Ausführungen des Klägers, dass er nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei und es sich um einen Straftatbestand am unteren Unrechtsbereich handle, von einer Bagatellisierungsneigung, die eine innere Reifung höchst fraglich erscheinen lasse.
Es liege sehr wohl ein gewisser Bezug zur ärztlichen Tätigkeit vor. Der Kläger habe Teile der Bücher in der Praxis und in dem Haus, in dem sich die Praxis befinde, gelagert. Darüber hinaus wird auf der Website auch ausdrücklich aufgeführt, dass er Arzt sei, sodass es für den Laien nur schwer auseinanderzuhalten sein dürfe, in welcher Eigenschaft, Privatperson oder Arzt, der Kläger gerade handele.
Auch die Tatsachen, dass der Kläger lange Zeit einen afghanischen Kollegen gehabt habe oder Auszubildende mit Migrationshintergrund beschäftige, rechtfertigten keine andere Entscheidung, da dies ja offensichtlich auch kein Hindernis gewesen sei, entsprechendes Gedankengut zu verbreiten und den Tatbestand der Volksverhetzung zu verwirklichen.
Für die Frage, ob der Arzt noch das erforderliche Ansehen und Vertrauen besitze, komme es auf eine objektive Betrachtungsweise an und die Äußerungen des Klägers seien generell geeignet, Menschen davon abzuhalten (rechtzeitig) ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Sämtliche Akten waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Widerruf der Approbation des Klägers durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er findet eine Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Bundesärzteordnung (BÄO). Danach ist die Approbation zu widerrufen, wenn sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.7.2019 - 3 B 7.18 -, juris Rn. 9).
1. Der Kläger hat sich durch sein Verhalten als unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs erwiesen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Arzt im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig, wenn er ein Fehlverhalten gezeigt hat, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist, und er daher nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist (BVerwG, Beschluss vom 15.11.2012 - BVerwG 3 B 36.12 - juris, Rn. 7 m. w. N.). Geklärt ist auch, dass der Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Berufsunwürdigkeit mit Blick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsgebot an hohe Voraussetzungen geknüpft ist. Anlass für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit kann nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos. Es muss bei Würdigung aller Umstände die weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lassen (BVerwG, Beschluss vom 13.2.2014 - BVerwG 3 B 68.13 -, juris Rn. 10). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist des Weiteren geklärt, dass der für die Annahme der Unwürdigkeit erforderliche Ansehens- und Vertrauensverlust auch durch Straftaten bewirkt werden kann, die nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt sind oder die ein außerberufliches Fehlverhalten betreffen, wenn es sich dabei um gravierende Verfehlungen im genannten Sinne handelt (BVerwG, Beschluss vom 31.7.2019 - BVerwG 3 B 7.18 -, juris Rn. 9 m. w. N.).
Die Verurteilung des Klägers wegen Volksverhetzung trägt den Widerruf der Approbation, weil der Sachverhalt geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern.
Mit Strafbefehl vom J. 2020 wurde der Kläger wegen Volksverhetzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 a) StGB verurteilt. Der Beklagte durfte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bei der Entscheidung über den Widerruf der Approbation die Feststellungen des Strafgerichts ohne weitere eigene Tatsachenprüfung zugrunde legen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.8.2011 - BVerwG 3 B 6.11 -, juris Rn. 10; Urteil vom 26.9.2002 - BVerwG 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913, 916; vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 7.2.2014 - 8 LA 84/13 -, juris; vom 13.1.2009 - 8 LA 88/08 -, juris jeweils m. w. N.).
Eine Verurteilung wegen Volksverhetzung ist grundsätzlich approbationsschädlich.
Gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert. Gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 a) StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren einen Inhalt anbietet, überlässt oder zugänglich macht, der zum Hass gegen eine in Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung aufstachelt.
Schutzgut von § 130 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist neben dem öffentlichen Frieden auch die Würde des einzelnen Menschen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.6.2006 - 2 BvR 1421/05 -, BeckRS 2006, 24381, beck-online; Schäfer/Anstötz, in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2021, § 130 Rn. 2 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 130 Rn. 1; Rackow, in: BeckOK StGB, 55. Ed. Stand 1.11.22, § 130 Rn. 11). Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist außerdem Vorsatzdelikt und setzt damit für seine Verwirklichung denklogisch einen Willen oder die billigende Inkaufnahme voraus, den öffentlichen Frieden und/oder die Würde der Geschädigten zu verletzen.
Wird ein Arzt wegen Volksverhetzung verurteilt, indiziert diese Verurteilung deshalb ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos. Denn bliebe das Verhalten insoweit folgenlos, müssten Patient*innen fürchten, dass approbierte Ärzt*innen auch im Behandlungsverhältnis ihre Menschenwürde nicht absolut und vorbehaltlos achten. Gerade in der konkreten Untersuchungs- und Behandlungssituation müssen Patient*innen darauf vertrauen können, dass ihr Gegenüber sie und ihre Menschenwürde vorbehaltlos und uneingeschränkt anerkennt und achtet. Denn nur im Vertrauen darauf begeben sie sich in die verletzliche Situation des Patienten und würden unter Umständen sogar von erforderlichen Arztbesuchen absehen, wenn sie willkürliche Anwürfe und Demütigungen befürchten müssten.
Die Vermutung, dass eine Verurteilung wegen Volksverhetzung die Würdigkeit für den ärztlichen Beruf ausschließt, gilt gleichwohl nicht absolut, sondern kann im Einzelfall anhand besonderer Umstände widerlegt werden. Solche Umstände liegen hier indes nicht vor; sie werden auch durch die insoweit vorgebrachten Argumente des Klägers nicht aufgezeigt.
Die Argumentation, dass er seine Veröffentlichungen gerade nicht im Zusammenhang mit der Ausübung seines Arztberufes getätigt habe, greift nicht durch. Denn wie ausgeführt ist es in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass der für die Annahme der Unwürdigkeit erforderliche Ansehens- und Vertrauensverlust auch durch Straftaten bewirkt werden kann, die nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt sind (BVerwG, Beschluss vom 31.7.2019 - BVerwG 3 B 7.18 -, juris Rn. 9 m. w. N.). Zudem hat der Kläger auf seiner Homepage ausdrücklich angegeben, "seit über 35 Jahren niedergelassener Hausarzt" zu sein. Auch sein Buch enthält eingangs einen Steckbrief zum Autor, in welchem er angibt "seit 30 Jahren niedergelassener Hausarzt" zu sein. Damit hat er selbst, ausdrücklich und ohne erkennbaren Anlass die Verbindung zwischen seinen Veröffentlichungen und seinem Beruf hergestellt. Zudem lagerte er Exemplare seines Buches sowohl in seiner Arztpraxis (Abstellraum bei "Arzt 3") als auch im zur Praxis gehörenden Schuppen. In dem Behandlungszimmer "Arzt 3" befand sich darüber hinaus ein Karton, auf dem der Buchtitel geschrieben stand, in dem jedoch Kristalle aufbewahrt worden sind, während zugehörige Bücher im Abstellraum aufbewahrt worden sind.
Einer Prognoseentscheidung in Bezug auf die künftige ordnungsgemäße Erfüllung der Berufspflicht bedarf es - entgegen der klägerischen Auffassung und anders als bei der Frage der Unzuverlässigkeit - nicht (BVerwG, Beschluss vom 2.11.1992 - BVerwG 3 B 87.92 - Rn. 16; Bay. VGH, Urteil vom 25.9.2012 - 21 BV 11.340 -, juris Rn. 22).
Die Argumentation zum verhängten Strafmaß geht fehl, weil schon nicht erforderlich ist, dass die gravierende Verfehlung überhaupt strafbewehrt oder gar im konkreten Fall strafrechtlich geahndet worden ist (Nds. OVG, Urteil vom 11.5.2015 - 8 LC 123/14 -, juris Rn. 27 m. w. N). Soweit der Kläger sich mit seiner Argumentation zum Fall Böhmermann auf die Kunst- und die Meinungsfreiheit berufen möchte, so zeigt seine strafrechtliche Verurteilung, dass er sich mit seinen Veröffentlichungen gerade nicht im grundgesetzlich geschützten Bereich bewegt. Entgegen seiner Auffassung ist die Einstellung des Verfahrens gegen Herrn Böhmermann auch kein tragfähiger Anhaltspunkt für die Behauptung des Klägers, dass das gegen ihn geführte Verfahren ebensogut denselben Ausgang hätte nehmen können. Die Fälle sind schon deshalb nicht vergleichbar, weil das gegen Herrn Böhmermann geführte Verfahren ein Vergehen nach § 103 StGB betraf.
Soweit der Kläger einwendet, sein Anliegen sei stets, auch sogar in den misslungenen und zum Teil drastischen Formulierungen, auf eine bessere Verständigung der Menschen untereinander ausgerichtet gewesen, kann dies schlicht nicht überzeugen angesichts von Formulierungen in seinem Buch wie etwa:
"50 Millionen Deutsche reichen aus, um in seinen Reichsgrenzen in Zukunft sicher zu überleben. Deutschland mit"bunten"ausländischen Gebährmaschinen aufzufüllen, ist ein übles Verbrechen. Das zerstört unsere Kultur und unser Land. Fremde Spermabomben werden nicht benötigt. Wir müssen froh sein über jeden biologischen Blindgänger auf der Erde, wie Lesben, Schwule und Bischöfe. Sie sind nützlich, weil sie sich nicht vermehren",
"Sie alle, Römer, Christen, Juden, Moslems usw. haben versucht, unsere germanische Volksseele zu zerstören und endgültig zu vernichten",
"Um es kurz zu sagen: Die öffentlichen Medien, die fast ausnahmslos in jüdischer Hand sind, sowie die gekauften Vasallen-Politiker haben nichts weiter im Sinn, als unser deutsches Volk in seiner hohen Kultur, Sprache und Ur-Religion endlos zu verstümmeln und auszurotten"
oder "Das wird der Sieg über alle und alles sein! Die Weltkultur wird deutsch und nicht jüdisch sein. Die deutsche Weltkultur wird sittlich sozial sein und nicht zionistisch skrupellos, ein sittlicher Staat mit sittlichen (Personen) Bürgern".
Gleiches gilt für die Argumentation, dass der Kläger Kritik am Staat Israel übe, nicht hingegen an seinen Staatsbürgen und erst recht nicht an Juden als Mitgliedern der jüdischen Glaubensgemeinschaft und dem Umstand, dass in der Gemeinschaftspraxis, die er zuvor mit seiner nunmehr geschiedenen Ehefrau betrieben hat, ein afghanischer Assistenzarzt angestellt gewesen ist. Soweit das Leben des Klägers durchzogen sei von vielfältigem sozialem, beruflichem und humanistischem Engagement, so drängt sich die Frage auf, warum er nach 37 Berufsjahren solche Formulierungen veröffentlicht.
2. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die ärztliche Berufsausübung des Klägers vor dem N. Dezember 2020 - als dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung des Beklagten - bereits wiederhergestellt gewesen wäre und der Entzug der Approbation zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) hätte erfolgen dürfen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist es zwar möglich, dass ein Arzt die durch eine gravierende Verfehlung eingebüßte Berufsunwürdigkeit während des laufenden behördlichen Verfahrens über den Widerruf der Approbation wiedererlangt. Die Wiedererlangung der Würdigkeit setzt voraus, dass sich an der zum Widerruf führenden Sachlage nachweislich etwas zum Guten geändert hat, also der Arzt das für die Ausübung seines Berufes erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat. Durch den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit soll nicht das bisherige Verhalten des Arztes durch eine zeitliche Verhinderung der Berufsausübung sanktioniert, sondern das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit geschützt werden, dies freilich nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist, und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs besteht daher erst dann wieder, wenn der Arzt das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat, mithin nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte. Dies erfordert regelmäßig einen längeren Bewährungsprozess, der nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts mit mindestens 5 Jahren bei gravierenden Verfehlungen außerhalb des beruflichen Wirkungskreises und mindestens 8 Jahren bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis anzusetzen ist. Maßgeblich für den Beginn der Bewährungsfrist ist der Zeitpunkt, in dem die zur Annahme der Berufsunwürdigkeit führenden gravierenden Verfehlungen durch den Betreffenden eingestellt worden sind, gleich ob dies auf einem freiwilligen Willensentschluss des Betreffenden oder auf einer Aufdeckung und Ahndung der Verfehlungen durch Dritte, insbesondere Strafverfolgungs- oder Approbationsbehörden beruht (Nds. OVG, Beschluss vom 15.12.2020 - 8 LA 80/20 -, juris Rn. 17, m. w. N.).
Zwar äußerte der Kläger, dass er sich von den strafrechtlich relevanten Bezügen in seinem Buch auf das Deutlichste distanziere. Zudem ist er der Auffassung, dass das Bekennen zum gemachten Fehler sich für ihn bereits und unter anderem dadurch ausdrücke, dass er die ihm auferlegte Strafe akzeptiert und nicht durch eine mögliche rechtliche Überprüfung (Einspruch gegen den Strafbefehl, Berufung, Revision) in Frage gestellt habe. Dies führt aber nicht zum Erfolg seiner Klage. Denn sollte der längere Bewährungsprozess nach vorstehenden Maßstaben schon begonnen haben - was hier dahinstehen kann - so ist die nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts erforderliche Zeitspanne jedenfalls noch nicht um. Im Übrigen zeigt der Kläger - selbst in seinem Klagevorbringen - nach wie vor Tendenzen, seine Tat zu relativieren und zu bagatellisieren. Eine glaubhafte Distanzierung ist jedoch bei gleichzeitiger Bagatellisierung nur schwerlich denkbar (Nds. OVG, Beschluss vom 22.2.2022 - 13 LB 226/21 -, V. n. b.; Nds. OVG, Beschluss vom 20.7.2016 - 13 LA 33/15 -, juris Rn. 21).
Angesichts der aktuellen Veröffentlichungen des Klägers auf seiner Homepage spricht auch nichts für einen atypischen Fall, in welchem die Würdigkeit in kürzerer Frist wiederhergestellt sein könnte. So ist dort aktuell unter der Überschrift "Die ,Grünen', Vasallen der Juden?" ein Text veröffentlicht, in welchem es unter anderem heißt (https://www. R. /; Zugriff am 1.11.22):
"Die verruchte Lügenpresse schreibt über die Flucht der Ukrainer ,Flucht in das Land der Täter' oder auch über Juden ,Zurück in das Land der Täter'! 1. Ich bin kein Täter! 2. Ich kenne auch keine Täter! 3. Ich werde auch kein Täter! 4. Ich verbiete mir solche Redensarten dieser parasitären Kriegshetzer! Sind die Redakteure der Juden-Presse nur noch blöde? Wollen sie nur noch mehr Geld aus den gutmütigen BRD-Bürgern erpressen und Schmarotzen? Schluss mit diesen Geschäftsmodellen! Woher haben die Ukrainer eigentlich so viele Waffen? Welche westliche Gangster-Allianz hat die Waffen bezahlt? Widersprüche, Verlogenheit und Doppelmoral."
Die strafrechtliche Würdigung dieser Passage ist hier rechtlich unerheblich. Entscheidend ist, dass der Kläger hier ganz offensichtlich auf das von ihm bearbeitete Pressefoto referenziert, welches Gegenstand des Strafbefehls vom O. 2020 geworden ist. Dieses hatte ursprünglich den Titel "Zurück in das Land der Täter" und der Kläger hatte es - wie hier - dahingehend kommentiert, dass der Abgebildete käme, "um zu schmarotzen" usw.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Kammer lässt die Berufung zu, weil sie der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob eine Verurteilung wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 2 StGB - wie von der Kammer angenommen - grundsätzlich approbationsschädlich (bei möglicher Widerlegung im Einzelfall) ist oder nur bei Hinzutreten besonderer Umstände des Einzelfalls approbationsschädlich ist.