Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.12.2020, Az.: 4 LC 291/17
Befahrensregelung; Bundeswasserstraße; Gesetzgebungskompetenz; Kitesurfen; Kitesurfing; Küstengewässer; Nationalpark; Niedersächsisches Wattenmeer; verfassungskonforme Auslegung; Wasserfahrzeug
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.12.2020
- Aktenzeichen
- 4 LC 291/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71896
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 07.08.2017 - AZ: 5 A 726/15
Rechtsgrundlagen
- Art 100 Abs 1 S 2 GG
- Art 74 Abs 1 Nr 21 GG
- § 1 NPNordSBefV
- § 16 S 1 Nr 7 WattenmeerNatPG ND
- § 6 Abs 2 Nr 5 WattenmeerNatPG ND
- § 2 Abs 1 Nr 21c SeeSchStrO
- § 31 SeeSchStrO
- § 5 S 1 WaStrG
- § 5 S 3 WaStrG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Beim Küstengewässer im Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" handelt es sich um eine Bundeswasserstraße, auf der gemäß der Widmung nach § 5 Satz 1 WaStrG das Befahren mit Wasserfahrzeugen im Rahmen der Vorschriften des Schifffahrtssrechts einschließlich des Schifffahrtabgabenrechts sowie der Vorschriften dieses Gesetzes jedermann erlaubt ist.
2. Das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen in Naturschutzgebieten und Nationalparken darf gemäß § 5 Satz 3 WaStrG nur durch Rechtsverordnung, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erlässt, geregelt, eingeschränkt oder untersagt werden. Der Landesgesetzgeber ist angesichts dieser abschließenden Bundesregelung, die auf Grundlage der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG getroffen wurde, nicht befugt, Befahrensregelungen für Bundeswasserstraßen in Naturschutzgebieten und Nationalparken zu treffen.
3. Beim Kitesurfen im Küstengewässer des Nationalparks "Niedersächsisches Wattenmeer" handelt es sich um ein Befahren einer Bundeswasserstraße mit einem Wasserfahrzeug; die Kitesurfausrüstung bestehend aus Board und Lenkdrache ist als einheitliches Wasserfahrzeug anzusehen.
4. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG, der es u.a. verbietet, Drachen, auch vom Fahrzeug aus, in der Ruhezone des Nationalparks "Niedersächsisches Wattenmeer" fliegen zu lassen, ist dahingehend verfassungs- bzw. bundesrechtskonform auszulegen, dass er sich nicht gegen das Befahren des Küstengewässers im Nationalpark mit Wasserfahrzeugen, wozu auch Kitesurfen gehört, richtet. Dafür spricht insbesondere, dass der Landesgesetzgeber in § 16 Satz 1 Nr. 7 NWattNPG klargestellt hat, dass das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen nach Maßgabe des Bundeswasserstraßenrechts von den Verboten des NWattNPG freigestellt ist.
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 7. August 2017 geändert.
Es wird festgestellt, dass die Kläger für die Ausübung des Kitesurfens im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ keiner Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ in der Fassung vom 19. Februar 2010 bedürfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Für den ersten Rechtszug trägt der Beklagte die Gerichtskosten und seine eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils zu 2/3 sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1. und 2.; die übrigen Kosten trägt der erstinstanzliche Kläger zu 3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger wollen festgestellt wissen, dass sie im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ ohne eine naturschutzrechtliche Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ kitesurfen dürfen.
Die Kläger gehen regelmäßig ihrem Hobby Kitesurfen nach, auch in den eigens ausgewiesenen Kitesurfzonen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“. Beim Kitesurfen handelt es sich um eine Kombination von Drachen- und (Water-)Boardsport, bei dem ein surfbrettartiges Board von einem Lenkdrachen im flachen Wasser über die Wasserfläche gezogen wird. Es sind hohe Geschwindigkeiten mit Spitzenwerten über 100 km/h sowie Sprünge von 10 m Höhe und mehr möglich. Wegen seiner geringen Wassertiefe eignet sich das Wattenmeer für die Ausübung dieser Sportart.
Der Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ umfasst den Bereich des Wattenmeers zwischen der Elbe- und der Emsmündung. Er wurde erstmals mit Verordnung über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ vom 13. Dezember 1985 (Nds. GVBl. 1985, S. 533) unter Schutz gestellt, die von dem am 15. Juli 1999 beschlossenen Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (Nds. GVBl. 1999, S. 164) abgelöst wurde. Dieses Gesetz wurde am 11. Juli 2001 neugefasst (Nds. GVBl. 2001, S. 443) und durch weitere Gesetze vom 27. Januar 2003 (Nds. GVBl. 2003, S. 39), vom 5. November 2004 (Nds. GVBl. 2004, S. 417), vom 23. Juni 2005 (Nds. GVBl. 2005, S. 210) und vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. 2010, S. 104) geändert. Der Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NWattNPG in drei Zonen gegliedert, die in dem in § 3 Abs. 1 NWattNPG genannten Kartenwerk ausgewiesen sind: 1. Ruhezone (Zone I) – rot, 2. Zwischenzone (Zone II) – grün, 3. Erholungszone (Zone III) – gelb.
§ 6 NWattNPG enthält nähere Bestimmungen zu den in der Ruhezone verbotenen Handlungen:
§ 6
In der Ruhezone verbotene Handlungen
(1)1In der Ruhezone sind alle Handlungen verboten, die den Nationalpark oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern. 2Abweichend von Satz 1 sind die in den §§ 7 bis 11 und 16 sowie die in der Anlage 1 genannten Handlungen erlaubt. 3Satz 2 gilt nicht für die Gebiete I/7, I/23, I/35, I/37, I/38, I/41, I/42 und I/45, soweit die Handlungen den Boden, seinen Bewuchs oder Sandkorallen zerstören, beschädigen oder verändern.
(2) Zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Schutzgüter des Nationalparks ist es verboten,
1. die Ruhe der Natur durch Lärm oder auf andere Weise zu stören,
2. wild lebende Tiere zu stören oder diese an ihren Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstätten aufzusuchen, zu fotografieren oder zu filmen,
3. Hunde unangeleint laufen zu lassen, soweit dies nicht im Rahmen der ordnungsgemäßen Jagdausübung geschieht,
4. auf anderen als den dafür festgelegten Plätzen Feuer anzuzünden oder zu unterhalten,
5. Drachen, auch vom Fahrzeug aus, Modellflugzeuge oder andere Kleinflugkörper fliegen zu lassen, Ballons zu starten oder außerhalb der Wege fernlenkbare Geräte zu betreiben,
soweit solche Handlungen nicht durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes zugelassen sind.
§ 12 Abs. 1 NWattNPG ordnet eine entsprechende Anwendung des § 6 NWattNPG in der Zwischenzone an:
§ 12
In der Zwischenzone verbotene Handlungen
(1) In der Zwischenzone gelten die Verbote des § 6 entsprechend, soweit sich nicht aus den folgenden Absätzen etwas anderes ergibt.
§ 16 NWattNPG enthält eine Auflistung der Freistellungen von den Verboten und regelt u.a.:
§ 16
Freistellungen
1Die Verbote dieses Gesetzes gelten nicht für (…)
7. das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen nach Maßgabe des Bundeswasserstraßenrechts.
Die für die Einhaltung der Verbote zuständige Landesbehörde Nationalparkverwaltung ʹNiedersächsisches Wattenmeerʹ geht davon aus, dass das Kitesurfen in der Ruhezone und der Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ aufgrund von §§ 6 Abs. 2 Nr. 5, 12 Abs. 1 NWattNPG nicht gestattet ist. Lediglich auf Flächen, auf denen gemäß Antrag der jeweiligen Gemeinde im Wege der Befreiung das Kitesurfen zugelassen worden ist (sog. Kitesurfzonen), dürften Kitesurfer nach Ansicht der Nationalparkverwaltung innerhalb der in der Zulassung näher bezeichneten Zeiträume ihren Sport ausüben.
Am 5. Dezember 2014 haben die Kläger Feststellungsklage erhoben. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass das Kitesurfen nach dem Rechtsstandpunkt der Landesbehörde Nationalparkverwaltung ʹNiedersächsisches Wattenmeerʹ in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks nach §§ 6 Abs. 2, 12 Abs. 1 NWattNPG verboten sei, sofern keine Befreiungen nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt worden seien. Sie könnten daher dem von ihnen betriebenen Sport des Kitesurfens im nahegelegenen niedersächsischen Wattenmeer nur örtlich und zeitlich begrenzt, im Winter praktisch gar nicht nachgehen, ohne behördliche Gegenmaßnahmen befürchten zu müssen. Die Nationalparkverwaltung habe auch zum Ausdruck gebracht, dass auf den Einzelfall bezogene Befreiungen zu ihren Gunsten von vornherein nicht in Betracht kämen. Im Übrigen müssten sie sich auf einen Antrag auf Erteilung einer Befreiung nicht verweisen lassen, da es an einem wirksamen Verbot i. S. d. § 67 Abs. 1 BNatSchG fehle, so dass es keiner Befreiung bedürfe. Kitesurfen dürfe nämlich auf Seewasserstraßen, um die es sich bei den Küsten- und Meeresgewässern der Nordsee handele, nicht durch den Landesgesetzgeber verboten werden. Die Regelung des Verkehrs auf den betroffenen Flächen des Wattenmeers falle in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG. Von dieser Kompetenz habe der Bund durch den Erlass des Bundeswasserstraßengesetzes abschließend Gebrauch gemacht. Eine Befahrensverordnung, die auf der Grundlage des § 5 Satz 3 WaStrG ergehen dürfte und das Kitesurfen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ einschränken würde, liege jedoch nicht vor. Eine Beschränkung des Kitesurfens durch den Niedersächsischen Landesgesetzgeber im Nationalpark verletze überdies ihre durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit. Die Annahme, dass der Kitesurfsport eine Beeinträchtigung der Lebensräume und eine Störung von Vögeln zur Folge habe, lasse sich nicht auf eine ausreichende Tatsachengrundlage stützen. Entsprechende Gutachten seien nicht aussagekräftig, weil sie nicht über bloße Vermutungen hinausgingen bzw. nicht von unabhängigen Gutachtern erstellt seien. Erforderlich sei aber der unabhängige wissenschaftliche Nachweis einer durch das Kitesurfen verursachten Störung oder zumindest objektiven Gefahrenlage für die Vogelwelt. Auch müsse der Gesetzgeber freizeitbezogene Erfordernisse berücksichtigen.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, dass es ihnen gestattet ist, den Kitesurfsport zeitlich und örtlich uneingeschränkt im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, insbesondere an den Standorten Dorum-Neufeld, Wremen und Cuxhaven Kugelbake, auszuüben,
hilfsweise ein Gutachten darüber einzuholen, dass das Kitesurfen an der Küste keine Störwirkung auslöst, zumal die betroffenen Vögel, wenn sie überhaupt auffliegen, zu ihren Rast- und Brutflächen zurückkehren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erwidert, dass es bereits an einem hinreichend konkreten Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden könne, fehle. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG beschränke sich auf das Verbot, Drachen fliegen zu lassen; klarstellend sei eingefügt worden, dass das auch gelte, wenn dies vom Fahrzeug aus erfolge. Die Auswirkungen dieses Verbots auf das Kitesurfen seien vom Landtag gesehen und gebilligt worden; diese seien allerdings lediglich mittelbar. Bei § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG handele sich nicht um eine Befahrensregelung im Sinne des § 5 Satz 3 WaStrG; diese Vorschrift greife daher nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG stelle vielmehr eine naturschutzbezogene Regelung dar. Eine Sperrwirkung durch die Kompetenzzuweisung des Grundgesetzes bzw. die Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes bestehe nicht. Die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Kläger in Bezug auf das Kitesurfen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ sei formell und materiell rechtmäßig erfolgt. Der Erhalt störungsarmer Meeresflächen sei für die Seevogelarten im Wattenmeer von besonderer Bedeutung. Gesetzliche Schutzbestimmungen müssten daher Sorge tragen, die Vögel vor der weiträumigen Scheuchwirkung von Drachen zu bewahren. Bereits seit 2001 sei das Fliegenlassen von Drachen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ daher verboten. Sofern in Gutachten, auf die sich die Kläger bezögen, keine wesentlichen Störungen auf Brut- und Rastvögel durch Kitesurfen festgestellt worden seien, müsse berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um Gutachten handele, die im Zusammenhang mit dem Monitoring der Kitesurf-Zonen erstellt worden seien und daher keine generellen Schlüsse zuließen.
Mit Urteil vom 7. August 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Feststellungsklage zwar statthaft und zulässig. Es bestehe ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, da sie sich über die aus bestimmten Rechtsnormen – §§ 6 Abs. 1 Nr. 5 und 12 Abs. 1 NWattNPG – ergebenden Verpflichtungen bzw. Verbote stritten und die Kläger unbestritten ganzjährig ohne behördliche Kontrollen und Ahndungen den Kitesurfsport im Nationalpark Wattenmeer ausüben wollten. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 9 NWattNPG komme der Landesbehörde Nationalparkverwaltung „Niedersächsisches Wattenmeer“ die Kompetenz zur Überwachung der sich aus dem Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ ergebenden Verbote zu. Das Interesse der Kläger an der ungehinderten Ausübung des Kitesports begründe das erforderliche Feststellungsinteresse. Ein anderes Verfahren, mit dem die Kläger ihr Begehren sachnäher und effektiver durchsetzen könnten, stehe ihnen nicht zur Verfügung. Allerdings sei die Klage unbegründet, weil das sich aus §§ 6 Abs. 2 Nr. 5 und 12 Abs. 1 NWattNPG ergebende Verbot, in der Ruhezone und der Zwischenzone Drachen, auch vom Fahrzeug aus, fliegen zu lassen, dem Kitesurfen entgegenstehe. Dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der mit dem Gesetz zur Neuordnung des Naturschutzrechts vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. v. 26.2.2010, S. 104) den Passus „auch vom Fahrzeug aus“ in die Verbotsnorm des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG eingefügt habe, um im Hinblick auf eine Nutzung des Nationalparks durch drachengetriebene Landfahrzeuge (Buggy-Kiting) sowie drachengetriebene Wasserfahrzeuge (Kitesurfing) im Interesse der Rechtssicherheit eine Klarstellung zu erreichen. Diese Betätigungen seien auch nach der bisherigen Verwaltungspraxis verboten gewesen. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG bestünden nicht. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Regelung liege beim Land Niedersachsen. Zwar unterfalle das Wattenmeer als Seewasserstraße nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WaStrG der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG. Der Bund habe auch von dieser Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht. § 5 Satz 3 WaStrG sehe vor, dass das Befahren der Bundeswasserstraßen in Naturschutzgebieten und Nationalparks nach den §§ 23 und 24 BNatSchG durch Rechtsverordnung der in dieser Norm genannten Bundesministerien zu regeln sei. Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung habe der Bund die Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (BGBl. I, S. 211) erlassen, die das Kitesurfen jedoch nicht verbiete. Davon abweichende Befahrensregelungen dürfe das Land Niedersachsen nicht treffen. Allerdings stelle § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG keine abweichende Befahrensregelung dar, sondern regele die Fallgruppe der erheblich störenden bodennahen Fluggeräte. Damit habe der als störend bewertete Drachensport verboten, aber keine Befahrensregelung getroffen werden sollen; die Gesetzgebungskompetenz des Landes ergebe sich aus Art. 70 Abs. 1 GG. Dass durch § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG das Kitesurfen – gleichsam als „Reflex“ – insgesamt verboten worden sei, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die umfassende Regelung eines Zuständigkeitsbereichs könne Teilregelungen enthalten, die zwar einen anderen Kompetenzbereich berührten, die aber gleichwohl Teil der im Übrigen geregelten Materie blieben. Dabei falle ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden sei. Eine enge Verzahnung und dementsprechend ein geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprächen regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung. Da der Schwerpunkt des Regelungsgehalts von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG im Bereich des Verbots von Fluggeräten liege, habe die Gesetzgebungskompetenz beim Land gelegen. Auch materiell-rechtlich sei § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG nicht zu beanstanden. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Kläger sei gerechtfertigt. Die Beeinträchtigung dieses Grundrechts sei geringfügig, da es ausgewiesene Flächen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ gebe, auf denen die Kläger zu bestimmten Zeiten kitesurfen dürften. Die verbleibenden zeitlichen und örtlichen Einschränkungen seien gerechtfertigt. Nach § 2 NWattNPG solle im Nationalpark die besondere Eigenart der Natur und Landschaft der Wattregion vor der niedersächsischen Küste einschließlich des charakteristischen Landschaftsbildes erhalten bleiben und vor Beeinträchtigungen geschützt werden; die natürlichen Abläufe in diesen Lebensräumen sollten fortbestehen und die biologische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten im Gebiet des Nationalparks solle erhalten werden. Die Flächen des Nationalparks seien, von Ausnahmen abgesehen, Europäisches Vogelschutzgebiet; zudem seien sie FFH-Gebiet. Aus Anlage 5 zum NWattNPG ergäben sich als Erhaltungsziele störungsarme Nahrungs-, Rast- und Mausergebiete für die im einzelnen genannten Vogelarten. Der Landesgesetzgeber habe von einer grundsätzlichen Störwirkung des Drachensteigenlassens ausgehen dürfen. Im Rahmen der Ergänzung des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG habe eine eingehende Verbandsbeteiligung stattgefunden; die fachlichen Annahmen des Gesetzgebers seien durch in das Verfahren eingeführte Gutachten bestätigt worden. Daraus ergebe sich, dass Kitesurfer – wie auch Windsurfer – in Bezug auf Wattvögel Störungspotential besäßen und die Drachen eine Scheuchwirkung auf strandbrütende und -rastende Vögel ausübten. Die Gutachten beruhten auf empirischen Untersuchungen und seien durch die Einwände der Kläger im Ergebnis nicht in Frage gestellt worden, so dass kein weiterer Klärungsbedarf bestanden habe.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger am 5. September 2017 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und begründen diese wie folgt: Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass die Gesetzgebung des Landes aus Art. 70 Abs. 1 GG folge, sei nicht haltbar. Der Bund habe für den Bereich des Meeresnaturschutzes, der auch die Küstengewässer betreffe, abschließend von seiner naturschutzrechtlichen Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und damit den Ländern das Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung genommen; der Meeresnaturschutz sei zudem nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG abweichungsfest. Durch die Einführung des Regelungsvorbehalts in § 5 Satz 3 WaStrG und die Verordnung des Bundes über das Befahren von Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee vom 15. Februar 1995 sei das Befahren von Küstengewässern unter Einsatz eines Drachens in naturschutzrechtlicher Hinsicht abschließend geregelt worden. Der Einsatz eines Drachens vom Surfbrett aus sei ausschließlich dem bundesrechtlichen Regelungszusammenhang zuzuordnen. In § 1 Abs. 2 Satz 1 NWattNPG sei klargestellt, dass die Bestimmungen des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ nicht zur Anwendung kämen, sofern es zu Überschneidungen mit dem abweichungsfesten Kern des Naturschutzrechts des Bundes komme, zu dem der Meeresnaturschutz gehöre. Der Meeresnaturschutz sei abschließend vom Bund geregelt worden, soweit es um den Einsatz von Wassersportgeräten im Niedersächsischen Wattenmeer aus artenschutzrechtlichen, also auch aus vogelschutzrechtlichen Gründen gehe. Im Übrigen sei es dem Normadressaten nicht vermittelbar, dass sich die Nutzung des niedersächsischen Wattenmeers mit Motor- oder Segelbooten nach Bundesrecht, die Nutzung mit drachenbetriebenen Wasserfahrzeugen hingegen nach Landerecht richte. Materiell-rechtlich sei das Verbot des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG ebenfalls zu beanstanden, weil es unverhältnismäßig in ihre allgemeine Handlungsfreiheit eingreife. Da das Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ auf die 1986 in Kraft getretene Schutzverordnung zurückgehe, die ohne inhaltliche Änderung in Gesetzesform fortgeführt worden sei, und nicht auf Unionsrecht, komme es nicht auf den Vorsorgegrundsatz an, sondern allein auf die Abwehr von Gefahren. Daher genüge es nicht, wenn dem Kitesurfen lediglich Störungspotential in Bezug auf Vögel bescheinigt würde, es müsse vielmehr eine objektiv nachweisbare Gefährdungslage bestehen. Eine solche sei indessen nicht gegeben. Zudem sei auch nicht von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der Kläger in Bezug auf ihre allgemeine Handlungsfreiheit auszugehen. Weder sei nachgewiesen, dass die Jahrtausende alte Kulturtechnik des Drachensteigens mit naturschutzfachlichen Nachteilen verbunden sei, noch sei das Verbot erforderlich zum Schutz der Vögel. Der Beklagte habe bei der pauschalen Ausweisung des Wattenmeers als FFH-Gebiet den freizeitbedingten Erfordernissen und den Anforderungen von Gesellschaft und Kultur sowie den regionalen und örtlichen Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen. Außerdem seien die Gutachten, auf die sich der Beklagte beziehe, fachlich nicht haltbar bzw. könnten generell keine negativen Auswirkungen des Kitesurfens auf die Vogelwelt im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ feststellen. Schließlich müsse § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG im Wege der verfassungskonformen Auslegung so verstanden werden, dass das Kitesurfen von dem Verbot nicht erfasst sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 7. August 2018 aufzuheben und festzustellen, dass sie für die Ausübung des Kitesurfens im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ keiner Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ bedürfen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Feststellungsklage mangels Bestehens eines hinreichend konkreten Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten für unzulässig. Außerdem sei es den Klägern zumutbar, einen Befreiungsantrag in Bezug auf das Verbot des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG zu stellen. Soweit die Kläger sich in ihrem Antrag auf bereits eingerichtete Kitesurf-Zonen bezögen, stehe dies zu ihrem allgemein formulierten Feststellungsantrag in Widerspruch und beziehe sich zudem auf Rechtsverhältnisse, die zwischen der Nationalparkverwaltung und den Gemeinden, auf deren Antrag die Kitesurf-Zonen eingerichtet worden seien, bestünden. Die Klage sei auch unbegründet. Dem in § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG enthaltenen Verbot des Drachensteigens komme keine verkehrsregelnde Wirkung zu und es betreffe nicht die Wegefunktion der Bundeswasserstraßen. Das Befahren werde nur reflexhaft geregelt. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG regele in Wahrnehmung einer landesrechtlichen Kompetenz die Ausübung von Drachensport im Nationalpark insgesamt und wirke so einer Rechtszersplitterung entgegen. Es sei anerkannt, dass im Bereich des bundesrechtlich zugeordneten Luftverkehrs weiterhin naturschutzrechtliche Anordnungsbefugnisse der Länder bestünden. Für die Zuordnung einer Teilregelung zu einem bestimmten Kompetenzbereich komme es darauf an, wie eng sie mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden sei. Eine enge Verzahnung und ein dementsprechend geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprächen regelmäßig für ihre Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung. Das Kitesurfen weise eine besondere Nähe zu Betretensfragen innerhalb eines Schutzgebiets auf und dürfe daher naturschutzrechtlich reguliert werden. Es sei typischerweise so, dass Kitesurfer früher oder später das Board verließen, so dass das Kitesurfen sich nicht als Befahren einer Bundeswasserstraße darstelle. Die Kitesurfausrüstung sei auch kein einheitliches, sondern ein zusammengesetztes Wasserfahrzeug, wie sich aus der Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 21c SeeSchStrO ergebe. Der Landesgesetzgeber dürfe Regelungen an einen isolierten Ausrüstungsbestandteil anknüpfen. Bei dem Verbot des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG handele es sich ferner nicht um einen Gegenstand des Meeresnaturschutzes, sondern es stelle eine bereichsspezifische Regelung für den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ dar. Im Übrigen gälten auch im Bereich des Meeresnaturschutzes die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, mithin auch §§ 22 und 24 BNatSchG, wonach Nationalparke von den Ländern ausgewiesen und ausgestaltet würden. Den Vorschriften des § 5 Satz 1 und Satz 3 WaStrG komme eine Sperrwirkung nicht zu, da Länder weiterhin naturschutzbezogene Regelungen erlassen dürften. Auch § 16 Satz 1 Nr. 7 NWattNPG erfasse das Verbot des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG nicht. Der Bund müsse in Fällen, in denen er naturschutzbezogene Regelungen z.B. mit verkehrsbezogenen Normen kombiniere, mit der Inanspruchnahme der Abweichungskompetenz durch die Länder rechnen. Der spätere Gesetzgeber dürfe sich auch auf punktuelle Abweichungen beschränken. Daher dürfe das Land Niedersachsen spezielle Regelungen in Bezug auf das Drachensteigenlassen erlassen, die das Kitesurfen miterfassten. Zudem überdeckten sich die verkehrsbezogenen Regelungsziele der Verordnung des Bundes über das Befahren von Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee und des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ inhaltlich nicht. Die Bundesverordnung regele ausschließlich im Hinblick auf den Schutz der Tierwelt, während das Landesgesetz speziell auf den Vogelschutz und die weiteren Schutzzwecke wie „die besondere Eigenart der Natur und Landschaft der Wattregion vor der niedersächsischen Küste einschließlich des charakteristischen Landschaftsbildes“ ausgerichtet sei. Aus naturschutzfachlicher Sicht sei die Beregelung des Drachensteigenlassens innerhalb des Nationalparks zweckmäßig und geboten. Es sei eine allgemeine Erkenntnis, dass Scheucheffekte von Drachen auf die Vogelwelt ausgingen. Auch bedürfe es keiner gesonderten Erklärung, dass Drachen die besondere Eigenart der Wattenlandschaft, insbesondere den unverstellten Blick, berühren könnten. Diese Tatsachen dürfe der Gesetzgeber auch berücksichtigen. §§ 24 Abs. 3, 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG lasse es zu, alle Handlungen, die zu einer nachhaltigen Störung führen können, zu verbieten. Naturschutzrechtliche Beschränkungen des Drachensports in Schutzgebieten seien weit verbreitet und üblich. Die Störwirkung des Kitesurfens auf Wasser- und Wattvögel sei durch zahlreiche Studien belegt, zuletzt durch eine dänische Studie aus dem Jahr 2017. Die Verhältnismäßigkeit des Kitesurf-Verbots werde durch die Möglichkeit von Befreiungen sichergestellt; konkret seien im Wege der naturschutzrechtlichen Befreiung siebzehn Kitesurf-Zonen eingerichtet worden. Die für den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ geltende Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee sei unzureichend, um den nachteiligen Auswirkungen des Kitesurfens auf die Natur zu begegnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Beiakten verwiesen.
II.
Die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn die Kläger benötigen für das Kitesurfen im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ keine Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ in der Fassung vom 19. Februar 2010.
Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind mit dieser Vorgehensweise ausdrücklich einverstanden.
Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
Die Klage ist bei verständiger Auslegung (vgl. § 88 VwGO) auf die (negative) Feststellung gerichtet, dass die Kläger für das Kitesurfen im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer keiner Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ in der Fassung vom 19. Februar 2010 bedürfen. In der Klagebegründung vor dem Verwaltungsgericht haben sie die Rechtsauffassung vertreten, einer Befreiung nach § 67 BNatSchG für das Kitesurfen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ auch außerhalb der eigens eingerichteten Kitesurfzonen nicht zu bedürfen. Um diesem Rechtsschutzziel gerecht zu werden, ist die Frage nach dem Befreiungserfordernis im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO zu klären (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.9.2016 - 4 C 4.15 -, BVerwGE 156, 94 Rn. 10 m.w.N.).
Ein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden kann, liegt bei diesem Verständnis des Rechtsschutzziels der Kläger ohne Weiteres vor. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Vorliegend geht es um die Frage, ob die Kläger ihrem Hobby Kitesurfen im Küstengewässer der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ außerhalb der Kitesurfzonen ohne eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ nachgehen dürfen. Die Verpflichtung zur Einholung einer Befreiung wäre ein konkretes Rechtsverhältnis, dessen Nichtbestehen die Kläger festgestellt wissen wollen. Der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, zwischen den Beteiligten erforderliche Meinungsstreit, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (BVerwG, Urt. v. 23.1.1992 - 3 C 50.89 -, BVerwGE 89, 327, 330), ist ebenfalls gegeben. Denn zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits besteht Uneinigkeit darüber, ob die Kläger außerhalb der zugelassenen Kitesurfzonen den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, insbesondere dem Verbot des §§ 6 Abs. 2 Nr. 5, 12 Abs. 1 NWattNPG, unterfallen und daher das Kitesurfen in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ ohne eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG zu unterlassen haben.
Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse an der von ihnen begehrten Feststellung. Das berechtigte Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO umfasst jedes nach vernünftigen Erwägungen durch die Sachlage gerechtfertigte schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur. Zu den schutzwürdigen ideellen Interessen gehört grundsätzlich auch die Freizeitgestaltung als einer der Kernbereiche individueller Lebensführung. Das Kitesurfen ist Teil der Freizeitgestaltung der Kläger und als solche vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt. Gründe, die einer Anerkennung dieser Art der Freizeitgestaltung als berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen. Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Den Klägern steht keine der in § 43 Abs. 2 VwGO genannten Klagearten zur Verfolgung ihres Rechtsschutzziels zur Verfügung. Insbesondere sind sie nicht darauf zu verweisen, einen Antrag auf Erteilung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG zu stellen. Denn die Feststellungsklage ist gerade darauf gerichtet, dass die von den Klägern begehrte Tätigkeit des Kitesurfens ohne eine Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ in der Fassung vom 19. Februar 2010 im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ ausgeübt werden darf, so dass eine auf die Erteilung einer Befreiung gerichtete Verpflichtungsklage ihrem Rechtsschutzziel nicht entsprechen würde.
Richtiger Beklagter für die Feststellungsklage ist das Land Niedersachsen. Bei dieser Klageart gilt für die Passivlegitimation das allgemeine Rechtsträgerprinzip (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 78 Rn. 11; Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 78 Rn. 53). Die Regelung in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 79 Abs. 2 NJG, wonach Klagen auch gegen Landesbehörden gerichtet werden können, gilt nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, nicht aber für allgemeine Feststellungsklagen. Die ursprünglich gegen die Nationalparkverwaltung ʹNiedersächsisches Wattenmeerʹ als Landesbehörde gemäß § 23 NWattNPG erhobene Klage durfte der Senat im Wege der Rubrumsberichtigung richtigstellen. Die Bezeichnung der Beteiligten ist einer Klarstellung oder Auslegung zugänglich, eine bloße Berichtigung stellt keine Klageänderung dar (Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 91 Rn. 11). Bei der Klarstellung bzw. Auslegung ist zu berücksichtigen, dass eine Klage nicht gegen den falschen, sondern den richtigen Beklagten gerichtet sein soll (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.8.2019 - 3 B 41.18 -, juris; Urt. v. 18.11.1982 - 1 C 62.81 -, juris). Ist der Beklagte falsch bezeichnet, aber erkennbar, gegen wen sich die Klage richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen. Dies gilt auch dann, wenn eine fälschlich als Beklagte bezeichnete Körperschaft oder Behörde in der Vorinstanz – wie hier – als Beklagte behandelt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.3.1989 - 8 C 98.85 -, NVwZ-RR 1990, 44). Vorliegend ist ohne Weiteres erkennbar, dass die Kläger ihre Klage von Anfang an gegen den richtigen Beklagten, nämlich das Land Niedersachsen, richten wollten. Dass die Beteiligten das Land Niedersachsen als richtigen Beklagten ansehen, lässt sich überdies ihren Schriftsätzen vom 14. und 21. Oktober 2020 entnehmen.
Die Klage ist begründet. Denn das Rechtsverhältnis, dessen Nichtbestehen die Kläger festgestellt wissen wollen, besteht nicht. Die Kläger benötigen für das Kitesurfen im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ keine naturschutzrechtliche Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“. Dies folgt daraus, dass diese Verbote, insbesondere § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG, verfassungs- bzw. bundesrechtskonform dahingehend auszulegen sind, dass sie sich nicht auf das Kitesurfen auf den Bundeswasserstraßen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ erstrecken.
Der Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ wird durch das Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (NWattNPG) in der Fassung vom 11. Juli 2001 (Nds. GVBl. 2001, S. 443) unter Schutz gestellt.
Der Niedersächsische Landesgesetzgeber ist für den Erlass dieses Gesetzes zuständig gewesen. Bei dem unter Schutz gestellten Gebiet handelt es sich nicht um ein Meeresgebiet im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels, welches nach § 57 Abs. 2 BNatSchG durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unter Beteiligung der fachlich betroffenen Bundesministerien durch Rechtsverordnung zum geschützten Teil von Natur und Landschaft erklärt werden müsste. Vielmehr erstreckt sich das unter Schutz gestellte Gebiet, soweit es Meeresbereiche umfasst, ausschließlich auf Küstengewässer, zu denen das Meeresgebiet im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone nicht gehört. Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 2 WHG (Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 56 Rn. 17), die insoweit abschließend ist, ist Küstengewässer das Meer zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder zwischen der seewärtigen Begrenzung der oberirdischen Gewässer und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres, wobei sich die seewärtige Begrenzung von oberirdischen Gewässern, die nicht Binnenwasserstraßen des Bundes sind, nach den landesrechtlichen Vorschriften – in Niedersachen §§ 1 Abs. 3, 41 Abs. 2 NWG – richtet. Der Bereich des Wattenmeeres, der durch das NWattNPG unter Schutz gestellt worden ist, ist Küstengewässer in diesem Sinne (Petersen, Deutsches Küstenrecht, Rn. 6). Für Küstengewässer gelten nach § 56 Abs. 1 BNatSchG die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, ohne dass eine Sonderregelung wie die des § 57 BNatSchG besteht. Die Erklärung des Wattenmeeres zwischen der Elbe- und der Emsmündung zum geschützten Teil von Natur und Landschaft erfolgt daher nach §§ 22 ff. BNatSchG. Form und Verfahren der Unterschutzstellung richten sich gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG nach Landesrecht. Für Gebiete im Sinne von § 24 Abs. 1 BNatSchG sieht § 17 Abs. 1 NAGBNatSchG vor, dass diese nur durch Gesetz als Nationalpark festgesetzt werden können. Deshalb steht die Zuständigkeit des niedersächsischen Landesgesetzgebers für die Unterschutzstellung des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ außer Frage. Der Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ erfüllt überdies ohne Weiteres die sich aus § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG ergebenden Voraussetzungen für dessen Unterschutzstellung. Große Teile des unter Schutz gestellten Gebiets sind zudem Europäisches Vogelschutzgebiet (EU-Vogelschutzgebiet V01 Niedersächsisches Wattenmeer und angrenzendes Küstenmeer) sowie FFH-Gebiet (FFH-Gebiet 001 Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“).
In der Ruhezone sind gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 NWattNPG alle Handlungen verboten, die den Nationalpark oder einzelne seiner Bestandteile zerstören, beschädigen oder verändern. Abweichend davon sind nach § 6 Abs. 1 Satz 2 NWattNPG u.a. die in § 16 NWattNPG genannten Handlungen erlaubt. § 6 Abs. 2 NWattNPG enthält die nach §§ 24 Abs. 3, 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG erforderlichen näheren Bestimmungen der verbotenen Handlungen. Danach ist es zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Schutzgüter des Nationalparks u.a. verboten, 5. Drachen, auch vom Fahrzeug aus, Modellflugzeuge oder andere Kleinflugkörper fliegen zu lassen, Ballons zu starten oder außerhalb der Wege fernlenkbare Geräte zu betreiben, soweit solche Handlungen nicht durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes zugelassen sind.
In der Zwischenzone gelten gemäß § 12 Abs. 1 NWattNPG die Verbote des § 6 NWattNPG vorbehaltlich der in § 12 Abs. 2 und 3 NWattNPG statuierten - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen entsprechend.
§ 16 NWattNPG enthält eine Freistellungsregelung. In § 16 Satz 1 Nr. 1 bis 7 NWattNPG werden einzelne Handlungen aufgelistet, die nicht den Verboten des NWattNPG unterfallen. Nach § 16 Satz 1 Nr. 7 NWattNPG gelten die Verbote dieses Gesetzes nicht für das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen nach Maßgabe des Bundeswasserstraßenrechts. Diese Freistellungsregelung des § 16 Satz 1 Nr. 7 NWattNPG trägt den vorrangig geltenden Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) Rechnung. Sie wurde mit Art. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. 2010, S. 104) eingefügt und sollte deklaratorisch dem ohnehin geltenden Vorrang des Bundeswasserstraßengesetzes Ausdruck verleihen (Gesetzentwurf vom 23.11.2009, LT-Drs. 16/1902, S. 64).
Der Vorrang des Bundeswasserstraßengesetzes gegenüber landesrechtlichen Naturschutzregelungen folgt aus dem Grundgesetz. Das Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) ist aufgrund der dem Bund durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG zugewiesenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen erlassen worden (Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 7. Aufl. 2020, Einl. Rn. 7). Der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG betrifft die Wasserstraßen in ihrer Eigenschaft als Verkehrswege (BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 - 2 BvF 2/60 u.a. -, BVerfGE 15, 1, 9 ff.). Das Bundeswasserstraßengesetz trifft Regelungen zur Verkehrsfunktion des Gewässers. In Anlehnung an das Straßenrecht bedeutet Verkehr jede Tätigkeit, die in der Absicht der Fortbewegung, der Ortsveränderung oder des Transports vorgenommen wird, und zwar mit Hilfe von Wasserfahrzeugen. Auf besondere Zwecke der Tätigkeit – etwa der Beförderung von Gütern oder Personen, Freizeitgestaltung, Sport – kommt es nicht an (Friesecke, a.a.O., Einl. Rn. 7). Für den Bereich der hier betroffenen konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz ordnet Art. 72 Abs. 1 GG an, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung haben, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine Befugnis der Länder zur Gesetzgebung nicht besteht, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Eine Abweichungsbefugnis der Länder für die hier einschlägige Gesetzgebungsmaterie der Seewasserstraßen und der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen besteht nicht, da diese Materie nicht im Katalog des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 7 GG, der sich ausschließlich auf die Gesetzgebungsmaterien des Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 - 33 GG und des Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG bezieht, enthalten ist. Damit ist das Land Niedersachsen nicht befugt, landesrechtliche Regelungen zu treffen, die von den Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes abweichen.
Nach § 5 Satz 1 WaStrG darf jedermann im Rahmen der Vorschriften des Schifffahrtsrechts einschließlich des Schifffahrtabgabenrechts sowie der Vorschriften dieses Gesetzes die Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen befahren. Diese Vorschrift enthält eine Widmung und gestaltet das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen zu einer Gebrauchsbefugnis aus, die jedermann offensteht (OVG LSA, Beschl. v. 14.3.2012 - 1 L 123/11 -, juris; Friesecke, a.a.O., § 5 Rn. 2; Kloepfer/Brandner, Wassersport und Umweltschutz – Beschränkungsmöglichkeiten des Wassersports durch die Gemeingebrauchs- und Schiffahrtsvorschriften im Wasserrecht, NVwZ 1988, 115, 118).
§ 5 Satz 3 WaStrG sieht vor, dass das Befahren der Bundeswasserstraßen in Naturschutzgebieten und Nationalparken nach den §§ 23 und 24 des Bundesnaturschutzgesetzes durch Rechtsverordnung, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erlässt, geregelt, eingeschränkt oder untersagt werden kann, soweit dies zur Erreichung des Schutzzweckes erforderlich ist. Diese Vorschrift ist durch das Gesetz über Rahmenvorschriften für Naturschutz und Landschaftspflege sowie zur Anpassung bundesrechtlicher Vorschriften an die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 20. Dezember 1976 (BGBl. I, S. 3574) in das Bundeswasserstraßengesetz eingefügt worden. Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt heraus, dass nach dem geltenden Recht das Befahren der Bundeswasserstraßen nur im Rahmen des Schifffahrtsrechts eingeschränkt werden könne. Zur Erreichung des Schutzrechts für Naturschutzgebiete, insbesondere in den Watten, sei es erforderlich, das generelle Befahren mit Wasserfahrzeugen auf den für den Vogelschutz wichtigen Sänden einzuschränken oder ganz zu untersagen (Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drs. 7/3879 v. 24.7.1975, S. 31). § 5 Satz 3 WaStrG schränkt also die in § 5 Satz 1 WaStrG ausgesprochene grundsätzliche Benutzbarkeit der Bundeswasserstraßen wieder ein und gehört damit systematisch ebenfalls zur wegerechtlichen Widmung (Petersen, Gemeingebrauch an Gewässern und Naturschutz, NuR 1989, 205, 207; Creydt, Rechtliche Probleme und Erfahrungen mit Befahrensregelungen für Naturschutzgebiete in Bundeswasserstraßen aus der Sicht des Verordnungsgebers und -anwenders, JNL 1992, 26, 29; Friesecke, a.a.O., § 5 Rn. 10). Darüber hinaus stellt § 5 Satz 3 WaStrG die Zuständigkeiten im Bund/Länder-Verhältnis klar, indem diese Vorschrift es den Ländern ohne Einschränkung verbietet, das Befahren von Bundeswasserstraßen, zu regeln, da hierfür allein dem Bund die Kompetenz zusteht. Dieses Verbot gilt auch für Befahrensregelungen, die den Schutz von Naturschutzgebieten und Nationalparks bezwecken, da es sich auch bei solchen um eine Regelung schifffahrtsrechtlicher Angelegenheiten handelt, für die allein der Bund die Gesetzgebungskompetenz besitzt (vgl. Gassner, Naturschutz als Gefahrenabwehr, NuR 1981, 6, 10). Aber auch unabhängig von der Einführung des § 5 Satz 3 WaStrG wäre es den Ländern nicht gestattet, die durch § 5 Satz 1 WaStrG getroffene wegerechtliche Widmung der Bundeswasserstraßen und die sich aus der Widmung ergebende Gebrauchsbefugnis einzuschränken, da insoweit der Bund eine abschließende Regelung getroffen hätte und eine Abweichungsbefugnis der Länder verfassungsrechtlich nicht vorgesehen ist.
Beim Kitesurfen, soweit es im Rahmen der Vorschriften des Schifffahrtsrechts einschließlich des Schifffahrtabgabenrechts sowie der Vorschriften des Bundeswasserstraßengesetzes betrieben wird, handelt es sich um die Ausübung einer der Widmung des § 5 Satz 1 WaStrG unterfallenden Gebrauchsbefugnis, die nur aufgrund einer Bundesverordnung nach § 5 Satz 3 WaStrG eingeschränkt oder untersagt werden kann. Daher darf das Kitesurfen im Küstengewässer in der Ruhe- und Zwischenzone des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ durch eine landesrechtliche Regelung wie das Gesetz über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ nicht verboten werden.
Das Kitesurfen im Bereich des Küstengewässers im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ stellt ein Befahren der Bundeswasserstraßen mit einem Wasserfahrzeug dar.
Der Bereich des Küstengewässers innerhalb des Nationalparks ist eine Bundeswasserstraße. § 1 Abs. 1 WaStrG erklärt die Binnenwasserstraßen (Nr. 1) und die Seewasserstraßen (Nr. 2) zu Bundeswasserstraßen. Nach § 1 Abs. 2 WaStrG sind Seewasserstraßen die Flächen zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen und der seewärtigen Begrenzung des Küstenmeeres (Satz 1). Zu den Seewasserstraßen gehören nicht die Hafeneinfahrten, die von Leitdämmen oder Molen ein- oder beidseitig begrenzt sind, die Außentiefs, die Küstenschutz-, Entwässerungs-, Landgewinnungsbauwerke, Badeanlagen und der trockenfallende Badestrand (Satz 2). Das Küstengewässer im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ – insbesondere der Teil, auf dem das Kitesurfen ausgeübt werden kann – ist danach im Wesentlichen als Seewasserstraße und damit als Bundeswasserstraße anzusehen.
Die zum Kitesurfen benutzte Ausrüstung bestehend aus dem Board und dem Lenkdrachen mitsamt der „Lenkstange“ (Kitebar oder Bar) und allen weiteren Steuerungs- und Sicherheitsleinen stellt ein einheitliches Wasserfahrzeug dar. Der Begriff des Wasserfahrzeugs ist weit zu verstehen. Er umfasst sämtliche zur Bewegung auf dem Wasser geeignete Verkehrsmittel und zwar sowohl solche mit als auch solche ohne eigene Triebkraft (vgl. Friesecke, a.a.O., § 5 Rn. 3; Kloepfer, NVwZ 1988, 115, 118; Gassner, NuR 1981, 6, 10). Auch technische Neuentwicklungen, die etwa den sogenannten „Bodeneffekt“ des Wassers zur Fortbewegung nutzen, stellen Wasserfahrzeuge dar (Creydt, JNL 1992, 26, 28). Unerheblich ist, zu welchem Zweck ein Verkehrsmittel auf dem Wasser bewegt wird, so dass auch ein Verkehrsmittel zu rein sportlichem oder freizeitorientiertem Gebrauch ein Wasserfahrzeug ist. Daran gemessen ist ein von einem Lenkdrachen gezogenes Board bzw. Surfbrett als Wasserfahrzeug anzusehen. Es handelt sich um eine aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Gesamtkonstruktion, deren einzelne Elemente im Zusammenwirken dazu dienen, eine spezifische Art der Fortbewegung auf dem Wasser zu ermöglichen. Eine Zerlegung der Kitesurf-Ausrüstung in einzelne Bestandteile in der Weise, dass das Surfbrett, das als einziges Konstruktionselement Wasserkontakt aufweist, isoliert als Wasserfahrzeug angesehen würde, während die anderen Konstruktionselemente, insbesondere der Lenkdrache, nicht Teil des Wasserfahrzeugs seien, kommt nicht in Betracht. Dies würde dem Umstand, dass die Fortbewegung auf dem Board gerade unter Ausnutzung des sich im Drachen fangenden Windes bewirkt wird, keine Rechnung tragen. Ebenso wenig ist es bei anderen Wasserfahrzeugen möglich, diese in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen und je nach Einzelbestandteil getrennt zu betrachten. So kann beispielsweise auch ein Segelboot nicht nach seinen Hauptbestandteilen Boot und Segel getrennt und nur hinsichtlich des Bootes als Wasserfahrzeug angesehen werden. Ebenso wenig kann ein Ruderboot nach Boot und Ruder getrennt betrachtet werden. Vielmehr ist das Antriebsmittel – im Fall des Kitesurfens also der Drachen – integraler Bestandteil eines Wasserfahrzeugs und zwar auch dann, wenn es nicht fest mit dem anzutreibenden Teil des Wasserfahrzeugs verbunden ist.
Außerdem spricht der Umstand, dass die Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung (v. 3.5.1971, BGBl. I, S. 641 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.1998, BGBl. I, S. 3209, mit Berichtigung v. 10.2.1999, BGBl. I, S. 193 – SeeSchStrO) eigene Regelungen zum Kitesurfen enthält, dafür, dieses Sportgerät als einheitliches Wasserfahrzeug anzusehen. Die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung gilt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SeeSchStrO auf den Seeschifffahrtstraßen mit Ausnahme der Emsmündung. Seeschifffahrtsstraßen im Sinne dieser Verordnung sind nach § 1 Abs. 1 Satz 2 SeeSchStrO die Wasserflächen zwischen der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser oder der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen und einer Linie von drei Seemeilen Abstand seewärts der Basislinie (Nr. 1) und die durchgehend durch Sichtzeichen B.11 der Anlage 1 begrenzten Wasserflächen der seewärtigen Teile der Fahrwasser im Küstenmeer (Nr. 2). Darüber hinaus sind nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 21 SeeSchStrO die Wasserflächen zwischen den Ufern der dort näher bezeichneten Teile der angrenzenden Binnenwasserstraßen auch Seeschiffstraßen im Sinne dieser Verordnung. Damit gehört der ganz überwiegende Teil des Küstengewässers des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ zu den Seeschifffahrtsstraßen im Sinne der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung. Diese Verordnung regelt das Verhalten im Verkehr mit Wasserfahrzeugen und bestimmt die sachlichen und räumlichen Einzelheiten der Gebrauchsbefugnis, die sich aus der in § 5 Satz 1 WaStrG getroffenen Widmung ergibt (vgl. Friesecke, a.a.O., § 5 Rn. 6). Als verkehrsrechtliche Regelung hat sich die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung dabei am Umfang der wegerechtlichen Widmung zu orientieren und darf Benutzungsarten, die über die Widmung hinausgehen, nicht zulassen (vgl. Friesecke, a.a.O., § 5 Rn. 6; für das Verhältnis des Straßenrechts zur wegerechtlichen Widmung BVerwG, Urt. v. 26.6.1981 - 7 C 27/79 -, BVerwGE 62, 376, 378 f.). Da Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung nicht ersichtlich sind, kann davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber Regelungen getroffen hat, die den von der Widmung nach § 5 Satz 1 WaStrG umfassten Gebrauch der Seewasserstraßen umfassen. Das Küstengewässer im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ gehört auch nicht zu den Wasserflächen, für die § 1 Abs. 2 SeeSchStrO einen Anwendungsausschluss von einzelnen Vorschriften der Verordnung bestimmt, so dass dort u.a. § 2 Abs. 1 Nr. 21c SeeSchStrO und § 31 SeeSchStrO gelten. § 2 Abs. 1 Nr. 21c SeeSchStrO definiert Kitesurfen als Surfen mit einem von einem Drachen gezogenen Surfbrett. § 31 SeeSchStrO regelt die (wasser-)straßenverkehrsrechtliche Seite u.a. des Kitesurfens, indem es das Fahren mit einem Kite- und Segelsurfbrett im Fahrwasser verbietet (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SeeStrSchO), eine Ausweichpflicht für Kite- und Segelsurfer statuiert (§ 31 Abs. 2 Satz 1 SeeStrSchO) und ein Nachtfahrverbot ausspricht (§ 31 Abs. 3 SeeStrSchO). Aus diesen Regelungen wird deutlich, dass das Kitesurfen insgesamt als Verkehrsnutzung von Seeschifffahrtsstraßen angesehen wird, was darauf schließen lässt, dass die Kitesurfausrüstung wie auch die herkömmliche Segelsurfausrüstung als einheitliches Wasserfahrzeug zu betrachten ist.
Die nach § 5 Satz 1 WaStrG jedermann gestattete Gebrauchsbefugnis, Bundeswasserstraßen zu befahren, kann damit für die Küstengewässer im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ allein durch eine gemäß § 5 Satz 3 WaStrG erlassene Rechtsverordnung eingeschränkt werden. Eine solche Verordnung ist auch ergangen, nämlich die Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in Nationalparken im Bereich der Nordsee (v. 12.2.1992, BGBl. I, S. 242 in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Februar 1995, BGBl. I, S. 1257 – NPNordSBefV). Diese Verordnung enthält jedoch keine spezifisch gegen das Surfen – sei es mit Kite-, sei es mit Segelantrieb –gerichtete Verbote. Nach § 1 Abs. 1 NPNordSBefV wird das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen, Sportfahrzeugen und Wassersportgeräten u.a. im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ (Nr. 3) nach dieser Verordnung geregelt. Nach § 2 NPNordSBefV haben sich die Verkehrsteilnehmer auf den Bundeswasserstraßen in den Nationalparken so zu verhalten, dass die Tierwelt nicht geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, gestört wird. § 3 NPNordSBefV trifft Regelungen zu bestimmten Wasserfahrzeugen, nicht jedoch zum Surfen. Nach § 4 Abs. 1 NPNordSBefV ist es untersagt, die Bundeswasserstraßen in den jeweiligen Zonen I der Nationalparke außerhalb der Fahrwasser im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO in der Zeit von drei Stunden nach bis drei Stunden vor Tidehochwasser zu befahren, soweit in dieser Verordnung nicht etwas anderes bestimmt ist. § 4 Abs. 2 NPNordSBefV untersagt, die auf Bundeswasserstraßen in den jeweiligen Zonen I der Nationalparke liegenden Seehundschutzgebiete sowie Brut- und Mausergebiete der Vögel während bestimmter, in den amtlichen Seekarten (§ 1 Abs. 2) enthaltener Schutzzeiten zu befahren; ausgenommen sind Fahrwasser im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SeeSchStrO. § 4 Abs. 3 NPNordSBefV enthält Regelungen, die durch Maschinenkraft angetriebene Wasserfahrzeuge und Sportfahrzeuge sowie motorisierte Wassersportgeräte und damit nicht das Kitesurfen betreffen. Kitesurfer haben sich demnach nur an die allgemein für das Befahren mit Wasserfahrzeugen geltenden Einschränkungen, insbesondere die aus § 4 Abs. 1 und 2 NPNordSBefVO zu halten.
Anders als der Beklagte meint, ist es angesichts der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Seewasserstraßen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG, für die keine Abweichungsbefugnis der Länder im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Nr. 1 bis 7 GG gegeben ist, und angesichts der abschließend bundesgesetzlich in § 5 WaStrG erfolgten Widmung der Bundeswasserstraßen, zu denen die Seewasserstraßen gehören, dem Landesgesetzgeber verwehrt, Regelungen zu treffen, welche die Nutzung des Küstengewässers im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ durch Wasserfahrzeuge, zu der auch das Kitesurfen gehört, verbieten oder beschränken. Dem kann auch nicht erfolgreich entgegengehalten werden, dass einzelne Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst für sich betrachtet werden dürfen. Vielmehr ist es den Ländern nicht gestattet, das Befahren von Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen zu regeln und zwar unabhängig davon, um welche Art von Wasserfahrzeug es sich handelt. Auch der Umstand, dass es den Ländern erlaubt ist, naturschutzrechtliche Regelungen zu treffen, die eine dem Anwendungsbereich des Luftverkehrsrechts unterfallende Handlung untersagen, wenn ein bestimmtes Vorhaben oder eine bestimmte Tätigkeit, die den Luftraum berührt, nur deshalb nicht in die Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz der Luftfahrtbehörde fällt, weil sie von einem luftverkehrsrechtlichen Erlaubnistatbestand und damit von einer präventiven Kontrolle nicht erfasst wird (Senatsbeschl. v. 2.2.2018 - 4 ME 204/17 - m.w.N.), ändert nichts daran, dass es den Ländern untersagt ist, das Befahren von Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen zu regeln. Dies gilt auch dann, wenn das für ein Wasserfahrzeug verwendete Antriebsmittel zusätzlich luftverkehrsrechtlichen Regelungen unterfallen kann.
Der Senat ist gleichwohl nicht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen einer Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder der Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz einzuholen. Denn die Verbote des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, insbesondere § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG, können dahingehend verfassungs- bzw. bundesrechtskonform ausgelegt werden, dass sie sich nicht auf das Kitesurfen auf den Bundeswasserstraßen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ erstrecken, und folglich das Kitesurfen einer naturschutzrechtlichen Befreiung von den Verboten des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ nicht bedarf.
Die Gerichte haben sich um eine verfassungskonforme bzw. bundesrechtskonforme Auslegung des Gesetzesrechts zu bemühen. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es, dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Die verfassungs- bzw. bundesrechtskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.3.2004 - 2 BvR 1520/, 2 BVR 1521/ -, BVerfGE 110, 226 Rn. 145 m.w.N.).
Danach ist eine verfassungs- bzw. bundesrechtskonform einengende Auslegung der Verbote des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“, insbesondere des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG, wonach es zur Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Schutzgüter des Nationalparks u.a. verboten ist, Drachen, auch vom Fahrzeug aus, fliegen zu lassen, dahin möglich, dass diese Vorschriften die Nutzung des Küstengewässers im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ mit Wasserfahrzeugen, wozu auch das Kitesurfen gehört, nicht umfassen.
Der Wortlaut der Regelung steht einer derartigen Auslegung nicht entgegen. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG richtet sich nicht ausdrücklich gegen das Befahren des Küstengewässers im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ mit Wasserfahrzeugen, sondern verbietet lediglich das Fliegenlassen von Drachen auch von Fahrzeugen aus. § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG kann damit ohne Weiteres so verstanden werden, dass das Verbot nicht gegen das Befahren des Küstengewässers mit Wasserfahrzeugen gerichtet ist, sondern lediglich gegen das Fliegenlassen eines zusätzlichen Drachens von einem Wasserfahrzeug aus, der nicht als Antriebsmittel dient.
Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG spricht nicht gegen ihre einengende Auslegung in Bezug auf das Befahren des Küstengewässers mit Wasserfahrzeugen, worunter auch das Kitesurfen fällt. Diese Regelung hat mit Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. 2010, S. 104) durch die Einfügung des Passus „auch vom Fahrzeug aus“ hinter dem Wort „Drachen“ ihre heute gültige Form erhalten. Ausweislich der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts sollte das Verbot sich zwar auch gegen das Kitesurfen richten. In der Begründung zum Gesetzentwurf vom 23. November 2009 heißt es dazu (LT-Drs. 16/1902, S. 63):
„Die vorgesehene Klarstellung (also die die Einfügung des Passus „auch vom Fahrzeug aus“ hinter dem Wort „Drachen“, Anm. des Senats) entspricht der Auslegungspraxis der insbesondere auch der Vermeidung von Störungen und Gefährdungen der Brut- und Rastvögel dienenden Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG g. F. Die Klarstellung ist im Hinblick auf eine Nutzung des Nationalparks durch drachengetriebene Landfahrzeuge (buggy-kiting) sowie durch drachengetriebene Wasserfahrzeuge (kite-surfing) im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten. Im Wege eines Befreiungsverfahrens können die genannten Nutzungen auf Flächen im Nationalpark gelenkt werden, auf denen sie im Hinblick auf den Schutzzweck vertretbar sind.“
Der Landesgesetzgeber zielte mit seiner Regelung also auf eine Klarstellung der bestehenden Verwaltungspraxis ab, wonach die Trendsportart Kitesurfen im Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ nur mit einer naturschutzrechtlichen Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG für zulässig erachtet worden ist. Dabei hat der Gesetzgeber allerdings das Spannungsverhältnis zu den Regelungen des Bundeswasserstraßengesetzes und der auf Grundlage des § 5 Satz 3 WaStrG erlassenen Verordnung nicht hinreichend bedacht. Dies folgt bereits daraus, dass § 16 Satz 1 Nr. 7 NWattNPG, wonach die Verbote des Gesetzes über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer nicht für das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen nach Maßgabe des Bundeswasserstraßenrechts gelten, ebenfalls durch das Gesetz zur Neuordnung des Naturschutzrechts vom 19. Februar 2010 (Nds. GVBl. 2010, S. 104) Eingang in das NWattNPG gefunden hat und bei einem Verständnis des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG dahin, dass auch das Kitesurfen verboten sei, einen unauflöslichen Widerspruch erzeugen würde. Dieser Umstand ist im Gesetzgebungsverfahren auch nicht hinreichend erörtert worden. Dafür spricht, dass trotz des ausdrücklichen Hinweises des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) auf den möglichen Übergriff der landesgesetzlichen Regelung in die konkurrierende Bundeskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG, von der der Bund durch den Erlass von § 5 WaStrG auch Gebrauch gemacht hat, der federführende Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz gleichwohl empfohlen hat, die Regelung aus den genannten Klarstellungsgründen in der aktuellen Form zu beschließen (vgl. Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts, LT-Drs. 16/2216, S. 16). Die dem zugrunde liegende irrige Annahme, dass es lediglich einer Klarstellung bedürfe, um einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Kompetenzproblematik zu begegnen, zeigt, dass der Landesgesetzgeber sich dieser Problematik offensichtlich nicht hinreichend angenommen hat. Da nicht anzunehmen ist, dass der Landesgesetzgeber das Verbot des Kitesurfens auf die im Nationalpark Wattenmeer befindlichen Bundeswasserstraßen erstreckt hätte, wenn er sich bewusst gewesen wäre, dass es sich dabei um ein Befahren mit Wasserfahrzeugen handelt, steht einer verfassungs- bzw. bundesrechtskonform einengenden Auslegung des Verbots nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG, Drachen, auch vom Fahrzeug aus, fliegen zu lassen, nichts im Wege.
Im Übrigen verbleibt auch bei einem nicht gegen das Kitesurfen im Küstengewässer des Nationalparks „Niedersächsisches Wattenmeer“ gerichteten, einengenden Verständnis von § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG noch ein hinreichender Anwendungsbereich für das dort ausgesprochene Verbot des Drachenfliegenlassens auch vom Fahrzeug aus. Denn sowohl das konventionelle Drachensteigenlassen als auch das Buggykiten, also das Bertreiben eines üblicherweise dreirädrigen Buggys mit Hilfe eines Lenkdrachens, unterfallen dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG. Für erstere Aktivität gilt dies ohne Weiteres. Auch das Buggykiten ist vom Verbot des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG deshalb unproblematisch erfasst, weil diesbezüglich ein kompetenzrechtliches Spannungsverhältnis mit dem Bundeswasserstraßenrecht nicht aufgelöst werden muss und daher dem in der Begründung zum Gesetzentwurf vom 23. November 2009 (LT-Drs. 16/1902, S. 63) zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, wonach das Buggykiten dem Verbot des § 6 Abs. 2 Nr. 5 NWattNPG unterfallen sollte, bei der Interpretation dieser Vorschrift Rechnung zu tragen ist.
Die Kostenentscheidung beruht für das Berufungsverfahren auf § 154 Abs. 1 VwGO und für das erstinstanzliche Verfahren auf § 155 Satz 1 VwGO, weil das klageabweisende erstinstanzliche Urteil in Bezug auf den dortigen Kläger zu 3., der nicht zu den Berufungsklägern gehört, rechtskräftig geworden ist und daher im ersten Rechtszug nur ein teilweises Obsiegen, nämlich ein Obsiegen der Kläger zu 1. und 2., gegeben ist. Die verhältnismäßige Teilung der Gerichtskosten entspricht den Kopfteilen der am erstinstanzlichen Verfahren beteiligten Kläger.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.