Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.12.2020, Az.: 10 LC 402/18

Annexantrag; Erstattungsanspruch; Erstattungsanspruch, öffentlich-rechtlicher; Kostenbeitrag; Leistungsantrag; öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch; Prozesszinsen; Verjährung; Verpflichtungsantrag; Verpflichtungsklage; Verzugszinsen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.12.2020
Aktenzeichen
10 LC 402/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71888
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 16.10.2018 - AZ: 4 A 693/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Jedenfalls bei einem auf § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützten Verpflichtungsbegehren kann der Leistungsantrag mit dem Verpflichtungsantrag verbunden werden.
2. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch entsteht erst mit der Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide, weshalb eine Verjährung ausscheidet, wenn Leistungs- und Verpflichtungsantrag miteinander verbunden werden.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade – 4. Kammer – vom 16. Oktober 2018 teilweise geändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, nach der Teilrücknahme der streitgegenständlichen Kostenbeitragsbescheide vom 22. Oktober 2009, 28. März 2012 und 29. Mai 2012 nach Maßgabe des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade vom 16. Oktober 2018, an die Klägerin 1.342,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kostenbeiträgen für die Kindertagespflege.

Die Töchter der Klägerin wurden vom 1. August 2009 bis 31. Juli 2010 (Kind C.) sowie vom 1. März 2012 bis 31. August 2015 (Kinder C. und D.) in der Kindertagespflege gefördert.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2009 erkannte der Beklagte einen Bedarf von monatlich 78 Betreuungsstunden für die Tochter C. an und setzte gegenüber der Klägerin einen Kostenbeitrag in Höhe von 109,00 EUR monatlich fest. Nach der Geburt der zweiten Tochter D. beantragte die Klägerin bei dem Beklagten erneut die Förderung in der Kindertagespflege. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 28. März 2012 78 Betreuungsstunden pro Monat und Kind an und setzte einen Kostenbeitrag in Höhe von 345,00 EUR monatlich fest. Mit Bescheid vom 29. Mai 2012 verringerte der Beklagte die Anerkennung auf 39 Betreuungsstunden pro Monat und Kind und setzte einen Kostenbeitrag in Höhe von 210,60 EUR monatlich fest.

Die Erhebung der Kostenbeiträge erfolgte ursprünglich auf Grundlage der Satzung des Beklagten über die Erhebung von Kostenbeiträgen in der Kindertagespflege vom 22. Juni 2009, deren Nichtigkeit das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Berufungszulassungsbeschluss vom 21. Juni 2013 (– 4 LA 102/12 –, juris Rn. 2) feststellte. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 9. Dezember 2013 eine neue Satzung. Auch hinsichtlich dieser Satzung stellte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29. September 2015 fest, dass diese nichtig ist (– 4 LB 149/13 –, juris Rn. 43). Der Beklagte erließ unter dem 14. März 2016 wiederum eine neue Satzung, deren Rechtmäßigkeit das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. August 2018 feststellte (– 10 KN 10/18 –, juris Rn. 64 ff.). Die Satzung trat rückwirkend zum 1. Juli 2009 in Kraft.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2017 wandte sich die Prozessbevollmächtigte der Klägerin an den Beklagten und bat um die verzinste Erstattung der in den Jahren 2009, 2010, 2012 und 2013 überzahlten Elternbeiträge.

Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 15. Februar 2017 im Wesentlichen mit, ungeachtet der Anspruchsvoraussetzungen sei eine Rückerstattung auf den sogenannten Vierjahreszeitraum beschränkt. Anspruchsgrundlage für die Rückerstattung von Kostenbeiträgen nach vorangegangener (Teil-)Aufhebung der Kostenbeitragsbescheide sei der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, welcher als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips im Sozialrecht nach vier Jahren verjähre. Für die Berechnung maßgeblich sei der Tag der Antragstellung. Bei einer Antragstellung im Februar 2017 komme eine Rückerstattung von Kostenbeiträgen, die vor dem 1. Januar 2013 erbracht worden seien, daher nicht in Betracht.

Die Klägerin hat am 28. Februar 2017 Klage erhoben. Der Beklagte sei gemäß § 44 Abs. 1 SGB X auch ohne Antrag verpflichtet gewesen, die Bescheide aufzuheben. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 SGB X analog. Der Beklagte könne sich daher nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Insbesondere finde § 44 Abs. 4 SGB X auf den Rücknahmeanspruch eines Bürgers keine Anwendung. Der Verzinsungsanspruch ergebe sich aus §§ 223 ff. AO analog. Das Schreiben des Beklagten vom 15. Februar 2017 verstehe sie als Bescheid.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verpflichten, seine Elternbeitragsbescheide vom 22. Oktober 2009, 29. Mai 2012, 28. März 2012 für die Betreuung der Kinder C. und D. A. aufzuheben, soweit durch diese Bescheide der Klägerin wegen der Betreuung ihrer Kinder ein Elternbeitrag in Höhe von mehr als 85,50 Euro für die Monate August 2009 bis Juli 2020, von mehr als 148,20 Euro bzw. 74,10 Euro für die Monate März bis Mai 2012 und in Höhe von mehr als 74,10 bzw. 37,05 Euro für die Monate Juni bis Dezember 2012 festgesetzt worden ist, und der Klägerin die überzahlten Kostenbeiträge in Höhe von 1.342,65 Euro zu erstatten.

2. den Beklagten zu verpflichten, die Kostenbeiträge jeweils nach Zahlungseingang mit einhalb Prozent pro Monat zu verzinsen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht Stade hat den Beklagten durch Urteil vom 16. Oktober 2018 verpflichtet, den Kostenbeitragsbescheid vom 22. Oktober 2009 zurückzunehmen, soweit darin ein Kostenbeitrag von mehr als 85,50 EUR festgesetzt worden ist, den Kostenbeitragsbescheid vom 28. März 2012 zurückzunehmen, soweit darin ein Kostenbeitrag von mehr als 222,30 EUR festgesetzt worden ist und den Kostenbeitragsbescheid vom 29. Mai 2012 zurückzunehmen, soweit darin ein Kostenbeitrag von mehr als 111,15 EUR festgesetzt worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Teilrücknahme der Bescheide sei § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Der Beklagte habe bei der Erhebung der Beiträge das Recht unrichtig angewandt. Die streitgegenständlichen Beiträge seien wegen der Nichtigkeit der zugrundeliegenden Satzung teilweise zu Unrecht erhoben worden. Die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X sei nicht einschlägig, weil es sich bei den Kostenbeiträgen nicht um Sozialleistungen im Sinne der Norm handele. Eine eventuelle Verjährung der Erstattungsansprüche schließe den Anspruch auf Teilaufhebung der Kostenbeitragsbescheide nicht aus, da eine Verjährung nicht das Bestehen der Erstattungsansprüche betreffe, sondern lediglich als Einrede dazu berechtige, die Erstattung im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung zu verweigern. Soweit die Klägerin über die Teilaufhebung hinaus die Verpflichtung des Beklagten zur verzinsten Rückerstattung der Kostenbeiträge begehre, sei die Klage im Zeitpunkt der Entscheidung unzulässig. Dies folge im Umkehrschluss aus § 113 Abs. 4 VwGO. Dem Wortlaut („Aufhebung“) nach sei ein Leistungsantrag lediglich als Annexantrag zu einer Anfechtungsklage zulässig. Zwar habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 2. November 1999 (– 7 L 3654/97 –, juris) § 113 Abs. 4 VwGO auf die Verpflichtungsklage entsprechend angewendet und dies mit prozessökonomischen Erwägungen begründet. Dieser Rechtsprechung folge die Kammer - in Abweichung von ihrer bisherigen Praxis - jedoch nicht. Denn die Voraussetzungen einer Analogie seien nicht gegeben. Es liege keine vergleichbare Sach- und Rechtslage vor, weil sich die prozessuale Folge eines Aufhebungsurteils grundlegend von der eines Verpflichtungsurteils unterscheide. Im Falle der Stattgabe einer Verpflichtungsklage müsse die Behörde, anders als bei der rechtsgestaltenden Anfechtungsklage, selbst tätig werden und sei es durch die Aufhebung eines Verwaltungsaktes. Erst aus dem weiteren Tätigwerden der Behörde ergebe sich also die Grundlage für eine etwaige weitere Leistungspflicht der Behörde. Verurteilt das Gericht die Behörde zugleich zur Leistung, würde dieser erforderliche Zwischenschritt übersprungen und gegebenenfalls eine vollstreckbare Leistungsverpflichtung geschaffen, bevor der die Grundlage dieser Leistungspflicht bildende Verwaltungsakt - hier die Kostenbeitragsbescheide - von der Behörde aufgehoben worden sei. Dies sei rechtsdogmatisch und vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht begründbar. Zudem fehle es auch an einer planwidrigen Regelungslücke. § 113 Abs. 4 VwGO stelle eine Sonderregelung für die Anfechtungsklage dar. Die Rechtskraft des Aufhebungsurteils solle ausnahmsweise zugunsten der Prozessökonomie nicht abgewartet werden müssen, bevor über einen sich daraus ergebenden Folgeanspruch entschieden werden könne. Es sei zu bezweifeln, dass der Gesetzgeber diese Ausnahmeregelung planwidrig nicht auch auf die Verpflichtungsklage erstreckt habe. Deutlich näher liege die Annahme, dass der Gesetzgeber, hätte er die Möglichkeit eines Annexantrages auch auf die Verpflichtungsklage erstrecken wollen, dies durch die Systematik und den Wortlaut in § 113 VwGO zum Ausdruck gebracht hätte. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen der Abweichung von der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zugelassen.

Die Klägerin hat am 28. November 2018 Berufung eingelegt. Der Grundsatz der Prozessökonomie sei verletzt. Es bestehe keine Rechtsgrundlage für die Einrede der Verjährung. Dem Beklagten sei von Anfang an bewusst gewesen, dass er die Landeszuwendungen unter Verstoß gegen das Abgabenrecht und betriebswirtschaftliche Grundsätze nicht in die Kalkulation eingestellt habe. Ihm sei klar gewesen, dass es zu einer Doppelfinanzierung kommen würde. Der Rechtsstaat verliere seine Glaubwürdigkeit, wenn die Überdeckung nun nicht unter Berücksichtigung der Zinsen erstattet werde.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Teilaufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 16. Oktober 2018 (- 4 A 693/17 -) zu verpflichten, die durch die Teilaufhebung der streitgegenständlichen Kostenbeitragsbescheide vom 22. Oktober 2009, 28. März 2012 und 29. Mai 2012 überzahlten Kostenbeiträge in Höhe von 1.342,65 EUR zu erstatten und die Kostenbeiträge jeweils nach Zahlungseingang mit einhalb Prozent pro Monat zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erhebe für die Jahre 2009 bis 2012 die Einrede der Verjährung und mache von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch verjähre in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien. Die Verjährungsfrist sei in Bezug auf den jüngsten Beitragszeitraum 2012 mit dem 31.12.2016 abgelaufen. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei auch ermessensgerecht. Er erhebe die Einrede aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Diese Gründe stellten ein allgemeines Rechtsprinzip des Sozialrechts dar, das aus praktischen und haushaltsrechtlichen Gründen geboten sei, um jahrzehntelange Auseinandersetzungen einer beschleunigten gerichtlichen Auseinandersetzung zuführen zu können. Die Verweigerung der teilweisen Erstattung der Kostenbeiträge sei mit Blick darauf, dass die Elternbeiträge lediglich einen geringen Teil der Betriebskosten der Tageseinrichtungen deckten, weder schlechthin unerträglich, noch sei ein Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erkennbar. Die Klägerin habe es auch in der Hand gehabt, vor dem 31.12.2016 einen Erstattungsantrag auch für die Jahre 2009 bis 2012 zu stellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130 a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung einstimmig für im Wesentlichen begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat im Wesentlichen Erfolg. Soweit das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen hat, ist das Urteil zu ändern. Denn die Klage ist auch insoweit zulässig (I.) und im Wesentlichen begründet (II.).

I.

Der Leistungsantrag auf Erstattung der überzahlten Kostenbeiträge für die Kindertagespflege kann hier in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 VwGO zusammen mit dem Verpflichtungsbegehren auf Teilrücknahme der Kostenbeitragsbescheide verfolgt werden. Der Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass der Leistungsantrag als Annexantrag zu einer Verpflichtungsklage unzulässig sei, folgt der Senat nicht.

Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen ist. § 113 Abs. 4 VwGO bestimmt, dass im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig ist, wenn neben der Aufhebung eines Verwaltungsaktes eine Leistung verlangt werden kann. Sinn und Zweck von § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO ist es, der Klägerseite aus prozessökonomischen Gründen die Möglichkeit zu geben, Ansprüche, die sich aus der Aufhebung des Verwaltungsakts ergeben, bereits im Rahmen des Anfechtungsprozesses geltend zu machen, während ohne eine solche Regelung derartige Folgeansprüche erst nach Rechtskraft des Aufhebungsurteils erhoben werden könnten. Es handelt sich somit bei dieser Verbindung von Anfechtungs- und Leistungsantrag um eine besondere Form der Stufenklage (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 2.11.1999 – 7 L 3645/97 –, juris Rn. 176 m.w.N.; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 113 Rn. 96).

Es kann hier dahinstehen, ob Verpflichtungs- und Leistungsantrag regelmäßig miteinander verbunden werden können. Denn jedenfalls im Falle eines auf § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützten Verpflichtungsbegehrens - wie hier - ist § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO analog auf das damit verbundene Leistungsbegehren anzuwenden.

In Literatur und Rechtsprechung wird die Frage, ob § 113 Abs. 4 VwGO auf die Verpflichtungsklage analoge Anwendung finden kann, unterschiedlich beurteilt. Hintergrund der Kontroverse ist, dass der mit dem Annexantrag verfolgte Anspruch ein künftiger Anspruch ist, da er erst entsteht, wenn die Behörde in Erfüllung der gerichtlichen Entscheidung über das Verpflichtungsbegehren den bestandskräftigen Verwaltungsakt zumindest teilweise aufgehoben hat (Hessischer VGH, Urteil vom 3.11.2010 – 7 B 1704/10 –, jurisRn. 22).

Voraussetzung für eine Analogie ist, dass die Norm eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Normgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Normgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Norm, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 04.08.2010 - XII ZR 118/08 -, juris Rn. 11).

Gegen eine Analogie wird im Wesentlichen angeführt, § 113 Abs. 4 VwGO sei seinem Regelungsgehalt nach auf die kassatorische Entscheidungsform der Aufhebung zugeschnitten und lasse sich schon deshalb nicht ohne weiteres auf die leistungszielorientierte Verpflichtung übertragen (Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113, Rn. 392). Wenn das Gericht im Falle einer erfolgreichen Verpflichtungsklage zum Erlass eines Leistungsbescheides und zugleich zur Leistung verurteile, schaffe es damit gegebenenfalls eine vollstreckbare Leistungsverpflichtung, bevor der die Grundlage dieser Leistungspflicht bildende Verwaltungsakt erlassen worden sei. Das sei rechtsdogmatisch nicht begründbar, gerate in Konflikt mit dem Erfordernis eines vorherigen Verwaltungsaktes und widerspreche dem Regelungszweck des § 167 Abs. 2 VwGO (gegen eine Analogie: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.3.2016 – OVG 6 B 61.15 –, juris Rn. 94 ff.; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 113, Rn. 392; Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2020, § 113 Rn. 191; offen gelassen: Hessischer VGH Beschluss vom 3.11.2010 – 7 B 1704/10 –, juris Rn. 22 f., und Beschluss vom 26.10.2009 – 7 B 2707/09 –, juris Rn. 11, gegen eine Analogie noch: Hessischer VGH, Urteil vom 25.2.1981 – I OE 53/18 –, juris).

Für eine Analogie werden Gründe der Prozessökonomie angeführt (für eine Analogie: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.7.2009 – 4 L 172/06 –, juris Rn. 33; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 2.11.1999 – 7 L 3645/97 –, juris Rn. 176 m.w.N; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 113 Rn. 97; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 177; Decker in BeckOK VwGO/Decker, Stand 1.7.2020, VwGO § 113 Rn. 64 f.; Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, Rn. 52; für eine Analogie wohl auch BVerwG, Urteil vom 17.2.2000 – 3 C 11.99 –, juris Rn. 11 f.). Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 2. November 1999 (– 7 L 3645/97 –, juris Rn. 176 m.w.N.) bereits entschieden, dass auch die auf Aufhebung des Leistungsgebots gerichtete Verpflichtungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO mit einem auf die Beseitigung von Vollzugsmaßnahmen zielenden Leistungsbegehren verbunden werden kann. Dafür spreche die vergleichbare Interessenlage. Im Einzelnen hat es ausgeführt (Nds. Oberverwaltungsgericht, a.a.O. Rn. 177):

„Der Grundgedanke, Stufenstreitigkeiten aus Gründen der Verfahrensökonomie in einem Verfahren abzuwickeln, kann auch im Rahmen der Verpflichtungsklage Geltung beanspruchen. Dem kann der Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass eine Verbindung von Verpflichtungsantrag und Leistungsklage wegen der Bestandskraft der Abgabebescheide nicht zulässig sei. Denn die Klägerin kann eine Abänderung der Bescheide erreichen; damit kommt jedenfalls mit der Verpflichtung des Beklagten auf (teilweise) Änderung der ergangenen Bescheide ein auf die Beseitigung der Vollzugsfolgen gerichteter Anspruch in Betracht. Im Übrigen rechtfertigt allein der Umstand, dass ein Bescheid im Falle des gegen ihn rechtzeitig eingelegten Widerspruchs nicht bestandskräftig wird, noch nicht den Erfolg des zugleich geltend gemachten Leistungsanspruchs, der vielmehr -- wie erwähnt -- ohne die Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 2, 3 und Abs. 4 VwGO die Rechtskraft des Aufhebungsurteils voraussetzen würde. Wenn deren Eintritt nach der Entscheidung des Gesetzgebers aus prozessökonomischen Gründen nicht abgewartet werden muss, so vermag nicht zu überzeugen, warum dies hinsichtlich der Rechtskraft eines Verpflichtungsurteils anders beurteilt werden sollte.“

Jedenfalls im vorliegenden Fall ist eine Analogie zu bilden. Die Voraussetzungen der vergleichbaren Interessenlage und der planwidrigen Regelungslücke liegen vor.

Wegen der sozialrechtlichen Sondervorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X kommt es hier zu einer prozessualen Situation, die derjenigen einer Anfechtungsklage mit Annexantrag im Sinne des § 113 Abs. 4 VwGO vergleichbar ist. Die Klägerin begehrte erstinstanzlich die teilweise “Aufhebung“ der Kostenbeitragsbescheide und die Erstattung der überzahlten Beiträge nebst Zinsen, allerdings wegen der entgegenstehenden Bestandskraft der Kostenbeitragsbescheide im Wege der Verpflichtung des Beklagten, die Bescheide teilweise zurückzunehmen. (Nur) wegen der keinen Ermessensspielraum einräumenden, bestandskraftdurchbrechenden Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X konnte der Beklagte verpflichtet werden, die Kostenbeitragsbescheide teilweise zurückzunehmen. Denn nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung. Hierdurch unterscheidet sich die prozessuale Situation im Falle des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch von der im Regelfall des § 48 VwVfG vorliegenden. Denn § 48 VwVfG räumt der Behörde hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes Ermessen ein. In der Folge wird die Behörde bei erfolgreicher Klage im gerichtlichen Verfahren zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Die Behörde muss also in einem weiteren Schritt ihr Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu ausüben. Im Unterschied dazu wird sie im Falle des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X unmittelbar zur Rücknahme des streitgegenständlichen Bescheides verpflichtet (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Ein Ermessen verbleibt der Behörde nicht. Sie muss den streitgegenständlichen Bescheid zurücknehmen. Gerade hierdurch entsteht die Vergleichbarkeit zu der prozessualen Situation einer Anfechtungsklage. Mit einer Anfechtungssituation ebenfalls vergleichbar wäre im Falle des § 48 VwVfG nur eine Konstellation, in der eine Ermessensreduktion auf Null vorliegen würde, sodass es auch hier zu einer unmittelbaren Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme kommen könnte (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Es spricht daher einiges dafür, § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO auch in dieser Sonderkonstellation analog anzuwenden.

Die auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Einwände, die sich aus dem Umstand ergeben, dass das Gestaltungsurteil im Unterschied zum Verpflichtungsurteil unmittelbar rechtsgestaltend wirkt, erledigen sich durch eine entsprechende Tenorierung. Denn bei der Tenorierung der auf § 113 Abs. 4 VwGO gestützten Annexentscheidung ist grundsätzlich zu beachten, dass der Anspruch nicht schon mit der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteils (unbedingt) entsteht, sondern erst aufgrund einer durch die Verpflichtungsklage initiierten Kassation des Verwaltungsakts (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO 24. Aufl. 2018, § 113 Rn. 177). Dies ist durch die Formulierung des Tenors kenntlich zu machen.

Auch § 167 Abs. 2 VwGO steht einer Analogiebildung nicht entgegen. Hiernach können Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden. Wenn der Eintritt der Rechtskraft eines Aufhebungsurteils nach den gesetzgeberischen Erwägungen bei akzessorischen Leistungsansprüchen entgegen § 167 Abs. 2 VwGO nicht abgewartet werden muss, ist nicht ersichtlich, weshalb dagegen die Rechtskraft einer Verpflichtungsklage abgewartet werden soll, bis davon abhängige Folgeansprüche eingeklagt werden können (Emmenegger in Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, 4. Aufl. 2016, VwGO § 113 Rn. 158).

Angesichts der durch § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X entstehenden Sonderkonstellation, die der Gesetzgeber bei Erlass der VwGO nicht im Blick gehabt hat, ist jedenfalls hier entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auch von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen.

Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine dieser Annahme entgegenstehenden Anhaltspunkte. Der Wortlaut des heutigen § 113 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 VwGO war bereits Teil der ursprünglichen Fassung der VwGO vom 21. Januar 1960 (BGBl. I vom 25.1.1960, S. 30). Die Gesetzesbegründung sieht den Wortlaut des heutigen § 113 Abs. 4 VwGO seinem Wesen nach als Unterfall zu dem heutigen § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO an. In der Begründung wird ausgeführt, dass bei § 113 Abs. 4 VwGO an die Fälle gedacht sei, in denen sich aus der Aufhebung eines Verwaltungsakts materiellrechtlich unmittelbar ein Anspruch gegen die Behörde ergebe (BT-Drs 3/55 vom 5.12.1957, S. 43). Um einen Fall der Aufhebung eines Verwaltungsakts handelt es sich jedoch auch, wenn die Behörde - wie hier gestützt auf § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X - verpflichtet wird, den Verwaltungsakt zurückzunehmen. Wird ferner berücksichtigt, dass prozessökonomische Erwägungen mehrfach ausdrücklich als leitendes Motiv genannt werden, um den Streitfall in einem Verfahren zu beenden (BT-Drs 3/55 vom 5.12.1957, S. 43), so widerspricht es jedenfalls nicht dem Willen des Gesetzgebers, § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO auf den vorliegenden Fall anzuwenden, in dem sich aus einer sozialrechtlichen Norm eine Verpflichtung zur Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes ergibt. Diese spezielle Konstellation konnte vom Gesetzgeber auch nicht gesehen werden, da das SGB X erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten ist, sodass es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt.

II.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der überzahlten Kostenbeiträge gegen den Beklagten in Höhe von 1.342,65 EUR aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.

Mangels spezialgesetzlicher Regelungen findet hier der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch Anwendung. § 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 SGB X kommt hier entgegen seines Wortlautes als Rechtsgrundlage nicht in Betracht, weil sich die in § 50 SGB X geregelten öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche nach allgemeiner Auffassung auf Ansprüche der Leistungsträger gegen Leistungsempfänger, also typischerweise Ansprüche eines Hoheitsträgers gegen Private, beziehen. Für den wichtigsten Sozialrechtsfall eines Anspruchs des Bürgers gegen die Sozialverwaltung bei zu Unrecht geleisteten Beiträgen existiert in § 26 Abs. 2 SGB IV bereits eine zentrale Sonderregelung für Erstattungsansprüche des Versicherten gegen den Beitragsempfänger (Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. Stand: 25.2.2020, § 50 Rn. 28). Auch § 26 Abs. 2 SGB IV kommt als Erstattungsgrundlage indes nicht in Betracht, da es sich im vorliegenden Fall nicht um Beiträge zur Sozialversicherung handelt (Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. Stand: 23.3.2020, § 44 Rn. 25).

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es sich bei dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts handelt, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen. Ausnahmen davon hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich dann anerkannt, wenn und soweit den §§ 812 ff. BGB eine abweichende Interessenbewertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist (BVerwG, Beschluss vom 7.10.2009 – 9 B 24.09 –, juris Rn. 5 m.w.N.).

Das Bestehen des Anspruchs der Klägerin hängt mithin davon ab, ob der Beklagte die Kostenbeiträge durch eine unmittelbare Vermögensverschiebung zu Lasten der Klägerin erlangt hat und der Rechtsgrund für diese Vermögensverschiebung später weggefallen ist (vgl. § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Diese Voraussetzungen werden gegeben sein, sobald der Beklagte die Kostenbeitragsbescheide in Erfüllung seiner Verpflichtung durch das erstinstanzliche Urteil teilweise zurückgenommen hat. Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Kostenbeiträge unmittelbar an den Beklagten geleistet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur Teilrücknahme der streitgegenständlichen Kostenbeitragsbescheide verpflichtet. Nach der verpflichtungsgemäßen Teilrücknahme wird der Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung weggefallen sein.

Die Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 SGB X beschränkt den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch hier nicht. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist. Dem ausdrücklichen Wortlaut nach bezieht sich diese materielle Ausschlussfrist nicht auf beide Tatbestandsvarianten des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X („soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind“), sondern lediglich auf die Tatbestandsvariante der „Sozialleistungen“ (Baumeister in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. Stand: 23.3.2020, § 44 Rn. 117). Mithin liegt der hiesige Fall der Erstattung von Beiträgen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 44 Abs. 4 SGB X.

Eine Verjährung des Anspruchs scheidet schon deshalb aus, weil der Erstattungsanspruch erst mit der teilweisen Rücknahme der bestandskräftigen Kostenbeitragsbescheide durch den Beklagten entsteht (Hessischer VGH, Urteil vom 3.11.2010 – 7 B 1704/10 –, juris Rn. 22; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 2.11.1999 – 7 L 3645/97 –, juris Rn. 185; Ossenbühl, Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch, NVwZ 1991, 513, 518; a.A. indes im Hinblick auf den Beginn der spezialgesetzlich geregelten Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV, der hier nicht einschlägig ist (s.o.): BSG, Urteile vom 17.12.2015 – B 2 U 2/14 R –, juris Rn. 16 ff., und vom 31.3.2015 – B 12 AL 4/13 R –, juris Rn. 14 ff.). Bis dahin stellen die zwar (teilweise) rechtswidrigen aber dennoch rechtswirksamen Kostenbeitragsbescheide den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der von der Klägerin an den Beklagten geleisteten Beiträge dar (§ 39 Abs. 2 SGB X; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 2.11.1999 – 7 L 3645/97 –, juris Rn. 185; Ossenbühl, Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch, NVwZ 1991, 513, 518). Auch die vom Beklagten angeführte Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg führt zu keiner anderen Beurteilung. Selbst wenn man mit dem LSG davon ausgehen würde, dass für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch eine Verjährungsfrist von vier Jahren gilt, die Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips des Sozialrechts ist, so würde diese Verjährungsfrist kenntnisunabhängig mit Ablauf des Kalenderjahres beginnen, in dem der Anspruch entstanden ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7.7.2016 – L 7 AS 1359/14 –, juris Rn. 23 ff. m.w.N.). Hier entsteht der Anspruch indes erst mit der (Teil-)Rücknahme der Kostenbeitragsbescheide, weshalb er noch nicht verjährt sein kann. Da die Teilrücknahme bisher soweit ersichtlich nicht erfolgt ist, kann selbst die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB als kürzeste in Betracht kommende Frist noch nicht abgelaufen sein (vgl. zur Verjährung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs: BVerwG, Urteile vom 27.11.2019 – 9 C 5.18 –, juris Rn. 12 ff. m.w.N., und vom 15.3.2017 – 10 C 3.16 –, juris Rn. 16 ff.).

2. Die Klägerin hat in entsprechender Anwendung von § 291 S. 1 BGB einen Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an. Ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht dagegen nicht.

Die von der Klägerin begehrte Verzinsung von einhalb Prozent pro Monat (vgl. § 238 Abs. 1 S. 1 AO) ab dem jeweiligen Zahlungseingang kommt von vornherein nicht in Betracht. § 238 AO gilt für die Verzinsung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, soweit diese gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 233 AO). Es spricht nichts dafür, diese Regelung auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden (vgl. § 1 AO). Insoweit war die Klage abzuweisen.

Auch kann die Klägerin auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches keine Zinsen ab dem Zeitpunkt der Zahlung der Beiträge beanspruchen. Zwar schließt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch entsprechend dem Rechtsgedanken des § 818 Abs. 1 BGB auch die Herausgabe in der Zwischenzeit tatsächlich gezogener Nutzungen aus der zu Unrecht erlangten Leistung ein. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch geklärt, dass bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen eine Behörde eine ”Verzinsung” wegen tatsächlich gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Denn der Staat legt öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen in der Regel nicht gewinnbringend an, sondern verfügt über die ihm zur Verfügung stehenden Mittel im Interesse der Allgemeinheit (BVerwG, Urteil vom 30.4.2003 – 6 C 5.02 –, juris Rn. 21 m.w.N.).

Ein Anspruch auf Verzugszinsen in analoger Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es sich bei der öffentlich-rechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, das heißt um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht. Denn insoweit besteht kein entscheidender Unterschied zu bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2014 – 5 C 1.13 D –, juris Rn. 44). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

In allen anderen Fällen können Verzugszinsen bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen zudem nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage gefordert werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet. In Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung über die Zahlung von Verzugszinsen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2014 – 5 C 1.13 D –, juris Rn. 45).

Die Klägerin hat daher lediglich einen Anspruch auf Prozesszinsen. Der Erstattungsanspruch ist ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften der § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sind Prozesszinsen immer dann zu zahlen, wenn das einschlägige Fachrecht keine abweichende Regelung trifft und die Geldforderung - wie hier - eindeutig bestimmt ist (BVerwG, Urteil vom 27.2.2014 – 5 C 1.13 D –, juris Rn. 46 m.w.N.). Das einschlägige Fachrecht trifft hier keine abweichende Regelung. Denn § 44 Abs. 1 SGB I regelt zwar die allgemeine Pflicht, fällige Ansprüche auf Geldleistungen zu verzinsen, ist indes auf Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB I begrenzt (Gutzler in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.6.2020 § 44 SGB I Rn. 2). Bei dem hier geltend gemachten Erstattungsanspruch handelt es sich nicht um Sozialleistungen in diesem Sinne.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Unterliegen der Klägerin hinsichtlich des begehrten Zinsanspruchs wirkt sich wegen § 173 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 ZPO nicht gegenstandswerterhöhend und deshalb auch in der Kostenentscheidung nicht aus (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.8.2018 – 5 S 14317/18 –, juris Rn. 4; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 6.5.2011 – 2 O 62/10 –, juris Rn. 4; VG Saarlouis, Urteil vom 9.4.2008 – 5 K 471/07 –, juris Rn. 70). Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei der Verknüpfung von Verpflichtungsklage und Leistungsklage analog § 113 Abs. 4 VwGO darf das Urteil zur Vermeidung einer Umgehung des § 167 Abs. 2 VwGO auch hinsichtlich des Leistungsausspruchs nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 21 m.w.N.).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.