Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.12.2020, Az.: 4 LB 105/20
Aktualisierungsantrag; Ausbildungsförderung; Auszubildende; Auszubildender; Bewilligungszeitraum; Differenzhypothese; Einkommen; Einkommensverhältnisse; Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage; Ersatzpflicht; Schadensersatzanspruch; zu Unrecht geleisteter Förderungsbetrag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.2020
- Aktenzeichen
- 4 LB 105/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71973
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 07.01.2020 - AZ: 2 A 923/17
Rechtsgrundlagen
- § 24 Abs 3 S 1 BAföG
- § 47a BAföG
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - Einzelrichterin der 2. Kammer - vom 7. Januar 2020 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2017 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich als Erbengemeinschaft des verstorbenen Vaters der Miterben gegen ihre Inanspruchnahme nach § 47a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) auf Ersatz von Ausbildungsförderung, die D., einer Tochter des Erblassers, die Mitglied der Erbengemeinschaft ist, geleistet worden ist.
D. nahm zum Wintersemester 2014/2015 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Ostfalia in E. ein Bachelorstudium der Bio- und Umwelttechnik auf und stellte unter dem 23. Juli 2014 beim Studentenwerk OstNiedersachsen einen Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Dabei gab der inzwischen verstorbene Vater der Auszubildenden auf dem Formblatt 3 an, in dem für die Anrechnung seines Einkommens auf den Bedarf der Auszubildenden maßgeblichen Kalenderjahr 2012 lediglich Renteneinnahmen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 16.404,12 EUR erhalten zu haben. Daraufhin bewilligte das Studentenwerk der Auszubildenden durch Bescheid vom 30. September 2014 Ausbildungsförderung für den Zeitraum September 2014 bis August 2015 in Höhe von monatlich 422,- EUR.
Zum Wintersemester 2016/2017 wechselte die Auszubildende die Fachrichtung und nahm im Oktober 2016 bei der Beklagten ein Bachelorstudium der Biologie auf. Im Rahmen des Antragsverfahrens auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für das Wintersemester 2016/2017 erfuhr die Beklagte, dass der Vater der Auszubildenden im Kalenderjahr 2012 weitere Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und Versorgungsbezügen in Höhe von insgesamt 38.687,15 EUR bezogen hatte. Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 wurde der Vater der Auszubildenden von der Beklagten zu der Ersatzpflicht nach § 47a BAföG angehört. Da dieser am 16. März 2017 verstarb, teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass von einem fahrlässigen Verhalten des verstorbenen Vaters der Auszubildenden nicht auszugehen sei, da er die Einnahmen im Kalenderjahr 2012 in Höhe von 38.687,15 EUR nicht habe angeben können; sein Einkommen sei erst im Einkommensteuerbescheid vom 15. September 2016 festgestellt worden. Auch sei aufgrund des Krankheitsverlaufs des Vaters der Auszubildenden eine Fahrlässigkeit nicht anzunehmen. Außerdem habe ein Anspruch auf eine Anrechnung des aktuellen Einkommens bestanden.
Durch Bescheid vom 4. Oktober 2017 machte die Beklagte einen Ersatzanspruch in Höhe von 5.064,00 EUR zuzüglich Zinsen gegenüber der Klägerin geltend. Zur Begründung führte sie aus, der Anspruch ergebe sich aus § 47a Satz 1 BAföG. Der Geldzufluss beim Vater der Auszubildenden hätte bemerkt werden müssen. Aufgrund der unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben seien der Auszubildenden Förderungsleistungen in dem Zeitraum September 2014 bis August 2015 in Höhe von monatlich 422,- EUR gewährt worden. Bei korrekter Angabe des Einkommens hätte sie jedoch keinen Anspruch gehabt. Die Anrechnung des im Bewilligungszeitraum erzielten Einkommens sei von einem besonderen Antrag im Bewilligungszeitraum abhängig, der jedoch nicht gestellt worden sei. Daher sei ein Betrag in Höhe von insgesamt 5.064,00 EUR zu ersetzen.
Am 6. November 2017, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen und vorgetragen, dass der verstorbene Vater der Auszubildenden keine fahrlässig oder vorsätzlich falsche oder unvollständige Erklärung abgegeben habe. Außerdem sei mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 hilfsweise ein Aktualisierungsantrag gestellt worden. Dieser wäre erfolgreich gewesen, da der Vater der Auszubildenden im Bewilligungszeitraum nur noch eine geringe Rente bezogen habe. Daher sei dem Land kein Schaden entstanden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und erwidert, dass der verstorbene Vater der Auszubildenden das Einkommen in Höhe von 38.687,15 EUR zweifelsfrei im Formblatt 3 hätte angeben müssen. Ihm könne der Vorwurf, zu den Angaben im Formblatt 3 jedenfalls leicht fahrlässig unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht zu haben, nicht erspart bleiben. Eine Aktualisierung des Berechnungszeitraums scheide aus, weil diese nach § 24 Abs. 3 BAföG nur auf einen besonderen Antrag des Auszubildenden hin erfolgen könne, der zwingend bis zum Ende des Bewilligungszeitraums zu stellen sei. Eine derartige Antragstellung sei nicht erfolgt.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 7. Januar 2020 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage für die Ersatzforderung der Beklagten gegen die Klägerin sei § 47a Satz 1 und 2 BAföG. Nach § 47a Satz 1 BAföG hätten der Ehegatte, der Lebenspartner oder die Eltern des Auszubildenden den Betrag, der nach § 17 BAföG für den Auszubildenden als Förderungsbetrag zu Unrecht geleistet worden sei, dem Land zu ersetzen, wenn sie die Leistung von Ausbildungsförderung an den Auszubildenden dadurch herbeigeführt haben, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht haben. Diese Voraussetzungen für den Ersatzanspruch seien hier erfüllt. Der verstorbene Vater der Auszubildenden habe die Leistung von Ausbildungsförderung an seine Tochter dadurch herbeigeführt, dass er zumindest fahrlässig unvollständige Angaben in dem Formblatt 3 zu seinen Einkünften im Jahr 2012 gemacht habe. Er hätte in Zeile 63 des Formblatts das ihm im Jahr 2012 zugeflossene Einkommen in Höhe von 38.687,15 EUR angeben müssen. Zum Einkommen im Sinne des § 24 Abs. 1 BAföG gehörten alle Einnahmen, die im maßgeblichen Jahr zugeflossen seien. Aufgrund der Mitteilungen der F. AG vom 15. November 2019 und des Finanzamts E. vom 14. November 2016, der Angaben in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 und in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012 sowie der Rentenabrechnung der F. AG für den Monat Dezember 2012 sei davon auszugehen, dass dem Vater der Auszubildenden ein Betrag von 38.687,15 EUR im Jahr 2012 zugeflossen sei. Bezüglich der Nichtangabe des Einkommens in dieser Höhe liege zumindest eine leichte Fahrlässigkeit vor. Aufgrund des nicht angegebenen Einkommens sei der Auszubildenden Ausbildungsförderung für den Zeitraum September 2014 bis August 2015 in Höhe von monatlich 422,- EUR bewilligt worden. Hätte der Vater der Auszubildenden vollständige Angaben zu seinem Einkommen im Jahr 2012 gemacht, hätte sich ein Anspruch seiner Tochter auf Ausbildungsförderungsleistungen jedoch nicht ergeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin entfalle der Ersatzanspruch auch nicht nach § 24 Abs. 3 BAföG, wonach auf besonderen Antrag der Auszubildenden bei der Anrechnung des Einkommens von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen sei, wenn das Einkommen in diesem Zeitraum voraussichtlich wesentlich niedriger als das in dem nach Abs. 1 maßgeblichen Zeitraum sei. Denn die Auszubildende habe keinen Aktualisierungsantrag innerhalb des Bewilligungszeitraums gestellt; nach dem Ende des Bewilligungszeitraums gestellte Anträge seien nicht zu berücksichtigen. Dies spreche auch dafür, dass im vorliegenden Fall die Annahme eines lediglich hypothetischen Kausalverlaufs und somit eine entsprechende Anwendung der im Rahmen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2016 (5 C 55.15) aufgestellten Grundsätze zur Differenzhypothese nicht in Betracht kämen.
Gegen dieses ihr am 9. Januar 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Februar 2020, einem Montag, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 28. Mai 2020 (4 LA 22/20) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils entsprochen hat.
Zur Begründung der Berufung verweist die Klägerin auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie ihren Schriftsatz vom 9. März 2020, mit dem sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils unter Hinweis darauf geltend gemacht hatte, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Grundsätze zur Differenzhypothese seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, unzutreffend sei. Hätte der Vater der Auszubildenden bei der Antragstellung das Einkommen aus den Zahlungen der F. AG im Jahr 2012 mit angegeben, wäre der Auszubildenden zwar eventuell die Ausbildungsförderung versagt worden. Allerdings hätte sie dann als Reaktion auf einen eventuell ablehnenden Bescheid einen Aktualisierungsantrag stellen können. In diesem Fall hätte ihr ein Anspruch auf Ausbildungsförderung zugestanden. Dieser Umstand sei nach der Differenzhypothese zu berücksichtigen gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - Einzelrichterin der 2. Kammer - vom 7. Januar 2020 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2017 aufzuheben.
Die Beklagte stellt keinen Antrag, vertritt aber die Auffassung, dass die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil als unbegründet zurückzuweisen sei. Der im Rahmen des Verfahrens nach § 47a BAföG geltend gemachte Schaden sei ihr tatsächlich entstanden. Nach der eindeutigen Regelung in § 24 Abs. 3 BAföG sei ein Aktualisierungsantrag nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraums nicht mehr zulässig. Im Rahmen der Differenzhypothese könne ein rechtzeitiger Aktualisierungsantrag durch die Auszubildende auch nicht unterstellt werden. Denn dabei gehe es anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen nicht um eine Schadensabwendung durch ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Schädigers, sondern durch ein Verhalten einer dritten Person, deren Ziel nicht die Abwendung des Schadens, sondern die Änderung des Ablaufs zu ihrem eigenen Nutzen gewesen wäre. Solche von Dritten abhängige Vermutungen hinsichtlich des Geschehensablaufs habe der Bundesgerichtshof bei seiner Rechtsprechung zur Differenzhypothese nicht im Blick gehabt. Außerdem spreche zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Auszubildende einen Aktualisierungsantrag gestellt hätte. Nicht auszuschließen sei aber z.B. auch, dass sie stattdessen eine Beschäftigung aufgenommen hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist begründet.
Diese Entscheidung trifft der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten nach § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht als notwendig erachtet; der angekündigten Entscheidung im Beschlusswege haben die Beteiligten auch ausdrücklich zugestimmt.
Die Begründetheit der Berufung ergibt sich daraus, dass das Verwaltungsgericht die Klage gegen den angefochtenen Bescheid vom 4. Oktober 2017 zu Unrecht abgewiesen hat. Denn dieser Bescheid, mit dem die Beklagte die Gemeinschaft der Erben des verstorbenen Vaters der Auszubildenden wegen falscher Angaben des Vaters der Auszubildenden zu seinem im Jahr 2012 erzielten Einkommen nach § 47a BAföG zum Ersatz für die in dem Zeitraum von September 2014 bis August 2015 geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 5.064,- EUR zuzüglich Zinsen verpflichtet hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, so dass der Klage der Erfolg nicht versagt bleiben kann.
Der Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 28. Mai 2020 (4 LA 22/20), mit dem er die Berufung der Klägerin wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zugelassen hat, Folgendes ausgeführt:
„Die Klage ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts begründet, weil der angefochtene Bescheid vom 4. Oktober 2017 … rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. § 47a Satz 1 BAföG begründet einen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruch, der eine Sachnähe zu den deliktischen Schadensersatzansprüchen des Zivilrechts aufweist (BVerwG, Urt. v. 27.10.2016 - 5 C 55.15 -, NJW 2017, 1560). Die Ersatzpflicht nach dieser Vorschrift erstreckt sich auf den Betrag, der für den Auszubildenden als Förderungsbetrag „zu Unrecht geleistet“ worden ist. Die Bestimmung der Höhe des „zu Unrecht geleisteten“ Betrags richtet sich grundsätzlich nach den Kriterien, die bei der Bestimmung der Höhe des Vermögensschadens im Zivilrecht Geltung beanspruchen (BVerwG, Urt. v. 27.10.2016 - 5 C 55.15 -, NJW 2017, 1560). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beurteilt sich die Frage, ob und in welcher Höhe ein zu ersetzender Vermögensschaden eingetreten ist, grundsätzlich nach der sog. Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte (BGH, Urt. v. 18.1.2011 - VI ZR 325/09 -, BGHZ 188, 78). Grundsätze des öffentlichen Rechts, die der grundsätzlichen Anwendung der Differenzhypothese im Rahmen des § 47a Satz 1 BAföG entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich (BVerwG, Urt. v. 27.10.2016 - 5 C 55.15 -, NJW 2017, 1560). Zur Beantwortung der Frage, welche Vermögenslage sich ohne das haftungsbegründende Ereignis - hier die fahrlässig falschen Angaben des verstorbenen Vaters der Auszubildenden zu seinem Einkommen im Jahr 2012 - ergeben hätte, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage in diesem Fall sein würde (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1990 - IX ZR 128/88 -, NJW 1990, 2128; Urt. v. 9.11.2017 - IX ZR 270/16 -, NJW 2018, 541). Daher ist im vorliegenden Fall zur Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage darauf abzustellen, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn der Vater der Auszubildenden die Höhe seines im Jahr 2012 erzielten Einkommens korrekt angegeben hätte. Dabei sind die Umstände zu berücksichtigen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wären. Hier ist offensichtlich und zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten, dass der Auszubildenden ein Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum von September 2014 bis August 2015 bei Anrechnung des im Jahr 2012 erzielten Einkommens ihres Vaters nicht zugestanden hätte. Allerdings hätte die Auszubildende nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG bis zum Ende des Bewilligungszeitraums beantragen können, bei der Anrechnung des Einkommens ihres Vaters auf ihren Bedarf von den Einkommensverhältnissen im Bewilligungszeitraum auszugehen, da voraussehbar war, dass dessen Einkommen im Bewilligungszeitraum wesentlich niedriger als das im Jahr 2012 erzielte Einkommen sein würde. Da die Auszubildende ohne einen solchen Antrag keine Ausbildungsförderung erhalten hätte und sie angesichts der geringen Rente ihres Vaters keine Unterhaltszahlungen von diesem erwarten konnte, wäre eine Antragstellung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG bei pflichtgemäßem Verhalten ihres Vaters auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Folglich ist eine solche Antragstellung bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage zu berücksichtigen. Im Falle der Stellung eines Antrags nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG wäre der Auszubildenden für den o. a. Bewilligungszeitraum Ausbildungsförderung bewilligt worden, da das Einkommen ihres Vaters im Bewilligungszeitraum die Freibeträge des § 25 BAföG nicht überstieg. Diese Ausbildungsförderung hätte der Höhe nach den ihr durch den Bescheid vom 30. September 2014 gewährten Leistungen von insgesamt 5.064,- EUR entsprochen. Daher besteht zwischen der tatsächlichen und der hypothetischen Vermögenslage kein Unterschied. Gewichtige Gründe, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Vermögensdifferenz nach der Differenzhypothese im Rahmen des § 47a Satz 1 BAföG gebieten würden (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27.10.2016 - 5 C 55.15 -, NJW 2017, 1560), sind nicht ersichtlich. Mithin fehlt es an einem „zu Unrecht geleisteten“ Förderungsbetrag im Sinne des § 47a Satz 1 BAföG. Dies hat zur Folge, dass der von der Beklagten geltend gemachte Ersatzanspruch nach dieser Vorschrift nicht besteht.“
An dieser Auffassung hält der Senat nach nochmaliger eingehender Prüfung im Berufungsverfahren fest. Die von der Beklagten dagegen erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Die Annahme der Beklagten, dass die Stellung eines Aktualisierungsantrags nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch die Auszubildende innerhalb des Bewilligungszeitraums bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage nach Maßgabe der Differenzhypothese nicht zu berücksichtigen sei, ist unzutreffend. Für den Senat steht außer Frage, dass eine Antragstellung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG durch die Auszubildende bei pflichtgemäßem Verhalten ihres Vaters mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre, da die Auszubildende ohne einen solchen Antrag keine Ausbildungsförderung erhalten hätte und sie angesichts der geringen Rente ihres Vaters auch keine Unterhaltszahlungen von diesem erwarten konnte. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass nicht gänzlich auszuschließen ist, dass die Auszubildende von der Stellung eines Aktualisierungsantrags abgesehen und stattdessen eine Beschäftigung zwecks Finanzierung ihres Studiums aufgenommen hätte. Darauf kommt es aber nicht an, da bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage nicht nur die Umstände, die mit Gewissheit eingetreten wären, zu berücksichtigen sind, sondern auch die Vorgänge, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ereignet wären. Hier besteht kein begründeter Zweifel daran, dass im vorliegenden Fall bei pflichtgemäßem Verhalten des Vaters der Auszubildenden nach allgemeiner Lebenserfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit die Stellung eines Aktualisierungsantrags und nicht die Aufnahme einer Beschäftigung durch die Auszubildende zu erwarten gewesen wäre. Denn die Auszubildende hatte bereits durch die Stellung ihres Antrags auf Gewährung von Ausbildungsförderung zum Ausdruck gebracht, dass sie ihr Studium durch staatliche Leistungen und nicht durch die Aufnahme einer Beschäftigung finanzieren will. Es besteht ferner kein Grund für die Annahme, dass sie von diesem Ziel abgerückt wäre, wenn sie gewusst hätte, dass sie einen Aktualisierungsantrag hätte stellen müssen, um in den Genuss staatlicher Ausbildungsförderung zu kommen. Dies gilt umso mehr, als sie sich im Falle der Aufnahme einer Beschäftigung nicht uneingeschränkt ihrem Studium hätte widmen können, was sie - wie die Beantragung von Ausbildungsförderung zeigt - offensichtlich vermeiden wollte.
Der Berücksichtigung des im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens des Vaters der Auszubildenden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Aktualisierungsantrags nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass damit nicht auf das Verhalten des Schädigers, sondern das Verhalten einer dritten Person abgestellt würde. Der Senat hat bereits in seinem Zulassungsbeschluss ausgeführt, dass zur Beantwortung der Frage, welche Vermögenslage sich ohne die fahrlässig falschen Angaben des verstorbenen Vaters der Auszubildenden zu seinem Einkommen im Jahr 2012 ergeben hätte, ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Differenzhypothese zu prüfen ist, „welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage in diesem Fall sein würde“. Dass nach dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Differenzhypothese ausschließlich ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Schädigers zu berücksichtigen sein soll, ist nicht ersichtlich. Auch bei der Bestimmung der Höhe des „zu Unrecht geleisteten“ Förderungsbetrags im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 47a Satz 1 BAföG, die sich nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2016 (- 5 C 55.15 -, NJW 2017, 1560) grundsätzlich nach den Kriterien, die für die Bestimmung der Höhe des Vermögensschadens im Zivilrecht Geltung beanspruchen, richtet, besteht kein Grund, lediglich das mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Verhalten des Schädigers - hier des Vaters der Auszubildenden -, nicht aber auch das Verhalten der Auszubildenden zu berücksichtigen. Denn dieses Schadensersatzrechtsverhältnis steht, da nach § 47a Satz 1 BAföG der „zu Unrecht geleistete“ Förderungsbetrag zu ersetzen ist, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ausbildungsförderungsrechtsverhältnis. Der maßgebliche Akteur in dem ausbildungsförderungsrechtlichen Verhältnis ist aber der Auszubildende, der dieses Rechtsverhältnis durch seinen Antrag auf Bewilligung von Ausbildungsförderung begründet und durch weitere Anträge - wie den Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG - beeinflussen kann. Folglich kann bei der Prüfung, „welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Schädigers genommen hätten und wie die Vermögenslage in diesem Fall sein würde“, das mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Verhalten des Auszubildenden als des maßgeblichen Akteurs im ausbildungsförderungsrechtlichen Rechtsverhältnis nicht unberücksichtigt bleiben.
Daher ist hier in Rechnung zu stellen, dass die Auszubildende bei pflichtgemäßem Vorgehen ihres Vaters mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Aktualisierungsantrag nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BAföG innerhalb des Bewilligungszeitraums gestellt hätte, was zur Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum in Höhe von insgesamt 5.064,- EUR geführt hätte. Damit besteht keine Differenz zwischen der durch die unzutreffenden Angaben des Vaters der Auszubildenden herbeigeführten Vermögenslage und derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben hätte. Da gewichtige Gründe, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Vermögensdifferenz nach der Differenzhypothese im Rahmen des § 47a Abs. 1 BAföG gebieten würden, nicht ersichtlich sind, fehlt es mithin an einem „zu Unrecht geleisteten Förderungsbetrag“ im Sinne des § 47a Satz 1 BAföG, so dass ein Ersatzanspruch nach dieser Vorschrift nicht existiert.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.