Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.01.2022, Az.: 18 LP 1/21

"Vordienstzeit"; Ermessensentscheidung; Grundsätze; Initiativrecht; Stufenzuordnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.01.2022
Aktenzeichen
18 LP 1/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59492
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.03.2021 - AZ: 17 A 859/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Sobald sich der Leiter der Dienststelle erstmalig für die Berücksichtigung förderlicher Zeiten der beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L entscheidet, entsteht ein auf Aufstellung von Grundsätzen zur Stufenzuorndnung nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG gerichtetes Initiativrecht des Personalrats.

Lediglich dann, wenn der Dienststellenleiter sich von vornherein gegen die Berücksichtigung weiterer beruflicher Tätigkeiten im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L entscheidet, kann er vom Personalrat auch nicht im Wege des Initiativrechts zur Aufstellung derartiger Grundsätze gezwungen werden.

Die Einschränkung der Mitbestimmung bei Ermessensentscheidungen nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG betrifft nicht die Aufstellung der Grundsätze, sondern die Stufenzuordnung im Einzelfall.

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 17. Kammer (Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen) - vom 26. März 2021 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass ihm ein Initiativrecht hinsichtlich der Aufstellung von Grundsätzen für tarifvertragliche Stufenzuordnungen zusteht.

Im Bereich der Medizinischen Hochschule Hannover findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Arbeitnehmer werden tätigkeitsbezogen in Entgeltgruppen eingeordnet. Innerhalb der Entgeltgruppen sind wiederum bis zu sechs Stufen vorgesehen, denen die Arbeitnehmer bei einer Einstellung in Abhängigkeit von einschlägiger beruflicher Vorerfahrung zugeordnet werden; der Arbeitgeber kann unabhängig davon weitere für die Tätigkeit förderliche berufliche Vorerfahrung berücksichtigen. § 16 Abs. 2 TV-L regelt dazu Folgendes:

"1Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. 3Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. 4Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist."

Feste, geschriebene Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L zur Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten sind im Bereich der Medizinischen Hochschule Hannover nicht dokumentiert worden. Die Dienststelle beabsichtigt auch nicht, dies zu tun. Ihr Ermessen bei der Berücksichtigung förderlicher Vortätigkeiten für die Stufenzuordnung soll vielmehr einzelfallbezogen ausgeübt werden. Personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren werden dabei nicht durchgeführt.

Unter dem 5. Dezember 2018 stellte der Antragsteller einen Initiativantrag zur Regelung von Grundsätzen bei Stufenzuordnungen bei der Einstellung von Beschäftigten der Medizinischen Hochschule Hannover und schlug dabei folgende Kriterien vor:

- Dienststelle und Personalrat benennen und vereinbaren Berufsgruppen, bei denen die Personalgewinnung durch den Fachkräftemangel erschwert ist, z. B. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, IT-Beschäftigte, Medizintechniker, Lehrkräfte in den schulischen Ausbildungsberufen.

- Für diese Berufsgruppen sollen alle geleisteten Vorzeiten mit Berufserfahrung (bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern) angerechnet werden.

- Dazu sollen für die Gruppe der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte auch erworbene Zeiten in der Altenpflege oder in Ambulanzen gelten.

- Forderungen seitens der Bewerberinnen, die über diese Regelungen hinausgehen, bleiben weiterhin möglich und werden zwischen Dienststelle und Bewerberin individuell verhandelt.

Dazu führte der Antragsteller aus, dass er in der Praxis erkenne, dass die Dienststelle die Zuordnung der Stufen bei der Einstellung zunehmend nach einer bestimmten Systematik vornehme. Mit der Regelung von Grundsätzen werde das Ziel verfolgt, diese Systematik zu verfestigen und damit eine Gleichbehandlung sicherzustellen. Für die Gewinnung von Fachkräften in ausgewiesenen Berufsgruppen seien diese Regelungen essentiell.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit, dass dem Begehren mangels Initiativrechts nicht nachgekommen werde. Insbesondere mit dem zweiten Punkt des Kriterienkatalogs werde in die freie Ermessensausübung der Dienststelle eingegriffen. Dieser Bereich sei dem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers und damit auch dem Initiativrecht entzogen. Seitens der Dienststelle bestehe kein Interesse an der Aufstellung derartiger Grundsätze; die in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L von den Tarifvertragsparteien gewollte Flexibilität wäre damit nicht mehr gewährleistet.

Der Antragsteller hat am 13. Februar 2019 vor dem Verwaltungsgericht Hannover das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Zur Begründung hat er geltend gemacht, seinem Mitbestimmungsrecht nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG korrespondiere ein Initiativrecht nach § 69 NPersVG. Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG sei nur dann ausgeschlossen, wenn keine Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung vorlägen. Er - der Antragsteller - könne die Aufstellung solcher Grundsätze im Wege des Initiativrechts geltend machen.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass dem Antragsteller das Initiativrecht gemäß § 69 NPersVG für den von ihm gestellten Initiativantrag, bei Einstellung von Beschäftigten folgende Grundsätze der Einstufung in die Stufen der Entgelttabelle gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L

- Dienststelle und Personalrat benennen und vereinbaren Berufsgruppen, bei denen die Personalgewinnung durch den Fachkräftemangel erschwert ist, z. B. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, IT-Beschäftigte, Medizintechniker, Lehrkräfte in den schulischen Ausbildungsberufen

- für diese Berufsgruppen sollen alle geleisteten Vorzeiten mit Berufserfahrung (bei öffentlichen und privaten Arbeitgebern) angerechnet werden

- für die Gruppe der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte sollen auch erworbene Zeiten in der Altenpflege und in Ambulanzen angerechnet werden

anzuwenden, zusteht.

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ein Initiativrecht stehe dem Antragsteller nicht zu. Die Stufenzuordnung als Ermessensentscheidung sei einer Mitbestimmung durch den Antragsteller nach dem eindeutigen Wortlaut des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG entzogen. Eine Mitbestimmung bei der Stufenzuordnung sei nur bei gebundenen Entscheidungen gegeben oder wenn sich die Dienststelle durch das Aufstellen von Grundsätzen gebunden habe. Der Bereich der freien Ermessensausübung solle der Mitbestimmung hingegen vorenthalten bleiben. Durch die beantragte Maßnahme würde in den von § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L zugestandenen Ermessensspielraum eingegriffen. Ein Mitbestimmungsrecht bestehe auch nicht nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG, denn die in 2015 geänderte Bestimmung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG sei eine lex specialis für die Stufenzuordnung im Ermessensfall. Die Vorschrift sei geschaffen worden, um den Dienststellen einen Handlungsspielraum bei der Einstellung von Beschäftigten zu eröffnen und hierbei flexibel auf personelle Gegebenheiten reagieren zu können. Diesem Sinn und Zweck laufe die vom Antragsteller beantragte Maßnahme entgegen. In der Gesetzesbegründung sei auch ausdrücklich klargestellt, dass der Personalrat bei der Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L gerade nicht stets mitbestimmen solle. Zwar korreliere jeder mitbestimmungspflichtigen dienststellenseitigen Maßnahme ein Initiativrecht, vorliegend fehle es aber bereits an einer solchen Maßnahme. Aus § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG ergebe sich im Umkehrschluss, dass bei Nichtexistenz von Grundsätzen kein Mitbestimmungsrecht und auch kein entsprechendes Initiativrecht bestehe. Es wäre systemwidrig, wenn der Personalrat ein ihm ohne entsprechende Grundsätze nicht zustehendes Mitbestimmungsrecht quasi durch die Hintertür einführen könnte.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 26. März 2021 die beantragte Feststellung getroffen. Dem Antragsteller stehe ein Initiativrecht nach § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG zur Schaffung von Grundsätzen für die Stufenzuordnung von neu einzustellenden Beschäftigten nach § 16 Abs. 2 TV-L zu. Das Initiativrecht beziehe sich auf den bei der betrieblichen Lohngestaltung gegebenen Mitbestimmungstatbestand des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur entsprechenden Bestimmung des Bundespersonalvertretungsgesetzes müsse es der Personalrat nicht tatenlos hinnehmen, dass der Dienststellenleiter sein Ermessen nach § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund in der Weise betätige, dass er zusätzliche Stufen nur im Wege individueller Entscheidungen berücksichtige. In diesem Falle könne er sein Mitbestimmungsrecht bei der Lohngestaltung jedenfalls im Wege des Initiativrechts geltend machen. Lasse die Entscheidungspraxis des Dienststellenleiters bereits darauf schließen, dass Grundsätze zur Stufenzuordnung (konkludent) aufgestellt worden seien, könne er sein Mitbestimmungsrecht gerichtlich durchsetzen. Nach Auffassung der Kammer ergebe sich aus dieser Rechtsprechung, dass das Initiativrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung bereits dann eröffnet sei, wenn der Dienststellenleiter von seinem Ermessen überhaupt (positiv) Gebrauch gemacht habe, ohne dass es darauf ankomme, in welchem Umfang dies geschehen sei und ob sich das Ermessen bereits an faktisch aufgestellten Grundsätzen orientiere. Die tarifliche Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L stelle nur das "Ob" in das mitbestimmungsfreie Ermessen des Dienststellenleiters. Sobald hingegen die Entscheidung über das "Ob" gefallen sei, bestehe ein Initiativrecht des Personalrats zur Aufstellung von Grundsätzen. Dies sei auch nicht durch die Änderung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG zum 1. Januar 2016 unterbunden worden, nach der Ermessensentscheidungen bei der Stufenzuordnung nur dann der Mitbestimmung unterliegen, wenn Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung vorliegen. Es lasse sich weder dem Normtext noch der Begründung des Gesetzesentwurfs entnehmen, dass damit zugleich auch der von § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG zu unterscheidende Mitbestimmungstatbestand des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG und das entsprechende Initiativrecht habe eingeschränkt werden sollen.

Gegen diesen Beschluss, der dem Beteiligten am 5. Mai 2021 zugestellt worden ist, hat dieser am 3. Juni 2021 Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung macht er geltend, dass ein auf § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG bezogenes Initiativrecht nicht bestehe. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei klar, dass ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats erst entstehe, wenn über den jeweiligen Einzelfall hinausgehende abstrakt-generelle Regelungen eingeführt worden seien, die Berücksichtigung finden sollten. Das gehe auch aus der Gesetzesbegründung hervor. Durch § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG solle gerade sichergestellt werden, dass der von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Handlungsspielraum des Arbeitgebers nicht durch eine Mitbestimmung des Personalrats eingeschränkt werde. Darüber hinaus komme dem Personalrat im vorliegenden Fall auch kein Initiativrecht bezogen auf das Mitbestimmungsrecht des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG zu. Dem stehe bereits entgegen, dass § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG als speziellere Regelung anzusehen sei, die nicht durch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG umgangen werden dürfe. Bei der Ausübung des Ermessens nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L handele es sich um die Anwendung der tariflichen Regelung. Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der Dienststelle stehe ein Spielraum für weitere nähere Regelungen nicht mehr zu. Damit entfalle auch ein Mitbestimmungsrecht. Etwas Anderes folge auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Verwaltungsgericht gehe deutlich über diese Rechtsprechung hinaus, wenn es den Mitbestimmungstatbestand der betrieblichen Lohngestaltung schon dann als eröffnet ansehe, wenn der Arbeitgeber von seinem Ermessen überhaupt (positiv) Gebrauch gemacht habe, ohne dass es auf die Frage ankomme, in welchem Umfang dies geschehen sei und ob sich das Ermessen bereits an faktisch aufgestellten Grundsätzen orientiere. In der Konsequenz würde bereits ein einmaliges Ausüben des Ermessens durch den Arbeitgeber im Rahmen des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L zum Entstehen eines auf § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG bezogenen Initiativrechts führen. Die durch die tarifliche Regelung und durch § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG gewollte Flexibilität des Arbeitgebers werde auf diese Weise ausgehöhlt. Zudem betreffe die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelungen des Bundespersonalvertretungsgesetzes, denen eine dem § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG entsprechende Bestimmung fehle. Ein irgendwie geartetes System liege den durch ihn - den Beteiligten - im Rahmen des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L bisher getroffenen Ermessensentscheidungen nicht zugrunde und lasse sich auch dem Vortrag des Antragstellers nicht entnehmen.

Der Beteiligte beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 17. Kammer (Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen) - vom 26. März 2021 zu ändern und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Ausübung des Ermessens nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L durch den Beteiligten in einer Vielzahl von Fällen erfolge nach einem System, das mangels entsprechender Unterrichtung des Personalrats für diesen nicht im Einzelnen nachvollziehbar sei. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts trage nicht die von der Beschwerde dargestellte Zielrichtung. Vielmehr ergebe sich daraus, dass nicht nur auf die dem Arbeitgeber eröffnete Flexibilität, sondern auch auf die Objektivierung und Vereinheitlichung der Einstufungspraxis abzustellen sei. Das Mitbestimmungsrecht nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG bestehe unabhängig von tariflichen Regelungen und sei durch § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L auch nicht ausgeschlossen. Durch die Regelung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG werde das Initiativrecht des Personalrats und das dadurch ausgelöste Beteiligungsverfahren über die angesprochenen Regelungen nicht ausgeschlossen. Die Gesetzesbegründung berücksichtige die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht umfassend und stelle keine gesetzliche Regelung dar. Zweck der Mitbestimmung bei der Lohngestaltung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohngefüges und die Wahrung der Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Dienststelle. Dies sei auch Ziel seines Initiativantrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Anhörung gemacht worden ist.

II.

Die zulässige Beschwerde des Beteiligten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass dem Antragsteller das begehrte Initiativrecht zusteht.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG kann der Personalrat eine Maßnahme, die seiner Mitbestimmung unterliegt, schriftlich oder durch E-Mail bei der Dienststelle beantragen. Bei einer Maßnahme, die nur einzelne Beschäftigte betrifft und keine Auswirkungen auf Belange der Gesamtheit der in der Dienststelle Beschäftigten hat, ist ein solcher Antrag gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 NPersVG nicht zulässig, wenn die betroffenen Beschäftigten selbst klagebefugt sind. Mit dieser einschränkenden Regelung hat der Landesgesetzgeber für das niedersächsische Personalvertretungsrecht klargestellt, dass auch das Initiativrecht nur der Erfüllung der Aufgabe der Personalvertretung dient, die kollektiven Interessen der von ihr vertretenen Beschäftigten wahrzunehmen und auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens in der Dienststelle hinzuwirken (vgl. Senatsbeschl. v. 12.11.2019 - 18 LP 3/18 -, juris Rn. 31).

Ein derartiges Initiativrecht im kollektiven Interesse steht dem Antragsteller im vorliegenden Fall im Hinblick auf § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG zu. Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat bei der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, mit. Zweck dieses Mitbestimmungstatbestandes ist die angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohngefüges und die Wahrung der Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Dienststelle. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist nicht die konkrete, absolute Höhe des Arbeitsentgelts. Gegenstand sind vielmehr die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, das heißt die abstrakt-generellen Grundsätze der Entgeltfindung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.6.2011 - BVerwG 6 PB 2.11 -, juris Rn. 8; Beschl. v. 20.11.2008 - BVerwG 6 P 17.07 -, juris Rn. 11). Die hier streitrelevanten Grundsätze bei Stufenzuordnungen nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L sind Teil des Systems der Entgeltfindung und damit Entlohnungsgrundsätze im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Rechtslage auf Bundesebene ausgeführt (BVerwG, Beschl. v. 7.3.2011 - BVerwG 6 P 15.10 -, juris Rn 47 f.):

"a) Beabsichtigt der Dienststellenleiter, auf der Grundlage von § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund Grundsätze zur Stufenzuordnung zu erlassen, so muss er den Personalrat im Wege der Mitbestimmung bei der Lohngestaltung gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG beteiligen. Dem kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er zusätzliche Stufen nur im Wege individueller Entscheidung berücksichtigt. Kommt es zur Aufstellung derartiger Grundsätze, so erstreckt sich die Mitbestimmung des Personalrats bei Eingruppierung nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 3 BPersVG auf die Einhaltung dieser Grundsätze. Diese bilden zusammen mit der Ermächtigung in § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund und der tariflichen Entgeltordnung die Rechtsgrundlagen, für deren richtige Anwendung der Personalrat bei Neueinstellungen im Wege der Mitbeurteilung zu sorgen hat (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 38).

b) § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund stellt es - bei Bejahung der dort normierten tatbestandlichen Voraussetzungen - dem Arbeitgeber frei, ob er bei Neueinstellungen - über die zwingenden Regelungen in § 16 Abs. 3 Satz 1 bis 3 TVöD-Bund hinaus - zusätzliche Stufen gewähren will. Will er davon keinen Gebrauch machen, so kann er vom Personalrat auch im Wege des Initiativrechts nach § 70 Abs. 1 BPersVG nicht zu einer entsprechenden Regelung gezwungen werden. Verbleibt es dabei, so ist für eine die Regelung in § 16 Abs. 3 Satz 4 TVöD-Bund einbeziehende Mitbestimmung des Personalrats bei der Eingruppierung kein Raum. In diesem Fall fehlt es an der Ausfüllung der tariflichen Ermessensvorschrift durch abstrakt-generelle Regelungen, deren Anwendung durch den Dienststellenleiter der Personalrat mitzubeurteilen hätte (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 39)."

Die dieser Entscheidung zugrundeliegende Vorschrift des § 16 Abs. 3 TVöD-Bund ist wortgleich mit § 16 Abs. 2 TV-L; § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG in der Fassung vom 5. Februar 2009 entsprach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG und regelte die Mitbestimmung des Personalrats bei der Lohngestaltung in der Dienststelle. Schon zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht in gleicher Weise zu § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L und der Rechtslage in Baden-Württemberg entschieden (BVerwG, Beschl. v. 13.10.2009
- BVerwG 6 P 15.08 -, juris Rn. 38 f., vgl. zusammenfassend BVerwG, Beschl. v. 22.9.2011 - BVerwG 6 PB 15.11 -, juris Rn. 3 ff.). Bedenken an der Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz bestehen daher nicht.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht das Initiativrecht des Personalrats nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG bereits dann eingreifen lassen, wenn der Leiter der Dienststelle sich generell oder in einem konkreten Einzelfall erstmalig für die Berücksichtigung förderlicher Zeiten der beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L entscheidet. Wie bereits ausgeführt, ist Zweck dieses Mitbestimmungstatbestandes die angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohngefüges und die Wahrung der Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Dienststelle. Diesem Zweck wird nur dann Genüge getan, wenn der Dienststellenleiter von seinem Ermessen von Beginn an in transparenter Weise Gebrauch macht. Die Alternative ist also nicht, das durch § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L eingeräumte Ermessen entweder anhand mitbestimmter Grund-sätze oder aber grundsatzlos bzw. willkürlich auszuüben, wie es offensichtlich dem Beteiligten vorschwebt. Die Alternative besteht vielmehr darin, förderliche Tätigkeiten im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L entweder unter Beachtung mitbestimmungspflichtiger Grundsätze zu berücksichtigen oder aber von einer Berücksichtigung gänzlich abzusehen. Hat sich der Dienststellenleiter - wie hier - für das "Ob" einer Berücksichtigung entschieden, unterliegt die Aufstellung der Grundsätze über das "Wie" der Mitbestimmung des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG. Folglich besteht nach § 69 Abs. 1 Satz 1 NPersVG auch ein entsprechendes Initiativrecht des Personalrats. Lediglich wenn der Dienststellenleiter sich von vornherein gegen eine derartige Berücksichtigung weiterer beruflicher Tätigkeiten im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L entscheidet, kann er vom Personalrat auch nicht im Wege des Initiativrechts zu einer Berücksichtigung gezwungen werden. Nur in diesem - hier nicht gegebenen - Fall fehlt einer Verpflichtung zur Aufstellung mitbestimmungspflichtiger Grundsätze zur inhaltlichen Ausübung dieses Ermessens die Grundlage.

Weitergehend ist im vorliegenden Fall aber auch bereits von einer Berücksichtigung förderlicher Tätigkeiten anhand einseitig vom Leiter der Dienststelle zumindest konkludent aufgestellter Grundsätze auszugehen. So hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in der Beschwerdeerwiderung vom 27. August 2021 aus einer E-Mail der Personalratsvorsitzenden vom 24. August 2021 zitiert, nach der es bei der Einstellung zur Leitung von Sachgebieten von Januar bis August 2021 zu fünf Stufenvorweggewährungen zuzüglich eines weiteren Falles in der Leitung der Pflege gekommen sei. Außerhalb dieses Bereichs hätten noch weitere sechs Mitarbeiter Stufenvorweggewährungen erhalten, überwiegend Ärztinnen und Ärzte. Sie schätze, dass es bei den Pflegekräften in ca. sieben Fällen zu einer derartigen Vorweggewährung gekommen sei. Im Rahmen der mündlichen Anhörung hat der Beteiligte zudem gegenüber dem Senat angegeben, dass es weitere derartige Fälle gegeben habe, ohne eine genaue Zahl nennen zu können. Die hohe Zahl der Fälle, in denen der Beteiligte von seinem ihm in § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, spricht eindeutig dafür, dass er intern schon deutlich über die konkludente Aufstellung von Grundsätzen hinausgegangen ist. Das Bestreiten der Existenz jedweden Systems durch den Beteiligten ist schon im Hinblick auf die Vielzahl der getroffenen Entscheidungen nicht glaubhaft. Es ist für den Senat schlechterdings nicht denkbar, dass eine Institution von der Größe und Bedeutung der MHH bei der Frage der Ausfüllung tariflicher Ermessensspielräume keine hausintern festgelegten Kriterien heranzieht und keine abgestimmte Linie verfolgt.

Dem Initiativrecht des Personalrats im Hinblick auf den Mitbestimmungstatbestand des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG kann auch nicht die Regelung des § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG entgegengehalten werden, nach der der Personalrat bei der Eingruppierung, Höher- oder Herabgruppierung einschließlich der damit jeweils verbundenen Stufenzuordnung mitbestimmt, bei Ermessensentscheidungen jedoch nur, wenn Grundsätze zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigung vorliegen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die genannten Bestimmungen unterschiedliche Ebenen der Mitbestimmung betreffen. Während § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG die Mitbestimmung bei einer personellen Maßnahme in einem Einzelfall zum Gegenstand hat, betrifft § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG die Mitbestimmung bei der Aufstellung der Grundsätze, nach denen diese Einzelfallentscheidung zu ergehen hat (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, NPersVG, § 65 Rn. 179 (Stand: August 2016); Kaiser, Zweistufige Mitbestimmung bei abweichender Stufenzuordnung nach §§ 16, 17 TVöD/TV-L, in: PersR 2009, 66, 69; Neumann, Mitbestimmung des Personalrats bei Stufenzuordnung nach § 16 TVöD-Bund, in: jurisPR-BVerwG 15/2011 Anm. 6). Auf diese Weise sind die unterschiedlichen Regelungsbereiche der beiden Bestimmungen miteinander verzahnt, ohne dass § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG als speziellere Norm angesehen werden könnte, die den Regelungsbereich des § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG bestimmte. Vielmehr bestimmen einerseits die nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG mitbestimmten aufgestellten Grundsätze die nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG zu treffende Einzelfallentscheidung. Andererseits kann der Personalrat die Mitbestimmung nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG im Einzelfall verweigern, wenn der Dienstherr - ausdrücklich oder konkludent - Grundsätze aufgestellt hat, ohne die Mitbestimmung des Personalrats nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG herbeizuführen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.9.2011 - BVerwG 6 PB 15.11 -, juris Rn. 7).

Dem steht auch die Gesetzesbegründung zu § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG nicht entgegen. Dort heißt es (Nds. Landesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personalvertretungsrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3759, S. 25):

"Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts soll die Mitbestimmung in den Fällen, in denen die Tarifverträge den Dienststellenleitungen Ermessensspielräume einräumen (siehe § 16 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 2 a und § 17 Abs. 2 TV-L, § 16 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 2a und § 17 Abs. 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst - TVöD -), erst zum Zuge kommen, wenn in der Dienststelle abstrakt generelle Regelungen zur Ausfüllung der tariflichen Ermächtigungen erlassen worden sind. Die Mitbestimmung des Personalrats erstreckt sich dann auf die Einhaltung dieser Grundsätze. Der von den Tarifvertragsparteien vereinbarte Handlungsspielraum für die Arbeitgeber soll nicht durch eine Mitbestimmung des Personalrats eingeschränkt werden. Dies sollte bei Bedarf im Wege der Änderung der Tarifverträge erfolgen."

Der Gesetzgeber nimmt damit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf, ohne sich von ihr abzusetzen. Die gewollte Einschränkung der Mitbestimmung bezieht sich erkennbar nur auf die Entscheidung im Einzelfall, nicht auf die Mitbestimmung bei der Aufstellung der ermessenslenkenden Grundsätze. In diesem Zusammenhang gibt die Gesetzesbegründung lediglich die oben bereits angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wieder und beschränkt die Mitbestimmung nach § 65 Abs. 2 Nr. 2 NPersVG im Falle vom Leiter der Dienststelle unter Beteiligung des Personalrats nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG aufgestellter Grundsätze auf die Überprüfung der Einhaltung dieser Grundsätze durch den Personalrat. Hätte der Gesetzgeber die Mitbestimmung bei der Aufstellung der Grundsätze nach § 66 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG selbst weiter einschränken wollen, so hätte es nahegelegen, eine entsprechende Regelung in diese Vorschrift oder in die Regelung des § 69 NPersVG über das Initiativrecht des Personalrats aufzunehmen. Das ist jedoch nicht geschehen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten werden nach § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit §§ 80 Abs. 1, 2a Abs. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet (vgl. § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit § 12a ArbGG).

Die Rechtsbeschwerde ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 83 Abs. 2 NPersVG in Verbindung mit §§ 92 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.