Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.01.2022, Az.: 1 KN 157/19

Geruchsbelastung; Geruchsimmissionen; Rasterflächen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.01.2022
Aktenzeichen
1 KN 157/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Stoßen bei einer Geruchsimmissionsberechnung Beurteilungsflächen nach Nr. 4.4.3 der GIRL aneinander, deren Geruchsbelastung um mehr als 4 % der Jahresgeruchsstunden voneinander abweicht, und ist die Grenze zwischen diesen Flächen entscheidungsrelevant, so sind die Beurteilungsflächen, wie in der Begründung und den Auslegungshinweisen zu dieser Bestimmung vorgesehen, zu verkleinern. Das gilt auch für Beurteilungsflächen von nur 15 x 15 m.

Tenor:

Die vom Rat der Antragsgegnerin am 26. September 2018 beschlossene Ergänzungssatzung „Hauptstraße“ ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Antragstellerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % der jeweils zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen die aus dem Rubrum ersichtliche Ergänzungssatzung der Antragsgegnerin, die eine nur über ein auf ihrem Grundstück lastendes Wegerecht erschlossene Fläche betrifft. Sie fürchtet eine verstärkte Inanspruchnahme des Wegerechts und erhöhte Schutzansprüche der satzungsbedingt ermöglichten Wohnbebauung gegenüber ihrem landwirtschaftlichen Betrieb.

Die Antragstellerin ist seit 1997 Eigentümerin des Flurstücks 109/21, Flur 2 der Gemarkung A-Stadt, auf dem sie Pferdezucht und Pensionspferdehaltung betreibt. Das Grundstück grenzt an seiner Ostseite an die dort in Nord-Süd-Richtung verlaufende Hauptstraße an. Straßenseitig steht im Norden des Grundstücks ein Stall mit 13 Einstellplätzen für Pferde, südlich davon ein Wohnhaus mit weiterem Stall für 6 Pferde, weiter westlich ein anderes Nebengebäude. An die nördliche Grundstücksgrenze schließt sich straßenseitig das mit einem kleinen Wohnhaus bebaute Flurstück 109/18, westlich davon und damit nordwestlich der Hofstelle der Antragsgegnerin das rund 6.300 m² große Flurstück 109/22 an, das Gegenstand der angegriffenen Satzung ist. Es ist bislang unbebaut und mit Gras und Sträuchern bewachsen. Auf einem 5 m breiten Streifen des Flurstücks der Antragstellerin 109/21, entlang dessen Nordgrenze, ist zugunsten des Flurstücks 109/22 ein dingliches Wegerecht ins Grundbuch eingetragen. Weitere Bebauung findet sich ca. 60 m östlich (Pfarrhaus) sowie, von diesem durch den Vitusbach getrennt, nördlich des Flurstücks 109/22 (Wohnhäuser I. J., K. und L.). Im Südwesten grenzt das Flurstück 109/22 an eine offenbar als Reitplatz genutzte Freifläche des Flurstücks 109/21, im Westen an weitläufige Freiflächen, die nach Süden hin in die offene Landschaft übergehen.

Nachdem der Landkreis B-Stadt eine Bauvoranfrage des Beigeladenen für zwei Wohnhäuser im Südosten des Flurstücks 109/22 mit Blick auf dessen Außenbereichsqualität abgelehnt hatte, beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin am 30. September 2013 die Aufstellung einer Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Am 16. April 2015 erstellte der TÜV Nord Umweltschutz ein Geruchsgutachten zur Belastung des Satzungsgebietes mit Gerüchen von umliegenden Tierhaltungsbetrieben. Eine erste öffentliche Auslegung fand vom 14. Oktober bis 13. November 2015, eine zweite, beschränkte, vom 10. Januar bis 12. Februar 2018 statt. In seiner Sitzung vom 26. September 2018 beschloss der Rat der Antragsgegnerin „vorbehaltlich des Abschlusses eines Städtebaulichen Vertrages mit [dem Beigeladenen] über die Umsetzung der Ausgleichsmaßnahmen“ die angegriffene Ergänzungssatzung. Im 2./8. November 2018 schlossen die Antragsgegnerin und der Beigeladene einen städtebaulichen Vertrag. Nach Ausfertigung am 9. November 2018 durch den Gemeindedirektor machte die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss im Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt vom 29. November 2018 bekannt.

Die Ergänzungssatzung in der ausgefertigten Fassung gilt für das Flurstück 109/22 und das Flurstück 204/5, eine schmale Grabenparzelle am Ostrand des Geltungsbereichs. Im Norden (Teilfläche A) und Westen des Plangebiets (Teilfläche B) sind Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft festgesetzt, die gut zwei Drittel des Satzungsgebiets einnehmen. Das verbleibende südöstliche Drittel des Satzungsgebiets ist wie folgt mit Festsetzungen belegt: In seiner Mitte ist ein ca. 16,5 bis 24 m tiefer, 25 m breiter Bereich durch Baugrenzen als überbaubare Fläche festgesetzt. Im Süden, hin zum Grundstück der Antragstellerin, grenzt unmittelbar an dieses Baufenster eine als Fläche für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen festgesetzte Fläche an. Hier sind nach der textlichen Festsetzung Nr. 5 Wohngebäude, Arbeitsplätze und Außenwohnbereiche nicht zulässig. Teilweise auf derselben Fläche ist an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin ein 8 m breiter Pflanzstreifen festgesetzt. Am Südrand der Teilfläche A und von dort entlang des Ostrandes des Satzungsgebiets bis zur Einmündung der Wegerechtsfläche auf dem Grundstück der Antragstellerin ist eine mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zur Unterhaltung des Vitusbaches und der Maßnahmenflächen zu belastende Fläche festgesetzt.

Am 13. Dezember 2018 hat die Antragstellerin einen Normenkontrolleilantrag (1 MN 166/18) gestellt, zu dessen Begründung sie ausgeführt hat: Der Satzungsbeschluss sei fehlerhaft. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB - hinreichende Prägung - lägen nicht vor. Die Regelungsdichte gehe über das gem. § 34 Abs. 5 Satz 2 BauGB Zulässige hinaus. Die Satzung sei entgegen § 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar. Entgegen der Planbegründung sei die Erschließung über das Wegerecht nicht gesichert; dieses gelte nur für eine Gartennutzung des Satzungsgebiets. Die Planung schaffe einen Immissionskonflikt durch heranrückende Wohnbebauung. Das Geruchsgutachten leide unter verschiedenen Mängeln, u.a. bei den Emissions- und Wetterdaten. Die Beurteilungsflächen hätten mit geringeren Seitenlängen gebildet werden müssen, mit der Folge, dass sich die Flächen mit Geruchsbelastungen über 15 % der Jahresgeruchsstunden weiter nach Norden verschoben hätten. Selbst unter Zugrundelegung des Gutachtens seien die Entwicklungsmöglichkeiten ihres Betriebes eingeschränkt. Die Eingriffskompensation sei falsch berechnet. Bei Satzungsbeschluss seien die Ausgleichsmaßnahmen nicht gesichert gewesen; das „time lag“ vom Eingriff bis zu ihrer Umsetzung sei nicht abgewogen. Das Problem der Oberflächenentwässerung sei ungelöst.

Diesem Eilantrag hat der Senat mit Beschluss vom 11. April 2019 stattgegeben. In der Begründung ist er der Auffassung der Antragstellerin gefolgt, die Geruchsimmissionsbelastung hätte detailschärfer als auf Rasterquadraten mit 15 m Seitenlängen ermittelt werden müssen; die gewählte Darstellungsweise bilde das Immissionsgeschehen im Süden des Baufensters voraussichtlich nicht realistisch ab, weil der an der Südgrenze angegebene Wert von maximal 14 % der Jahresgeruchsstunden sich auf die Mitte des entsprechenden Rasterquadrats beziehe, bereits das südlich anschließende Rasterquadrat aber einen Wert von 29 % Geruchsstundenhäufigkeit aufweise.

Am 26. November 2019 hat die Antragstellerin den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 11. April 2019 und wiederholt ihre weiteren Rügen aus dem Normenkontrolleilverfahren.

Die Antragstellerin beantragt,

die vom Rat der Antragsgegnerin am 26. September 2018 beschlossene Ergänzungssatzung „Hauptstraße“, bekanntgemacht am 29. November 2018, für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält den Antrag für unbegründet. Mit Blick auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 11. April 2019 verweist sie auf eine Stellungnahme vom 14. August 2019 des Sachverständigen M. (TÜV Nord), der die ursprüngliche Geruchsprognose erstellt hatte. Danach beziehe sich die vom Senat angeführte Empfehlung in den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.4.3 GIRL, bei ungleicher Geruchsverteilung die Beurteilungsflächengröße zu reduzieren, auf die Standardflächengröße von 250x250 m. 15x15 m seien eine realistische Beurteilungsfläche, da sich die Nutzer der Fläche auf dem Grundstück bewegten. Im Übrigen seien die von den eingestallten Pferden ausgehenden Geruchsimmissionen mit dem Gewichtungsfaktor 1 zu hoch bewertet worden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Pferde sich entgegen der Annahme im Gutachten nicht durchgängig im Stall aufhielten. Der Verweis des Senats auf die Festmistplatte der Antragstellerin als Hauptgeruchsquelle berücksichtige nicht, dass deren Genehmigungslage zweifelhaft sei. Die Regelungsdichte der Satzung überschreite nicht das nach § 34 Abs. 5 Satz 2 BauGB zulässige Maß. Die Erschließung des Satzungsgebiets über das Wegerecht sei ausreichend; das Wegerecht sei ohne Einschränkungen im Grundbuch eingetragen. Mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung sei die Ergänzungssatzung vereinbar; das Satzungsgebiet sei im Flächennutzungsplan überwiegend als Dorfgebiet dargestellt.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, sich aber in der Sache geäußert. Er hält die Satzung für rechtmäßig. Das Satzungsgebiet sei durch die umliegende Bebauung geprägt. Die Einbeziehung sei mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar. Sie widerspreche insbesondere nicht den Darstellungen des Flächennutzungsplans. Die Regelungsdichte der Satzung sei nicht zu beanstanden. Eine Begründung der einzelnen Festsetzungen sei nicht erforderlich. Diese seien auch im Einzelnen abwägungsfehlerfrei. Die Erschließung sei über das bestehende Wegerecht gesichert; eine Beschränkung sei weder der Grundbucheintragung noch der Bewilligung zu entnehmen. Unbewältigte Immissionskonflikte ergäben sich aus der Planung nicht. Auf die Ausführungen des Sachverständigen M., auf die sich der Rat habe stützen können, werde Bezug genommen. Hinzu komme, dass diverse Anlagen der Antragstellerin, namentlich die Dunglege, nicht genehmigt seien; diese Anlagen seien unter Umständen zurückzubauen und nicht im Rahmen der Geruchsbegutachtung zu berücksichtigen. Die fehlende Genehmigung und damit fehlende Berücksichtigungsfähigkeit müsse den Ratsmitgliedern bei der Beschlussfassung bekannt gewesen sein. Auch mit naturschutzrechtlichen Belangen habe sich die Antragsgegnerin hinreichend auseinandergesetzt und die Ausgleichsmaßnahmen ausreichend gesichert. Bei Satzungsbeschluss sei allen Beteiligten klar gewesen, dass eine Bekanntmachung nur erfolge, wenn auch der städtebauliche Vertrag unterzeichnet werde; dies sei bei Erörterung der Einbeziehungssatzung mehrfach thematisiert worden. Eine unzulässige Bedingung des Satzungsbeschlusses liege darin nicht. Die Frage der Oberflächenentwässerung sei erst im Baugenehmigungsverfahren zu klären; grundsätzlich lösbar sei sie.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 11. April 2019 - 1 MN 166/18 - ausgeführt:

„Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Es ist nicht nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass jedenfalls ihr Interesse, ihre nordwestliche Grundstücksgrenze frei von geruchsempfindlicher Wohnbebauung zu halten, in die auch bei der Aufstellung einer Ergänzungssatzung erforderliche (BVerwG, Urt. v. 22.9.2010 - 4 CN 2.10 -, BVerwGE 138, 12 = juris Rn. 15) Abwägung einzustellen war und dort fehlerhaft behandelt wurde. Nach dem im Auftrag des Beigeladenen erstellten Geruchsgutachten hätte die im Satzungsgebiet ermöglichte Wohnbebauung Geruchsbelastungen dicht unterhalb der im Dorfgebiet höchstens hinzunehmenden Werte zu erwarten. Die Antragstellerin hat die Richtigkeit des Gutachtens substantiiert kritisiert; wäre ihre Kritik in Teilbereichen begründet, kämen Schutzansprüche etwaiger Wohnbebauung im Satzungsgebiet gegen den Betrieb der Antragstellerin in Betracht, die dessen Entwicklungsmöglichkeiten und - soweit kein Bestandsschutz greift - auch dessen gegenwärtige Betriebsweise einschränken könnten. Wohnbebauung, auf die die Antragstellerin bereits bisher Rücksicht zu nehmen hatte, ist lediglich nordöstlich ihres Grundstücks sowie östlich der Hauptstraße erkennbar; Ausweitungen emittierender Nutzung im Nordwesten des Antragstellergrundstücks begrenzen diese nur bedingt. Ob die Antragstellerin auch Nachteile durch eine erhöhte Inanspruchnahme des über ihr Grundstück verlaufenden Wegerechts, als Rechtsverletzung geltend machen könnte, kann angesichts dessen dahinstehen.“

An diesen Erwägungen, die auch die Antragsgegnerin und der Beigeladene im Hauptsacheverfahren nicht mehr in Frage gestellt haben, ist festzuhalten.

II.

Der Antrag ist begründet. Die angegriffene Ergänzungssatzung ist unwirksam.

1.

Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 11. April 2019 - 1 MN 166/18 - ausgeführt:

[Die Satzung] wird dem im Erfordernis der Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nach § 34 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BauGB enthaltenen Abwägungsgebot (BVerwG, Urt. v. 22.9.2010 - 4 CN 2.10 -, BVerwGE 138, 12 = juris Rn. 15 unter überzeugendem Verweis auf BT-Drs. 15/2996, S. 67) nicht gerecht. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, juris Rn. 29 = BVerwGE 34, 301). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.

Abwägungsfehlerhaft ist hier voraussichtlich die Ermittlung und infolgedessen auch Bewertung der Betroffenheit der satzungsbedingt geschaffenen Baugrundstücke durch Geruchsimmissionen. Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Abwägung maßgeblich davon leiten lassen, dass innerhalb des festgesetzten Baufensters keine unzumutbaren Geruchsimmissionen und damit keine Konflikte zwischen der mit der Satzung ermöglichten Wohnbebauung mit der Pferdehaltung der Antragstellerin zu erwarten seien (Planbegründung S. 6 f., 11); dabei hat sie die Zumutbarkeitsgrenze plausibel mit dem nach Nr. 3.1 der GIRL für Dorfgebiete maßgeblichen Wert von 15 % der Jahresgeruchsstunden angesetzt. Sie hat sich bei ihrer Einschätzung der zu erwartenden Immissionen auf das Geruchsgutachten des TÜV Nord Umweltschutz vom 16.4.2015 und eine - im Aufstellungsvorgang allerdings nicht auffindbare - Stellungnahme des Gutachters vom 18.12.2015 gestützt. Das Gutachten enthält eine Karte, auf der die berechneten Geruchsstundenhäufigkeiten für 15 x 15 m große Beurteilungsflächen angegeben sind. Für die Beurteilungsflächen im Baufenster betragen die Geruchsstundenhäufigkeiten maximal 14 %. Die unmittelbar südlich an diese und damit an den Südrand des Baufensters angrenzenden Beurteilungsflächen weisen demgegenüber mittlere Geruchsstundenhäufigkeiten von bis zu 29 % auf.

Voraussichtlich zu Recht rügt die Antragstellerin, dass angesichts einer solchen Differenz die Annahme, innerhalb des Baufensters werde eine Geruchsstundenhäufigkeit von 15 % nicht überschritten, nicht plausibel ist. Die Antragstellerin weist überzeugend darauf hin, dass die Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 4.4.3 GIRL eine Verkleinerung der Beurteilungsflächen bis hin zu einer Punktbetrachtung empfehlen, wenn sich die Kenngrößen benachbarter Beurteilungsflächen um mehr als 0,04 unterscheiden, da dann davon auszugehen ist, dass innerhalb der Beurteilungsfläche eine inhomogene Verteilung der Geruchsemissionen vorliegt. Hier beträgt die Differenz mit bis zu 0,15 ein Mehrfaches dieses Wertes. Angesichts dessen spricht sehr viel dafür, dass die Geruchsbelastungen in den mit - im Mittel - 13 bis 14 % der Jahresgeruchsstunden belasteten Flächen im Baufenster dergestalt verteilt sind, dass an deren Südgrenze deutlich höhere Häufigkeiten auftreten.

Die Antragsgegnerin ist dem in den vom Rat beschlossenen tabellarischen Abwägungsvorschlägen nicht mit durchgreifenden Argumenten entgegengetreten. Soweit sie einwendet, Beurteilungsflächen, die kleiner seien als ein Wohnhaus, seien zur Darstellung der nach der GIRL vorgesehenen Flächenmittelwerte nicht geeignet, überzeugt dies nicht. In einem etwaigen dem Satzungsgebungsverfahren nachfolgenden Immissionskonflikt können sich die künftigen Bewohner des Satzungsgebiets auf die Belastung an konkreten (punktförmigen) Immissionsorten berufen; die Maßgeblichkeit von nicht repräsentativen Flächenmittelwerten würde ihnen nicht entgegengehalten werden können. Die Vermeidung künftiger Immissionskonflikte ist aber das für die Abwägung der Antragsgegnerin maßgebliche Kriterium. Soweit sie weiter geltend macht, die Verkleinerung der Beurteilungsflächen könne maximal eine Verschiebung der Fläche mit Immissionswertüberschreitungen um 7,5 m nach Norden zur Folge haben, ist dies eine abwägungserhebliche Differenz; ggf. hätte das Baufenster ebenfalls um 7,5 m nach Norden verschoben werden müssen. Das weitere Argument der Antragsgegnerin in den Abwägungsvorschlägen, Wohnungen und Arbeitsplätze seien ohnehin nur auf den weniger belasteten Flächen vorzusehen, findet in der Satzung keinen Niederschlag; Wohnungen und Arbeitsplätze sind nur in der Schutzfläche südlich des Baufensters ausgeschlossen.

Der Senat hat erwogen, ob die hohe Erfolgswahrscheinlichkeit deshalb entfallen könnte, weil der vorgenannte Abwägungsmangel gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB das Abwägungsergebnis nicht beeinflusst haben könnte. Denn das Gutachten vom 1.4.2015, das sich der Rat zu Eigen gemacht hat, leidet zwar unter dem vorgenannten Ermittlungsdefizit hinsichtlich des genauen Verlaufs der Grenze einer Geruchsbelastung von über 15%. Es dürfte die vom Betrieb der Antragstellerin ausgehenden Geruchsbelastungen insoweit überzeichnet haben, als die von den Tieren selbst ausgehenden Gerüche mit einem Gewichtungsfaktor von 1 versehen worden sind (S. 9 des Gutachtens). Denn nach der Senatsrechtsprechung spricht Überwiegendes dafür, dass eingestallte Pferde bei Anwendung der GIRL nur mit einem Gewichtungsfaktor von 0,5 zu berücksichtigen sind (Senatsbeschl. v. 14.6.2017 - 1 ME 64/17 u.a. -, NVwZ-RR 2017, 807 = BauR 2017, 1513 = juris Ls. 1 und Rn. 21 ff.). Selbst eine Gewichtung der Stallgerüche mit dem Faktor 0,5 schlösse allerdings höchstwahrscheinlich eine Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle im Süden des Baufensters nicht aus.

Denn die hohe Geruchsbelastung auf der diesem benachbarten Beurteilungsfläche von 29 % dürfte nach der Lage der Geruchsquellen maßgeblich nicht auf die Pferdehaltung selbst, sondern auf die unmittelbar südlich des Satzungsgebiets gelegene Festmistplatte der Antragstellerin zurückgehen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch diese mit einem günstigeren Hedonikfaktor als 1,0 zu bewerten sein könnte, sieht der Senat angesichts der Tatsache, dass er die günstige Bewertung von Pferdegerüchen maßgeblich aus deren Aufstallungsweise abgeleitet hat (a.a.O. Rn. 33 ff.), nicht.“

An diesen Erwägungen hält der Senat auch in Ansehung des weiteren Vorbringens der Antragsgegnerin und des Beigeladenen im Normenkontrollverfahren im Ergebnis fest. Es ist allerdings bereits fraglich, ob der Senat nicht die Immissionsbelastung im bebaubaren Teil des Satzungsgebiets noch unterschätzt hat, wenn er die Südgrenze des Baufensters mit der Südgrenze der im Geruchsgutachten mit 13 % bzw. 14 % der Jahresgeruchsstunden veranschlagten Beurteilungsflächen gleichgesetzt hat. Ein Vergleich der Geruchskarte im Gutachten mit der Satzungskarte deutet eher darauf hin, dass das Baufenster teilweise in die mit 27 % bzw. 29 % veranschlagten Beurteilungsflächen hineinragt; die Verlängerung seiner Südgrenze nach Westen schneidet das südliche Nebengebäude auf dem Grundstück Hauptstraße N., während die westlich der mit 13 % bzw. 14 % veranschlagten Beurteilungsflächen gelegenen Rasterquadrate klar nördlich dieses Nebengebäudes liegen. Dies hätte zur Folge, dass ein Immissionskonflikt selbst dann bestünde, wenn die einzelnen Beurteilungsflächen tatsächlich wie im Gutachten gebildet und bewertet werden könnten. Selbst wenn die tatsächlichen Prämissen des o.a. Beschlusses indes zuträfen, bliebe es jedoch bei den dort angestellten weiteren Erwägungen.

Der Einwand des Sachverständigen, die Wahl kleinerer Beurteilungsflächen als 15 x 15 m sei nicht sinnvoll, da nicht von einem dauerhaften Aufenthalt von Personen an einem definierten Ort auszugehen, vielmehr ein Bewegungsbereich von Personen zu berücksichtigen sei, überzeugt nicht. Die Bemessung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen anhand von über das Jahr gemittelten Geruchsstundenhäufigkeiten kann von vornherein nicht als unter der Prämisse stehend verstanden werden, dass sich betroffene Personen über den gesamten Bemessungszeitraum hinweg am Immissionsort aufhalten; denn das wird praktisch niemals der Fall sein, unabhängig davon, ob man unter dem Immissionsort einen bestimmten Punkt oder eine 250 x 250 m große Beurteilungsfläche versteht. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass eine eigentlich unzumutbare Geruchsstundenhäufigkeit in der Südhälfte oder auch nur im südlichen Drittel einer 15 x 15 m großen Beurteilungsfläche nicht ohne weiteres durch entsprechend niedrigere Werte im Norden dieser Fläche ausgeglichen werden kann. Würde ein Bauherr im Plangebiet etwa - was bei Ausblendung der Geruchsproblematik naheläge - Terrassen oder Balkone eines in der Mitte des insgesamt nur 16,5 bis 24 m tiefen Baufensters errichteten Wohnhauses an dessen Südseite anlegen, so wäre zu erwarten, dass diese vollständig oder ganz überwiegend in dem faktisch mit mehr als 15 % der Jahresgeruchsstunden belasteten Teil des 14-%-Rasterfeldes lägen, nach den Kriterien der GIRL mithin nicht in einer im faktischen Dorfgebiet zumutbaren Weise nutzbar wären. Ein weiterer Bewegungsbereich im Norden der Beurteilungsfläche, d.h. im Inneren des Wohnhauses, mit zumutbaren Geruchsstundenhäufigkeiten würde daran nichts ändern.

Der technische Hinweis des Gutachters, eine punktförmige Betrachtung sei nicht modellierbar, da das Ausbreitungsmodell Partikel in Gitterzellen verteile, mag zutreffen. Das hätte es aber nicht ausgeschlossen, die Gitterzellen entweder kleiner zu konzipieren, bis die Differenz zwischen den Gitterzellen mit zumutbarer und denen mit unzumutbarer Geruchsstundenhäufigkeit auf 4 % oder weniger sänke, oder aber den mutmaßlichen deutlichen Überschreitungen der 15-%-Schwelle in Teilen einer nur im Mittel von zumutbaren Geruchsstundenhäufigkeiten betroffenen Gitterzelle zumindest bei der Konzeption des Baufensters durch einen angemessenen „Puffer“ zur südlichen Gitterzellengrenze Rechnung zu tragen. Die behaupteten technischen Schwierigkeiten stellen jedenfalls keinen Grund dafür dar, die zukünftigen Bewohner des Satzungsgebiets unzumutbaren Geruchsbelästigungen auszusetzen.

Unerheblich ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen, ob die Antragstellerin für ihre Pferdehaltung und die Dunglagerstätte über ausreichende Baugenehmigungen verfügt und ob der Landkreis B-Stadt mit Blick auf eine etwa fehlende Genehmigung zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Antragstellerin geprüft hat. Abwägungserheblich ist auch das Interesse, eine formell baurechtswidrige, aber genehmigungsfähige Nutzung fortsetzen zu können (Senatsurt. v. 8.9.2021 - 1 KN 143/19 -, juris Rn. 21; Senatsbeschl. v. 1.12.2020 - 1 MN 113/20 -, n.v.; angedeutet auch im Senatsurt. v. 18.7.2019 - 1 KN 78/17 -, juris Rn. 28). Dies ergibt sich bereits daraus, dass selbst reine Nutzungsabsichten, wenn sie nur hinreichend konkret sind, in die Abwägung einzubeziehen sind. Eine fehlende Genehmigung hat zwar möglicherweise zur Folge, dass die Anforderungen an eine Überwindung der in Rede stehenden Nutzungsinteressen in der Abwägung geringer sind. Eine solche Überwindung muss indes bewusst erfolgen. Sie setzt voraus, dass der Rat - anders als hier - den Nutzungskonflikt als solchen erkennt und sich darüber im Klaren ist, dass er dem Plannachbarn ggf. eine Legalisierungsmöglichkeit nimmt. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Dunglagerstätte der Antragstellerin auch vor Inkrafttreten der Einbeziehungssatzung bereits nicht genehmigungsfähig gewesen sein könnte - nur dann entfiele bereits die Abwägungserheblichkeit -, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

2.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass - wie die Antragstellerin zu Recht rügt - unklar ist, ob den Ratsmitgliedern zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses der genaue Inhalt des mit dem Beigeladenen am 2./8. November 2018 geschlossenen städtebaulichen Vertrages bekannt gewesen ist. Den Planaufstellungsvorgängen lässt sich nicht entnehmen, dass der Vertrag den Ratsmitgliedern vorlag. Auch die Antragsgegnerin und die Beigeladene behaupten das nicht ausdrücklich. Der Wortlaut des Sitzungsprotokolls, nach dem der Satzungsbeschluss unter den Vorbehalt des Abschlusses „eines“ städtebaulichen Vertrages gefasst wurde, spricht für das Gegenteil. Fest steht damit zwar, dass den Ratsmitgliedern bekannt war, dass ein Vertrag zur Sicherung der Ausgleichsmaßnahmen geschlossen werden würde; angesichts des Letzteren dürfte auch unschädlich sein, dass der Vertrag bei Satzungsbeschluss noch nicht unterzeichnet war. Für die Abwägung ist aber auch der Inhalt - etwa das von der Antragstellerin gerügte „time lag“ - relevant.

3.

Zu den übrigen Einwänden der Antragstellerin, die voraussichtlich nicht durchgegriffen hätten, erübrigen sich angesichts des Vorstehenden weitere Ausführungen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 (analog), 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.