Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.01.2022, Az.: 4 LA 26/19

Adressat; Berufungszulassung; Käufer; Verkäufer; Vertragseintritt; Vertragseintritt; Vertragsübernahme; Verwaltungsakt; Vorkaufsrecht, naturschutzrechtliches; Zweifel, ernstliche

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.01.2022
Aktenzeichen
4 LA 26/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59676
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 12.12.2018 - AZ: 2 A 237/17

Fundstellen

  • DÖV 2023, 89
  • NVwZ 2022, 1922-1923
  • NordÖR 2023, 166-167
  • NuR 2022, 867-868

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts entsteht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten ein selbständiger neuer Kaufvertrag. Der Kaufvertrag, der zwischen dem Verkäufer und dem Käufer abgeschlossen worden ist, wird hiervon nicht berührt, die Ausübung des Vorkaufsrechts führt also nicht zu einem Vertragseintritt durch den Vorkaufsberechtigten.

2. Entsprechend besteht die in § 40 Abs. 3 Satz 1 NAGBNatSchG geregelte Befugnis zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verwaltungsakt nur gegenüber dem Verkäufer, nicht auch gegenüber dem Käufer.

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 12. Dezember 2018 zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil aus den von ihm dargelegten Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der vom Kläger angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte auf der Grundlage von § 66 BNatSchG für das Land Niedersachsen das Vorkaufsrecht an einem an den Kläger veräußerten Grundstück ausgeübt hat, rechtswidrig.

Das Vorkaufsrecht gemäß § 66 BNatSchG wird nach § 40 Abs. 3 Satz 1 NAGBNatSchG durch Verwaltungsakt ausgeübt. Dieser Bescheid hat privatrechtsgestaltende Wirkung (vgl. BGH, Urt. v. 5.5.1988 - III ZR 105/87 -, juris Rn. 13; BVerwG, Beschl. v. 30.11.2009 - 4 B 52.09 -, juris Rn. 5; Sauthoff in: Schlacke, GK-BNatSchG, 2. Aufl. 2017, § 66 Rn. 38). Durch die Ausübung des Vorkaufsrechts entsteht gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG i.V.m. § 464 Abs. 2 BGB zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten ein selbständiger neuer Kaufvertrag, der den zwischen Verkäufer und Käufer vereinbarten Inhalt hat (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 12; Hess. VGH, Beschl. v. 17.2.2011 - 4 A 2397/10.Z -, juris Rn. 19; Blum in: Agena/Blum, Nds. Naturschutzrecht, Stand: 18. EL 2021, § 40 NAGBNatSchG Rn. 85; Sauthoff, a.a.O., Rn. 45). Der Kaufvertrag, der zwischen dem Verkäufer und dem Käufer abgeschlossen worden ist, wird hiervon nicht berührt (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1999 - V ZR 329/98 -, juris Rn. 12 m.w.N.; Sauthoff, a.a.O., Rn. 48), die Ausübung des Vorkaufsrechts führt also nicht zu einem Vertragseintritt durch den Vorkaufsberechtigten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.4.1994 - 4 B 70.94 -, juris Rn. 3; Blum, a.a.O., Rn. 85 m.w.N.). Allerdings kann der vertragliche Anspruch des Käufers auf Übereignung des Grundstücks nicht mehr erfüllt werden (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 3; Sauthoff, a.a.O., Rn. 48), da die Ausübung des Vorkaufsrechts ihm und allen weiteren Dritten gegenüber die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Vorkaufsberechtigten auf Übertragung des Eigentums hat (§ 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG i.V.m. § 1098 Abs. 2 BGB). Der auf der schuldrechtlichen Ebene nur gegenüber dem Verkäufer rechtsgestaltenden Wirkung des Vorkaufsrechts entspricht es, dass gemäß § 66 Abs. 3 Satz 4 BNatSchG i.V.m. § 464 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG das Vorkaufsrecht durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer (in § 464 Abs. 1 Satz 1 BGB als Verpflichteter bezeichnet) ausgeübt wird. Entsprechend besteht die in § 40 Abs. 3 Satz 1 NAGBNatSchG geregelte Befugnis zur Ausübung des Vorkaufsrechts durch Verwaltungsakt nur gegenüber dem Verkäufer, nicht auch gegenüber dem Käufer (vgl. Blum, a.a.O., Rn. 66; Sauthoff, a.a.O., Rn. 37).

Hiervon ausgehend ist der vom Kläger angegriffene Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2017 aus zwei Gründen rechtswidrig:

Zum einen ist das deshalb der Fall, weil der Beklagte den Bescheid, mit dem er das Vorkaufsrecht ausgeübt hat, nicht nur an die Verkäuferin, sondern entgegen der gesetzlichen Vorgaben mit einem eigenen Schreiben auch an den Kläger in seiner Eigenschaft als Käufer adressiert hat. Hinweise darauf, dass dieser Verwaltungsakt nicht an den Kläger adressiert sein, sondern ihm nur nachrichtlich zur Kenntnis gegeben werden sollte, enthält das an den Kläger übersandte Exemplar des Bescheides ebenso wenig wie das vorangegangene, ebenfalls an den Kläger gerichtete Anhörungsschreiben vom 11. Januar 2017 und der nachfolgende Widerspruchsbescheid. Vielmehr sprechen der Inhalt des Anhörungsschreibens und des Widerspruchsbescheides dafür, dass der Beklagte den Bescheid bewusst auch an den Kläger adressiert hat, weil er dem Verwaltungsakt auch gegenüber dem Kläger als Käufer eine schuldrechtsgestaltende Regelungswirkung beigemessen hat. Denn in beiden Schreiben heißt es übereinstimmend: „Das Land Niedersachsen tritt (...) als Käufer in alle Rechte und Pflichten des abgeschlossenen Kaufvertrages ein.“ Der Beklagte ist somit davon ausgegangen, dass durch die Ausübung des Vorkaufsrechts das Land Niedersachsen im Wege der Vertragsübernahme in den zwischen der Verkäuferin und dem Kläger abgeschlossenen Vertrag eingetreten und den Kläger in seiner Eigenschaft als Käufer aus diesem Vertrag „hinausgedrängt“ hat.

Dies führt zugleich auf den zweiten Grund für die Rechtswidrigkeit des Bescheides. Aufgrund der oben zitierten übereinstimmenden Aussage des Anhörungsschreibens und des Widerspruchsbescheids, der dem Verwaltungsakt die maßgebliche Gestalt gegeben hat (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), ist dem Bescheid der objektive Erklärungsgehalt beizumessen, dass der Beklagte damit rechtsgestaltend einen Vertragseintritt des Landes Niedersachsen in die Position des Käufers zulasten des Klägers geregelt hat. Diese Rechtsfolge ist nach dem oben Gesagten aber gesetzlich nicht vorgesehen.

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht. Die Berufung ist innerhalb eines Monats zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einzureichen.

Das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens wird den Beteiligten noch gesondert mitgeteilt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).