Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.01.2022, Az.: 10 OB 132/21
Daseinsvorsorge; kommunale Daseinsvorsorge; Sparkasse; Verwaltungsrechtsweg; öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.01.2022
- Aktenzeichen
- 10 OB 132/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59469
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 20.08.2001 - AZ: 1 A 5932/19
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- § 17a GVG
- § 1 Abs. 1 Satz 1 SparkG ND
- § 3 SparkG ND
- § 4 SparkG ND
- § 4 Abs. 1 Satz 1 SparkG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Für Rechtsstreitigkeiten um die Eröffnung eines Zahlungskontos bei einer Sparkasse als Anstalt öffentlichen Rechts ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben
Tenor:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 1. Kammer - vom 20. August 2021 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses den beschrittenen Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht A-Stadt verwiesen hat, hat Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit um die Eröffnung eines Kontos bei der Sparkasse A-Stadt zu Unrecht an das Landgericht A-Stadt verwiesen. Insoweit ist nämlich der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, weil der Streitgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Letzteres ist hier nicht der Fall. Zwar sind die Landgerichte nach § 51 Abs. 3 Zahlungskontengesetz zuständig für Klagen auf Eröffnung eines Basiskontos, doch strebt die Klägerin nicht die Eröffnung eines solchen Kontos, sondern eines Zahlungskontos im Rahmen eines Zahlungsdiensterahmenvertrags nach § 675 f Abs. 2 Satz 1 BGB an. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, ob also das Rechtsverhältnis seine Grundlage im öffentlichen oder privaten Recht hat (Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 40 Rn. 11). Geht es um Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge, wobei es unerheblich ist, ob diese Einrichtung durch die Gemeinde selbst oder durch eine von ihr getragene bzw. beherrschte selbstständige juristische Person betrieben wird, ist zu unterscheiden zwischen dem – hier verfolgten – Anspruch auf Zugang zu der Einrichtung einerseits, der regelmäßig nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist, und den Modalitäten der Benutzung andererseits, die auch privatrechtlich ausgestaltet sein können und über die gemäß § 13 GVG vor den ordentlichen Gerichten gestritten werden muss. Diese Unterscheidung gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 21.7.1989 – 7 B 184.88 –, juris Rn. 5, und vom 29.5.1990 – 7 B 30.90 –, juris Rn. 4) für Einrichtungen der kommunalen Daseinsvorsorge jeder Art und folglich auch für Sparkassen entsprechend der ganz überwiegenden Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (VG Leipzig, Urteil vom 26.8.2020 – 1 K 1116/19 –, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2019 – 20 K 6668/18 –, juris Rn. 33 ff.; VG Regensburg, Beschluss vom 16.8.2027 – RO 3 E 17.1335 –, juris Rn. 24; VG München, Urteil vom 13.1.2016 – M 7 K 15.2356 –, juris Rn. 23; VG Frankfurt, Urteil vom 16.12.2010 – 1 K 1711/10.F –, juris Rn. 21) und Oberverwaltungsgerichte (nicht ausdrücklich den Verwaltungsrechtsweg feststellend, aber diesen voraussetzend: Senatsbeschlüsse vom 8.2.2021 – 10 ME 264/20 – und vom 15.6.2010 – 10 ME 77/10 –, juris 2. Leizsatz und Rn. 25; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 15.1.2015 – 2 LB 21/13 –, juris Rn. 56 ff.), wobei es nach den zitierten verwaltungs- und oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die Fälle betrafen, in denen die Rechtsschutzsuchenden keine politischen Parteien gewesen sind, und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ohne Belang ist, ob der Rechtsschutzsuchende eine politische Partei, eine Privatperson oder beispielsweise – wie hier – ein religiöser Verein ist.
Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
Träger der Sparkassen sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Sparkassengesetzes (NSpG) die Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände (kommunale Träger). Nach § 3 NSpG sind Sparkassen rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 NSpG sind Sparkassen wirtschaftlich selbstständige Unternehmen in kommunaler Trägerschaft mit der Aufgabe, auf der Grundlage der Markt- und Wettbewerbserfordernisse für ihr Geschäftsgebiet den Wettbewerb zu stärken und die angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise und insbesondere des Mittelstands mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen in der Fläche sicherzustellen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift unterstützen sie in ihrem Geschäftsgebiet die kommunale Aufgabenerfüllung des Trägers im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich. Sie sind mit der Erfüllung dieser ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben unmittelbar Teil der kommunalen Daseinsvorsorge.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 15.6.2010 – 10 ME 77/10 –, juris Rn. 20 ff.) verleiht zwar § 4 Abs. 1 Satz 1 NSpG allein keinen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf Eröffnung eines Kontos, da diese Norm einen öffentlich-rechtlichen Handlungsauftrag an die Sparkassen im Rahmen des Verhältnisses zu ihren kommunalen Trägern, aber keine konkreten Ansprüche der Kunden begründet. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Eröffnung eines Kontos gegen die Beklagte als öffentlich-rechtliche Anstalt im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge, die als solche Teil der vollziehenden Gewalt im Sinne des Artikels 1 Abs. 3 GG und deshalb an die Grundrechte unmittelbar gebunden ist (Senatsbeschluss vom 8.2.2021 – 10 ME 264/20 –), kann sich aber aus § 4 Abs. 1 Satz 1 NSpG in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, auf das sich jedenfalls auch die Klägerin als religiöser Verein berufen kann, ergeben (Senatsbeschlüsse vom 8.2.2021 – 10 ME 264/20 – und vom 15.6.2010 – 10 ME 77/10 –, juris 2. Leitsatz und Rn. 25), wobei der Gleichheitssatz sich nicht in dem Verbot einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung verschiedener Personen oder Personengruppen erschöpft, sondern als fundamentales Rechtsprinzip ein Willkürverbot zum Ausdruck bringt (Senatsbeschluss vom 8.2.2021 – 10 ME 264/20 –). Dieser mögliche Anspruch der Klägerin ist wiederum eingebettet in den unzweifelhaft öffentlich-rechtlichen Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, da die Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts nach den oben genannten Vorschriften (u. a.) mit der Zurverfügungstellung von Zahlungskonten den in § 4 Abs. 1 NSpG beschriebenen Auftrag der kommunalen Daseinsvorsorge erfüllt. Gerade aus diesem Zusammenhang bzw. dieser Einbettung des möglichen Anspruchs der Klägerin in die kommunale Daseinsvorsorge ergibt sich, dass die Natur des hier verfahrensgegenständlichen Rechtsverhältnisses öffentlich-rechtlich ist, da jedes Element dieses Rechtsverhältnisses öffentlich-rechtlich geprägt ist. Denn sowohl nach der Rechtsnatur des in Betracht kommenden Anspruchs als auch nach der rechtlichen Ausgestaltung der beklagten Anspruchsgegnerin als Anstalt des öffentlichen Rechts sowie nach der rechtlichen Einbettung des möglichen Anspruchs der Klägerin in den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge ist das hier zu beurteilende Rechtsverhältnis, nämlich die Frage, ob der Klägerin von der Beklagten Zugang zu einem Zahlungskonto zu gewähren ist, eindeutig dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen hier dagegen keine Anhaltspunkte für dessen zivilrechtliche Einordnung. Diese ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der einer Kontoeröffnung zu Grunde liegende Vertrag wie auch die Führung des Kontos selbst sich nach privatrechtlichen Vorschriften richten. Denn der privatrechtliche Charakter des Vertrags lässt nach der oben wiedergegebenen „Zwei-Stufen-Theorie“ keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur der Vorschriften zu, die gegebenenfalls zu einem Vertragsschluss verpflichten (BVerwG, Beschlüsse vom 21.7.1989 – 7 B 184.88 –, juris Rn. 5, und vom 29.5.1990 – 7 B 30.90 –, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2019 – 20 K 6668/18 –, juris Rn. 44; VG Frankfurt, Urteil vom 16.12.2010 – 1 K 1711/10.F – juris, Rn. 21). Auch die nach Meinung des Verwaltungsgerichts künstliche Aufspaltung des Vertragsschlusses in zwei Stufen und die damit einhergehende Rechtswegspaltung, sowie die weiteren Gesichtspunkte, dass aus § 4 Abs. 1 NSpG kein Kontrahierungszwang folgt und auch bei der Auslegung zivilrechtlicher Vorschriften die Grundrechte zu berücksichtigen sind, ändern nichts daran, dass die Frage, ob ein religiöser Verein Zugang zu einem Konto bei einer Sparkasse als Einrichtung der kommunalen Daseinsvorsorge erhält, aus den oben genannten Gründen nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist.
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten aus § 154 Abs. 1 VwGO, da § 17 b Abs. 2 Satz 1 GVG hier nicht einschlägig ist und über die Kosten der Beschwerde nach den allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden ist (Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, Anhang zu § 41 Rn. 37 m.w.N.). Gerichtskosten werden gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht erhoben, da diese bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nämlich ein Verweisungsbeschluss nicht ergangen wäre. Eine analoge Anwendung des § 21 GKG auf außergerichtliche Kosten kommt nicht in Betracht, da es sich bei dieser Vorschrift bereits um eine Ausnahmeregelung handelt, die eine erweiternde Auslegung nicht zulässt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 5.5.2011 – 4 OB 117/11 –).
Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar (§ 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG).