Landgericht Göttingen
Beschl. v. 22.12.2003, Az.: 10 T 142/03

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Erstellung eines Schuldenbereinigungsplans

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
22.12.2003
Aktenzeichen
10 T 142/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32728
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2003:1222.10T142.03.0A

Fundstellen

  • NZI 2004, 10 (Kurzinformation)
  • NZI 2004, 149-150 (Volltext mit red. LS)
  • ZIP 2004, 1427-1428 (red. Leitsatz)
  • ZInsO 2004, 215-216 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2004, 245-247 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI (Beilage) 2004, 11 (amtl. Leitsatz)

Entscheidungsgründe

1

Der Schuldner hat am 26.5.2003 den Antrag auf Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt. Hierzu hat er angegeben, dass er zahlungsunfähig sei. Das AG hat den Schuldner mit Verfügung v. 28.5.2003 darauf hingewiesen, dass sein Antrag unvollständig sei, weil er seine Gläubiger nicht benannt und die Höhe der Forderungen nicht angegeben habe. Zur Ergänzung der Angaben hat das AG dem Schuldner eine Frist von drei Wochen gesetzt. Da der Schuldner innerhalb dieser Frist seine Angaben nicht ergänzt hat, hat das AG mit Beschl. v. 24.9.2003 den Antrag als unzulässig abgewiesen. Hierzu hat das AG ausgeführt, der Antrag auf Durchführung eines Insolvenzverfahrens sei nur zulässig, wenn der Schuldner vollständige Unterlagen über seine Vermögensverhältnisse vorlege. Dieser Verpflichtung sei der Schuldner nicht nachgekommen.

2

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde v. 14.10.2003, der er einen ihm zuvor vom AG übersandten Formularsatz beigefügt hat. Hierin hat der Schuldner angegeben, dass er über ein durchschnittliches Monatseinkommen i.H.v. 1.100 EUR netto verfüge und darüber hinaus weder Bargeld noch sonstiges Vermögen habe. Weiterhin hat der Schuldner insgesamt 20 Gläubiger aufgeführt und teilweise hierzu die Höhe der bestehenden Forderungen angegeben.

3

Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und hierzu ausgeführt, das vorgelegte Verzeichnis sei unvollständig, weil im Gläubiger- und Forderungsverzeichnis teilweise Angaben zur Höhe der Forderungen fehlten.

4

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gem. §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 1 InsO zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, denn der Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist entgegen der Auffassung des AG zulässig.

5

Die Frage, welche Angaben der Schuldner bei einem Eigenantrag zu machen hat und welche Anlagen er dem Antrag beizufügen hat, ist umstritten und im Gesetz nicht mehr geregelt. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass der Schuldner für den Eigenantrag entsprechend § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i. V.m. § 4 InsO einen Eröffnungsgrund in substantiierter, nachvollziehbarer Form darzulegen hat (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 13 Rn. 19; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 13 Rn. 11; FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl., § 13 Rn. 89).

6

Für die Zulässigkeit müssen die tatsächlichen Angaben aber noch nicht in dem Sinne schlüssig sein, dass daraus bereits ohne weiteres das Vorliegen des Eröffnungsgrundes folgt (BGH, ZIP 2003, 359) Vielmehr genügt die Mitteilung von Tatsachen, die die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes i.S.d. §§ 17 - 19 InsO erkennen lassen. Die tatsächlichen Angaben müssen die Finanzlage des Schuldners nachvollziehbar darstellen. Eine Schlüssigkeit im technischen Sinne ist nicht vorauszusetzen (BGH, ZIP 2003, 359). Eine Glaubhaftmachung oder ein Verzeichnis der Gläubiger und Schuldner oder eine Vermögensübersicht ist für die Zulässigkeit des Eigenantrags nicht erforderlich. Vielmehr ist die Vorlage konkreter Verzeichnisse und Übersichten im Rahmen der dem Schuldner obliegenden Auskunftspflicht gem. § 20 InsO zu fordern (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 13 Rn. 19; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 13 Rn. 11). Im Hinblick darauf reichte zwar der zunächst vom Schuldner gestellte Antrag nicht aus, denn der Schuldner hat seinerzeit in einem Antragsformular lediglich angekreuzt, dass Zahlungsunfähigkeit bestehe. Ansonsten enthielt der Antrag keinerlei Angaben zu den Gläubigern oder bestehenden Forderungen.

7

Da der Schuldner innerhalb der ihm zur Ergänzung der Angaben gesetzten Frist der Aufforderung des AG nicht nachgekommen war, entsprach es zunächst der Sach- und Rechtslage, den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als unzulässig zurückzuweisen. Der Schuldner hat jedoch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die erforderlichen Angaben nachgeholt. Das ist zulässig (HK-InsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 13 Rn. 19; LG Duisburg, ZInsO 2002, 794). Mit der sofortigen Beschwerde hat der Schuldner die ihm zuvor vom AG übersandten Vordrucke zurückgeschickt. Hierin hat der Schuldner angegeben, dass er über ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.100 EUR verfüge, darüber hinaus jedoch kein Vermögen besitze. Weiterhin hat der Schuldner insgesamt 19 Gläubiger aufgeführt und mitgeteilt, dass 8 Gläubiger seit dem Jahr 2001 erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt hatten. Diese Angaben reichen für einen zulässigen Schuldnerantrag aus. Die vom Schuldner mitgeteilten Tatsachen lassen die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes i.S.v. §§ 17, 18 InsO erkennen, denn damit ist die Zahlungsunfähigkeit hinreichend dargelegt. Zahlungsunfähig ist der Schuldner, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Hier ergibt sich aus den Angaben des Schuldners, dass er lediglich über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.100 EUR verfügt und keine sonstigen Einnahmen oder weiteres Vermögen hat. Die Summe der mitgeteilten Forderungen beträgt ca. 16.600 EUR. Dass die Forderungen jedenfalls teilweise fällig sind und der Schuldner nicht in der Lage ist, sie zu begleichen, folgt aus seiner Mitteilung, dass 8 Gläubiger in den Jahren 2001 - 2003 erfolglos versucht haben, die Forderungen zu vollstrecken. Der Eröffnungsgrund ist damit hinreichend substantiiert dargelegt. Weitere Angaben braucht der Schuldner für die Zulässigkeit seines Antrags nicht zu machen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass er die Höhe der gegen ihn bestehenden Forderungen bezogen auf die einzelnen Gläubiger substantiiert darlegt. Diese Anforderungen sind überzogen. Soweit das AG darauf abstellt, dass der Gläubiger das Gläubiger- und Forderungsverzeichnis in dem ihm übersandten Formularsatz nicht vollständig ausgefüllt habe, ist darauf hinzuweisen, dass das AG den Schuldner nicht darauf verweisen durfte, die Vordrucke ausgefüllt zurückzusenden. Bei den dem Schuldner übersandten Vordrucken handelt es sich um die für das Verbraucherinsolvenzverfahren vorgesehenen Antragsunterlagen mit den Vordrucken für die entsprechenden Vermögens-, Gläubiger- und Forderungsverzeichnissen. Die einem Schuldner durch § 305 Abs. 5 Satz 2 InsO auferlegte Pflicht, sich dieser Vordrucke zu bedienen, gilt für das vorliegende Regelinsolvenzverfahren nicht, denn die nach § 305 Abs. 1 Nr. 1-4 InsO vorzulegenden Bescheinigungen usw. betreffen nicht den Eröffnungsantrag, sondern den Antrag auf Restschuldbefreiung und den Schuldenbereinigungsplan (BGH, ZIP 2003, 360). Die unvollständige Ausfüllung dieser Vordrucke kann dem Schuldner deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden.