Landgericht Göttingen
Beschl. v. 30.01.2003, Az.: 5 T 20/03

Entlassung aus dem Betreueramt; Aufgabenkreis Vermögenssorge und die Vertretung in gerichtlichen Angelegenheiten; Erforderlichkeit der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung für eine Heilbehandlung

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
30.01.2003
Aktenzeichen
5 T 20/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 18360
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2003:0130.5T20.03.0A

In der Betreuungssache
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die Beschwerde des Betroffenen vom 21./23. Januar 2003
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 09. Januar 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Hollstein,
den Richter am Landgericht Jahrmann sowie
den Richter Körber
am 30.01.2003
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Durch Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 28.03.2002 wurde für den Betroffenen Frau Beate Reinecke-Beck zur Betreuerin bestellt mit dem Aufgabenkreis der Sorge für die Gesundheit und Behördenangelegenheiten.

2

Mit Beschluss vom 03.07.2002 hat das Amtsgericht Göttingen die Betreuerin zum 31.08.2002 aus dem Betreueramt entlassen und mit Wirkung vom 01.09.2002 Herrn Johannes Busch zum neuen Betreuer (Vereinsbetreuer) bestellt und gleichzeitig dessen Aufgabenkreis um die Vermögenssorge und die Vertretung in gerichtlichen Angelegenheiten erweitert.

3

Sodann hat das Amtsgericht Göttingen mit Beschluss vom 30.12.2002 im Wege einstweiliger Anordnung a) den Aufgabenkreis des Betreuers um die Aufenthaltsbestimmung erweitert undb) die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 09.02.2003 auf Antrag des Betreuers vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

4

Am 08.01.2003 wurde der Betroffene in der geschlossenen Station 8.1 des Nds. Landeskrankenhauses Göttingen aufgenommen.

5

Mit Beschluss vom 09.01.2003, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Göttingen die Einwilligung des Betreuers in die Behandlung des Betroffenen mit dem Medikament Leponex vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Hiergegen richtet sich die von der Verfahrenspflegerin namens des Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde.

6

Die gemäss §§ 19, 20, 69 g FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

7

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Die Entscheidung, durch die das Gericht die Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung des Betroffenen vormundschaftsgerichtlich genehmigt, unterliegt der (einfachen) Beschwerde. Beschwerdebefugt sind der Betroffene (§ 20 FGG) und der Betreuer (vgl. auch Staudinger-Bienwald, BGB, 13. Bearbeitung 1999, Rdnr. 62 zu § 1904 BGB; Heidelberger Kommentar des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, Rdnr. 1 zu § 1904 BGB).

8

2.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die im Rahmen der einstweiligen Unterbringung des Betroffenen an diesem durchgeführte Heilbehandlung mit dem Medikament Leponex ist nicht gemäss § 1904 BGB genehmigungsbedürftig. Der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hätte es nicht bedurft. Der Betroffene ist mithin durch den angefochtenen Beschluss nicht beschwert.

9

Im Einzelnen gilt Folgendes:

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a)

Nach § 1904 Abs. 1 BGB bedarf die Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Als schwere gesundheitliche Schäden können auch schwere nachteilige Nebenwirkungen von Medikamenten angesehen werden (vgl. auch Staudinger-Bienwald, a.a.O., Rdnr. 48 zu § 1904 BGB).

11

b)

Die gemäss § 1904 Abs. 1 BGB eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erfordernden Voraussetzungen sind vorliegend nicht ersichtlich. Der Betroffene leidet unter einer schweren schizophrenen Störung mit einem chronifizierten Wahnsystem. Nach der ärztlichen Stellungnahme der behandelnden Ärzte vom 09.01.2003 ist es unbedingt erforderlich, dass der Betroffene Neuroleptika einnimmt, vorzugsweise Leponex. Das Medikament Leponex ist ein klassisches Atypikum. Atypika haben nicht die typischen Nebenwirkungen, die im Übrigen mit herkömmlichen hoch- potenten Neuroleptika verbunden sind, wie z.B. irreversible Bewegungsstörungen (Spätdyskenisien) insbesondere bei älteren Patienten (vgl. auch Heidelberger Kommentar, a.a.O., Rdnrn. 17 f. zu § 1904 BGB).

12

c)

Daraus folgt, dass der Betroffene im Rahmen der einstweiligen Unterbringung zur Durchführung einer notwendigen Heilbehandlung, in die der Betreuer eingewilligt hat, mit dem Medikament Leponex behandelt werden darf, sofern die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Übrigen vorliegen. Denn es gibt Unterbringungen, bei denen überhaupt keine ärztlichen Massnahmen erfolgen, ferner solche, bei denen der Betreuer in die Behandlung einwilligen muss, und solche, bei denen diese Einwilligung zusätzlich durch das Vormundschaftsgericht nach § 1904 BGB genehmigt werden muss (vgl. Soergel-Zimmermann, BGB, Stand: Frühjahr 2000, Rdnr. 51 zu § 1906 BGB m.w.Nw.).Hat der Betreuer - wie vorliegend - in die Behandlung des Betroffenen mit dem Medikament Leponex eingewilligt, so ist die Behandlung gerechtfertigt, ohne dass es - wie dargestellt - einer weiteren vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf.

13

d)

Die Kammer hat davon abgesehen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, obwohl es der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung insoweit nicht bedurft hat.

14

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 1 KostO, 13 a Abs. 1 FGG.

Dr. Hollstein, Vorsitzender Richter am Landgericht
Jahrmann, Richter am Landgericht
Körber, Richter