Landgericht Göttingen
Beschl. v. 06.05.2003, Az.: 10 T 43/03
Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 06.05.2003
- Aktenzeichen
- 10 T 43/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 32680
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2003:0506.10T43.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 74 Abs. 1 S. 1 BRAGO
- § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO
- § 104 Abs. 3 ZPO
Fundstellen
- NZI 2003, 506 (Volltext mit red. LS)
- NZI 2003, VI Heft 7 (Kurzinformation)
- ZInsO 2003, 526-527 (Volltext mit red. LS)
- ZVI 2003, 564-565 (Volltext mit red. LS)
Entscheidungsgründe
Mit Schriftsatz v. 9.2.2001 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners namens des Schuldners den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung beim AG eingereicht. Mit Beschl. v. 22.5.2001 hat das AG das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. In der Folgezeit hat die Gläubigerin Nr. 1 beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu versagen. Im Rahmen des dem Schuldner gewährten rechtlichen Gehörs hat sein Verfahrensbevollmächtigter Stellung genommen und beantragt, den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückzuweisen. Mit Beschl. v. 25.7.2002 hat das AG den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen und die Kosten des Versagungsantrags der Gläubigerin auferlegt. Der Schuldner hat daraufhin beantragt, die Kosten gegen die Gläubigerin gem. §§ 103 ff. ZPO festzusetzen. In dem Kostenfestsetzungsantrag hat der Schuldner nach einem Gegenstandswert von 45.000 EUR eine Gebühr gem. §§ 11, 74 BRAGO i.H.v. 974 EUR geltend gemacht. Zzgl. Post- und Telekommunikationsentgelte sowie MWSt hat der Schuldner beantragt, Kosten i.H.v. 1.153,04 EUR gegen die Gläubigerin festzusetzen.
Mit Beschl. v. 24.3.2003 hat das AG die dem Schuldner von der Gläubigerin zu erstattenden Kosten auf 1.153,04 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners sei im Verfahren über den Antrag auf Restschuldbefreiung tätig geworden. Er habe mit Schriftsatz v. 26.6.2002 für den Schuldner den Antrag gestellt, den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückzuweisen. Diese Tätigkeit habe die Gebühr des § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ausgelöst.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie meint, ihr Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung und die daraufhin erfolgte Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners habe die Gebühr nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO nicht ausgelöst, vielmehr erhalte der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners die betreffende Gebühr bereits generell für seine Tätigkeit im Verfahren über den Antrag auf Restschuldbefreiung. Die damit ausgelöste Gebühr, die der Schuldner zu tragen habe, könne nicht durch den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zu einer Gebühr zu Lasten des Gläubigers werden. Durch den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung seien dem Schuldner keine Kosten entstanden, die die Gläubigerin zu ersetzen habe.
Der Schuldner meint, sein Verfahrensbevollmächtigter sei für ihn zunächst nur im Rahmen des Eröffnungsverfahrens tätig geworden und nicht für das Restschuldbefreiungsverfahren. Der Verfahrensbevollmächtigte habe den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung lediglich eingereicht. Im Restschuldbefreiungsverfahren sei der Verfahrensbevollmächtigte bis zum Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung nicht tätig geworden.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gem. § 104 Abs. 3 ZPO zulässig, sie ist auch begründet. Das AG hat zu Unrecht die Kosten gegen die Gläubigerin festgesetzt, denn die vom Schuldner geltend gemachte Gebühr gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ist nicht durch das Tätigwerden des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners im Zusammenhang mit dem Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung ausgelöst worden, vielmehr ist die Gebühr entstanden, als der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners mit Schriftsatz v. 9.2.2001 den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung bei Gericht eingereicht hat. Die damit bereits zu Beginn des Verbraucherinsolvenzverfahrens ausgelöste Gebühr nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO fällt dem Schuldner zu Last und wird durch das weitere Tätigwerden des Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen des Antrags der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung nicht auf die Gläubigerin übertragen. Der Antrag des Verfahrensbevollmächtigten, den Restschuldbefreiungsversagungsantrag der Gläubigerin zurückzuweisen und die dementsprechende Stellungnahme hat keinen eigenen Gebührentatbestand ausgelöst, sondern ist von der bereits mit der Stellung des Restschuldbefreiungsantrages entstandenen Gebühr nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO umfasst.
Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Verfahren über einen Antrag auf Restschuldbefreiung eine besondere volle Gebühr. Dabei ist es unerheblich, ob der Schuldner den Antrag auf Restschuldbefreiung mit demjenigen auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbindet oder ob er ihn spätestens im Berichtstermin stellt (Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl. § 74 BRAGO Rn. 1). Damit entsteht die Gebühr des § 74 Abs. 1 Satz 1 für den Rechtsanwalt bereits mit der Stellung des Antrags auf Restschuldbefreiung. Diesen Antrag hat der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners hier bereits mit dem Schriftsatz v. 9.1.2001 gestellt. Die Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten, er habe damals keine Vertretungsvollmacht für das Restschuldbefreiungsverfahren gehabt, sondern nur für das Verbraucherinsolvenzverfahren geht fehl. Auch nach der im Jahr 2001, dem Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens geltenden Fassung der InsO musste der Schuldner mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich danach den Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung vorlegen (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO a.F.). Mithin war der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung notwendiger Bestandteil des Antrags auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners, der dementsprechend den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung dem Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens beifügte und gleichzeitig bei Gericht einreichte, hat mithin diesen notwendigen Antrag auf Restschuldbefreiung für den Schuldner gestellt. Er wurde damit bereits für den Schuldner im Restschuldbefreiungsverfahren tätig. Dass sich die Vertretungsmacht des Verfahrensbevollmächtigten nur auf die Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezog, ergibt sich weder aus der vorgelegten Vollmachtsurkunde noch aus den sonstigen Umständen. Die Gebühr gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ist mithin bereits mit der Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten am 9.2. 2001 entstanden. Durch die weitere Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten im Zusammenhang mit dem von der Gläubigerin gestellten Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist kein weiterer gesonderter Gebührenanspruch entstanden, vielmehr wird diese Tätigkeit nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BRAGO mit abgegolten (Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., "Insolvenzverfahren", S. 787).
Der Gebührenanspruch des Schuldners gegen die Gläubigerin ergibt sich auch nicht aus § 74 Abs. 2 BRAGO. Danach erhält der Rechtsanwalt in dem Verfahren die Hälfte der vollen Gebühr, wenn nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt wird. Dieser Fall liegt hier unzweifelhaft nicht vor, denn die Gläubigerin hat den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung vor dem Schlusstermin mit Schriftsatz v. 10.5.2002 gestellt. Das Insolvenzverfahren ist er nach Rechtskraft des Ankündigungsbeschlusses mit Beschl. v. 12.11. 2002 aufgehoben worden.