Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.01.2019, Az.: 10 TaBVGa 6/19

Schulungsanspruch eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung; Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für die Schulungskosten eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung; Zuständigkeit des Betriebsrats für die Entscheidung über eine Schulungsmaßnahme für ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung; Einstweilige Verfügung auf Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
31.01.2019
Aktenzeichen
10 TaBVGa 6/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 32765
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Celle - 15.01.2019 - AZ: 1 BVGa 1/19

Redaktioneller Leitsatz

1. Gemäß § 65 Abs. 1 i.V.m. § 37 BetrVG hat ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung wie ein Mitglied des Betriebsrats Anspruch darauf, anlässlich der Teilnahme an einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung bei Fortzahlung des Entgeltes von seiner Arbeitspflicht freigestellt zu werden.

2. Nach dem gemäß § 65 Abs. 1 ebenfalls für entsprechend anwendbar erklärten § 40 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung entstehenden Kosten zu tragen und die erforderlichen Sachmittel zur Verfügung zu stellen, wozu auch die Kosten einer erforderlichen Schulung gehören.

3. Der Betriebsrat ist für die Entscheidung über die Teilnahme eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung an einer Schulungsveranstaltung zuständig. Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat keine selbständigen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, sondern kann nur durch und über den Betriebsrat tätig werden.

4. Der Betriebsrat kann mit Hilfe des Gerichts dem Arbeitgeber im Wege einer einstweiligen Verfügung aufgeben, eine Kostenübernahmeerklärung für eine Schulungsveranstaltung für ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung an den Bildungsträger abzugeben, wenn ein Anspruch auf Übernahme der Schulungskosten besteht (Vefügungsanspruch) und wenn eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren (Beschlussverfahren) bedeuten würde, dass die Schulungsveranstaltung nicht mehr rechtzeitig angetreten werden könnte (Verfügungsgrund).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 15. Januar 2019 - 1 BVGa 1/19 - abgeändert:

Der Beteiligten zu 2. wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, gegenüber dem ifb-Institut zur Fortbildung von Betriebsräten KG, Prof.-Becker-Weg 16, 82418 Seehausen am Staffelsee, zu erklären, dass die Seminarkosten in Höhe von 1.190,00 Euro für das Seminar "Jugend- und Auszubildendenvertretung Teil II", das vom 4. bis einschließlich 8. Februar 2019 in D-Stadt stattfindet, sowie die Hotelkosten in Höhe von 636,36 Euro übernommen werden.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

1.

Die gemäß §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1, 2 Satz 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Antragstellers ist von diesem fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 89 ArbGG, §§ 510, 520 Abs. 1, 3 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

2.

Die Beschwerde ist begründet. Der Antragsteller kann verlangen, dass die Beteiligte zu 2. gegenüber dem i-Institut die Kostenübernahme für das in Rede stehende Seminar nebst Hotelkosten erklärt, damit der Antragsteller an dem Seminar teilnehmen kann.

a)

Gemäß § 65 Abs. 1 iVm. § 37 BetrVG hat das wie ein Mitglied des Betriebsrats Anspruch darauf, anlässlich der Teilnahme an einer erforderlichen Schulungs- und Bildungsveranstaltung bei Fortzahlung des Entgeltes von seiner Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Nach dem gemäß § 65 Abs. 1 ebenfalls für entsprechend anwendbar erklärten § 40 BetrVG hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit der JAV entstehenden Kosten zu tragen und die erforderlichen Sachmittel zur Verfügung zu stellen, wozu auch die Kosten einer erforderlichen Schulung gehören (Fitting, BetrVG, 29. Auflage, § 65 Rn. 19 mwN). Der Anspruch auf Erstattung der Kosten, die für die Schulung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung entstanden sind, ist im Beschlussverfahren geltend zu machen; die Jugend- und Auszubildendenvertretung ist in diesem Verfahren nicht zu beteiligen (BAG 30. März 1994 - 7 ABR 45/93, BAGE 76, 240 [BAG 13.04.1994 - 7 AZR 651/93], Rn. 13, 17). Die Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, die an der Schulung teilnehmen, sind beteiligungsbefugt, weil sie auch Inhaber des betriebsverfassungsrechtlichen Freistellungsanspruchs sind; der Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch ergibt sich aus der Amtstätigkeit (BAG 30. März 1994 - 7 ABR 45/93, BAGE 76, 214, Rn. 18).

b)

Der Antragsteller hat Anspruch auf Erstattung der Schulungskosten in der geforderten, zwischen den Beteiligten nicht streitigen Höhe, so dass er auch die Kostenübernahmeerklärung verlangen kann, die der Seminarveranstalter zur Teilnahmebedingung macht.

aa)

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. ist der Antragsteller weiterhin . Die Auffassung, diese bestehe nicht mehr, weil die Zahl ihrer Mitglieder von 13 auf fünf abgesunken sei, geht fehl. Gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 13 Abs. 2 Ziff. 2 BetrVG führt das Absinken der Gesamtzahl der Mitglieder unter die vorgeschriebene Zahl zwar dazu, dass Neuwahlen stattzufinden haben; wie in § 64 Abs. 2 Satz 5 BetrVG geregelt ist, endet die Amtszeit in diesem Fall jedoch nicht vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses der neugewählten Jugend- und Auszubildendenvertretung.

bb)

Auf die von der Beteiligten zu 2. aufgeworfene Frage der Beschlussfähigkeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung kommt es nicht an. Nicht diese, sondern der Betriebsrat ist für die Entscheidung über die Teilnahme eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung an einer Schulungsveranstaltung zuständig: Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat keine selbständigen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, sondern kann nur durch und über den Betriebsrat tätig werden (Fitting, BetrVG 29. Aufl., § 65 Rn. 17 mwN). Einen solchen Beschluss hat der Betriebsrat am 12. Dezember 2018 getroffen (Bl. 16 d.A.). Dass darin auf den Beschluss der Jugend- und Auszubildendenvertretung Bezug genommen wird und dieser "bestätigt" wird, ist unschädlich, denn ersichtlich wollte der Betriebsrat eine eigene Entscheidung treffen.

cc)

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. ist die Schulungsmaßnahme auch erforderlich.

(1)

Die Schulungsmaßnahme hat arbeitsrechtliche Fragen zum Schwerpunkt, insbesondere solche, die mit der Arbeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung im Zusammenhang stehen. Dies wird von der Beteiligten zu 2. auch nicht in Abrede genommen.

(2)

Die Erforderlichkeit kann auch nicht deshalb verneint werden, weil bereits ein Wahlvorstand für die Neuwahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung bestellt ist. Dieser besteht schon seit September 2018, ohne dass mittlerweile ein Wahltermin feststünde. Bei den letzten derartigen Wahlen im Betrieb verging zwischen der Bestellung des Wahlvorstandes und den Wahlen nahezu ein Jahr. Es ist schon nicht ersichtlich, worauf die Beteiligte zu 2. ihre Annahme stützt, die Wahlen würden nunmehr bis Ostern 2019 abgehalten werden. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn auch dieser Termin läge noch nahezu ein Vierteljahr in der Zukunft. Diese Zeitspanne beträgt ein Achtel der regelmäßigen Amtszeit der Jugend- und Auszubildendenvertretung von zwei Jahren (§ 64 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Auch ohne auf die Besonderheiten in dem offenbar von Konflikten zwischen Arbeitgeberin sowie Jugend- und Auszubildendenvertretung nicht freien Betrieb abzustellen, erscheint es dem Beschwerdegericht nicht plausibel, weshalb in einem Betrieb, der offenbar zwischen 701 und 1000 Arbeitnehmer beschäftigt (vgl. § 62 Abs. 1 BetrVG), innerhalb eines Vierteljahres keine Probleme auftreten können, welche die Jugend- und Auszubildendenvertretung betreffen und die es erfordern, dass diese zumindest ein in den arbeitsrechtlichen Grundlagen geschultes Mitglied aufweist.

2.

Ein Verfügungsgrund ist ebenfalls gegeben. Die Schulung beginnt bereits am 4. Februar 2019, so dass der Antragsteller sie nicht mehr antreten könnte, wollte man ihn auf das Hauptsacheverfahren verweisen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

IV.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.