Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.09.2019, Az.: 8 Sa 413/19 E

Auslegung von Tarifnormen; Tarifsystematik zwischen allgemeinen Merkmalen und Regel- oder Richtbeispielen einer Entgeltgruppe; Anforderungen an die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten für die Berechnung der tariflichen Stufenlaufzeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
23.09.2019
Aktenzeichen
8 Sa 413/19 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 40603
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 25.04.2019 - AZ: 5 Ca 315/18

Fundstelle

  • NZA-RR 2020, 87-90

Amtlicher Leitsatz

Zeiten der Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern sind gemäß § 5 Abs. 4 TV DN für die Berechnung der Stufenlaufzeit von Arbeitnehmern in der Tätigkeit eines Gruppenleiters in Werkstätten mit behinderten Menschen auch dann anzurechnen, wenn für die Ausübung der Tätigkeit keine sonderpädagogische Zusatzausbildung notwendig war, sondern eine abgeschlossene Ausbildung als Facharbeiter, Geselle oder Meister mit einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung genügt.

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 25. April 2019 - 5 Ca 315/18 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer tariflichen Eingruppierung um die Stufenzuordnung auf der Grundlage anrechenbarer Vorbeschäftigungszeiten.

Der Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 1. November 2009 als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt. Laut § 3 des Arbeitsvertrages, auf den im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 151 d. A.), ist sein Arbeitsplatz (sic) "in die Entgeltgruppe E7 eingruppiert". Der Kläger verfügt über einen Abschluss als Meister im Maschinenbau. Seine Ausbildung zum Mechaniker absolvierte er in der Zeit von 1973 bis 1976 bei der A. Aktiengesellschaft (im Folgenden: A.). Dort war er zunächst als Anlagenführer, von 1979 bis 1985 als Mechaniker im Sondermaschinenbau und nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zum Maschinenbaumeister/Ausbilder bis 1989 als Meister eingesetzt. Von 1989 bis 2008 arbeitete er als technischer Angestellter/Maschinenbaumeister und danach bis 2009 als Maschinenbaumeister Fertigungstechnik bei der L.-Maschinenfabrik in B.-V. (im Folgenden: L.). Eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation hat der Kläger (bis heute) nicht absolviert.

Dem Arbeitsvertrag lag eine Stellenbeschreibung vom 3. November 2009 an, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 152 - 153 d. A.) und deren Anforderungsprofil lautet:

"Die Stelle erfordert ein hohes Maß an fachlicher und sozialer Kompetenz in der Betreuung und Förderung behinderter Menschen. Der Mitarbeiter soll eine Ausbildung als Facharbeiter, Geselle oder Meister mit einer mindestens 3jährigen Berufserfahrung in der Industrie oder im Handwerk vorweisen können. Er muss pädagogisch geeignet sein sowie über die sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügen. Die Zusatzqualifikation muss bei Beginn der Tätigkeit nicht nachgewiesen sein."

Eine neuere Beschreibung der Stelle des Gruppenleiters im Arbeitsbereich für Werkstätten mit behinderten Menschen mit Datum vom 21. Oktober 2010, auf die ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 84 - 88 d. A.), beschreibt die erforderlichen beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen in Ziffer 3. folgendermaßen:

• "Der Mitarbeiter soll eine abgeschlossene Ausbildung als Facharbeiter, Geselle oder Meister mit einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung in der Industrie oder im Handwerk vorweisen können.

• Der Stelleninhaber muss pädagogisch geeignet sein.

• Die Stelle erfordert ein hohes Maß an fachlicher und sozialer Kompetenz in der Betreuung und Förderung von Menschen mit Behinderung.

• Der Stelleninhaber soll über die sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügen oder diese in angemessener Zeit durch Teilnahme an geeigneten Fortbildungsmaßnahmen nachholen.

• Kaufmännische Grundlagen und EDV-Kenntnisse in Microsoft Office und deren Anwendung sind erforderlich."

Am 29. April 2014 vereinbarten die Parteien in einer Änderung zum Arbeitsvertrag die Entgeltgruppe 8. Der Vertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 3

Herr A. wird per 01.05.2014 in die Entgeltgruppe E 8 (100%) eingruppiert"

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme gemäß Änderungsvereinbarung vom 30. Juni 2015 anstelle der AVR-K der Tarifvertrag Diakonie Niedersachsen (im Folgenden: TV DN) sowie die diesen ersetzenden oder ergänzenden Tarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di Anwendung (Bl. 7 d. A.). Der TV DN wurde am 26. April 2017 geändert. Anstelle der bisher vorgesehenen prozentualen Steigerungen von 80 v.H. bis 100 v.H. gemäß § 5 Abs. 2 in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung sieht der TV DN ab 1. Januar 2018 Stufenzuweisungen und gemäß § 5 Abs. 4 i.V.m. der Anmerkung zu § 5 in Buchstabe c. Satz 3 TV DN die Möglichkeit der Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten vor. Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 30. November 2017 (Bl. 49 - 50 d. A.) der Stufe 4 zu. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2018 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Vorbeschäftigungszeiten bei der A. und der L. geltend und begehrte erfolglos Entgeltzahlung nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 5 TV DN.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Stufe 5 seien erfüllt; die Tätigkeitsjahre bei den vorherigen Arbeitgebern nach dem TV seien zu berücksichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.02.2018 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.03.2018 zu zahlen;

3. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen;

4. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 zu zahlen;

5. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen;

6. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 zu zahlen;

7. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.08.2018 zu zahlen;

8. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.09.2018 zu zahlen;

9. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen;

10. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen;

11. den Beklagten zu verurteilen, ihm 81,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen;

12. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Januar 2018 Vergütung nach der Entgeltgruppe E8 Stufe 5 TV DN in der jeweils geltenden Fassung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, Vorbeschäftigungszeiten seien nicht anzurechnen. Der Kläger sei nicht im Besitz einer sonderpädagogischen Zusatzqualifikation iSd. § 9 Abs. 3 Werkstättenverordnung (WVO) und habe eine solche für die Tätigkeit bei den Vorarbeitgebern auch nicht benötigt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen, nach denen eine Zuordnung zur Stufe 5 ab dem 13. Tätigkeitsjahr erfolge. Nach dem TV DN würden bei in Entgeltgruppen E 6 bis E 14 eingruppierten Arbeitnehmern Zeiten beruflicher Tätigkeit nach ordnungsgemäßem Ausbildungsabschluss bei mehr als geringfügiger Beschäftigung auf Arbeitsplätzen angerechnet, deren Anforderung in der Regel die spezifische Berufsausbildung der Arbeitnehmer/in voraussetzten und die nachgewiesen worden seien. Der Kläger habe zwölf anzurechnende Tätigkeitsjahre nachgewiesen. Eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation sei für die Anerkennung nicht erforderlich. Sie ergebe sich weder aus den Eingruppierungsbestimmungen im TV DN noch aus § 9 Abs. 3 WVO. Die WVO enthalte keine Regelung zur Eingruppierung. Sie nenne nur Voraussetzungen für die Anerkennung von Werkstätten für Behinderte (vgl. §§ 55 Abs. 3 SchwbG i.d.F vom 8. Oktober 1979). Strebe ein Betrieb die Anerkennung nach § 225 Satz 1 SGB IX an, würden fachliche Anforderungen an die eingesetzten Arbeitnehmer gestellt. Diese müssten pädagogisch geeignet sein und über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügen. Eine Verknüpfung mit den tariflichen Eingruppierungsregeln sei jedoch nicht ersichtlich. Außerdem werde nicht erwartet, dass die sonderpädagogische Zusatzqualifikation nach § 9 Abs. 3 Satz 5, Abs. 2 Satz 3 WVO bereits bei Einstellung vorliege. Sie könne in angemessener Zeit durch Teilnahme an geeigneten Fortbildungsmaßnahmen nachgeholt werden.

Gegen dieses ihm am 6. Mai 2019 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20. Mai 2019 Berufung eingelegt, die er am 5. Juli 2019 begründet hat.

Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass eine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten nur aufgrund einer "spezifischen Berufsausbildung" erfolgen könne, über die der Kläger aber nicht verfüge. Die erheblich erweiterten Fachkenntnisse und Fertigkeiten ergäben sich aus den übertragenen Tätigkeiten als Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen (Teil B, II. Entgeltgruppen E 7.2. TV DN). Sie würden in § 9 WVO definiert. Dessen Abs. 3 Satz 3 regele, dass die Fachkräfte in der Regel Facharbeiter, Gesellen oder Meister mit einer mindestens zweijährigen Berufserfahrung in Industrie oder Handwerk sein sollten. Der zweite Halbsatz stelle klar, dass die Fachkräfte pädagogisch geeignet sein und über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügen müssten. Aus § 9 Abs. 3 Satz 4 WVO folge, dass entsprechende Berufsqualifikationen aus dem pädagogischen oder sozialen Bereich ausreichten, wenn die für eine Tätigkeit als Fachkraft erforderlichen sonstigen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Arbeitstrainings- und Arbeitsbereich anderweitig erworben worden seien. Die Vorschrift verweise auf Berufsqualifikationen aus dem pädagogischen oder sozialen Bereich, weil diese für eine Tätigkeit mit Menschen mit Behinderungen unbedingt erforderlich seien. Die Vorbeschäftigungszeiten des Klägers entsprächen diesen Anforderungen nicht. Es handele sich lediglich um im Rahmen einer gewöhnlichen Tätigkeit in einem Handwerks- oder Industriebetrieb erworbene Zeiten. Vorbeschäftigungen seien nur dann anzurechnen, wenn sie den spezifischen sowie fachlichen Anforderungen von Tätigkeiten eines Gruppenleiters in einer Werkstatt für behinderte Menschen entsprächen. Sie müssten gemäß § 9 Abs. 1 WVO Anforderungen enthalten, die erforderlich seien, um die Aufgaben entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen der behinderten Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer individuellen Förderung, zu erfüllen. Deshalb ergäben sich außerordentliche Unterschiede zwischen Werkstätten für behinderte Menschen und produzierenden Betrieben. In letzteren würden Arbeitnehmer und Maschinenpark mit dem Ziel eingesetzt, Gewinne zu erwirtschaften. In einer Werkstatt für behinderte Menschen stünden pädagogische Aspekte im Vordergrund wie die Rehabilitation und die Teilhabe am Leben; es gehe primär um sonderpädagogische Inhalte, um eine sinnvolle Beschäftigung anzubieten. Die Fachkräfte müssten deshalb nach § 9 Abs. 3 Satz 4 WVO pädagogisch geeignet sein und über eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation verfügen. Entsprechende Berufsqualifikationen aus dem pädagogischen oder sozialen Bereich reichten zwar aus, wenn die für eine Tätigkeit als Fachkraft erforderlichen sonstigen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Arbeitstrainings- und Arbeitsbereich anderweitig erworben worden seien.

Motiv für die am 29. April 2014 veränderte Änderung der Eingruppierung sei im Übrigen allein gewesen, dass Metallfachkräfte auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden seien. Deshalb habe die Beklagte die als Gruppenleiter eingesetzten Metallfachkräfte, insbesondere auch den Kläger, in die Entgeltgruppe 8 (100 %) eingruppiert und sich freiwillig bereit erklärt, von dem tariflichen Schema abzuweichen und übertariflich zu bezahlen. Die Änderungsvereinbarung enthalte keine Zusage dahingehend, dass frühere Tätigkeiten Anrechnung finden sollten. Der Kläger sei damit günstiger behandelt, als wenn er der Entgeltgruppe 7 Stufe 5 TV DN zugewiesen wäre.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 25.04.2019 - 5 Ca 315/18 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 6. August 2019 (Bl. 132, 133 d. A.) und des Schriftsatzes vom 19. September 2019 (Bl. 169 - 171 d. A.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird; zu den weiteren Ausführungen der Parteien zur Sach- und Rechtslage im zweiten Rechtszug wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung aus der Entgeltgruppe 8 Stufe 5 TV DN für Januar bis November 2018.

Auch der Antrag auf Feststellung einer entsprechenden Vergütungszahlung ab 1. Januar 2018 ist zulässig und begründet. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung, ab wann für ihn die Laufzeit der Stufe 5 TV DN beginnt: Nach zwei Jahren in dieser Stufe wird die Stufe 6 erreicht.

1.

Der Kläger ist zutreffend in Entgeltgruppe 8 TV DN eingruppiert, weil ihm Tätigkeiten übertragen sind, die erheblich erweiterte Fachkenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen.

a)

Zwar ist er ausweislich des Inhalts seines Arbeitsvertrages nicht als Meister, sondern als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt und wäre nach dem Tarifvertrag grundsätzlich in Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Die Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen werden nämlich in den Richtbeispielen der Entgeltgruppe 7.2. TV DN genannt.

aa)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Tarifverträgen sind die Erfordernisse eines Tätigkeitsmerkmals einer Entgeltgruppe regelmäßig dann als erfüllt anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine dem in der Entgeltgruppe genannten Regel- oder Richtbeispiel entsprechende Tätigkeit ausübt (BAG vom 12 Juni 2019 - 4 AZR 363/18 - juris Rn. 17; vom 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - juris Rn. 27; vom 18. April 2007 - 4 AZR 696/05 - juris Rn. 20, 21). Das beruht darauf, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Aufgaben einer bestimmten Vergütungsgruppe fest zuordnen können. Dies entspricht den bei der Tarifauslegung besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit, denen Tarifvertragsparteien bei der Abfassung von Tarifnormen im Allgemeinen gerecht werden wollen (BAG vom 19. August 2004 - 8 AZR 375/03 - juris Rn. 43). Auf die allgemeinen Merkmale muss nur dann zurückgegriffen werden, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfasst wird (BAG vom 25. September 1991 - 4 AZR 87/91 - juris Rn. 21; vom 23. September 2009 - 4 AZR 333/08 - juris Rn. 20). Das ist beispielsweise der Fall, wenn das Richtbeispiel in mehreren Vergütungsgruppen genannt wird oder wenn es selbst einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält, der nicht aus sich selbst heraus verständlich ist (vgl. BAG vom 12 Juni 2019 - 4 AZR 363/18 - juris Rn. 17).

bb)

Die Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen werden in den Richtbeispielen der Entgeltgruppe 7.2. TV DN - und nur in dieser - ausdrücklich genannt. Der Kläger ist als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen eingestellt und wird in dieser Funktion beschäftigt.

b)

Die Stellenbeschreibungen vom 3. November 2019 und vom 21. Oktober 2010 lassen nicht auf eine höherwertige Tätigkeit schließen. Sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass die übertragene Tätigkeit die berufliche Qualifikation und Erfahrung eines Meisters erfordert. Das Gegenteil ist der Fall. Ausweislich des Anforderungsprofils der Stellenbeschreibungen ist die abgeschlossene Ausbildung als Facharbeiter oder Geselle mit einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung in der Industrie oder im Handwerk ausreichend.

c)

Dennoch entspricht die dem Kläger zugewiesene Tätigkeit vorliegend ausnahmsweise den Anforderungen der Entgeltgruppe 8 TV DN.

aa)

In Entgeltgruppe 8 TV DN werden eingruppiert Arbeitnehmer/innen auf Arbeitsplätzen mit Tätigkeiten, die über die Anforderungen nach Entgeltgruppe 7 hinaus erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten sowie Verantwortung für Personal oder Betriebsmittel in höherem Ausmaß oder erheblich erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen.

bb)

Der Beklagte hat unstreitig gestellt, dass dem Kläger Tätigkeiten übertragen wurden, die erheblich erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen (siehe Seite 2, 2. Absatz der Berufungsbegründung). In der mündlichen Verhandlung hat er außerdem ausgeführt, der Kläger habe mehr Betriebsmittel zur Eigenfertigung als andere Gruppenleiter; darüber hinaus komme ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit die Ausbildung als Meister durchaus zu gute. Damit erfüllt der Kläger die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltsgruppe 8 TV DN.

2.

Aber auch unterstellt, die dem Kläger übertragenen Tätigkeiten entsprächen den allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 8 TV DN nicht, wäre er dennoch dieser Entgeltgruppe einschließlich der hierfür geltenden tariflichen Bestimmungen zur Stufenzuweisung zuzuordnen. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarung gemäß der Änderung zum Arbeitsvertrag vom 1. November 2009.

a)

Die in dem Änderungsvertrag vereinbarte Eingruppierung ist nach den für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen auszulegen. Unabhängig davon, ob die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vorformuliert worden ist, handelt es sich jedenfalls um eine sogenannte Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Verträge in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut heranzuziehen. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischer Weise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (stRspr., zB BAG vom 20. Juni 2018 - 7 AZR 619/16 - jurs, Rn. 20; vom 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - juris, Rn. 19; vom 19. Dezember 2018 - 10 AZR 233/18 - juris, Rn. 34; BGH vom 24. Oktober 2017 - IV ZR 504/16 - juris, Rn. 22).

b)

Danach konnte der Kläger die Änderung zum Arbeitsvertrag - auch wenn sie als übertarifliche Eingruppierung zu erkennen war - nur dahin verstehen, dass die tariflichen Bestimmungen der vereinbarten höheren Entgeltgruppe umfassend und dynamisch gelten sollten und die tariflichen Bestimmungen hierzu vollumfänglich Anwendung finden. Von einer nur statischen Bezugnahme, die die späteren tariflichen Regelungen wie etwa die ab 1. Januar 2018 geltende Stufenzuweisung und die Möglichkeit der Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten auch in Bezug auf die höher vereinbarte Entgeltgruppe 8 TV DN ausschließen sollte, konnte er nicht ausgehen. Ein solches Verständnis hätte der Beklagte in der Änderung zum Arbeitsvertrag klarstellen müssen, zumal sie in der Form einer allgemeinen Geschäftsbedingung vereinbart war.

3.

Auf der Grundlage dieses Auslegungsergebnisses erfüllt der Kläger die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 8 TV DN. Außerdem erfüllt er die Voraussetzungen der Stufe 5. Seine Vorbeschäftigungszeiten bei der A. und der L. sind anzurechnen.

a)

Die Regelungen zur Stufenzuweisung in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung des TV DN lauten, soweit vorliegend von Belang:

"I. Rahmenbestimmungen

...

§ 5

(1) Die Tabellen in Teil B Abschnitte III. Nr. 1 und 2 enthalten für die Entgeltgruppen E 3 bis E 5 jeweils zwei Stufenwerte und für die Entgeltgruppen E 6 bis E 14 jeweils sechs Stufenwerte.

(2) Die Arbeitnehmerinnen werden derjenigen Stufe ihrer Entgeltgruppe zugeordnet, die gemäß Absatz 5 dem jeweiligen Tätigkeitsjahr entspricht. Bei der Feststellung der Tätigkeitszeit zur Berechnung der Tätigkeitsjahre gemäß Absatz 4 und 5 werden nur volle Kalendermonate mit Entgelt- oder Entgeltersatzanspruch berücksichtigt. Bei Neueinstellung werden bis zu zwölf nachgewiesene Tätigkeitsjahre bei anderen Arbeitgebern anerkannt, wenn mindestens zwei Tätigkeitsjahre innerhalb der letzten sieben Jahre vor der Einstellung geleistet wurden, anderenfalls wir die Hälfte der nachgewiesenen Tätigkeitsjahre anerkannt.

(3) Höherstufungen erfolgen zum Monatsersten des Kalendermonats, der dem Zeitpunkt der Vollendung der für die Höherstufung maßgeblichen Tätigkeitsjahre gemäß Absatz 5 folgt.

(4) Auf die Tätigkeitszeit gemäß Absatz 2 angerechnet werden

- bei der Entgeltgruppe E 3 bis E 5 eingruppierten Arbeitnehmerinnen Zeiten beruflicher Tätigkeit, die bei mehr als geringfügiger Beschäftigung im entsprechenden oder vergleichbaren Tätigkeits- und Verantwortungsbereich, für den die Einstellung erfolgt ist, geleistet und nachgewiesen worden sind.

- bei in Entgeltgruppen E 6 bis E 14 eingruppierten Arbeitnehmerinnen Zeiten beruflicher Tätigkeit nach ordnungsgemäßem Ausbildungsabschluss bei mehr als geringfügiger Beschäftigung auf Arbeitsplätzen, deren Anforderungen in der Regel die spezifische Berufsausbildung der Arbeitnehmerin voraussetzen und die nachgewiesen worden sind.

Zeiten geringfügiger Beschäftigung beim Arbeitgeber werden unter den im Übrigen gleichen Voraussetzungen in dem Umfang als Tätigkeitszeit anerkannt, der dem jeweiligen Verhältnis ihrer arbeitsvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit eines Vollbeschäftigten gemäß Teil A § 9 Absatz 1 entspricht.

(5) Die Zuordnung zur Stufe in der jeweiligen Entgeltgruppe erfolgt

- Für die Entgeltgruppen E 3 bis E 5 eingruppierte Arbeitnehmerinnen zur Stufe 1 bis zum 15. Tätigkeitsjahr Stufe 2 ab dem 16. Tätigkeitsjahr

- Für die Entgeltgruppen E 6 bis E 14 eingruppierte Arbeitnehmerinnen zur

Stufe 1 bei bis zu zwei Tätigkeitsjahren

Stufe 2 ab dem 3. Tätigkeitsjahr

Stufe 3 ab dem 6. Tätigkeitsjahr

Stufe 4 ab dem 9. Tätigkeitsjahr

Stufe 5 ab dem 13. Tätigkeitsjahr

Stufe 6 ab dem 16. Tätigkeitsjahr nach 3 Tätigkeitsjahren beim Arbeitgeber in Stufe 5

(6) ...

Anmerkung zu § 5

Regelung für die Überleitung auf die ab dem 01.01.2018 gemäß § 5 geltende Tabellenstruktur

1. Alle Arbeitnehmerinnen, die am 31.12.2017 beschäftigt waren und am 01.01.2018 beim selben Arbeitgeber weiterbeschäftigt sind, werden der ihrer bisherigen Stufenzuordnung gemäß Teil B Abschnitt I § 5 Absatz 2 in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a. F.) entsprechenden Stufe und dem Tätigkeitsjahr zugeordnet, wie sie bei Fortgeltung der bisherigen Regelung am 01.01.2018 zutreffend gewesen wäre.

b. ...

c. Für in Entgeltgruppen E 6 bis E 14 eingruppierte Arbeitnehmerinnen entspricht Teil B Abschnitt I § 5 Absatz 2 a.F. das

1. und 2. Tätigkeitsjahr der Stufe 1

3. und 4. Tätigkeitsjahr der Stufe 2

5. und 6. Tätigkeitsjahr der Stufe 3

und ab 7. Tätigkeitsjahr der Stufe 4.

Bei der Überleitung dieser Arbeitnehmerinnen erforderliche Zuordnung zu einer Stufe erfolgt nach den bisher vom Arbeitgeber anerkannten Tätigkeitsjahren. Auf Antrag werden gemäß Absatz 4 anzurechnende Zeiten der Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern berücksichtigt, wenn die Arbeitnehmerin sie nachweist. Wer am 01.01.2018 mindestens zwölf gemäß Absatz 4 zu berücksichtigende Tätigkeitsjahre nachweist, wird der Stufe 5 zugeordnet.

d. ..."

b)

Danach führen die vom Beklagten bisher anerkannten Tätigkeitsjahre zunächst zur Stufe 4 der Entgeltgruppe 8 TV DN. Der Kläger ist bei dem Beklagten seit dem 1. November 2009 als Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt und befindet sich damit am 1. Januar 2018 im neunten Tätigkeitsjahr. Gemäß Anmerkung c. Abs. 1 zu § 5 TV DN entspricht das der Stufe 4 ("ab 7. Tätigkeitsjahr").

Der Kläger kann sich aber gemäß Anmerkung c. Abs. 2 Satz 2 und 3 zu § 5 TV DN auf anzurechnende Zeiten der Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern gemäß Abs. 4 berufen. Er hat rechtzeitig innerhalb der tariflichen Frist gemäß der Anmerkung c. Absatz 2 Satz 2 zu § 5 TV DN unter Nachweis vorheriger Beschäftigungszeiten einen Antrag gestellt, gemäß Abs. 4 anzurechnende Zeiten der Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern zu berücksichtigen. Die nachgewiesenen Jahre erreichen die geforderte Anzahl von mindestens zwölf. Sie sind auch "anzurechnende Zeiten der Tätigkeit bei anderen Arbeitgebern gemäß Absatz 4". Das ergibt die Auslegung der tariflichen Norm.

aa)

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 18. April 2007 - 4 AZR 696/05 - juris Rn. 19; vom 26. Januar 2005 - 4 AZR 6/04 - juris Rn.39).

bb)

In Anwendung dieser Grundsätze verfügt der Kläger über ausreichend anzurechnende Zeiten und ist der Stufe 5 zuzuweisen. Nicht erforderlich ist, dass die Beschäftigung bei den anderen Arbeitgebern eine sonderpädagogische Zusatzausbildung erforderte.

(1)

Schon der Wortlaut der Norm spricht für eine Anrechenbarkeit der vom Kläger abgeleisteten Vorbeschäftigungszeiten.

(a)

Der Tarifvertrag stellt auf eine "spezifische Berufsausbildung" ab. Nach Absatz 4 werden angerechnet "Zeiten beruflicher Tätigkeit nach ordnungsgemäßem Ausbildungsabschluss ... auf Arbeitsplätzen, deren Anforderungen in der Regel die spezifische Berufsausbildung der Arbeitnehmerin voraussetzen".

(aa)

Spezifisch bedeutet: "(art)eigen", "kennzeichnend", "charakteristisch", "eigentümlich", "der Art entsprechend" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 7. Aufl. 2000 S. 1177; Duden, Die duetsche Rechtschreibung, 26. Aufl. 2013; in diesem Sinne ähnlich: Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl. 2011 zu "Spezifikationskauf").

(bb)

Als Berufsausbildung (auch berufliche Bildung) wird die Ausbildung bezeichnet, die den Berufstätigen in die Lage versetzt, seinen Beruf auszuüben. Die Berufsausbildung muss damit sozusagen "einschlägig" sein, das heißt, die ausgeübte Tätigkeit muss dem Ausbildungsberuf und den darin vermittelten Kenntnissen entsprechen, so wie sie für die jetzige Tätigkeit erforderlich sind (vgl. BAG vom 19. November 2014 - 4 AZR 996/12 - juris Rn. 23).

(b)

Die sonderpädagogische Zusatzausbildung ist keine Berufsausbildung in diesem Sinne. Sie ist eine berufsbegleitende Fortbildung, die sich an Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen wendet und in zwanzig Monaten absolviert wird. Die Zielsetzung ist die Erweiterung der persönlichen, sozialen und fachlichen Wahrnehmungs- und Handlungskompetenz der Gruppenleitungen; die Grundlagen sind die Aufgabenstellung und der Auftrag der Werkstatt für behinderte Menschen entsprechend der WVO. Vor dem Hintergrund der täglichen Erfordernisse ihres Arbeitsplatzes werden die Teilnehmer qualifiziert, Menschen mit verschiedenen Behinderungen besser zu verstehen und entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten zu fördern, beruflich und ganzheitlich zu bilden und anzuleiten (vgl. www.akademie-fuer-rehaberufe.de > akademie > weiterbildung > oder www.pbwbremen.de > sonderpaedagogische-zusatzqualifikation).

(c)

Die sonderpädagogische Zusatzausbildung ist für die Tätigkeit als Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen auch nicht zwingend erforderlich. Weder § 9 WVO noch die Stellenbeschreibung des Arbeitgebers schreiben dies vor. Der Besitz einer sonderpädagogischen Zusatzqualifikation wird auch dort nur als "Sollbestimmung" formuliert. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung in der Anlage zum Arbeitsvertrag sollen die Gruppenleiter in Werkstätten für behinderte Menschen über eine abgeschlossene Ausbildung als Facharbeiter, Geselle oder Meister mit einer mindestens dreijährigen Berufserfahrung in der Industrie oder im Handwerk verfügen. Die Entgeltgruppe 6.1. fordert Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der Regel durch eine abgeschlossene, mindestens dreijährige Berufsausbildung erworben werden. Darüber hinaus verlangt die Entgeltgruppe 7.2. "über die Anforderungen nach Entgeltgruppe 6 hinaus erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten". Eine solche Ausbildung hat der Kläger. Er hat eine Ausbildung zum Mechaniker erfolgreich absolviert und darüber hinaus den Abschluss zum Meister im Maschinenbau. In diesem Beruf hat er zuvor jahrelang gearbeitet. Das Merkmal der spezifischen Berufsausbildung ist danach erfüllt.

(2)

Der Sinn und Zweck der Tarifnorm unterstreicht dieses Verständnis. Maßgeblicher Sinn der Tarifnorm ist es, die bei anderen Arbeitgebern erworbene Berufserfahrung in dem für die jetzige Beschäftigung benötigten Ausbildungsberuf ("spezifische Berufsausbildung") zu honorieren.

(3)

Der tarifliche Gesamtzusammenhang gibt für die Auslegung nichts her. Er differenziert allein nach den unteren und den oberen Entgeltgruppen.

(4)

Die Praktikabilität spricht ebenfalls für das gefundene Auslegungsergebnis. Denn das Abstellen auf Tätigkeitszeiten in einem bestimmten (einschlägigen bzw. spezifischen) Ausbildungsberuf kann leicht festgestellt werden, so dass das gefundene Auslegungsergebnis Streitigkeiten vermeiden kann.

(5)

Aus § 9 Abs. 2 WVO folgt nichts Anderes. Die Norm richtet sich zunächst an den Arbeitgeber. Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber eine Werkstatt für behinderte Menschen betreiben darf. Nach § 9 Abs. 1 WVO muss die Werkstatt über die Fachkräfte verfügen, die erforderlich sind, um ihre Aufgaben entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen der behinderten Menschen erfüllen zu können, insbesondere unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer individuellen Förderung von behinderten Menschen. Der Beklagte erfüllt die Voraussetzungen. Abs. 2 ist nur als Sollvorschrift ausgestaltet. Danach soll der Werkstattleiter in der Regel über einen Fachhochschulabschluss im kaufmännischen oder technischen Bereich verfügen oder einen gleichwertigen Bildungsstand, über ausreichende Berufserfahrung und eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation.

(6)

Dass die in § 9 WVO definierten Voraussetzungen für die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten heranzuziehen sind, findet auch im Übrigen im Tarifvertrag keinen Niederschlag. Die Voraussetzungen anzurechnender Zeiten legt allein § 5 Abs. 4 TV DN fest. Er enthält hierzu keine Hinweise.

c)

Auf der Grundlage dieses Auslegungsergebnisses verfügt der Kläger über ausreichend anzurechnende Zeiten und ist der Stufe 5 zuzuweisen. Die bei der A. und der L. von 1979 bis 2009 nach der Ausbildung zum Mechaniker und Abschluss der Meisterprüfung ausbildungsentsprechenden Tätigkeiten als Mechaniker und technischer Angestellter/Maschinenbaumeister sind Zeiten beruflicher Tätigkeit nach ordnungsgemäßem Ausbildungsabschluss bei mehr als geringfügiger Beschäftigung auf Arbeitsplätzen, deren Anforderungen in der Regel die spezifische Berufsausbildung des Klägers voraussetzen, auch wenn sie keine sonderpädagogische Zusatzausbildung erforderten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO iVm. 64 Abs. 6 ArbGG.

IV.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage ist die Revision zugelassen worden.