Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.03.2019, Az.: 14 Sa 667/18

Vorliegen einer Behinderung und Verlängerung von Befristungsverträgen mit wissenschaftlichen Mitarbeitern

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.03.2019
Aktenzeichen
14 Sa 667/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 47285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 03.07.2018 - AZ: 6 Ca 130/18 Ö

Fundstelle

  • öAT 2020, 37

Amtlicher Leitsatz

Im Fall einer Behinderung ist deren Kausalität für eine verzögerte Erreichung von Qualifizierungszielen keine Tatbestandsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 S. 6 WissZeitVG.

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 03.07.2018 - 6 Ca 130/18 Ö - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, gegenüber dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages als wissenschaftlicher Mitarbeiter für 22,5 Monate befristet in Vollzeit an der T. U. B., I., Abt. B. und B., vergütet nach der Entgeltgruppe 13 TV-L, abzugeben.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird für das Berufungsverfahren auf 14.146,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Seiten 2 bis 5, verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt das beklagte Land sein erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren weiter: Zu den wesentlichen Aufgaben der H. gehöre die Fortentwicklung der Wissenschaft und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und dessen Qualifizierung für eine Tätigkeit auch außerhalb der H.. Zur Sicherung einer entsprechenden Fluktuation werde auf der Grundlage des WissZeitVG dieser Aspekt in der Personalplanung berücksichtigt. Es wäre für das beklagte Land rechtlich nicht zulässig, den Kläger erneut befristet einzustellen, weil die Voraussetzungen für eine Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG nicht vorlägen, weil zu den Aufgabenschwerpunkten auch die Gelegenheit zur eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung zähle, die beim Kläger nicht mehr erreicht werden könne. Wegen der hervorragenden wissenschaftlichen Qualifikationen des Klägers wäre eine Verlängerung der Befristung nach der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 1 S. 6 WissZeitVG zumindest rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen wäre die Verlängerung nur noch über einen Zeitraum von einem Jahr, zehn Monaten und 19 Tagen und nicht über die ausgeschriebene Dauer von zunächst zwei Jahren möglich.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 3. Juli 2018, Az.: 6 Ca 130/18 Ö, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 27.03.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist nur insoweit begründet, als das Arbeitsgericht versehentlich die Befristungsdauer nicht in den Tenor aufgenommen hat.

Das Gericht folgt den ansonsten sorgfältigen und überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil und macht sich diese zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgender weiterer Begründung:

Obgleich die T. U. B. gemäß §§ 15, 2 NHG eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung ist, haben die Parteien doch in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass das beklagte Land als infrage kommender Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren die richtige beklagte Partei ist.

Soweit das beklagte Land mit seiner Berufung meint, die Stellenanforderung einer Befristungsmöglichkeit nach dem WissZeitVG sei nicht gegeben, vermag das Gericht dem nicht zu folgen.

Wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber im Falle einer anerkannten Behinderung deren Kausalität für eine verzögerte Erreichung von Qualifizierungszielen nicht zur Tatbestandsvoraussetzung erhoben. Daher kann es für die insgesamt zulässige Befristungsdauer im Rahmen des § 2 Abs. 1 S. 6 WissZeitVG keine Rolle spielen, ob der Kläger, wie das beklagte Land hervorhebt, über eine hervorragende wissenschaftliche Qualifikation verfügt oder nicht. Im Übrigen ist das beklagte Land der Argumentation des Arbeitsgerichts nicht überzeugend entgegengetreten, wonach dem Kläger die weitere wissenschaftliche Qualifizierung auf erhöhtem Ausgangsniveau eröffnet sei. Daher ist auch diese in der Stellenausschreibung zu den Aufgabenschwerpunkten genannte Gelegenheit im Falle des Klägers gegeben. Davon unabhängig kommt die von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung besonders hervorgehobene Fluktuation und Erneuerung zur Fortentwicklung der Wissenschaft und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Stellenausschreibung nicht ausreichend zum Ausdruck, wie es etwa bei einer Stelle zur Ermöglichung der Durchführung eines Promotionsvorhabens der Fall sein könnte. Das beklagte Land suchte mit der Stellenausschreibung eine ausdrücklich in Unterrichtspraxis und/oder universitärer Lehre erfahrene Person, die die universitäre Lehre vorbereitet und durchführt und dabei wissenschaftlich zu arbeiten und anteilige Verwaltungsaufgaben zu übernehmen hat und die nur unter anderem und in einem nicht näher hervorgehobenen Umfang die Gelegenheit zur eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung erhalten sollte.

Dass der Kläger von allen Bewerbern nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung die besten Voraussetzungen mitbrachte, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Soweit die Stelle "zunächst" auf zwei Jahre befristet sein sollte, steht dies einer Einstellung des Klägers nicht deshalb entgegen, weil für ihn nach Ablauf dieser Zeit eine weitere Befristung nach dem WissZeitVG nicht möglich wäre. Die Stellenausschreibung enthält schon keinerlei verbindlichen Hinweis darauf, dass anschließend eine weitere Befristung erfolgen würde, ganz abgesehen davon, dass diese einen Sachgrund haben könnte. Im Übrigen stand eine weitere Stellenbesetzung noch gar nicht fest. Überlegungen zu Folgearbeitsverträgen sind für die hier allein maßgebliche Stellenausschreibung vom 19.01.2018 somit unbehelflich.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger wegen der im Vergleichswege vereinbarten kurzzeitigen Verlängerung seines letzten befristeten Arbeitsvertrages nach dem WissZeitVG nicht mehr volle 24 Monate befristet eingestellt werden könnte. Das Arbeitsgericht hat angenommen, das beklagte Land habe keine sachlichen Gründe dafür vorgetragen, dass ein Arbeitsvertrag über 24 Monate abgeschlossen werden müsse, eine Befristungsdauer von 22,5 Monaten hingegen nicht ausreiche. Derartige sachliche Gründe nennt das beklagte Land auch in seiner Berufungsbegründung nicht. Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich frei darin ist, ob und in welchem Umfang er befristete Stellen ausschreibt, würden beim Fehlen eines irgendwie nachvollziehbaren sachlichen Grundes derart geringfügige Verkürzungen der vorgegebenen Befristungsdauer von etwa 6 % der Gesamtzeit nicht dazu führen, dass die gestellte Anforderung als nicht erfüllt angesehen werden müsste, noch dazu wenn diese Verkürzung auf einem kurz zuvor abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich der Parteien beruht.

Das Gericht war auch auf der Grundlage der Antragstellung des Klägers und somit des von ihm bestimmten Streitgegenstands nicht gehalten, die Frage zu klären, ob er tatsächlich 24 Monate befristet nach dem WissZeitVG beschäftigt werden könnte. Das Gericht versteht das angefochtene Urteil im letzten Absatz der Entscheidungsgründe so, dass das Arbeitsgericht für den Kläger von einer Befristungsdauer von 22,5 Monaten ausgegangen ist. Seiner Argumentation liegt zugrunde, dass es eine Befristung über genau 24 Monate nicht als sachlich notwendig ansieht und daher eine Befristung von 22,5 Monaten ausreicht. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt. Soweit dieser Wille des Arbeitsgerichts im Tenor nicht zum Ausdruck gekommen ist, hat das erkennende Gericht das Urteil teilweise abgeändert.

Auch eine Würdigung des weiteren Sachvortrags der Parteien, von deren Darstellung im Einzelnen Abstand genommen wird, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO. Die Verkürzung der Befristungsdauer um 1,5 Monate erachtet das Gericht als verhältnismäßig geringfügig im Sinne dieser Vorschrift. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Gegen diese Entscheidung ist daher kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.