Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.11.2001, Az.: 11 LB 689/01
Fertigprodukt; Fleisch; jodiertes Nitritpökelsalz; Kennzeichnung; Klassenname; Konservierungsmittel; Lebensmittel; Lebensmittelkennzeichnung; Nitrit; Zusatzstoff; Zutat
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.11.2001
- Aktenzeichen
- 11 LB 689/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40464
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.09.2000 - AZ: 3 A 21/99
Rechtsgrundlagen
- § 17 LMG
- § 6 Abs 4 Nr 2 LMKV
- § 5 Abs 2 Nr 2 LMKV
- § 5 ZZulV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Wird bei der Herstellung fertig verpackter Fleischerzeugnisse die Zutat "jodiertes Nitritpökelsalz" verwendet, so ist die Angabe des Klassennamens "Konservierungsstoff" gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV) erforderlich, wenn bei der Herstellung des Lebensmittels der Zusatzstoff Nitrit in einer Menge von mehr als 80 mg/kg zugesetzt wird.
2. Es spricht Überwiegendes dafür, dass nach Änderung der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV) vom 29. Januar 1998 (BGBl. I S. 230) durch Art. 1 der 1. Verordnung zur Änderung zusatzstoffrechtlicher Vorschriften vom 13. November 2000 (BGBl. I S. 1520) der Zusatzstoff "Nitrit" nur noch als Konservierungsstoff eingesetzt werden darf.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt einen fleischverarbeitenden Betrieb, der diverse fertig verpackte Fleischerzeugnisse vertreibt. Bei der Herstellung wird die Zutat "jodiertes Nitritpökelsalz" verwendet. Diese Zutat etikettiert die Klägerin in bisheriger Praxis mit der Bezeichnung "jodiertes Nitritpökelsalz" ohne den Zusatz "Konservierungsmittel".
Mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 wandte sich die Klägerin an den Beklagten mit der Bitte, festzustellen, dass die bisherige Etikettierung nach dem neuen Zusatzstoffrecht -- die Zusatzstoffzulassungsverordnung (ZZulV) war 1998 ebenso wie andere lebensrechtliche Vorschriften geändert worden -- weiterhin zulässig sei. Hilfsweise begehrte sie festzustellen, dass das in der Zutat "jodiertes Nitritpökelsalz" enthaltene Nitrit/Nitrat allenfalls als "Stabilisator", nicht jedoch als "Konservierungsmittel" zu deklarieren sei. Zur Begründung führte sie aus, sie befürchte eine Verunsicherung des Verbrauchers und entsprechende Umsatzrückgänge, wenn ihre Produkte nunmehr den Zusatz "Konservierungsmittel" erhielten.
Der Beklagte antwortete im Januar 1999, die Angabe nur von "Nitritpökelsalz" auf den Fertigpackungen ohne die zusätzliche Angabe des Klassennamens sei nach dem neuen Zusatzstoffrecht rechtswidrig. Als Klassennamen sei zudem "Konservierungsstoff" und nicht "Stabilisator" anzugeben. Zur näheren Begründung führte er im wesentlichen aus: Nitritpökelsalz sei eine zusammengesetzte Zutat, die aus Mischungen von Natrium- und Kaliumnitrit bzw. Natrium- bzw. Kaliumnitrat (im Folgenden nur: Nitrit) mit Kochsalz, jodiertem Kochsalz oder Kochsalzersatz bestehe. Technologisch wirke der Zusatz von Nitritpökelsalz bzw. Nitrit zu Lebensmitteln unterschiedlich, nämlich als Konservierungsstoff, Antioxydationsmittel, als Stabilisator und Geschmacksverstärker. In der Richtlinie 95/2/EG vom 20. Februar 1995 (Anhang III Teil C) sei Nitrit unter der Überschrift "Andere Konservierungsmittel" aufgeführt, u.a. jeweils mit bestimmten Richtwerten. Nach Auffassung der EG-Kommission habe Nitrit mithin hauptsächlich einen konservierenden Effekt. Die übrigen Wirkungen seien nach der Wertung der EG nur unvermeidbare Begleiterscheinungen. Gemäß Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie dürften die in Anhang III aufgeführten Zusatzstoffe nur unter den dort festgelegten Bedingungen (also als Konservierungsstoffe mit Richtwerten für die zugesetzte Menge) verwendet werden. In der deutschen Zusatzstoffzulassungsverordnung in der seit Januar 1998 geltenden Fassung (ZZulV 1998), die die EG-Richtlinie in innerstaatliches Recht umsetze, sei Nitrit (ebenfalls mit Richtwerten) allerdings abweichend von der EG-Richtlinie unter der Rubrik "Zusatzstoffe, die nur für bestimmte Lebensmittel zugelassen sind" aufgeführt (vgl. ZZulV 1998, Anlage 4 Teil B Liste 1), also ohne Bestimmung des technologischen Zwecks, insbesondere ohne den Hinweis auf eine konservierende Funktion. Gehöre eine Zutat wie Nitrit zu mehreren Klassen, so sei nach deutschem Recht auf dem Fertigprodukt jeweils die Klasse anzugeben, der die Zutat aufgrund ihrer hauptsächlichsten Wirkung für das betreffende Lebensmittel zuzuordnen sei. Der Juristische Dienst der EU habe sich dahingehend geäußert, dass Nitrit gemeinschaftsrechtlich nur als Konservierungsmittel zugelassen sei. Diese Auffassung sei vom ständigen Lebensmittel-Ausschuss in seiner Sitzung am 19. Juni 1998 bestätigt worden. Wegen der Pflicht der Mitgliedsstaaten zu richtlinienkonformer Auslegung des innerstaatlichen Rechtes sei daher davon auszugehen, dass Nitritpökelsalz bzw. Nitrit im Rahmen seiner zulässigen Verwendung bei Fleischwaren beim Inverkehrbringen in Fertigpackungen im Zutatenverzeichnis mit dem Klassennamen "Konservierungsmittel" zu kennzeichnen sei.
Die Klägerin hat am 4. März 1999 Feststellungsklage erhoben und zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Sie nehme für sich in Anspruch, die von ihr vertriebenen fertig verpackten Fleischerzeugnisse mit der Zutat jodiertes Nitritpökelsalz wie bisher ohne die zusätzliche Angabe "Konservierungsmittel" in Verkehr zu bringen. Dies stelle ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO dar. Auf telefonische Nachfrage habe ihr der Beklagte für den Fall der weiteren Etikettierung ohne den Zusatz "Konservierungsmittel" die Einleitung eines Bußgeldverfahrens angedroht, so dass sie auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses habe. Sie sei im übrigen auf gesicherte Rechtsverhältnisse angewiesen, um ihre wirtschaftlichen Dispositionen hierauf einstellen zu können. In der bisherigen Auskunft des Beklagten sei kein Verwaltungsakt zu sehen. Ein Abwarten auf den Erlass eines solchen sei ihr nicht zumutbar. Die Klage sei auch begründet. Aus der Einordnung von Nitriten in der ZZulV 1998 (dort Anlage 4 Teil B Liste 1) als "Zusatzstoffe, die nur für bestimmte Lebensmittel zugelassen sind", ergebe sich keine zwingende Einordnung dieser Zusatzstoffe als "Konservierungsmittel". Gemäß § 5 Abs. 1 ZZulV 1998 seien die in Anlage 4 aufgeführten Zusatzstoffe für die dort genannten Lebensmittel zu den in Anlage 7 angegebenen technologischen Zwecken zugelassen. Anlage 7 wiederum führe 25 technologische Zwecke auf. Da Nitritpökelsalz (bzw. Nitrit) antioxydative, konservierende, stabilisierende und geschmackliche Wirkung habe, sei die Wirkung von Nitrit jeweils einzelfallbezogen auf das jeweilige Produkt zu beurteilen. Für die umstrittenen Fertigfleischprodukte käme die Wirkung von Nitrit als "Stabilisator" in Betracht, nämlich als Stoff, durch welchen die vorhandene Farbe eines Lebensmittels stabilisiert, bewahrt oder intensiviert wird. Aus einer richtlinienkonformen Auslegung der bundesdeutschen Vorschriften ergebe sich nichts anderes. Zwar werde Nitrit in der Richtlinie 95/2/EG (dort Anhang III Teil C) unter der Rubrik "Andere Konservierungsmittel" aufgeführt. Daraus könne jedoch nicht auf eine generelle Einordnung von Nitrit als Konservierungsmittel geschlossen werden. Allein die Überschrift "Andere Konservierungsmittel" in der EG-Richtlinie lasse eine solche Schlussfolgerung nicht zu; denn Überschriften hätten keinen Regelungsgehalt. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass in der EG-Richtlinie (Anhang III Teil C) für den Zusatzstoff Nitrit jeweils ein Richtwert -- zum einen für die zugesetzte Menge bei der Verarbeitung und zum anderen für die höchst zulässige Menge zum Zeitpunkt der Abgabe an den Endverbraucher -- festgesetzt sei. Hieraus sei zu schließen, dass eine konservierende Wirkung nur bei Verwendung der Richtwertmenge angenommen werden könne. Würden die Zusatzstoffe dagegen -- wie im Falle der Klägerin -- in geringerer Menge eingesetzt, also vom in der EG-Richtlinie vorgegebenen Richtwert nach unten abweichen, sei auch nach Ansicht des EG-Richtliniengebers die konservierende Wirkung nicht bzw. nicht mehr gegeben. Selbst nach der Richtlinie 95/2/EG sei damit Nitrit nicht zwingend stets als Konservierungsmittel anzusehen. Außerdem träfen europäische Richtlinien -- im Gegensatz zu EG-Verordnungen -- grundsätzlich nur hinsichtlich des Regelungszieles verbindliche Vorgaben und ließen den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung einen merklichen Gestaltungsspielraum. Von diesem Umsetzungsspielraum habe der bundesdeutsche Gesetzgeber im Hinblick auf den bisherigen Einsatz von Nitritpökelsalz in der deutschen Herstellungspraxis Gebrauch gemacht, indem er dem in der Bundesrepublik vorherrschenden Verständnis über die Eigenschaften von Nitritpökelsalz Rechnung getragen habe, wonach diesem neben der konservierenden je nach der eingesetzten Menge noch andere Wirkungen beigemessen würden. Indem der deutsche Gesetzgeber Nitrit in der ZZulV 1998 (Anlage 4 Teil B Liste 1) unter der Überschrift "Für bestimmte Lebensmittel zugelassene Zusatzstoffe" aufgenommen habe, habe er zum Ausdruck gebracht, dass es dem Anwender wie bislang freistünde, die Nitrite in ihren unterschiedlichen Funktionen einzusetzen und dann entsprechend der konkreten Funktion beim jeweiligen Produkt zu bezeichnen. Diese deutsche Umsetzung habe die Europäische Kommission im Notifizierungsverfahren auch nicht beanstandet. Die Feststellung des ständigen Lebensmittelausschusses, Nitrite nur noch als Konservierungsmittel zuzulassen, sei mit deren gesundheitsgefährdenden Wirkungen begründet worden. Die Einstufung von "Nitritpökelsalz" nur noch als Konservierungsmittel sei jedoch wenig durchdacht. Werde nämlich Nitritpökelsalz ausschließlich als Konservierungsstoff zugelassen, müssten Verwender, die den Zusatzstoff bisher in geringen und unschädlichen Mengen z.B. lediglich zur Farbstabilisierung eingesetzt hätten, den Stoff nunmehr in einer hohen, eine Konservierung bewirkenden Dosis einsetzen. Würden dagegen -- soweit nur eine Farbstabilisierung bezweckt werde -- weiterhin Nitrite in geringeren Mengen eingesetzt, führe die gleichwohl nach der Auffassung des ständigen Lebensmittelausschusses erforderliche Kennzeichnung als Konservierungsstoff zu einer Täuschung des Verbrauchers, da im Endprodukt tatsächlich eine konservierende Wirkung nicht gegeben sei.
Im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurde bekannt, dass die ZZulV geändert und u. a. Nitrit (Kalium-Natriumnitrit/Kalium-Natriumnitrat) (wiederum gekoppelt mit Richtwertangaben) nunmehr in Anlage 5 Teil C Liste 1 ausdrücklich -- wie auch in der EG-Richtlinie -- unter der Überschrift "Andere Konservierungsstoffe" erfasst werden solle.
Im Hinblick hierauf trug die Klägerin vor, die (damals noch geplante, mittlerweile vollzogene) Änderung der ZZulV sei für den Rechtsstreit ohne Bedeutung. Maßgeblich seien nämlich allein die kennzeichnungsrechtlichen Vorschriften nach der für Lebensmittel in Fertigprodukten geltenden Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV). Denn nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der ZZulV blieben ausdrücklich die Vorschriften der LMKV über das Verzeichnis der Zutaten unberührt. Zwar werde Nitrit als Konservierungsstoff bei der Produktherstellung verwandt. Für die in § 6 Abs. 4 Nr. 2 LMKV vorgeschriebene Kennzeichnung sei aber nicht die Wirkung eines Zusatzstoffes im Herstellungsprozess maßgeblich, sondern die Wirkung im fertigen, verkehrsfähigen Lebensmittel in der Fertigpackung, die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sei. Denn geschützt werde der Verbraucher und nicht das Lebensmittel. Technologische Zwischenschritte seien für die Verbraucherinformation uninteressant, was sich auch aus der in § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV getroffenen Regelung ableiten lassen, wonach Stoffe der Anlage 2 der Zusatzstoffverkehrsordnung (ZVerkV), die in einer oder mehreren Zutaten eines Lebensmittels enthalten wären, nicht als Zutaten gelten, sofern sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung ausüben. Bei Abschluss der Produktherstellung, also zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens, sei das Nitrit in ihren Fleischerzeugnissen aber nur noch in so geringen Mengen vorhanden, dass allenfalls noch eine farbstabilisierende oder antioxydative Wirkung gegeben sei. Schon nach der amtlichen Begründung zu § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV sei davon auszugehen, dass Konservierungsstoffe in der Regel im Enderzeugnis keine technologische Wirkung mehr ausübten, wenn der Anteil der Zutaten, in der sich Konservierungsstoffe befänden, in einem Kilogramm des Enderzeugnisses nicht mehr als 20 g betrage. Die Feststellungsanträge zu 2 und 3 seien zulässig, weil die Beklagte auch diese Deklarationsvarianten beanstande.
Die Klägerin hat beantragt,
1) festzustellen, dass es nicht gegen § 9 Zusatzstoff-Zulassungsverordnung vom 29.1.1998 (BGBl. I S. 230) in Verbindung mit § 6 Abs. 4 LMKV verstößt, wenn sie die Zutat "jodiertes Nitritpökelsalz" bei den von ihr in den Verkehr gebrachten fertig verpackten Fleischerzeugnissen in der Zutatenliste ohne die zusätzliche Angabe des Klassennamens "Konservierungsstoff" deklariert;
2) festzustellen, dass es nicht gegen § 9 Zusatzstoff-Zulassungsverordnung vom 29.1.1998 (BGBl. I S. 230) in Verbindung mit § 6 Abs. 4 LMKV verstößt, wenn sie die Zutat "jodiertes Nitritpökelsalz" bei den von ihr in den Verkehr gebrachten fertig verpackten Fleischerzeugnissen in der Zutatenliste als "jodiertes Nitritpökelsalz (Antioxydationsmittel: Nitrit, Kochsalz)" deklariert,
3) festzustellen, dass es nicht gegen § 9 Zusatzstoff-Zulassungsverordnung vom 29.1.1998 (BGBl. I S. 230) in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Ziff. 6 LMKV verstößt, wenn sie die Zutat "jodiertes Nitritpökelsalz" bei den von ihr in den Verkehr gebrachten fertig verpackten Fleischerzeugnissen in der Zutatenliste als "jodiertes Nitritpökelsalz (Kochsalz, Natriumnitrit)" deklariert ohne Angabe eines Klassennamens in der Klammer.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber unbegründet. Gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 LMKV müssten Stoffe, die in der Anlage 2 zur Zusatzstoff-Verkehrsverordnung (ZVerkV) aufgeführt seien, mit dem Namen der Klasse auf dem Etikett angegeben werden, wenn sie zu einer der in der Anlage 2 zur LMKV aufgeführten Klasse gehörten. Das in Nitritpökelsalz enthaltene Nitrit sei in der Anlage 2 zur ZVerkV enthalten, und zwar unter der Nr. E-250. Die hauptsächlichste Wirkung von Nitrit sei eine konservierende, wie sich aus der EG-Richtlinie 95/2 ergebe. Der Klassenname "Konservierungsmittel" sei daher auf dem Etikett anzugeben, so dass das Klagebegehren erfolglos bleiben müsse.
Mit Urteil vom 27. September 2000, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Senat gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassene Berufung der Klägerin.
Sie weist erneut darauf hin, dass für die Kennzeichnung eines Lebensmittels nach den Bestimmungen der LMKV nur der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fleischerzeugnisses entscheidend sei, nicht jedoch der Herstellungsprozess. Im Zeitpunkt des Inverkehrbringens habe das Natriumnitrit in den Fleischerzeugnissen der Klägerin keinerlei konservierende Wirkung mehr. Zum einen werde nämlich einem Teil ihrer Fleischerzeugnisse schon im Herstellungsprozess Nitrit nur zur Geschmacksverstärkung bzw. Farbstabilisierung zugegeben, also deutlich weniger als für eine Konservierung erforderlich. Zum anderen verändere sich bei den Fleischerzeugnissen, denen zu Beginn der Herstellung Nitrit in einer zur Konservierung führenden Menge zugegeben werde, die Wirkung dieses Nitrits im Laufe der Herstellung. Bei Abschluss der Produktherstellung sei auch in diesen Fällen Nitrit nur noch in einer Restmenge zwischen 5 bis 20 Milligramm pro Kilogramm enthalten. Von einer derartig geringen Menge ginge aber keinerlei Konservierungswirkung mehr aus.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach den erstinstanzlich gestellten Klageanträgen mit der Maßgabe zu erkennen, dass es Zusatzstoff-Zulassungsverordnung in der neuesten Fassung heißen muss.
Darüber hinaus regt die Klägerin folgende Vorlagefragen an den EuGH an:
1. Ist Anhang III, Teil C der Richtlinie 95/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel vom 20.02.1995 so auszulegen, daß Nitrit/Nitrat grundsätzlich als Konservierungsmittel zugelassen ist?
2. Bejahendenfalls: Gilt dies auch für den Fall, in dem aufgrund der Konzentration des zugesetzten Nitritpökelsalzes eine konservierende Wirkung aufgrund des Abbaus nicht, sondern stattdessen eine farbstabilisierende Wirkung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. v der Richtlinie 95/2/EG oder eine stabilisierende Wirkung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchstabe b der Richtlinie 95/2/EG erreicht wird?
3. Falls Frage 1 bejaht wird, bedeutet dies, daß Nitrit im Rahmen der Kennzeichnung von vorverpackten Lebensmitteln zwingend mit der Klassenangabe "Konservierungsstoff" zu kennzeichnen ist, oder ist eine Klassenangabe entsprechend der tatsächlichen Wirkung des Zusatzstoffes im Enderzeugnis zum Zeitpunkt der Abgabe an den Verbraucher (z. B. Antioxidationsmittel) erforderlich?
Der Beklage beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens weist er nochmals darauf hin, dass der Gesetzgeber gerade durch die Änderung der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung deutlich gemacht habe, dass Nitrit nur noch als Konservierungsstoff, der als solcher zu deklarieren sei, verwandt werden solle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Mit dem Verwaltungsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass ein Feststellungsinteresse der Klägerin besteht, mithin die von ihr erhobene Feststellungsklage zulässig ist.
2. Materiellrechtlich war dem Klageantrag zu 1) zu entsprechen, soweit die Klägerin bei der Herstellung ihrer Fleischerzeugnisse nicht mehr Nitrit als 80 mg pro kg zusetzt. Die darüber hinausgehende Klage war dagegen abzuweisen.
Maßgebend für die Etikettierungsvorschriften ist die Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln (Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung -- LMKV --) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1999 (BGBl. I S. 2464, geändert durch Art. 3 der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Spirituosen und anderer lebensmittelrechtlichen Verordnungen vom 8.12.2000 -- BGBl. I S. 1686). Die LMKV regelt die grundsätzliche Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel in Fertigpackungen, die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmt sind (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 104, LMKV, Vorbem. 1, 6; Hagenmeyer, LMKV, Komm., 1. Aufl. 2001, Einf. Rdnr. 4; vgl. auch § 1 Abs. 2 S. 2 der Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken -- ZZulV -- v. 29.01.1998, geändert durch Art. 1 der Ersten Verordnung zur Änderung zusatzstoffrechtlicher Vorschriften v. 13.11.2000 -- BGBl. I 1998 S. 230, 2000 S. 1520).
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 LMKV dürfen Lebensmittel in Fertigpackungen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn u. a. das Verzeichnis der Zutaten nach Maßgabe der §§ 5 und 6 LMKV angegeben ist.
§ 6 LMKV bestimmt:
"1. Das Verzeichnis der Zutaten besteht aus einer Aufzählung der Zutaten des Lebensmittels in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der Herstellung des Lebensmittels. Der Aufzählung ist ein geeigneter Hinweis voranzustellen, in dem das Wort "Zutaten" erscheint.
2. ...
3. Die Zutaten sind mit ihrer Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 4 anzugeben. ....
4. Abweichend von Abs. 3
1. ...
2. müssen Stoffe der Anlage 2 der Zusatzstoff-Verkehrsverordnung, die zu einer der in Anlage 2 aufgeführten Klassen gehören, ... mit dem Namen dieser Klasse, gefolgt von der Verkehrsbezeichnung oder der E-Nr. angegeben werden; gehört eine Zutat zu mehreren Klassen, so ist die Klasse anzugeben, der die Zutat aufgrund ihrer hauptsächlichen Wirkung für das betreffende Lebensmittel zuzuordnen ist. ...
5. ...
6. ..."
Nitritpökelsalz ist eine Mischung von Natrium- oder Kaliumnitrit mit Kochsalz, jodiertem Kochsalz oder Kochsalzersatz. Die Klägerin verwendet (wie aus ihren Anträgen ersichtlich) eine Mischung aus Natriumnitrit mit jodiertem Kochsalz.
In der Anlage 2 zu der Verordnung über die Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke (Zusatzstoff-Verkehrsverordnung -- ZVerKV -- v. 29. 1. 1998 (BGBl. I S. 230, 269), zuletzt geändert durch Art. 2 der 1. Verordnung zur Änderung zusatzstoffrechtlicher Vorschriften vom 13. 11. 2000 (BGBl. I, 1520), ist auch Natriumnitrit aufgeführt, und zwar unter der E-Nr. 250. Dieser Zusatzstoff ist daher gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 LMKV mit seinem Klassennamen zu etikettieren.
Der weitere Bestandteil des von der Klägerin zur Herstellung ihrer Fertigprodukte verwandten Nitritpökelsalzes, das Kochsalz, muss hingegen nicht mit Klassennamen angegeben werden, da es nicht als Zusatzstoff, sondern als sonstiger Stoff angesehen wird (vgl. hierzu die Begründung zur 1. Verordnung zur Änderung zusatzstoffrechtlicher Vorschriften v. 13.11.2000 in Beiakte B Teil 2 a. E.).
Von Natriumnitrit können während des Pökelns vier Wirkungsweisen ausgehen: Stabilisierung des Muskelfarbstoffes (minimal notwendige Menge: ca. 30 bis 50 mg pro kg); Aromatisierung (ca. 20 bis 40 mg pro kg); Konservierung (ab ca. 80 mg pro kg); antioxydative Wirkung (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 235, Fleisch-Verordnung, § 1 Rdnr. 7; vgl. auch Beiakte B Teil 5 Weber: "Mikrobiologie der Lebensmittel, Fleisch und Fleischerzeugnisse", sowie Beiakte B Teil 6, Dr. Stanislawski "Das Zusatzstoffrecht für Fleisch- und Wurstwaren"). Daher kann Nitrit den in Anlage 2 zur LMKV genannten Klassen Konservierungsstoff, Antioxydationsmittel, Stabilisator und Geschmacksverstärker zugeordnet werden. Natriumnitrit dient mithin mehreren technologischen Zwecken und gehört demzufolge zu mehreren Klassen.
Gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 2. Halbs. LMKV ist bei der Kennzeichnung in einem derartigen Fall die Klasse anzugeben, der die Zutat aufgrund ihrer hauptsächlichen Wirkung für das betreffende Lebensmittel zuzuordnen ist.
Bei der Bestimmung der hauptsächlichen Wirkung im Sinne von § 6 Abs. 4 Nr. 2 2. Halbs. LMKV ist die konkrete Zweckbestimmung des zugesetzten Stoffes in dem jeweiligen Lebensmittel maßgebend, nicht der Zweck, für den der betreffende Stoff normalerweise hauptsächlich Verwendung findet. Es kommt auf die Verwendung des Stoffes im konkreten Einzelfall an (Horst, Verbraucherinformation bei verpackten Lebensmitteln, 1988 S. 79 f; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 104, LMKV, § 6 Rdnr. 53; Hagemeyer, LMKV, Komm., 1. Aufl. 2001, § 6 Rdnr. 41). Der Regelung des § 6 Abs. 4 Nr. 2 LMKV liegt der Gedanke zugrunde, dass die bloße Aufführung dieser Stoffe mit ihrer Verkehrsbezeichnung (hier Natriumnitrit) für den Verbraucher in der Regel wenig aussagekräftig ist, da er von den zumeist chemischen Begriffen in der Regel keine sachliche Vorstellung hat. Dagegen ist es informativer, wenn eine Aussage über die Funktion des jeweiligen Stoffes getroffen wird, die erläutert, zu welchem Zweck (Konservierung, Stabilisierung usw.) er in dem jeweiligen Lebensmittel eingesetzt wird.
Da die unterschiedliche Wirkung von Nitritpökelsalz bzw. Natriumnitrit und damit auch die Zuordnung zu einer Klasse von der Höhe der Dosierung abhängt, muss von der jeweiligen Dosierung des Stoffes im Einzelfall auf die hauptsächliche Wirkung für das jeweilige Lebensmittel geschlossen werden. Die durch die Dosierung vorgegebene hauptsächlichste Wirkung für das jeweilige Lebensmittel ist dabei nach objektiven Kriterien zu bestimmen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich gemacht, dass sie ihren Fleischerzeugnissen bei der Herstellung in unterschiedlichem Maße Nitrit zufügt. Der Senat geht in Anlehnung an die oben dargestellten lebensmittelrechtlichen Grenzwerte und unter Berücksichtigung des Vortrags der Lebensmittelchemiker der Klägerin in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass die maßgebliche Grenze des Nitrits zur Eigenschaft als Konservierungsmittel bei einer Verwendung von mehr als 80 mg pro kg liegt.
a) Soweit die Klägerin bei der Herstellung ihrer Fleischerzeugnisse Nitrit über dem Grenzwert von 80 mg pro kg einsetzt, ist sie gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 2 LMKV verpflichtet, das von ihr bei der Herstellung der fertig verpackten Fleischwaren verwandte Nitritpökelsalz bzw. das Natriumnitrit auf der Verpackung zusätzlich mit dem Klassennamen "Konservierungsmittel" zu etikettieren.
Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, dass bei diesen Fleischerzeugnissen das Nitritpökelsalz bzw. Natriumnitrit nur während der Produktion eine konservierende Wirkung entfalte, im Endprodukt dagegen nur noch in einer Menge zwischen 5 bis 20 mg pro kg enthalten sei und damit im Endprodukt allenfalls noch stabilisierende oder antioxydative Wirkungen entfalte (vgl. hierzu auch Beiakte B Teil 5, Schreiben von Prof. Weber v. 12/99). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht auf die Restmenge des Nitrits im fertigen Lebensmittel abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr die beim Herstellungsprozess eingesetzte Nitritmenge.
aa) Dieses ergibt sich aus den gesetzlichen Vergaben. Gemäß § 5 Abs. 1 LMKV ist Zutat jeder Stoff, der bei der "Herstellung" eines Lebensmittels verwendet wird und unverändert oder verändert im Enderzeugnis vorhanden ist. Die Begriffsbestimmung setzt des Verwenden bei der Herstellung und das Vorhandensein der Zutat im Enderzeugnis voraus. Wesentlich ist, dass der Zutatenbegriff nicht eine "ex post" sondern eine "ex ante" Betrachtung des Lebensmittel erfordert. Dieses geht daraus hervor, dass auf die Verwendung des Stoffes bei der Herstellung abgestellt wird (Horst, Verbraucherinformationen bei verpackten Lebensmitteln, 1988, S. 41). Ebenso schreibt § 6 Abs. 1 LMKV vor, dass die Zutaten in der Reihenfolge ihres Gewichtsanteils zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der "Herstellung" des Lebensmittels im Verzeichnis aufzuführen sind. Der Verbraucher kann dem Etikett also nicht den Gewichtsanteil der Zutat im Endprodukt entnehmen, sondern lediglich im Zeitpunkt der Verarbeitung der Zutat. Nachträgliche Änderungen des Anteils sind für die Reihenfolge der Aufzählung nicht maßgeblich (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 104, LMKV, § 6 Rdnr. 6 b). Auch § 8 Abs. 1 und 4 LMKV, der die Mengenkennzeichnung von Zutaten regelt, bestimmt, das die Menge der Zutaten jeweils bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Verwendung bei der "Herstellung" des Lebensmittels anzugeben ist.
bb) Allerdings bestimmen § 6 Abs. 2 und § 8 Abs. 4 S. 3 LMKV, dass sogenannte "flüchtige Zutaten" nach Maßgabe ihres Gewichtsanteils im Enderzeugnis anzugeben sind. Unter diese Ausnahmebestimmungen fällt Nitrit jedoch nicht. Flüchtige Zutaten sind abgesehen von Wasser z. B. Alkohol, Luft und Gas zum Aufschäumen. Der Gewichtsanteil bei derartigen flüchtigen Zutaten liegt in der Regel beim Enderzeugnis nahe Null (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand 2001, C 104, LMKV, § 6 Rdnr. 12). Natriumnitrit kann hiermit nicht gleichgesetzt werden, weil es -- wenn auch in verringerter Form -- im Enderzeugnis immer noch in deutlich über Null liegender Konzentration vorhanden ist.
cc) Auch die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV enthaltene Regelung führt nicht dazu, auf die Nitritkonzentration im Enderzeugnis abzustellen. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV gelten diejenigen Stoffe nicht als Zutat, die in einer oder mehreren Zutaten eines Lebensmittels enthalten waren, sofern sie im Enderzeugnis keine technologische Wirkung ausüben. § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV stellt also nicht auf die technologische Wirkung im "Herstellungsprozess", sondern auf diejenige im Enderzeugnis ab.
Als Ausnahmevorschrift ist diese Bestimmung jedoch eng auszulegen und von daher schon nicht geeignet, den der LMKV zu entnehmenden Grundsatz, dass es für etwaige technologische Wirkungen auf den Herstellungsvorgang ankommt, in Frage zu stellen.
Die Klägerin kann sich auch nicht in ihrem konkreten Fall auf die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV berufen. Die Vorschrift erfasst Zusatzstoffe, die als Teil einer zusammengesetzten Zutat ihrerseits einem Lebensmittel beigegeben werden, wobei der betreffende Zusatzstoff im Enderzeugnis keine technologische Wirkung entfaltet. Beide Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor.
Das Tatbestandsmerkmal "keine technologische Wirkung ausüben" ist wie "technologisch unwirksam" im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz -- LMBG -- v. 8.7.1993 (BGBl. I, 1169) i. d. F. des Zweiten Änderungsgesetzes v. 25.11.1994 (BGBl. I, 3538) zu verstehen. Daher darf im Enderzeugnis keinerlei technologische Wirkung mehr von dem jeweiligen Stoff ausgehen, d. h. eine jegliche zusatzstoffrelevante Restfunktion muss ausgeschlossen sein (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht Komm., Stand: 2001, C 100, LMBG, § 11 Rdnr. 41; Hagenmeyer, LMKV, Komm., § 5 Rdn. 9; Horst, Anm. zum Urt. des EuGH v. 28.9.1994 -- C 144/93 -- ZLR 2/95 S. 181, 184 f.). Bei der Verwendung von Nitritpökelsalz/Natriumnitrit in einer Konzentration von mehr als 80 mg pro kg während der Herstellung wirkt sich das Nitrit jedoch technologisch auf das Enderzeugnis aus. Dass es sich im Enderzeugnis lediglich um eine farbstabilisierende und/oder geschmackliche Wirkung und nicht (mehr) um eine konservierende Wirkung handelt, ist dabei unerheblich, da jedenfalls nicht jede technologische Wirkung des Nitrits im Enderzeugnis ausgeschlossen ist. Insoweit führt daher auch der Verweis der Klägerin auf die amtliche Begründung zu § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV in seiner ursprünglichen Fassung von 1981 (BRatsDrucks. 418/81, abgedruckt bei Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 104, LMKV, § 5 Rdn. 1) nicht weiter.
Darüber hinaus werden von der Ausnahmevorschrift nicht solche Zusatzstoffe erfasst, die unmittelbar dem herzustellenden Lebensmittel zugesetzt werden. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift reicht darüber hinaus auch nicht jeder mittelbare Zusatz des Zusatzstoffes zu dem Lebensmittel über eine Zutat aus. Denn dann bestünde die Möglichkeit, zielgerichtet willkürlich zusammengesetzte Zutaten für ein mittelbares Einbringen eines Stoffes zu konstruieren und damit das Regel-/Ausnahme-Verhältnis von § 5 Abs. 1 zu Abs. 2 Nr. 2 LMKV umzukehren. Nur solche mittelbar über andere Zutaten zugesetzte Stoffe können von der Ausnahmeregelung mithin erfasst werden, die planmäßig in der betreffenden Zutat enthalten sind. Sie dürfen mit anderen Worten einer Zutat nicht lediglich zu Tarnungszwecken, d.h. zur Vermeidung der Kennzeichnungspflicht hinzugefügt werden (vgl. Horst, Verbraucherinformationen bei verpackten Lebensmitteln, 1988 S. 51 f; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 104, LMKV, § 5 Rdnr. 12 ff.; Hagenmeyer, LMKV, Komm., § 5 Rdnr. 7 f). Der Zusatzstoff "Natriumnitrit" ist aber bei den Fertigprodukten der Klägerin nicht "planmäßig" in einer Zutat enthalten, die wiederum dem Endprodukt zugeführt wird, sondern er wird unmittelbar zugesetzt.
Im übrigen dürfte mit Zipfel (a.a.O. C 104 § 5 Rdnr. 12) davon auszugehen sein, dass die Ausnahmeregelung nur bei der Weiterverarbeitung einer Zutat zu einem anderen Lebensmittel greift, wenn diese Zutat für sie zugelassene Zusatzstoffe enthält, die schon bei der Herstellung des Lebensmittels, zu dem die Zutat verwendet wird, keine technologische Wirkung ausüben, die technologische Wirkung des Zusatzstoffes also endet, bevor er (über die Zutat) zu dem anderen Lebensmittel weiterverarbeitet wird. Für eine solche Auslegung spricht die Amtliche Begründung zu der 1. Änderungsverordnung vom 13. 3. 1984, durch die das in der ursprünglichen Formulierung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 LMKV noch enthaltene Wort "mehr" (keine technologische Wirkung mehr) gestrichen worden ist. In der Begründung (BT-Drucks. 582/83) wird dazu ausgeführt:
"Die Streichung des Wortes "mehr" dient der Klarstellung des Gewollten. Bei der Anwendung von § 5 Abs. 2 Nr. 2 ist von Bedeutung, dass die Ausnahmeregelung nur für die als "carry over" bezeichneten Fälle der Weiterverarbeitung einer Zutat zu einem anderen Lebensmittel gilt. Ein "carry over" liegt nicht vor, wenn ein Zusatzstoff einer Zutat mit der Zweckbestimmung zugesetzt wird, im Enderzeugnis oder bei dessen Herstellung eine Wirkung zu erzielen."
(vgl. hierzu Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Komm., Stand: 2001, C 104 § 5 Rdnr. 1 b ff.; a.A. Horst, Verbraucherinformationen bei verpackten Lebensmitteln, 1988, S. 54 ff. und Hagenmeyer, LMKV, Komm., § 5 Rdnr. 7 ff., nach deren Auffassung der über eine Zutat zugesetzte Zusatzstoff auch während des Herstellungsvorgangs bis zum Fertigprodukt noch eine Wirkung ausüben könne, solange diese im Enderzeugnis nicht weiter andauere).
dd) Dass bei der Etikettierung grds. auf die Vorgänge während des Herstellungsprozesses abzustellen ist, ergibt sich auch aus dem Zweck der Kennzeichnungspflicht. Jede Regelung der Etikettierung soll vor allem der Unterrichtung und dem Schutz des Verbrauchers dienen (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: 2001, C 104, LMKV, Vorbem. Rdnr. 11 und C 100 LMBG § 17 Rdn. 217n f). Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht müssen daher eng ausgelegt werden. Denn auch Stoffe, die im Enderzeugnis keine technologische Wirkung (mehr) entfalten, werden letztlich vom Verbraucher mit verzehrt. Für empfindliche Verbraucher (z.B. Allergiker) ist es aber unerheblich, ob ein dem Lebensmittel zugesetzter Stoff im Enderzeugnis eine technologische Wirkung entfaltet oder nicht. Unabhängig von seiner Wirkung bleibt nämlich das allergene Potential des jeweiligen Stoffes im Lebensmittel enthalten. Wird Natriumnitrit daher dem Fleischprodukt der Klägerin in einer konservierenden Menge (also über 80 mg pro kg) zugesetzt und nicht als Konservierungsmittel bezeichnet, darf der Verbraucher darauf vertrauen, dass die Haltbarkeit während des Herstellungsvorganges auf andere Weise, also ohne Zusatz von Konservierungsmitteln, erreicht worden ist. Würde in diesen Fällen als Klassenname z.B. lediglich "Stabilisator" oder "Antioxidationsmittel" angegeben, würde der Verbraucher über die bei Herstellung verwendete Menge von Nitrit getäuscht werden. Dies stände aber wiederum nicht in Übereinstimmung mit den in § 17 LMBG niedergelegten Grundsatz des Schutzes des Verbrauchers vor Irreführung.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass auch die Klaganträge der Klägerin zu 2) und 3) erfolglos bleiben müssen, soweit die Klägerin ihren Fleischerzeugnissen bei der Herstellung bereits Nitrit in einer Menge von mehr als 80 mg pro kg beigesetzt hat.
b) Soweit die Klägerin ihren Fleischerzeugnissen schon bei der Herstellung dagegen Nitrit nur in einer Größenordnung von 80 mg pro kg oder weniger beifügt, war dem Feststellungsantrag zu 1) zu entsprechen. Für diese Fleischerzeugnisse ist die Angabe des Klassennamens "Konservierungsstoff" auf der fertigen Verpackung nicht zu fordern. Eine derartige Angabe würde vielmehr ihrerseits gegen den in § 17 LMBG enthaltenen Grundsatz des Schutzes des Verbrauchers vor Irreführung verstoßen. Soweit die Klägerin nämlich bei der Herstellung ihrer Fleischerzeugnisse nicht mehr Nitrit als 80 mg pro kg zusetzt, entfaltet diese Zugabe keine konservierende Wirkung. Die Angabe des Klassennamens "Konservierungsmittel" auf der Verpackung würde mithin den Käufer irreführen; er ginge dann nämlich davon aus, dass das Natriumnitrit dem Fleischerzeugnis als Konservierungsmittel beigefügt worden ist, also in einer entsprechend hoher Dosierung, obgleich das tatsächlich nicht der Fall ist.
Wird das Natriumnitrit von der Klägerin in geringerer Konzentration beigesetzt, kann es als Antioxidationsmittel, Stabilisator oder auch als Geschmacksverstärker wirken. Die jeweilige technologische Wirkung ist von der Antragstellerin auf der Zutatenliste anzugeben, so dass der Feststellungsantrag zu 3), auch soweit es um einen Zusatz von Nitrit von 80 mg pro kg oder weniger geht, erfolglos bleiben musste. Erfolglos bleibt darüber hinaus auch der Feststellungsantrag zu 2). Ob Nitrit -- selbst wenn es in nur geringerer Konzentration beigefügt wird --, als Antioxidationsmittel, Stabilisator oder Geschmacksverstärker dient, hängt von der Menge der jeweiligen Zugabe ab und ist daher in jedem Einzelfall gesondert von der Klägerin auf den Verpackungen anzugeben. Eine generelle Feststellung, dass in diesen Fällen stets der Klassenname Antioxidationsmittel anzugeben ist, kann nicht erfolgen.
Um Missverständnisse zu vermeiden, weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass mit seiner z.T. stattgebenden Entscheidung (keine Verpflichtung zur Angabe des Klassennamens "Konservierungsmittel", soweit Nitrit in einer Konzentration von 80 mg pro kg oder weniger beigegeben wird, da Nitrit in diesem Fall keinerlei konservierende Wirkungen entfaltet) nicht zugleich entschieden ist, dass Nitrit nach dem geltenden Zusatzstoffrecht (überhaupt) zu anderen als konservierenden Zwecken einem Lebensmittel beigegeben werden darf. Hieran bestehen nach Auffassung des Senats erhebliche Zweifel, die sich aus der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV) ergeben. Die ZZulV vom 29. Januar 1998 (BGBl. I S. 230) ist durch Art. 1 der 1. Verordnung zur Änderung zusatzstoffrechtlicher Vorschriften vom 13. November 2000 (BGBl. I S. 1520) geändert und den EU-Richtlinien (Richtlinie 95/2 EG vom 20.2.1995, ABl-EG L 61 S. 1 i.d.F. der EU-Richtlinie 98/72/EG vom 15.10.1998, ABl-EG L 295 S. 18) angepasst worden. Vergleichbar mit den EU-Richtlinien (vgl. dort Anhang III, Teil C) sind in der ZZulV n.F. Nitrite nunmehr in der Rubrik "Zusatzstoffe, die für Lebensmittel zur Konservierung oder als Antioxydationsmittel zugelassen sind" und dabei wiederum in dem Unterverzeichnis "Andere Konservierungsstoffe" erfasst (vgl. ZZulV n. F. Anlage 5 Teil C Liste 1). Es spricht vieles dafür, dass das dort aufgeführte Natriumnitrit "nur" (noch) zur Konservierung verwandt werden darf. Zum einen dürfte sich nämlich aus dem Art. 2 Abs. 1 und 4 der EG-Richtlinie ergeben, dass die in der EG-Richtlinie genannten Stoffe nur zu den jeweils konkret genannten Zwecken eingesetzt werden dürfen. Dass es sich bei Nitriten nach EG-Vorstellungen ausschließlich um einen zu Konservierungszwecken einzusetzenden Stoff handelt, dürfte zudem auch aus der Entscheidung der EG-Kommission vom 26. Oktober 1999 (zitiert im Lebensmittelbrief Ausgabe März/April 2000, vgl. GA Bl. 49) abzuleiten sein. Die Änderung der ZZulV zum 13. November 2000 und ihre genauere Anpassung an die EG-Richtlinie dürften dafür sprechen, dass auch der deutsche Verordnungsgeber insoweit (nunmehr) bewusst die Wertungen der EG übernehmen wollte. Darauf deutet auch die amtliche Begründung zu der 1. Verordnung zur Änderung zusatzstoffrechtlicher Vorschriften vom 13. November 2000 hin. In dieser Begründung heißt es nämlich:
"Nitrit und Nitrat sind bisher in Anlage 4 Teil B Liste 1 der ZZulV aufgeführt, d. h. sie sind für die in Anlage 7 dieser Verordnung aufgeführten technologischen Zwecke zugelassen. Erörterungen in der Gemeinschaft haben ergeben, dass nach Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 95/92/EG Nitrit und Nitrat nur zu konservierenden Zwecken zugelassen sind. Durch Änderung der Anlagen 4 und 5 der ZZulV wird dem Rechnung getragen." (vgl. Beiakte B Teil 2).
Soweit Zipfel (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand 2001, C 120 § 5 ZZulV Nr. 14) die Auffassung vertritt, Nitrit könne nicht nur zur Konservierung, sondern auch zur Antioxydation eingesetzt werden, dürfte diese Auffassung schon deswegen nicht mehr aktuell sein, weil sich diese Kommentierung noch auf die ZZulV in der Fassung vom 29. Januar 1998 bezieht.
Ein Anlass zur Vorlage an den EuGH ist nach alledem nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war zuzulassen, da die Frage der ordnungsgemäßen lebensmittelrechtlichen Kennzeichnung für Hersteller von Fertigfleischprodukten von wesentlicher Bedeutung ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.