Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2001, Az.: 4 LA 3010/01
Abrechnung; Abschlag; Heizkostenguthaben; Heizung; Hilfe zum Lebensunterhalt; Kosten; Rückzahlung; Vorbehalt; Überzahlung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2001
- Aktenzeichen
- 4 LA 3010/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39544
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 31.07.2001 - AZ: 4 A 110/99
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 BSHG
- § 11 Abs 1 BSHG
- § 12 Abs 1 BSHG
- § 32 Abs 1 SGB 10
- § 535 Abs 2 BGB
- § 6 HeizkostenV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt zur Deckung von nach dem Mietvertrag geschuldeten monatlichen Abschlagszahlungen auf die Heizkosten stehen unter dem zumindest stillschweigenden Vorbehalt, dass die endgültige Höhe der Leistung sich nach der vom Vermieter am Ende des Abrechnungszeitraums erstellten Berechnung bestimmt. Ergibt sich danach ein Guthaben zugunsten des Mieters, steht dieses aufgrund des mit der Leistung verbundenen Vorbehalts dem Träger der Sozialhilfe zu.
Gründe
I.
Der Kläger und seine Familie erhalten von dem Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt. Im Jahr 1998 übernahm der Beklagte im Rahmen dieser Hilfe auch die monatlichen Vorauszahlungen auf die Heizkosten. Die im März 1999 von dem Vermieter erstellte Jahresabrechnung für das Jahr 1998 ergab eine Überzahlung. Mit der Klage hat sich der Kläger - nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens - gegen einen Bescheid des Beklagten gewandt, mit dem der Beklagte von ihm die (teilweise) Rückzahlung der für die Heizkostenvorauszahlung gewährten Sozialhilfe verlangt hat. Der Kläger hat vorgetragen, das Guthaben aus der Heizkostenjahresabrechnung stehe ihm zu.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Juli 2001 abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt:
Zwar sei dem Kläger darin zuzustimmen, dass Anspruchsgrundlage für das Rückforderungsverlangen nicht die §§ 45, 50 SGB X sein könnten, weil deren Voraussetzungen nicht vorlägen. Denn eine Rechtswidrigkeit der Heizkostenvorauszahlungen sei nicht erkennbar. Ihre Höhe beruhe auf der mietvertraglichen Regelung. Aufgrund des Heizverhaltens der Familie des Klägers habe sich ergeben, dass die tatsächlich im Jahre 1998 entstandenen Heizkosten niedriger gewesen seien als die Summe der im gleichen Zeitraum gezahlten Vorauszahlungen, somit mit den Vorauszahlungen Leistungen erbracht worden seien, die letztlich den tatsächlichen Heizbedarf überstiegen und daher zur Bedarfsdeckung nicht notwendig gewesen seien. Eine einmal rechtmäßig erbrachte Sozialhilfeleistung könne aber nicht im nachhinein rechtswidrig werden.
Das Rückforderungsverlangen des Beklagten sei jedoch aus anderem Grund gerechtfertigt: Werde der Heizkostenbedarf vom Sozialhilfeträger - wie hier - in der Weise gedeckt, dass auf die zu erwartenden Heizkosten eines Jahres Vorauszahlungen geleistet werden, dann könne im Zeitpunkt der Vorauszahlungen nicht ausgeschlossen werden, dass diese letztlich die tatsächlich entstehenden Heizkosten überstiegen und daher zur Deckung des tatsächlichen Heizbedarfes teilweise nicht notwendig seien. Daher würden solche Vorauszahlungen - auch wenn dies nicht ausdrücklich verlautbart werde - nach den für den Hilfeempfänger ohne weiteres erkennbaren Umständen stets unter Vorbehalt der Rückforderung des zur Deckung der tatsächlichen Heizkosten nicht benötigten Teiles der Vorauszahlungen geleistet. Das bedeute, dass die Vorauszahlungen zunächst konkludent Darlehenscharakter trügen und dieses Darlehen bei Ergehen der Heizkostenendabrechnung in Höhe der tatsächlich entstandenen Heizkosten - ebenso konkludent - in einen Zuschuss umgewandelt werde mit der Folge, dass der im Einzelfall zur Deckung des tatsächlichen Heizkostenbedarfes nicht notwendig gewesene Teil der Vorauszahlungen im Wege der Darlehensrückzahlung vom Sozialhilfeträger herausverlangt werden könne.
Danach sei der Beklagte berechtigt, von dem Kläger den (konkludent) darlehensweise geleisteten Teil der Vorauszahlungen herauszuverlangen, der zur Deckung des tatsächlichen Heizkostenbedarfes nicht notwendig gewesen sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag des Klägers ist nicht begründet.
Nach § 124 Abs. 2 VwGO (i.d.F. des 6. VwGO-Änderungsgesetzes vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) ist die Berufung u.a. zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Im vorliegenden Verfahren liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.
"Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils" bestehen nicht. Bei der Beurteilung, ob ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, kommt es nicht darauf an, ob die von dem Gericht für seine Entscheidung angeführten Gründe zutreffen; notwendig sind vielmehr ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des von dem Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses (OVG Lüneburg, B. v. 22.9.1997 - 12 M 4493/97 -, V.n.b.; ebenso: HambOVG, B. v. 20.2.1997 - Bs IV 19/97 -, DVBl. 1997, 1333; VGH BW, B. v. 21.4.1997 - 8 S 667/97 -, VBlBW 1997, 380 = DVBl. 1997, 1327; HessVGH, B. v. 15.7.1997 - 13 TZ 1947/97 -, HessJMBl. 1997, 818).
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat macht sich die tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils zu eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Antragsvorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.
Der Kläger meint, die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Umdeutung der Hilfeleistung von einem Zuschuss in ein Darlehen sei nicht zulässig, weil nach § 3 RegelsatzVO Leistungen für die Heizung als Zuschuss zu gewähren seien. Damit zeigt er "ernstliche Zweifel an der Richtigkeit" des Urteils nicht auf. Denn das Urteil ist im Ergebnis richtig, ohne dass es auf die Erwägungen zu einer Umwandlung (eines Teils) der Leistung von einem Darlehen in einen Zuschuss ankäme.
Der Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt umfasst nach §§ 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 die Aufwendungen für die Heizung. Welchen sozialhilferechtlichen Bedarf der Hilfesuchende insoweit hat, bestimmt sich regelmäßig nach den Bestimmungen des Mietvertrages (§ 535 S. 2 BGB) i.V.m. den Bestimmungen der Heizkostenverordnung (F. 1989, BGBl. I. S. 115), die eine verbrauchsabhängige - und damit zwangsläufig nachträgliche - Kostenverteilung vorschreibt (§ 6 HeizkostenV). Mietvertraglich bestimmte Heizkostenvorauszahlungen stehen deshalb unter dem Vorbehalt der endgültigen verbrauchsabhängigen Abrechnung und Auskehrung überzahlter Beträge. Dementsprechend besteht auch der sozialhilferechtliche Bedarf in einer "Übernahme der unter Vorbehalt stehenden Heizkostenvorauszahlungen". Nur diesen Bedarf hat die Hilfe zum Lebensunterhalt zu decken, so dass die Hilfeleistung mit eben demselben (stillschweigenden, weil selbstverständlichen) Vorbehalt erbracht wird. Die Hilfegewährung unter einem solchen Vorbehalt ist zulässig, da der Vorbehalt sicherstellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Hilfeleistung - bedarfsdeckende, aber nicht darüber hinausgehende Hilfe (§ 3 Abs. 1 BSHG) - erfüllt werden (§ 32 Abs. 1 SGB X). Ergibt sich aus der nachträglichen Abrechnung der Heizkosten für den Heizzeitraum, dass die Vorauszahlungen und damit auch die entsprechende Hilfeleistung zu hoch waren, kann der Sozialhilfeträger von dem Hilfeempfänger (nicht Erstattung der geleisteten Sozialhilfe, denn die Leistung ist rechtmäßig erfolgt, sondern) unmittelbar aufgrund des Vorbehalts die Auskehrung der von dem Vermieter geleisteten Rückzahlung an ihn, den Sozialhilfeträger, beanspruchen.
Die Auffassung des Klägers, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO den Energieverschwender bestrafe und nur fiktive angemessene Heizungskosten gewähre, also bei sparsamem Energieverbrauch der Hilfeempfänger systemgerecht dadurch belohnt werde, dass er eingespartes Geld behalten dürfe, kann nicht gefolgt werden. Leistungen für die Heizung werden grundsätzlich nur für den konkreten, angemessenen Bedarf erbracht. Rückzahlungen vorab gezahlter Heizkosten an den Mieter wären im Übrigen, soweit nicht der Träger der Sozialhilfe aus den vorstehenden Erwägungen deren Auskehr an ihn selbst verlangt, im Zeitpunkt der Rückzahlung als verfügbare Mittel des Hilfesuchenden bei der Feststellung des dann bestehenden (entsprechend geringeren) Bedarfs zu berücksichtigen.
Eine Zulassung der Berufung wegen "grundsätzlicher Bedeutung" der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt nicht in Betracht. Die von dem Kläger sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Hilfeempfänger eine aufgrund der Jahresabrechnung vom Vermieter erbrachte Rückzahlung für sich behalten darf, lässt sich gemäß den vorstehenden Ausführungen ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten und bedarf einer Klärung in einem Berufungsverfahren nicht.