Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.2001, Az.: 9 L 3193/00

Asphaltdecke; Erneuerung; Fahrbahn; Fahrbahndecke; Straße; Straßenausbaubeitrag; Unterbau; Verbesserung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.11.2001
Aktenzeichen
9 L 3193/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.09.1999 - AZ: 8 A 8100/98

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es stellt keine beitragsfähige Erneuerung oder Verbesserung der Fahrbahn einer Straße dar, wenn eine intakte Asphaltdecke aufgenommen und durch eine Decke in Betonsteinpflaster ersetzt wird.

2. Muss indes bei der notwendig gewordenen Erneuerung des Unterbaus einer Straße zwangsläufig die intakte Asphaltdecke aufgenommen werden und wird diese danach in Betonsteinpflaster erstellt, so liegt eine beitragsfähige Verbesserung der Fahrbahn vor.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe

2

Das Verwaltungsgericht ist zu Unrecht zu der Feststellung gelangt, dass in den für die isolierte Berechnung der Straßenausbaubeiträge für die D-Straße anzusetzenden umlagefähigen Aufwand nur die Kosten für die Erstellung des Unterbaus der Fahrbahn, nicht hingegen auch die Kosten für die Erstellung der Fahrbahndecke eingestellt werden durften. Die im Zusammenhang mit der notwendig gewordenen Erneuerung und Verbesserung des Unterbaus der Straße erfolgte Ersetzung der in der D-Straße vorhandenen Teerdecke durch eine Betonsteinpflasterung stellt eine beitragsfähige Verbesserung i.S. der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG, 1 Abs. 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten i.d.F. vom 19.10.1993 dar.

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Der Senat hält an seiner im Zulassungsbeschlusse vom 6. September 2000 vertretenen Auffassung, dass die Ersetzung der Asphaltdecke durch eine Pflasterung in Betonstein als beitragsfähige Erneuerung anzusehen ist, nicht mehr fest. Zwar waren im Zeitpunkt der Durchführung des Ausbaus seit der erstmaligen Herstellung der Fahrbahndecke im Jahre 1972 bereits 22 Jahre verstrichen, so dass schon vom Zeitablauf her die übliche Nutzungsdauer der Teileinrichtung abgelaufen sein könnte. Doch setzt der Beitragstatbestand der Erneuerung zusätzlich voraus, dass die Teileinrichtung auch tatsächlich erneuerungsbedürftig ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Januar 2000, § 8 RdNr. 294; OVG Münster, Urt. v. 27.8.1996 - 15 A 1642/93 - NWVBl 1997, 78 = OVGE 46, 25 = ZKF 1997, 123). Die Behauptung der Beklagten, dies sei in der D-Straße der Fall gewesen, wird durch das vorgelegte Fotomaterial nicht belegt. Die im Januar und Juni 1993 von der Beklagten aufgenommenen Fotos  zeigen vielmehr, dass sich die Fahrbahn der D-Straße noch in einem ausreichenden Zustand befand. Risse oder Löcher in der Fahrbahndecke, Absenkungen oder Spurrillen sind auf ihnen nicht erkennbar. Dieser visuelle Befund wird im Bericht Nr. 268-93 des Gutachters Dr. Arand, TU Braunschweig, vom 23. August 1994 bestätigt. Denn in Abschnitt 2 dieses Berichtes wird ausgeführt, die Straßenoberfläche der D-Straße befinde sich "in einem verhältnismäßig intakten Zustand".

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Auch lässt sich die Neuerstellung der Fahrbahndecke bei isolierter Betrachtung nicht als beitragsfähige Verbesserung einordnen. Der Beitragstatbestand der Verbesserung einer öffentlichen (Teil-)Einrichtung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile v. 29.11.1995 - 9 L 1088/94 - NSt-N 1996, 299;  v. 13.8.1996 - 9 L 7684/94 - NSt-N 1997, 120 = OVGE 46, 424 u. v. 7.9.1999 - 9 L 393/99 - NdsVBl 2000, 66 = KStZ 2000, 74 = NVwZ-RR 2000, 381) erfüllt, wenn die Benutzbarkeit der Straße durch eine Ausbaumaßnahme positiv beeinflusst worden, die Straße also im Hinblick auf ihre Funktionen besser benutzbar geworden ist. Bei der Ersetzung einer Asphaltdecke durch ein Betonsteinpflaster ist dies nicht der Fall. Heute ist es weit verbreitet, in ruhigen Anliegerstraßen - wie der D-Straße - die Fahrbahn nicht mehr mit Asphaltdecken zu versehen, sondern stattdessen in Betonpflastersteinen auszuführen. Bei Gehwegen werden ein Belag aus Asphaltfeinbeton und eine Betonsteinbefestigung mittlerweile einhellig als gleichwertig angesehen (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 4.4.1995 - 5 TH 1264/93 -, NVwZ-RR 1995, 599; Driehaus, a.a.O., § 8 RdNr. 306 m.w.N.). Der Senat geht deshalb - wie schon in seinem Zulassungsbeschluss - davon aus, dass auch im hier zu beurteilenden Fall die alte und die neue Fahrbahndecke als gleichwertige Befestigung anzusehen sind.

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Die Kosten für die Erstellung der neuen Straßendecke in der D-Straße in Betonsteinpflaster sind aber deshalb als Verbesserungsmaßnahme beitragsfähig, weil die vorhandene Asphaltdecke entfernt werden musste, um die aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils notwendig gewordene Verbesserung und Erneuerung des Unterbaus der Straße (Trag- und Frostschutzschicht) durchführen zu können, und die Beklagte stattdessen eine Pflasterdecke aufgebracht hat.

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Allerdings ist der Aufwand für die Ersetzung einer noch intakten Fahrbahndecke durch eine im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit gleichartige neue Decke nicht schon deshalb beitragsfähig, weil die Neugestaltung der Fahrbahndecke in eine beitragsfähige abnutzungsbedingte Erneuerung des Unterbaus der Fahrbahn eingebettet ist oder mit einer beitragsfähigen Verbesserung des Unterbaus verbunden ist. Es ist zwar technisch unmöglich, den abgängigen Unterbau einer mit einer Asphaltbetondecke versehenen Straße zu ersetzen, ohne dabei die darüber liegende Deckschicht zu zerstören. Doch ist es der Gemeinde grundsätzlich zumutbar, mit der Erneuerung/Verbesserung des Unterbaus abzuwarten, bis sich die festgestellten Mängel am Unterbau der Straße auf die Ebenflächigkeit der Fahrbahndecke auswirken. Solange die Funktionsfähigkeit einer Asphaltdecke noch gewährleistet ist, kann die Gemeinde für deren gleichartige Neuherstellung auch dann keine Ausbaubeiträge erheben, wenn der Unterbau der Straße abgängig war.

7

Anders verhält es sich indes, wenn die Gemeinde - wie hier - im Zusammenhang mit der Erneuerung oder Verbesserung des Unterbaus einer Straße eine noch intakte Asphaltdecke durch eine Befestigung in Betonsteinpflaster ersetzt. Denn eine Pflasterdecke ist gegenüber einer Asphaltdecke ungeachtet ihrer Gleichwertigkeit im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Straße im Übrigen als qualitativ höherwertig anzusehen. Die Beklagte hatte bereits in der ersten mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2000 darauf hingewiesen, dass asphaltierte Straßendecken regelmäßig eine Haltbarkeit von etwa 15 bis 20 Jahren hätten, während mit Verbundsteinpflaster befestigte Straßen eine Haltbarkeit von etwa 50 bis 70 Jahren aufwiesen. Diese Angaben werden durch die in den Ablösungsrichtlinien des Bundesministeriums für Verkehr ("Richtlinien für die Berechnung der Ablösungsbeträge der Erhaltungskosten für Brücken, Straßen, Wege und andere Ingenieurbauwerke") - Stand: 1988 - zur theoretischen Nutzungsdauer für Straßen und Wege angegebenen Orientierungswerte bestätigt. Danach ist bei einer Asphaltbetondeckschicht mit einer theoretischen Nutzungsdauer von 12 Jahren zu rechnen, während ein Pflaster in Fahrverkehrsflächen eine theoretische Nutzungsdauer von 30 Jahren und ein Pflaster für überwiegend ruhenden Verkehr und in Fußgängerzonen eine theoretische Nutzungsdauer von sogar 60 Jahren aufweist. Es ist mithin davon auszugehen, dass sich eine Pflasterung bezogen auf die theoretische Nutzungsdauer als qualitativ besser darstellt als eine Asphaltbetondeckschicht. Auch im Hinblick auf die jährlichen Unterhaltungskosten weist eine Pflasterung gegenüber der Asphaltbetondeckschicht deutliche Vorteile auf. Während nach der zitierten Richtlinie eine Asphaltbetondeckschicht jährliche Unterhaltskosten von 4,0 % verursacht, belaufen sich die jährlichen Unterhaltungskosten bei Pflastern in Fahrverkehrsflächen auf 3,0 % und bei Pflaster für überwiegend ruhenden Verkehr und in Fußgängerzonen auf lediglich 0,5 %. Ein weiterer qualitativer Vorteil der Oberflächenbefestigung in Betonsteinpflaster gegenüber jener in Asphaltbeton ist darin zu sehen, dass bei ersterem Wiederherstellungsarbeiten nach vorangegangenen Straßenaufbrüchen einfacher und kostengünstiger durchzuführen sind, weil die Pflastersteine nur aufgenommen werden müssen und nach Abschluss der Arbeiten wieder aufgebracht werden können. Aufwändiger dürften sich demgegenüber bei einer Pflasterung nur die Durchführung des Winterdienstes und die Freihaltung von Pflanzenbewuchs gestalten. Auch sind Fahrgeräusche auf Betonsteinpflaster lauter wahrzunehmen als auf einer Asphaltdecke. Diese Nachteile wiegen indes geringer als die deutlichen Vorteile, die ein Pflasterbelag gegenüber einer Asphaltbetondecke im Hinblick auf seine theoretische Lebensdauer, die jährlichen Unterhaltungskosten und bei Straßenaufbrüchen entstehende Kosten aufweist. Der Aufwand für die Ersetzung eines Belags aus Asphaltfeinbeton durch eine Verbundsteinpflasterung ist deshalb ungeachtet dessen, dass beide Befestigungsarten im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Straße gleichwertig sind, auch dann beitragsfähig, wenn der Ausbau der Fahrbahndecke in Betonsteinpflaster in eine beitragsfähige abnutzungsbedingte Erneuerung des Unterbaus der Fahrbahn eingebettet ist oder mit einer beitragsfähigen Verbesserung des Unterbaus verbunden ist, weil die vorhandene Deckschicht durch eine qualitativ höherwertige Oberflächenbefestigung ersetzt wird (ebenso für einen Gehweg: VGH Kassel, Beschl. v. 4.4.1995 - 5 TH 1264/93 -, NVwZ-RR 1995, 599).