Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.10.2019, Az.: 10 LA 160/19

Art der Nutzung; Bewuchs; Dauergrünland; Grünfutterpflanzen; Nutzung; vorherrschen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.10.2019
Aktenzeichen
10 LA 160/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69823
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.05.2019 - AZ: 8 A 62/19

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 8. Kammer - vom 21. Mai 2019 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - für das erstinstanzliche Verfahren und für das Zulassungsverfahren auf jeweils 916,86 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Denn der von ihm allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also auf Grund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (Senatsbeschlüsse vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 7, und vom 24.10.2017 - 10 LA 90/16 -, juris Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2013 - 8 LA 148/12 -, juris Rn. 9). Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 06.06.2018 - 2 BvR 350/18 -, juris Rn. 16, und vom 16.10.2017 - 2 BvR 2615/14 -, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 7). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 04.07.2018 - 13 LA 247/17 -, juris Rn. 4 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Leitsatz und Rn. 9; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.06.2016 - 1 BvR 2453/12 -, juris Rn. 17). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 08.03.2018 - 7 LA 67/17 -, juris Rn. 6, vom 11.12.2017 - 2 LA 1/17 -, juris Rn. 3, vom 31.08.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8, und vom 13.07.2017 - 8 LA 40/17 -, juris Rn. 10).

Aus dem Vorbringen des Klägers zur Begründung seines Zulassungsantrags ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Verwaltungsgericht bei der Beantwortung der Frage, ob die Schläge 124 und 130 als Dauergrünland einzustufen sind, von zutreffenden rechtlichen Annahmen ausgegangen:

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die ab dem 1. Januar 2015 und damit auch für das hier verfahrensgegenständliche Antragsjahr 2015 gültige Dauergrünlanddefinition in Art. 4 Abs. 1 h) Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 zugrunde gelegt. Danach sind „Dauergrünland und Dauerweideland (zusammen Dauergrünland) Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und seit mindestens fünf Jahren nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind; es können dort auch andere Pflanzenarten wachsen wie Sträucher und/oder Bäume, die abgeweidet werden können, sofern Gras und andere Grünfutterpflanzen weiterhin vorherrschen; sowie ferner - wenn die Mitgliedstaaten dies beschließen - Flächen, die abgeweidet werden können und einen Teil der etablierten lokalen Praktiken darstellen, wo Gras und andere Grünfutterpflanzen traditionell nicht in Weidegebieten vorherrschen“. Von der im letzten Halbsatz dieser Regelung enthaltenen Ermächtigung hat der Bundesgesetzgeber in § 2 des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes Gebrauch gemacht, wonach als Dauergrünland im Sinne des Artikels 4 Abs. 1 h) der oben genannten Verordnung auch Flächen gelten, „die abgeweidet werden können und einen Teil der etablierten lokalen Praktiken darstellen, wo Gras und andere Grünfutterpflanzen traditionell nicht im Weidegebiet vorherrschen“, was - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - vor allem auf Heidegebiete zutreffen dürfte.

Für Flächen, die nicht unter § 2 des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes fallen, wie die hier streitigen Schläge 124 und 130, ist jedoch nach der klaren europarechtlichen Definition (u. a.) ausschlaggebend, dass auf der Fläche Gras und andere Grünfutterpflanzen vorherrschen. Dies ist nach Art. 6 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 der Fall, wenn „sie auf Ebene der landwirtschaftlichen Parzelle im Sinne von Artikel 67 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 mehr als 50 % der beihilfefähigen Fläche einnehmen.“ Diese Voraussetzung ist nach den zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts auf den genannten Schlägen nicht erfüllt.

Zwar ist nach dem vom Kläger angeführten Art. 4 Abs. 1 e) der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 „landwirtschaftliche Fläche jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird“. Daraus lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht der Schluss ziehen, dass es ausschließlich auf die Art der Nutzung als Weideland ankommt und es dafür ohne Belang ist, ob auf der betreffenden Fläche Gras und andere Grünfutterpflanzen vorherrschen. Denn was unter einer Nutzung als Dauergrünland und Dauerweideland zu verstehen ist, hat der Verordnungsgeber in Art. 4 Abs. 1 h) dieser Verordnung klar beschrieben. Danach stehen der Einstufung einer Fläche als Dauergrünland bzw. deren Nutzung als zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen bestimmte Fläche andere Pflanzenarten wie Sträucher und/oder Bäume, die abgeweidet werden können, nur dann nicht entgegen, wenn Gras und andere Grünfutterpflanzen weiterhin vorherrschen.

Soweit der Kläger dagegen ferner das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Mai 2019 (- C-341/17 -, juris) anführt, übersieht er, dass dieses Urteil zu der hier nicht (mehr) anzuwendenden Definition von Dauergrünland in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 ergangen ist (juris Rn. 6).

Im Übrigen würde sich hier auch bei Anwendung dieser Definition von Dauergrünland kein anderes Ergebnis einstellen:

Der Europäische Gerichtshof hat für die Feststellung, ob die betreffende Fläche als Dauergrünland im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 einzustufen ist, nicht die Art der Vegetation, die diese Fläche bedeckt, sondern vielmehr deren tatsächliche Nutzung für eine landwirtschaftliche Tätigkeit, die für Dauergrünland typisch ist, als entscheidend angesehen (juris Rn. 58). Demnach kann das Vorkommen von Gehölzpflanzen oder Bäumen als solches der Einstufung einer Fläche als Dauergrünland nicht entgegenstehen, sofern dadurch nicht die tatsächliche Nutzung dieser Fläche für die für Dauergrünland typische landwirtschaftliche Tätigkeit beeinträchtigt wird (juris Rn. 54). Die für Dauergrünland typische landwirtschaftliche Tätigkeit ergibt sich aus der Definition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 in der vom Europäischen Gerichtshof zugrunde gelegten Fassung (juris Rn. 6): „Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren … .“ Verhindert also der Bewuchs der Fläche deren Nutzung „zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen“, so ist die für Dauergrünland typische landwirtschaftliche Tätigkeit insoweit beeinträchtigt oder ganz ausgeschlossen. Dies ist etwa bei geschlossen mit Bäumen bestandenen Flächen (Bauminseln), die aufgrund der Größe der Bäume auch nicht abgeweidet werden können, der Fall. Allein das Vorkommen von einzelnen Gehölzpflanzen, Bäumen oder anderen Pflanzenarten steht der Einstufung der gesamten Fläche als Dauergrünland dagegen nicht entgegen, wie der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung ausdrücklich klargestellt hat und sich nunmehr auch eindeutig aus Art. 4 Abs. 1 h) Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 ergibt.

Sind jedoch auf der betreffenden Fläche - wie hier - andere Pflanzenarten, wie beispielsweise Schilf, Sträucher oder Bäume, vorherrschend, kann auch im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr von einer landwirtschaftlichen Tätigkeit auf der betreffenden Fläche, die für Dauergrünland typisch ist, gesprochen werden. Es dominieren vielmehr andere Pflanzenarten, die die Nutzung als Dauergrünland - „Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen“ - ausschließen (vgl. hierzu und zur Definition des Begriffs Grünfutterpflanzen auch den Senatsbeschluss vom 13.08.2012 - 10 LA 93/11 -, juris Rn. 6 und 7).

Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Schläge 124 und 130 nicht vorherrschend mit Gras und Grünfutterpflanzen, sondern zum größten Teil mit Schilf, Binsen, kleinen Bäumen und Büschen (Schlag 124) bzw. ganz überwiegend mit Schilf, Binsen und Seggen (Schlag 130) im Antragsjahr 2015 bewachsen gewesen sind. Diese Feststellungen hat das Verwaltungsgericht überzeugend auf die glaubhaften Zeugenaussagen der Prüfer der Landwirtschaftskammer gestützt, die nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung detailliert und anschaulich und insgesamt gut nachvollziehbar ihre mit den vorhandenen Fotos übereinstimmenden Wahrnehmungen bei der Vor-Ort-Kontrolle am 17. März 2016 wiedergegeben haben.

Entgegen der Behauptung des Klägers kann keine Rede davon sein, dass der Zeuge D. die Flächen nur „stichprobenartig“ begangen habe. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass dieser Zeuge die Flächen von verschiedenen Seiten aus begangen und sich so einen umfassenden Eindruck verschafft hat, allerdings durch das auf den Flächen stehende Wasser gehindert war, diese vollständig abzugehen. Daraus kann jedoch keineswegs der Schluss gezogen werden, dass der Prüfer lediglich einen stichprobenartigen bzw. ausschnittsweisen Eindruck von der Fläche gewonnen hat. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat.

Auch hat der Kläger mit seiner Behauptung, dass auf dem Schlag 130 20 Färsen (geschlechtsreife Rinder bis zur ersten Kalbung) gehalten worden seien, keine ernstlichen Zweifel an den oben genannten Feststellungen des Verwaltungsgerichts begründet. Denn zum einen kann der Kläger allein mit der von ihm behaupteten Art der Nutzung die nach dem oben Gesagten maßgeblichen und konkret sowie gut nachvollziehbar begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Bewuchs der Fläche nicht in Frage stellen. Denn auch wenn der Kläger tatsächlich 20 Färsen auf dieser Fläche gehalten haben sollte, so ändert dies nichts daran, dass auf dieser Fläche Gras und andere Grünfutterpflanzen im Antragsjahr 2015 nicht vorherrschend waren. Zum anderen hat der Kläger diese bloße Behauptung wie auch seine weitere pauschale Behauptung, dass die Haltung einer solchen Zahl von Tieren auf der streitigen Fläche das Vorherrschen von Gras und anderen Grünfutterpflanzen voraussetze, in keiner Weise näher konkretisiert und belegt. Aus denselben Gründen (und erst recht) vermag sein Einwand, dass auf dem Schlag 124 5 Färsen gestanden hätten, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Bewuchs dieser Fläche zu begründen.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 3 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Eine Verdreifachung des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG findet hier entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht statt. Zum einen besteht für eine Verdreifachung des Streitwerts gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG kein Anlass, wenn Zahlungsansprüche für ein bestimmtes Antragsjahr wegen der Frage, ob es sich bei der verfahrensgegenständlichen Fläche um eine landwirtschaftlich genutzte Fläche handelt, streitig sind und offen ist, ob die betreffende Fläche in den Folgejahren in derselben Weise genutzt worden ist. Hier kann zwar festgestellt werden, dass die hier verfahrensgegenständlichen Schläge im Jahr 2016 in derselben Weise genutzt worden sind. Doch ist zum anderen bei der Erhöhung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG in dem Fall, dass mehrere Leistungszeiträume in gleicher Weise streitgegenständlich sind, nicht die gesamte streitige Forderung, sondern nur der für den letzten streitigen Zeitraum streitige Betrag zu verdreifachen (Senatsbeschluss vom 01.07.2019 - 10 OA 59/17 -, nicht veröffentlicht; vgl. hierzu ferner ausführlich Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 14.10.2016 - 9 OA 174/16 -, juris Rn. 8 ff., und vom 30.05.2017 - 9 OA 75/17 -, nicht veröffentlicht). Da hier das Antragsjahr 2016 hinsichtlich der Nutzung derselben Flächen ebenfalls streitig ist (10 LA 161/19), kommt eine Verdreifachung gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).