Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.10.2019, Az.: 10 LA 252/18

Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Milchmengenreduzierung; Rechtsnachfolge

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.10.2019
Aktenzeichen
10 LA 252/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69803
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.03.2018 - AZ: 4 A 189/16

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 4. Kammer - vom 22. März 2018 zugelassen.

Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 10 LB 207/19 geführt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Unionsbeihilfen nach dem Milchreduktionsprogramm für den Reduktionszeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember 2016.

Der Kläger war Gesellschafter mit einem Anteil von 95 % an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts namens A. GbR. Dieser Gesellschaft war die Registriernummer C. (vgl. § 15 der Viehverkehrsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 203), zuletzt geändert durch Artikel 6 der Verordnung vom 3. Mai 2016 (BGBl. I S. 1057)) zugeteilt. Mit einem Anteil von 5 % war seine geschiedene Ehefrau Mitgesellschafterin. Die A. GbR lieferte im Zeitraum Oktober bis Dezember 2015 insgesamt 167.911,00 kg Milch an die Firma D. Milchprodukte GmbH in E..

Am 20. November 2015 übertrug die Mitgesellschafterin ihren Anteil an der A. GbR mit Wirkung vom 30. April 2016 auf den Kläger als einzigen verbleibenden Gesellschafter.

Am 8. September 2016 erließ die Europäische Kommission die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1612 zur Gewährung einer Beihilfe zur Verringerung der Milcherzeugung (Amtsbl. der EU vom 9. September 2016, L 242/4, im Folgenden: MilchVerVO). Diese sah die Gewährung einer Beihilfe für Antragsteller vor, die ihre Kuhmilchlieferungen an Erstkäufer im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum („Bezugszeitraum“) für einen Zeitraum von drei Monaten („Verringerungszeitraum“) verringern (vgl. Art. 1 Abs. 1 MilchVerVO). Die jeweiligen Antragsteller mussten dazu zu in der Verordnung näher genannten Stichtagen vor Beginn des Verringerungszeitraums gemäß Art. 2 Abs. 1 MilchVerVO einen Beihilfeantrag stellen. In dem Antrag musste neben anderen Angaben die Gesamtmenge der im Bezugszeitraum an Erstkäufer gelieferten Kuhmilch angegeben werden. Ferner war nachzuweisen, dass sich der Antrag auf einen Milcherzeuger bezieht, der im Juli 2016 Kuhmilch an Erstkäufer geliefert hat. Die Auszahlung der Beihilfe sollte sodann nach der Plausibilität und Zulässigkeitsprüfung des Antrags gemäß Art. 3 und der Genehmigung gemäß Art. 4 Abs. 1 MilchVerVO in einem zweiten Schritt auf Grundlage eines Zahlungsantrags erfolgen (Art. 5 Abs. 1 MilchVerVO). Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erließ auf der Grundlage des Marktorganisationsgesetzes (MOG) unter dem 12. September 2016 (BAnz AT 13.09.2016 V1) die Verordnung zur Durchführung der unionsrechtlichen Beihilfe für eine befristete Verringerung der Milcherzeugung (Milchverringerungsbeihilfenverordnung, im Folgenden: MilchVerBeihV). Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 dieser Verordnung musste ergänzend zu den nach der europarechtlichen MilchVerVO erforderlichen Angaben bei Antragstellung noch die auf den Betrieb des Antragstellers bezogene Betriebsnummer im Sinne der InVeKoS-Verordnung angegeben werden.

Unter dem 15. September 2016 beantragte der Kläger unter Angabe der seinem Einzelbetrieb zugewiesenen InVeKoS-Nummer (Blatt 8 VV) die Beihilfe zur (beabsichtigten) Verringerung der Milcherzeugung nach der oben genannten europarechtlichen Verordnung. Die im Antrag angegebene InVeKoS-Nummer wich in den letzten 4 Ziffern von der oben angegebenen Registriernummer der früheren GbR ab.

Mit Bescheid vom 6. Oktober 2016 lehnte die Beklagte die beantragte Beihilfe ab. Zur Begründung führte sie aus, beihilfeberechtigt sei nur ein Antragsteller, der im Bezugszeitraum Oktober bis Dezember 2015 sowie im Juli 2016 auf seinen Namen Milch an einen Erstkäufer geliefert habe. Der Kläger könne aber eine solche Lieferung für den Bezugszeitraum Oktober bis Dezember 2015 und/oder Juli 2016 nicht nachweisen.

Die gegen diesen Bescheid am 1. November 2016 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. März 2018 ab. Dem Kläger könnten die Milchlieferungen im Bezugszeitraum von Oktober bis Dezember 2015 nicht zugerechnet werden. Die Milchlieferungen seien noch unter der Betriebsnummer der zu diesem Zeitpunkt noch existenten GbR erfolgt. Umfangreiche Nachforschungen und Prüfungen einer Zurechnung zu einer anderen Betriebsnummer würden ausscheiden, da nach der amtlichen Begründung der MilchVerBeihV die Angabe der Betriebsnummer die Verwaltung und Kontrolle der teilnehmenden Betriebe erleichtern solle. Auch eine Zurechnung der von der GbR gelieferten Milchmengen komme nicht in Betracht. Im Gegensatz zu der Milchsonderbeihilfeverordnung (im Folgenden: MilchSonBeihV), dort § 4 Abs. 3, enthalte die MilchVerBeihV keine Regelung für den Fall der Rechtsnachfolge. Dies finde seine Begründung vor allem in der Vereinfachung und Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens. Eine analoge Anwendung von § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV komme mangels planwidriger Regelungslücke ebenfalls nicht in Betracht. Soweit die Europäische Kommission in einer Stellungnahme vom 5. September 2016 die Berücksichtigung einer Rechtsnachfolge im Wege der Erbfolge für zulässig erachtet habe, sei auch dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dies habe nur einen Fall betroffen, in dem die Rechtsnachfolge im Zeitraum nach dem Monat Juli 2016 eingetreten sei. Davon sei der vorliegende Fall zu unterscheiden, in dem die Rechtsnachfolge bereits Ende 2015 eingetreten sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich der fristgerechte Antrag des Klägers auf Zulassung der vom Verwaltungsgericht nicht zugelassenen Berufung. Der Kläger beruft sich unter anderem auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Hierzu trägt er vor: es könne dem Gesetzgeber des Unionsrechts nicht unterstellt werden, dass er eine dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in schwerwiegender Weise widersprechende Regelung für die Gewährung einer Subvention anordnen wollte. Es sei nicht zu rechtfertigen, eine Beihilfe allein aufgrund des zufälligen Umstandes des Todes des Betriebsinhabers oder der Auflösung einer Gesellschaft zu einem Zeitpunkt zu versagen, der nach Ende des Verringerungszeitraums im Sinne der MilchVerVO, aber noch vor Ende des Bezugszeitraums liege. Die europarechtliche Verordnung könne nicht zur Begründung herangezogen werden, weil sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung oder aus einzelnen Bestimmungen nichts für den Fall der Rechtsnachfolge ergebe. Auf die InVeKoS-Nummer könne es nicht ankommen, da die Angabe dieser Nummer durch die maßgebliche EU-Verordnung gar nicht gefordert werde.

II.

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Osnabrück dargelegt sind.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten (Senatsbeschlüsse vom 23.01.2018 – 10 LA 21/18 –, juris Rn. 7, und vom 24.10.2017 – 10 LA 90/16 –, juris Rn. 11; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.07.2013 – 8 LA 148/12 –, juris Rn. 9). Das ist grundsätzlich der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Stattgebende Kammerbeschlüsse vom 06.06.2018 – 2 BvR 350/18 –, juris Rn. 16, und vom 16.10.2017 – 2 BvR 2615/14 –, juris Rn. 19; Senatsbeschluss vom 23.01.2018 – 10 LA 21/18 –, juris Rn. 7; vgl. auch Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 04.07.2018 – 13 LA 247/17 –, juris Rn. 4 m.w.N.; vgl. dazu auch BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 09.06.2016 – 1 BvR 2453/12 –, juris Rn. 17). Zur Darlegung der ernstlichen Zweifel bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffs auseinandersetzen (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 08.03.2018 – 7 LA 67/17 –, juris Rn. 6, vom 11.12.2017 – 2 LA 1/17 –, juris Rn. 3, vom 31.08.2017 – 13 LA 188/15 –, juris Rn. 8, und vom 13.07.2017 – 8 LA 40/17 –, juris Rn. 10).

Es ist ernsthaft fraglich, dass der Kläger von vornherein von der Milchverringerungsbeihilfe ausgeschlossen ist, weil er einen Beihilfeantrag nach Beendigung der GbR nur noch als deren Rechtsnachfolger stellen konnte, aber eine Rechtsnachfolge nicht in Betracht kommen soll. Es sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung gemäß Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 3 MilchVerBeihV hat.

Scheidet aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nur aus zwei Personen besteht, ein Gesellschafter aus, so ist die Gesellschaft beendet. Es kommt zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem allein verbleibenden “Gesellschafter“ mit der Besonderheit, dass die bisherige Gesamthandsberechtigung sich zu Alleineigentum in dessen Person umwandelt (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1999 – II ZR 4/98 –, juris Rn. 7). Damit besteht strukturell eine Situation, die mit der mit einem Erbfall verbundenen Universalsukzession vergleichbar ist (BGH, Urteil vom 05.07.2018 – V ZB 10/18 –, juris Rn. 11, s. auch Rn. 8: „erbgangsgleiche Gesamtrechtsnachfolge“).

Das Verwaltungsgericht betont zwar zu Recht, dass in der MilchVerBeihV keine Bestimmungen für den Fall einer solchen Rechtsnachfolge in der Person des „beihilfefähigen Antragstellers“ (Art. 1 Abs. 2 MilchVerBeihV) getroffen wurden (S. 8 ff. der Urteilsgründe). Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass der Fall der Rechtsnachfolge zwischen Bezugszeitraum und Antragstellung bzw. Verringerungszeitraum ohne weiteres zum Ausschluss von der Beihilfe führt. Ein solches Verständnis der MilchVerBeihV könnte tatsächlich – wie auch der Kläger im Zulassungsantrag geltend macht – zur Folge haben, dass gleiche Konstellationen ohne sachlichen Grund ungleich behandelt würden.

So ist nicht verständlich, warum ein Erbe des Antragstellers die Beihilfe nur erhalten können soll, wenn der Erbfall erst nach Ablauf des Verringerungszeitraums eingetreten ist, nicht aber dann, wenn der Erblasser zwar nach Antragstellung, aber noch vor Beginn des Verringerungszeitraums verstirbt. Ebenso wenig ist erklärbar, warum ein Antragsteller sich nicht auf eine Milchmenge beziehen können soll, die im Bezugszeitraum noch von seinem Rechtsvorgänger geliefert worden ist, insbesondere dann, wenn er – wie hier – wirtschaftlich zu einem weit überwiegenden Anteil an diesem Rechtsvorgänger beteiligt war. Denn in diesen Fällen würde der zufällige Zeitpunkt des Todes bzw. der Gesellschaftsauflösung über die Beihilfeberechtigung entscheiden.

Allein damit, dass sich die InVeKoS-Nummer durch einen derartigen Wechsel in der Person des beihilfefähigen Antragstellers ändert, lassen sich diese Ungleichbehandlungen nicht rechtfertigen. Zum einen macht der Kläger zu Recht geltend, dass die Angabe der InVeKoS-Nummer nach der europarechtlichen MilchVerVO gar nicht gefordert wird, sondern nur nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 der (bundesdeutschen) MilchVerBeihV. Zum anderen schreibt § 3 Abs. 2 Nr. 1 MilchVerBeihV nur die Angabe der InVeKoS-Nummer bei Beihilfeantragstellung vor, macht die Beihilfe aber nicht davon abhängig, dass die Milchmengen auch schon unter dieser Betriebsnummer an den Erstkäufer geliefert wurden. Diese Regelung steht daher einer Rechtsnachfolge überhaupt nicht entgegen.

Überdies sieht der Verordnungsgeber nach der Begründung der MilchVerBeihV die Angabe der InVeKoS-Nummer offenbar nicht als notwendige Fördervoraussetzung in jedem Fall an. Denn in der amtlichen Begründung zu der Rechtsverordnung (Berichtigung zu BR-Drs. 645/16, 15.12.2016, S. 13), auf die sich auch das Verwaltungsgericht stützt, heißt es, dass „in dem Beihilfeantrag zusätzlich zu den unionsrechtlichen Vorgaben die in der Regel für jeden Betrieb vorhandene InVeKoS-Betriebsnummer anzugeben [ist], um die Verwaltung und Kontrolle zu erleichtern“ (Hervorhebung durch den Senat).

Über die bereits vom Kläger angeführten Ungleichbehandlungen hinaus wird im Berufungsverfahren auch näher auf die unterschiedliche Umsetzung der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1612 (hier: MilchVerVO), die Grundlage für die MilchVerBeihV ist, im Vergleich zur Delegierten Verordnung (EU) 2016/1613, die in der Bundesrepublik durch die Milchsonderbeihilfeverordnung (MilchSonBeihV) vom 27. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 3227) umgesetzt wurde, einzugehen sein. Den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wurden aufgrund der zuletzt genannten EU-Verordnung Mittel gewährt, mit denen sie unter anderem Programme zur Milchmengenreduzierung, die „über die Verringerung im Rahmen der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1612“ der Kommission hinausgeht, oder zur Milchmengenstabilisierung finanzieren konnten (Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 3 Buchst. a der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1613). Beide Delegierte Verordnungen (EU) stehen daher in engem Bezug zueinander und wurden dementsprechend auch beide am gleichen Tag, dem 8. September 2016, im Amtsblatt der EU verkündet.

Die Bundesrepublik hat zur Delegierten Verordnung (EU) 2016/1613 – wie bereits ausgeführt – mit der Milchsonderbeihilfeverordnung (MilchSonBeihV) nähere Bestimmungen getroffen. Der Verordnungsgeber hat sich dafür entschieden, Landwirte zu fördern, die ihre Milchmenge in einem Beibehaltungszeitraum gegenüber einem Bezugszeitraum nicht steigern (§ 4 Abs. 2 MilchSonBeihV). Dabei hat er in § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV eine umfangreiche Rechtsnachfolge-Regelung getroffen. Diese hat zur Folge, dass von Beginn des Beibehaltungszeitraums bis zum Ende des Bezugszeitraums (u. a.) Erbfolgen auf die Beihilfeberechtigung des Erben ohne Einfluss bleiben, § 4 Abs. 3 Satz 1 MilchSonBeihV. Übertragen auf die erbrechtsgleiche Rechtsnachfolge des einzigen verbleibenden Gesellschafters einer BGB-Gesellschaft würde dies dem Kläger ermöglichen, sich auf von der Gesellschaft gelieferte Milchmengen zu berufen.

Das Verwaltungsgericht hat die unterschiedlichen Regelungen zur Rechtsnachfolge in der § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV einerseits und der MilchVerBeihV andererseits gesehen und – zutreffend – als Beleg dafür herangezogen, dass sich der Verordnungsgeber bewusst dagegen entschieden hat, eine § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV entsprechende Regelung in die MilchVerBeihV aufzunehmen, weil er die MilchVerVO insofern als abschließend betrachtete.

Das wirft aber die weitere Frage auf, ob der Verordnungsgeber die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1612 zutreffend ausgelegt hat. Denn auch die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1613 enthält wie die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1612 keine Bestimmungen zur Rechtsnachfolge, was den bundesdeutschen Verordnungsgeber aber nicht davon abgehalten hat, die Regelung in § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV zu treffen.

Die Umsetzung der beiden Delegierten Verordnungen (EU) durch den bundesdeutschen Verordnungsgeber hat zu dem Ergebnis geführt, dass sich ein Rechtsnachfolger auf von dem Rechtsvorgänger im Bezugszeitraum gelieferte Milchmengen im Rahmen des Programms zur Milchreduktion nicht berufen kann (Delegierte Verordnung (EU) 2016/1612, MilchVerBeihV), im Rahmen des Programms zur Beibehaltung der gelieferten Milchmenge aber schon (Delegierte Verordnung (EU) 2016/1613, MilchSonBeihV). Bei beiden Programmen lag aber der jeweilige Bezugszeitraum bei Inkrafttreten zumindest der deutschen Rechtsverordnung bereits in der Vergangenheit. Die Frage, ob der jetzige Betriebsinhaber sich auf Milchmengen beziehen kann, die von einem Rechtsvorgänger geliefert worden waren, stellt sich somit potentiell in beiden Fällen in gleicher Weise, wurde vom deutschen Verordnungsgeber aber unterschiedlich beantwortet, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union i. V. m. Art. 20 der Charta ist aber die Bundesrepublik Deutschland bei der Durchführung des Unionsrechts an den Gleichheitssatz gebunden.

Vor diesem Hintergrund spricht Einiges dafür, § 4 Abs. 3 MilchSonBeihV im Rahmen der MilchVerBeihV analog anzuwenden. Dafür sprechen auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von der Beklagten in das Verfahren eingeführten „Questions of general interest“ u. a. zur Beihilfe für Milchreduktion (Blatt 59 f. GA), wonach die Europäische Kommission selbst davon ausgeht, dass in bestimmten Konstellationen eine erbrechtliche Rechtsnachfolge auch zur Rechtsnachfolge im Rahmen des Beihilfeprogramms zur Milchreduktion nach der MilchVerBeihV führen kann. Dass der bundesdeutsche Verordnungsgeber von einer solchen Regelung bewusst Abstand genommen hat, weil er sich aufgrund der als abschließend verstandenen europäischen Verordnung daran gehindert sah, steht einer solchen möglicherweise europa- und verfassungsrechtlich gebotenen Analogie nicht entgegen. Die Gerichte können bundesdeutsche Rechtsverordnungen inzident prüfen und sind dabei nicht an die Motive des Verordnungsgebers gebunden.

Im Berufungsverfahren wird allerdings auch zu klären sein, ob für die Klage noch ein Rechtsschutzinteresse besteht. Dies könnte zu verneinen sein, wenn der Kläger im Verringerungszeitraum seine Milchmenge gar nicht reduziert hat. Hierzu wird der Kläger vortragen müssen.

Nach vorläufiger Einschätzung des Senats steht einem Erfolg der Klage nicht entgegen, dass der Kläger entgegen Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 1 Satz 2 MilchVerVO nicht binnen 45 Tagen nach Ende des Verringerungszeitraums einen Zahlungsantrag gestellt hat. Gemäß Art. 5 Abs. 1 MilchVerVO wird die Beihilfe aufgrund eines solchen Zahlungsantrags ausgezahlt. Solche Zahlungsanträge können gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabsatz 1 Satz 1 MilchVerVO (nur) von den beihilfefähigen Antragstellern gestellt werden, denen Genehmigungen nach Art. 4 MilchVerVO erteilt wurden. Wird aber – wie hier bei einem unterstellten Erfolg der Klage – die Genehmigung zur beihilfefähigen Milchreduzierung erst nach Ablauf von 45 Tagen nach Ende des Verringerungszeitraums erteilt, dürfte dies dem beihilfefähigen Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen. Denn sonst hätte es die Beklagte in der Hand, die Geltendmachung berechtigter Zahlungsansprüche durch eine verzögerte Genehmigungspraxis zu vereiteln.