Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.12.2014, Az.: 1 MN 118/14

Bebauungsplan; Durchführungsvertrag; Festsetzung; Grenzabstand; Ausnahme von Grenzabstand; geringerer Grenzabstand; Konkretisierung; Vorhaben; Vorhaben- und Erschließungsplan; Vorhabenbezogener Bebauungsplan

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.12.2014
Aktenzeichen
1 MN 118/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42658
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Regelungsumfang eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans muss mindestens dem eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 2 BauGB entsprechen und das Vorhaben mit seinen wesentlichen städtebaulich relevanten Parametern textlich und zeichnerisch konkret bezeichnen. Das schließt es nicht aus, dem Vorhabenträger verschiedene Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten einzuräumen.

2. § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB schließt die Befugnis ein, neben einer größeren auch eine geringere Tiefe des Grenzabstands festzusetzen.

3. Eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB verdrängt die Vorschrift des § 5 Abs. 2 NBauO. Die Festsetzung ist daher nicht auf eine bauordnungsrechtliche Möglichkeit einer Verringerung des Grenzabstands - in Niedersachsen nur im Wege der Abweichung nach § 66 NBauO - angewiesen.

4. Geringere Grenzabstände, als sie § 5 Abs. 2 NBauO vorsieht, dürfen nur bei dem Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe festgesetzt werden. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) sind bei der Abwägung zu berücksichtigen.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 75.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 600 der Antragsgegnerin, weil sie eine Verschlechterung ihrer Erschließungssituation sowie eine unzumutbare Immissionsbelastung ihrer Grundstücke befürchtet.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der mit jeweils mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshäusern bebauten Grundstücke D. -straße 67, 71/72 und 74 in B.. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des angegriffenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 600 „Einkaufszentrum E.. Bei dem auf der Grenze zwischen Alt- und Neustadt liegenden E. handelt es sich um einen an einer in Ost-West-Richtung verlaufenden Hauptverkehrsstraße gelegenen Stadtplatz, der als zentraler Verknüpfungspunkt für den Stadtbusverkehr dient. Hier und in der südlich einmündenden D. -straße, einer stark mit Busverkehr belasteten Haupteinkaufsstraße, sind zahlreiche Bushaltestellen zu finden. Südlich des E. steht das Gebäude des ehemaligen Kaufhauses F.; dieses Gebäude steht sein einiger Zeit leer.

Mit dem angegriffenen Plan und dem weiteren Plan Nr. 525 beabsichtigt die Antragsgegnerin, die Situation am E. neu zu gestalten und den Platz städtebaulich aufzuwerten. Zu diesem Zweck verringert der Plan Nr. 525 den Umfang der Straßenverkehrsflächen und verändert die Position der Bushaltestellen. Die Querung des E. soll für Fußgänger einfacher werden. Mit dem Plan Nr. 600 möchte die Antragsgegnerin die Einzelhandelsflächen südlich des E. neu ordnen und die Ansiedlung eines Einkaufszentrums ermöglichen, um den Einzelhandel in der nördlichen Neustadt zu beleben.

Das Plangebiet wird im Süden von der Großen G. -straße, im Osten von der D. -straße, im Norden vom E. und im Westen von einer unregelmäßig verlaufenden Linie zwischen den Flurstücken der Gemarkung B. (Flur 89) mit den Flurstückbezeichnungen 12/1 und 10/3 im Norden sowie 40/5 und 40/6 im Süden begrenzt. Der Plan setzt für die vorwiegend im westlichen Teil des Plangebiets liegenden, im Eigentum des Vorhabenträgers, der Beigeladenen, stehenden Grundstücke ein Einkaufszentrum fest. Zulässig sind dort verschiedene Einzelhandelsbetriebe mit einer Gesamtverkaufsfläche von 21.500 qm; ferner sieht der Plan sortimentsbezogene Verkaufsflächenobergrenzen für die als zentrumsrelevant identifizierten Sortimente vor. Zulässig sind weiter ergänzende Nutzungen wie Schank- und Speisewirtschaften, Büros und Praxen sowie Flächen für konsumnahe und gesundheitsbezogene Dienstleistungen. Ab dem 2. Obergeschoss tritt als weitere Nutzung eine Großgarage mit maximal 475 Stellplätzen für Dauer- und Kurzzeitparker hinzu. Für die nicht im Eigentum der Beigeladenen stehenden und gegenwärtig mit Wohn- und Geschäftshäusern bebauten Flächen im Osten des Plangebiets setzt der Plan jeweils Kerngebiete (MK1-MK3) fest; in diesen Gebieten sind Wohnungen allgemein zulässig. Aus der Planbegründung folgt, dass die Antragsgegnerin die Hoffnung hegt, die Beigeladene werde die Kernbereichsflächen von den gegenwärtig nicht verkaufsbereiten Eigentümern erwerben und in das Einkaufszentrum einbeziehen. Die Flächen des Einkaufszentrums gestatten in einer ersten Ausbaustufe die Realisierung von rund 16.500 qm Verkaufsfläche; die als Obergrenze festgesetzten 21.500 qm sind in einer zweiten Ausbaustufe nur unter Einbeziehung der Kernbereichsflächen zu erreichen.

Weiter festgesetzt ist eine abweichende, seitwärts und rückwärtig geschlossene Bebauung sowie die zulässige Gebäudehöhe von bis zu 88 m über NN. Gegenstand von Festsetzungen sind weiter die im Süden und Nordosten angrenzenden sowie eine der Binnenerschließung des Plangebiets dienende Verkehrsfläche(n). Die bislang das Plangebiet querende H. -straße wird in ihrem mittleren Teil dem Einkaufszentrum zugeschlagen und mit einem Gehrecht zugunsten der Allgemeinheit belegt. Gehrechte finden sich ferner im Norden zum E. und im Nordosten zur D. -straße im Bereich von Bushaltestellen. Der Grenzabstand zu den Verkehrsflächen wird auf 0,25 H reduziert. Zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen setzt der Plan Lärmpegelbereiche mit unterschiedlichen Anforderungen an die Ausführung der Außenwände und Lüftungsanlagen fest.

Der zugehörige Vorhaben- und Erschließungsplan, der sich allein auf das Gebiet des Einkaufszentrums bezieht, zeigt einen einheitlichen Gebäudekomplex mit Kellergeschoss, Erdgeschoss, drei Obergeschossen, darunter zwei Parkdecks, sowie zum Parken nutzbarer Dachfläche. Zugänglich ist das Gebäude vom E., von der D. -straße sowie von der H. -straße und der Großen G. -straße. Die Zufahrt zu den Parkdecks ist zur Großen G. -straße orientiert; der Pkw-Verkehr wird nach Westen über die I. - und die J. -straße zum Neuen K. geführt. Auf der Planurkunde findet sich der folgende Hinweis:

Die Darstellungen zum Vorhaben in den Grundrissen und Ansichten, die Bestandteil des Vorhaben- und Erschließungsplans sind, sind hinsichtlich der äußeren min. und max. Höhen des Gebäudes, der Lage der gekennzeichneten Eingänge im Erdgeschoss, der Verbindung dieser Eingänge durch die Mall, der Lage der Ein- und Ausfahrt zu den Parkdecks, der Lage der Zufahrt der Anlieferung sowie der Struktur der Fassade verbindlich.

Hinsichtlich der Breite der Mall, der Lage, Anzahl und Abmessungen der vertikalen Erschließung und der Lufträume, der Abmessungen und Aufteilungen der Verkaufsflächen und sonstigen Nutzflächen innerhalb des Gebäudes, der Anzahl, der Lage und des Maßes von Öffnungen im Gebäude und den Gebäudeversprüngen in den Fassaden, der Abmessungen der Parkebenen und Anordnung der Stellplätze, sowie des Materials ist die Darstellung nur beispielhaft.

Im Durchführungsvertrag verpflichtet sich die Beigeladene zur Realisierung eines Einkaufszentrums entsprechend dem Vorhaben- und Erschließungsplan mit einer Verkaufsfläche von bis zu 21.500 qm. Die Antragsgegnerin sichert unter bestimmten Voraussetzungen zu, eine Einbeziehung der östlich benachbarten Kernbereichsflächen in das Einkaufszentrum zu genehmigen, wobei die maximale Verkaufsfläche unverändert bleibt.

Das Planaufstellungsverfahren vollzog sich wie folgt: In seiner Sitzung am 25. September 2012 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss. Die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit fand in der Zeit vom 15. April 2013 bis zum 10. Mai 2013 statt. Die öffentliche Auslegung und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erfolgte in der Zeit vom 26. November 2013 bis zum 3. Januar 2014 bzw. bis zum 27. Dezember 2013. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2013, am selben Tag bei der Antragsgegnerin eingegangen, erhob die Antragstellerin zahlreiche Einwendungen, mit denen sie insbesondere eine Verschlechterung der Erschließungssituation ihrer Grundstücke, die Immissionsbelastung sowie nachteilige Folgen für den Einzelhandel geltend machte. Diese Einwendungen wies der Rat in seiner Sitzung vom 29. Juli 2014 zurück; zugleich beschloss er nach Beschlussfassung über den Durchführungsvertrag den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit dem zugehörigen Vorhaben- und Erschließungsplan als Satzung. Die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin folgte nach der Ausfertigung des Plans am 8. August 2014.

Mit ihrem am 14. August 2014 gestellten Normenkontrolleilantrag trägt die Antragstellerin insbesondere vor, der Bebauungsplan definiere das zu realisierende Vorhaben nicht in einer den Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauGB genügenden Weise. Die Ermittlung und Abwägung der Auswirkungen des Einkaufszentrums auf den Einzelhandel in L. und im Umland seien fehlerhaft. Die Verkehrsführung, insbesondere die Trennung der H. -straße verschlechtere die Erschließungssituation in unzumutbarer Weise. Die festgesetzten Gehrechte seien unzulässige Eingriffe in das Grundeigentum; gleiches gelte für die Verringerung der Abstandsflächen. Die Lärmermittlung sei fehlerhaft, weil sie von unzutreffenden Annahmen ausgehe. Planungsalternativen seien nicht hinreichend bedacht worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 600 der Antragsgegnerin vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 600 abzulehnen.

Sie treten dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.

Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung einer Satzung nach dem Baugesetzbuch zur Folge hat, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen ein strenger Maßstab anzulegen. Ein schwerer Nachteil im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO liegt nur vor, wenn rechtlich geschützte Interessen des Antragstellers in ganz besonderem Maße beeinträchtigt oder ihm außergewöhnliche Opfer abverlangt werden (vgl. Erichsen/Scherzberg, DVBl. 1987, 168 <174> m. w. N.). Aus „anderen wichtigen Gründen“ ist der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung erst dann geboten, wenn der Normenkontrollantrag mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 21.3.1988 - 1 D 6/87 -, juris <nur Leitsatz> = BRS 48 Nr. 30; siehe auch Beschl. v. 30.8.2001 - 1 MN 2456/01 -, juris Rn. 9 = NVwZ 2002, 109 = BRS 64 Nr. 62). Beides ist nicht der Fall. Dass der Antragstellerin ein schwerer Nachteil drohen könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der angegriffene Bebauungsplan ist voraussichtlich rechtmäßig.

Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist hinreichend bestimmt. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB sieht vor, dass die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen kann, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB verpflichtet (Durchführungsvertrag). Die erforderliche Konkretisierung des Vorhabens leistet neben der Planzeichnung und den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans der Vorhaben- und Erschließungsplan, der gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist. Der Durchführungsvertrag ist hingegen nicht Bestandteil der Bauleitplanung; auf ihn kann zur notwendigen Konkretisierung des Vorhabens nicht zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003 - 4 CN 3.02 -, juris Rn. 24 = BVerwGE 119, 45 = BRS 66 Nr. 21).

Da der vorhabenbezogene Bebauungsplan selbst die Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt, entspricht sein Regelungsumfang mindestens dem eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 2 BauGB. Da sich zudem die Verpflichtung aus dem Durchführungsvertrag auf das Vorhaben bezieht, muss es im Vorhaben- und Erschließungsplan mit seinen wesentlichen städtebaulich relevanten Parametern textlich und zeichnerisch so konkret gefasst werden, dass der Vertrag vollziehbar wird. Das schließt allerdings nicht aus, dass das vereinbarte und im Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst und damit einem Bedürfnis des Vorhabenträgers oder der Gemeinde nach einem nicht allzu starren planerischen Rahmen Rechnung trägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.9.2003, a. a. O., juris Rn. 23). Unbeschadet der Vorschrift des § 12 Abs. 3a BauGB müssen jedoch mindestens Angaben zu der (genauen) Art und dem Höchstmaß der baulichen Nutzung getätigt werden (vgl. Senat, Urt. v. 8.7.2004 - 1 KN 184/02 -, juris Rn. 36 = BauR 2005, 54 = BRS 67 Nr. 44).

Das zugrundegelegt liegt kein Bestimmtheitsmangel vor.

Die Art der Nutzung beschreibt der Bebauungsplan selbst mit dem Begriff des Einkaufszentrums. Ein solches ist nach der zu § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO entwickelten Begriffsdefinition ein Gebäudekomplex, der Einzelhandelsbetriebe verschiedener Art und Größe, daneben aber auch Dienstleistungsbetriebe umfasst. Dabei kommt es weniger auf ein umfassendes Warenangebot als auf die räumliche Konzentration von Einkaufsmöglichkeiten an. Maßgebend ist, dass einzelne Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.8.2002 - 4 C 5.01 -, juris Rn. 24 = BVerwGE 117, 25 = BRS 65 Nr. 10; Beschl. v. 12.7.2007 - 4 B 29.07 -, juris Rn. 3 = BauR 2007, 2023 = BRS 71 Nr. 64; Senat, Beschl. v. 30.11.2005 - 1 ME 172/05 -, juris Rn. 37 = NVwZ-RR 2007, 7). Aus dem Regelungszusammenhang des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO folgt weiter, dass ein Einkaufszentrum mindestens großflächig sein und damit mehr als 1.200 qm Geschossfläche aufweisen muss. Tatsächlich dürfte die Untergrenze deutlich darüber liegen und einige 1.000 qm Geschossfläche erfordern, weil sich andernfalls die erforderliche Vielfalt des Angebots nicht realisieren ließe, das erst die zur Rentabilität des Vorhabens erforderliche Kundenzahl zum Besuch des Einkaufszentrums veranlasst (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 BauNVO Rn. 50 <Stand der Bearbeitung: Juli 2014>).

Eine weitere Konkretisierung erfolgt mittels der Festsetzung einer absoluten sowie verschiedener sortimentsbezogener Verkaufsflächenobergrenzen, der Vorgabe bestimmter Nutzungen sowie der Gebäudekubatur einschließlich der - die Antragsgegnerin bestreitet dies ohne nachvollziehbare Begründung in anderem Zusammenhang - insgesamt sechs Geschosse (einschließlich des Kellergeschosses und des Parkdecks auf dem Dach). Diese Konkretisierungen stellen sicher, dass ein breites Angebot realisiert wird und zugleich schädliche Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO ausbleiben. Dass keine Verkaufsflächenuntergrenzen festgesetzt werden, ist ebenso unschädlich wie die Tatsache, dass allein im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans die Verkaufsflächenobergrenze aus räumlichen Gründen nicht erreicht werden kann. Verkaufsflächenuntergrenzen sind - über die aus dem Begriff des Einkaufszentrums folgende Untergrenze hinaus - schon deshalb nicht erforderlich, weil es in der Natur der Sache liegt, dass die Beigeladene als Vorhabenträgerin die zulässige Verkaufsfläche weitestmöglich ausschöpfen wird und eine Unterschreitung des zulässigen Flächenumfangs zudem städtebaulich unbedenklich wäre. Aus dem gleichen Grund bedurfte es keiner ausdrücklichen Festschreibung der realisierbaren Verkaufsfläche von 16.500 qm im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans. Die entsprechende Obergrenze folgt aus der Gebäudekubatur und den Vorgaben zu den aufzunehmenden Nutzungen; die Annahme, die Beigeladene werde in städtebaulich relevantem Umfang dahinter zurückbleiben, liegt ersichtlich fern.

Unbedenklich ist, dass die einzelnen Nutzungen innerhalb des Einkaufszentrums nicht im Einzelnen festgesetzt, sondern nur mittels sortimentsbezogener Verkaufsflächenobergrenzen und der Festsetzung der zulässigen sonstigen Nutzungen gesteuert werden. Der Plan ermöglicht der Beigeladenen damit zulässigerweise eine gewisse Flexibilität bei der Vermietung; städtebaulich schädliche Auswirkungen werden mit den Verkaufsflächenobergrenzen vermieden. Den von der Antragstellerin befürchteten Missbrauch durch Errichtung eines Kinocenters mit angeschlossener Gastronomie und Bekleidungseinzelhandel schließt der Bebauungsplan mit dem Begriff des Einkaufszentrums zuverlässig aus; schon der Begriff stellt klar, dass das Vorhaben überwiegend dem Einzelhandel dienen muss und weitere Nutzungen nur ergänzende Funktionen aufweisen dürfen. Einer expliziten flächenmäßigen Begrenzung oder gar einer Zuordnung einzelner Nutzungen zu den verschiedenen Geschossen bedurfte es vor diesem Hintergrund auch angesichts der verhältnismäßig geringen städtebaulichen Relevanz der ergänzenden Nutzungen nicht.

Der Vorhaben- und Erschließungsplan setzt das Höchstmaß der baulichen Nutzung sowie die wesentlichen städtebaulich bedeutsamen Parameter in hinreichend bestimmter Weise fest. Dem Plan ist - mit Ausnahme der Gebäudeversprünge - die Kubatur des Einkaufszentrums und damit seine räumliche Ausdehnung zweifelsfrei zu entnehmen; ebenso enthält der Plan detaillierte Höhenangaben. Festgelegt sind zudem die Positionierung der Zugänge, der Zufahrt und des Anlieferungsbereichs sowie das Gehrecht für den zu überbauenden Bereich der H. -straße. Das sind die Einzelheiten, die für die - positiven wie negativen - Auswirkungen des Vorhabens auf die Umgebung in städtebaulicher Hinsicht eine besondere Bedeutung aufweisen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Plan der Beigeladenen bei der Aufteilung und Gestaltung des Innenbereichs einschließlich der Positionierung der Stellplätze ab dem zweiten Obergeschoss weithin freie Hand lässt.

Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, der Vorhaben- und Erschließungsplan, der Bebauungsplan und der Durchführungsvertrag seien nicht ausreichend aufeinander abgestimmt und sogar widersprüchlich; das gilt insbesondere für die Angaben zu den Verkaufsflächen. Während der Bebauungsplan eine Verkaufsfläche von 21.500 qm gestattet, bleibt der Vorhaben- und Erschließungsplan dahinter zwar insoweit zurück, als diese Fläche - wie ausgeführt - in seinem Geltungsbereich nicht verwirklicht werden kann. Nach der Senatsrechtsprechung ist es indes unschädlich, wenn der Bebauungsplan im engeren Sinne weitergehende Nutzungen ermöglicht, als es der Vorhaben- und Erschließungsplan vorsieht (vgl. Senat, Urt. v. 8.7.2004, a. a. O., juris Rn. 42). Ein Angebotsbebauungsplan im Gewand eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans liegt damit entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht vor. Auch den Umfang der Verpflichtung der Beigeladenen bestimmt der Vorhaben- und Erschließungsplan - und diesem folgend der Durchführungsvertrag - insofern zweifelsfrei: Geschuldet wird die Errichtung eines Einkaufszentrums im Plangebiet unter räumlicher Ausnutzung der gesamten Fläche; diese Verpflichtung kann die Beigeladene ohne weiteres realisieren.

Nicht zu beanstanden ist, dass der Durchführungsvertrag eine optionale Erweiterung des Einkaufszentrums auf die Flächen der Kerngebiete MK1 bis MK3 in den Blick nimmt und für den Fall, dass der Beigeladenen ein entsprechender Grunderwerb gelingt, verschiedene Modalitäten der Genehmigung regelt. Soweit er sich damit nicht in Widerspruch zu dem Bebauungsplan mitsamt dem Vorhaben- und Erschließungsplan setzt, kann der Durchführungsvertrag weitergehende Abreden enthalten (vgl. Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 12 Rn. 17). Diese Anforderungen sind erfüllt. Eine Erweiterung des Einkaufszentrums bis zu einer Gesamtverkaufsfläche von 21.500 qm auf den Flächen der Kerngebiete MK1 bis MK3 steht in Einklang mit den planerischen Festsetzungen sowohl für das Einkaufszentrum als auch für die benachbarten Kerngebiete (vgl. zum Erfordernis der einheitlichen Beurteilung eines Vorhabens Senat, Beschl. v. 19. 7.2004 - 1 ME 116/04 -, juris Rn. 11 = NVwZ-RR 2005, 231).

Der Plan erweist sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht als abwägungsfehlerhaft.

Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Die daraus folgenden Anforderungen an den Abwägungsvorgang entsprechen denen, die die Rechtsprechung aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB entwickelt hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.4.2008 - 4 CN 1.07 -, juris Rn. 20 = BVerwGE 131, 100; Urt. v. 13.12.2012 - 4 CN 2.11 -, juris Rn. 9 = DVBl. 2013, 507). Die so ermittelten und bewerteten öffentlichen und privaten Belange sind in einem weiteren Schritt gemäß § 1 Abs. 7 BauGB gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemeinde diese Anforderung an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungsgebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.1974 - 4 C 50.72 -, juris Rn. 45 = BVerwGE 45, 309 =  BRS 28 Nr. 4).

Nach diesen Maßgaben folgt kein Abwägungsfehler daraus, dass der Rat der Antragsgegnerin das städtebauliche und architektonische Konzept der Beigeladenen, und zwar insbesondere die Überlegungen zur inneren Konzeption, in seine Planbegründung (S. 17-18) aufgenommen hat. Diese Überlegungen, die etwa den in Aussicht genommenen „Food Court“ im ersten Obergeschoss sowie eine sogenannte „Core Attraction“ im Kreuzungsbereich der inneren Erschließung mit der H. -straße betreffen, sind zwar für die Beigeladene nicht verbindlich. Davon geht die Planbegründung indes auch nicht aus. Die entsprechenden Ausführungen sind ausdrücklich als Kapitel C „Konzeption“ überschrieben und von dem Kapitel D „Planungsrechtliche Festsetzungen“ getrennt. Im Kapitel D, bei dem es sich für die Rechtsfolgen des Plans offenkundig um den entscheidenden Teil handelt, findet sich - ebenso wie auf dem Vorhaben- und Erschließungsplan selbst - der Hinweis, dass sowohl die Ausführung der Erschließung als auch die Aufteilung der Verkaufs- und der sonstigen Nutzflächen nur beispielhaft beschrieben, nicht aber verbindlich festgesetzt würden. Der Vorwurf der Antragstellerin, die Planbegründung gehe von nicht bestehenden Festsetzungen aus, geht daher ins Leere.

Ebenso unzutreffend ist der Vorwurf, die Antragsgegnerin habe die Auswirkungen des Vorhabens auf die übrigen Versorgungsbereiche in B. und seinem Umland fehlerhaft abgewogen.

Die Antragsgegnerin hat die Auswirkungen des Vorhabens zu Recht ausgehend von zwei verschiedenen Ausbaustufen mit 16.500 qm und 21.500 qm bewertet (vgl. Planbegründung, S. 9-13 und Gutachten der CIMA vom 19.3.2013). Die erste Ausbaustufe, die rund 16.500 qm Verkaufsfläche ermöglicht, stellt diejenige dar, die die Beigeladene aufgrund des Vorhaben- und Erschließungsplans und des Durchführungsvertrags verwirklichen kann und muss. Die zweite Ausbaustufe mit 21.500 qm ist diejenige, die im Bebauungsplangebiet insgesamt unter Ausnutzung aller in Frage kommenden Flächen maximal zulässig ist. Einer detaillierten Betrachtung weiterer Flächengrößen bedurfte es aus zwei Gründen nicht.

Erstens ist im Rahmen der Abwägung auf das abzustellen, was „nach Lage der Dinge“, d. h. bei Berücksichtigung der konkreten Situation des Plangebiets und bei vollständiger Ausnutzung der Planfestsetzungen realistischerweise zu erwarten ist (vgl. Senat, Urt. v. 17.11.2011 - 1 KN 71/08 -, juris Rn. 26 = BauR 2012, 623 = BRS 78 Nr. 73); es bedarf der Betrachtung eines realistischen Worst-Case-Szenarios (vgl. Senat, Urt. v. 10.7.2014 - 1 KN 121/11 -, juris Rn. 53). Ein solches Szenario hat die Antragsgegnerin berücksichtigt. Es ist - wie ausgeführt - bei realistischer Betrachtung nicht zu erwarten, dass die Beigeladene in der ersten Ausbaustufe die realisierbare Verkaufsfläche von 16.500 qm nicht ausschöpfen wird.

Zweitens waren dem Rat der Antragsgegnerin die städtebaulichen Folgen einer Verkaufsfläche von weniger als 21.500 qm durchaus bewusst: Mit einer geringeren Verkaufsfläche geht einerseits eine geringere Attraktivität des Einkaufszentrums und eine geringere Bindung insbesondere auswärtiger Kunden, andererseits aber eine geringere Gefährdung vorhandener Einzelhandelsstandorte einher (Planbegründung, S. 12; Gutachten der CIMA vom 19.3.2013, S. 42-44). Diese möglichen Folgen hat die Antragsgegnerin in ihre Abwägung eingestellt; einer darüber hinausgehenden gutachterlichen Bewertung und Detailbetrachtung jeder denkbaren Zwischengröße bedurfte es nicht. Soweit die Antragstellerin dagegen meint, ein kleines Einkaufszentrum habe stärkere Verdrängungseffekte im unmittelbaren Vorhabenumfeld zur Folge, sodass es einer weitergehenden Abwägung bedurft hätte, folgt der Senat dem nicht. Bei einer geringeren Attraktivität für auswärtige Kunden nimmt der Verdrängungsumsatz lediglich prozentual, nicht aber in absoluten Zahlen zu; diesen Zusammenhang hat sich die Antragsgegnerin ausreichend bewusst gemacht. Eine stärkere Gefährdung ansässiger Betriebe ist damit nicht verbunden.

Nicht zu beanstanden sind die Annahmen zu den Verkaufsflächen der einzelnen Sortimente in der ersten Ausbaustufe, auf denen das der Abwägung zugrunde liegende Verträglichkeitsgutachten der CIMA vom 19. März 2013 beruht (S. 49). Diese Annahmen sind zwar nicht rechtsverbindlich, sodass es der Beigeladenen von Rechts wegen freisteht, die Flächen einzelner Sortimente bis zum Erreichen der in Nr. 1.1 festgesetzten sortimentsbezogenen Verkaufsflächenobergrenzen auszudehnen und im Gegenzug auf andere Sortimente ganz oder teilweise zu verzichten. Daraus folgt jedoch kein Mangel des Gutachtens und der darauf beruhenden Abwägung. Zu betrachten ist nämlich - wie ausgeführt - ein realistisches Szenario; ein solches liegt dem Gutachten zugrunde. Die Annahmen zu den Verkaufsflächen beruhen - wie die CIMA in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2014 (S. 3-6) ausgeführt hat - auf den Erfahrungen des Gutachters mit vergleichbaren Einkaufszentren sowie einer Betrachtung der Konzeption der Beigeladenen. Da nur ein breit aufgestelltes Einkaufszentrum aus Kundensicht attraktiv sei, sei es unrealistisch, dass zugunsten der Ausschöpfung der Obergrenze in einem Sortiment auf Ansiedlungsmöglichkeiten in einem anderen Sortiment verzichtet werde. Die gegenteiligen Ausführungen der Antragstellerin sind spekulativ; sie lassen jede sachliche Fundierung vermissen.

Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin, die Annahmen zu der Aufteilung der Flächen bzw. den Flächenproduktivitäten seien in ihren Einzelheiten nicht nachzuvollziehen. Die Warengruppe „Medien und Technik“, für die das Gutachten in der zweiten Ausbaustufe eine Fläche von 4.000 qm zugrunde liegt, umfasst nicht nur die in Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen mit „Elektroartikel / Unterhaltungselektronik, Foto, Computer und Zubehör, Neue Medien“ umschriebene Warengruppe, sondern zusätzlich die Warengruppe „Bücher, Schreibwaren“; für beide Gruppen gemeinsam ist eine Verkaufsfläche von maximal 4.000 qm zulässig. Dass die Flächenproduktivität bei zunehmender Verkaufsfläche - etwa für die Warengruppe „Bücher, Schreibwaren“ - abnehmen kann, hat die CIMA in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2014 plausibel erläutert. Dass Abweichungen der Flächenproduktivität in Höhe von 3,70 EUR (3.496,30 EUR gegenüber 3.500,- EUR), das entspricht rund 0,1 % und liegt im Bereich von Rundungsdifferenzen, rechtlich relevant sein könnten, wird die Antragstellerin nicht ernstlich behaupten wollen.

Sonstige Nutzungen wie Gastronomie und Dienstleistungen hat die CIMA - wie in der ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2014 (S. 13-14) ausgeführt - berücksichtigt (vgl. auch die Beschreibung des Einkaufszentrums im Gutachten vom 19.3.3013, S. 37); dies zeigt sich daran, dass die Flächenproduktivitäten üblicher Einkaufszentren zugrunde gelegt wurden (Gutachten vom 19.3.2013, S. 47), die - was schon der Begriff des Einkaufszentrums erfordert - stets Gastronomie und Dienstleistungen umfassen. Mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zum Preussenpark Münster (Urt. v. 7.12.2000 - 7a D 60/99.NE -, openJur 2011, 82755 Rn. 150 ff.) zugrunde lag, ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar; im dortigen Fall litten die Verträglichkeitsgutachten daran, dass die in erheblichem Umfang zulässigen und nicht weiter konkretisierten sonstigen Nutzungen bei der Betrachtung der Umsatzumverteilung gänzlich ausgeblendet worden waren.

Die Aussagen des Verträglichkeitsgutachtens werden - jedenfalls nach den Maßstäben des Eilverfahrens - nicht dadurch ernstlich in Frage gestellt, dass dieses von einer Einwohnerzahl innerhalb der Stadt B. von 165.021 ausgeht (S. 31), während der Zensus 2011 eine Einwohnerzahl von 154.513 Einwohnern ergeben hat und das Melderegister zum Stichtag am 31.12.2011 156.240 Einwohner aufwies. Sinkende Einwohnerzahlen führen zwar zu einem sinkenden Nachfragepotenzial, was für die Beurteilung des Vorhabens durchaus von Bedeutung sein kann. Für den vorliegenden Fall hat die CIMA in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10. Oktober 2014 (S. 10-11) indes ausgeführt, dass eine sinkende Kaufkraft die für die Abwägung maßgebliche Umverteilungsquote zu Lasten der vorhandenen Versorgungsstrukturen im Wesentlichen unverändert lässt. Diese Überlegung ist grundsätzlich plausibel, weil sich eine sinkende Kaufkraft auf das Einkaufszentrum wie auf die Bestandsbetriebe gleichermaßen auswirkt und die prozentuale Umsatzverteilung zwischen den Betrieben nicht zwangsläufig in relevantem Umfang beeinflusst. Die Antragstellerin tritt dem nicht substantiiert entgegen, sodass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit der nach den Maßstäben des Eilverfahrens gebotenen großen Wahrscheinlichkeit von einem Abwägungsfehler auszugehen ist. Ob die Entwicklung der Einwohnerzahlen im Umland den Einwohnerverlust der Stadt B. tatsächlich ausgleicht, kann deshalb offen bleiben; die Übersicht des Landesamtes für Statistik über die Bevölkerung der kreisfreien Städte und Landkreise am 9. Mai und 31. Dezember 2011 (im Internet abzurufen unter www.statistik-niedersachsen.de), die für den Landkreis B. rückläufige Einwohnerzahlen ausweist, spricht eher dagegen.

Nicht zu beanstanden ist, dass dem Rat die obigen Einzelheiten im Rahmen der Abwägung - soweit ersichtlich - nicht vorgelegt worden sind. Für die Abwägung ist maßgeblich, in welcher Weise sich das Einkaufszentrum auf die Umgebung auswirkt; die entsprechenden Aussagen gelten nach dem gegenwärtigen Stand unverändert fort. Die Einwohnerzahl ist insoweit nur ein Eingabeparameter, nicht aber selbst Gegenstand der Abwägung.

Die Antragsgegnerin war nicht gehalten, im Rahmen des Verträglichkeitsgutachtens Prognosen über die zukünftige Bevölkerungsentwicklung und die Entwicklung des Online-Handels zu berücksichtigen. Hierzu hat die CIMA in ihrer Stellungnahme vom 12. Februar 2014 (Abwägung, S. 337-338) ausgeführt, eine Prognose der zukünftigen Nachfrageentwicklung sei nicht verlässlich möglich. Auch das von der Antragstellerin in Bezug genommene Gutachten des Büros M. vom 17. Dezember 2013 befürwortet eine derartige Prognose im Übrigen nicht, sondern spricht sich in vager Form lediglich für die „Würdigung“ entsprechender Trends aus (S. 12).

Das Verträglichkeitsgutachten und die auf diesem beruhende Abwägung leiden nicht darunter, dass sie von einer nicht gesicherten Umgestaltung des E. ausgehen. Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit dieser Einwand tatsächlich zutrifft, durfte die Antragsgegnerin eine fußgängerfreundliche Umgestaltung des E., deren Umsetzung bereits voranschreitet, ihrer Planung und Abwägung zugrunde legen. Auf einen Bebauungsplan war sie für die vorgesehenen Maßnahmen - Verringerung der Fahrspuren für den Individualverkehr auf zwei, verbesserte Querungsmöglichkeiten, Neupositionierung der Bushaltestellen - nicht angewiesen.

Ein Mangel des Bebauungsplans liegt nicht darin, dass - nach Auffassung der Antragstellerin - nicht ausreichend sichergestellt ist, dass das Einkaufszentrum (vorwiegend) neue, in B. bislang nicht vertretene Anbieter aufnimmt. Bei den entsprechenden Ausführungen des Gutachtens der CIMA vom 19. März 2013 (u.a. S. 18 und S. 79) handelt es sich nicht um zwingende Vorgaben, die die Verträglichkeit des Vorhabens erst begründen, sondern vielmehr um Empfehlungen, die die positiven Wirkungen des Vorhabens weiter steigern sollen. Antragsgegnerin und Beigeladene haben sich in ihrem städtebaulichen Vertrag bemüht, der Forderung nachzukommen. Ob ihnen dies umfassend gelungen ist, bedarf angesichts der Unverbindlichkeit der Empfehlung keiner Vertiefung.

Die Antragsgegnerin war nicht verpflichtet, die Zulässigkeit sonstiger Nutzungen einer weitergehenden Abwägung zu unterziehen. Sie hat sich mit der Frage sonstiger Nutzungen - wie die textliche Festsetzung Nr. 1.1 belegt (vgl. Planbegründung, S. 28) - beschäftigt, ihre Notwendigkeit im Hinblick auf die Funktion des Einkaufszentrums gesehen und sich angesichts des begrenzten Umfangs der Gesamtfläche gegen eine explizite flächenmäßige Begrenzung entschieden. Das ist ausreichend und in der Sache nicht zu beanstanden.

Frei von Abwägungsfehlern ist die Straßenplanung, und zwar auch insoweit, als die Überbauung der H. -straße die Entstehung von drei Sackgassen (östliche und westliche H. -straße, Stichweg zur Großen G. -straße) zur Folge hat. Richtig ist zwar, dass Sackgassen insbesondere für Ver- und Entsorgungsfahrzeuge nur unter erschwerten Bedingungen anzufahren sind. Diese Erschwernisse sind indes hinzunehmen; die entsprechenden Erwägungen der Antragsgegnerin sind angesichts der Besonderheiten der Innenstadtlage tragfähig.

Die östliche H. -straße, die eine Länge von rund 30 m aufweist und die ihre bisherige Anbindung nach Westen verliert, kann zukünftig über die D. -straße angefahren werden. Diese Möglichkeit ist angesichts der Tatsache, dass sich in diesem Bereich weder Stellplätze noch Hauszufahrten befinden, zumutbar. Angesichts der Breite der festgesetzten Straßenverkehrsfläche von rund 8 m sind Wendemanöver in Grenzen möglich; jedenfalls aber kann über die kurze Distanz auf die D. -straße zurückgesetzt werden.

Die westliche H. -straße, die eine Länge von immerhin rund 100 m und eine nutzbare Breite von rund 11-12 m aufweist, verliert ihre Anbindung nach Osten. Wendemanöver für Ver- und Entsorgungsfahrzeuge sind möglich, allerdings nur mit mehrmaligem Zurücksetzen. Dies ist angesichts des nur sehr begrenzt zur Verfügung stehenden Verkehrsraums im dicht bebauten Innenstadtbereich ebenso zumutbar wie ein Zurücksetzen über die volle Länge von 100 m. Soweit sich die Antragstellerin für ihre gegenteilige Rechtsansicht auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 14.2.1995 - 11a D 29/91.NE -, juris Rn. 12 = BauR 1995, 659 = BRS 57 Nr. 15) beruft, ist der zugrunde liegende Sachverhalt mit diesem Fall nicht vergleichbar. Der dort zu beurteilende Plan zielte darauf ab, in einer locker bebauten Umgebung Zufahrten von Wohngrundstücken zu einer Landesstraße dadurch zu beseitigen, dass parallel dazu eine 180 m lange und ca. 4,5 - 3 m breite Erschließungsstraße ohne Wendemöglichkeit geführt werden sollte; dies hielt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen für abwägungsfehlerhaft. Im vorliegenden Fall handelt es sich demgegenüber um eine dicht bebaute Innenstadtlage, die Straße ist nahezu drei Mal so breit und nur halb so lang. Da die gewählte Lösung vertretbar ist, kommt es auf die im benachbarten Bebauungsplan Nr. 525 festgesetzte Wendeanlage auf dem Grundstück H. -straße 7/8 nicht mehr an. Die Erreichbarkeit des Grundstücks H. -straße 33/34, das über Stellplätze und eine Wendemöglichkeit im Innenhof verfügt, bleibt über die J. -straße/I. -straße ungeschmälert erhalten (Planbegründung, S. 22).

Für den Stichweg zur Großen G. -straße, der eine Länge von rund 60 m und eine Breite von rund 9 m aufweist, gilt Entsprechendes. Hinzu kommt, dass dieser Stichweg bislang keine öffentliche Straße darstellte. Mit der nunmehr in Aussicht gestellten Widmung tritt daher sogar eine Verbesserung der Erschließungssituation ein.

Die Nachteile einer Überbauung der H. -straße hat die Antragsgegnerin gesehen und sich bemüht, diese - etwa durch die Verpflichtung der Beigeladenen im Durchführungsvertrag, die entsprechende Passage 24 Stunden offen zu halten - so weit wie möglich zu kompensieren (vgl. etwa Abwägung. S. 98-99). Sie war insofern nicht verpflichtet, die Alternativplanung eines Braunschweiger Stadtplaners zu verfolgen.

Erfolglos bleiben die Einwände zu den die Stellplätze betreffenden Festsetzungen. Soweit ihre Anzahl niedriger ausfällt, als dies die Ausführungsbestimmungen zu § 47 NBauO (RdErl. v. 19.12.2008, Nds. MBl. 2009 S. 50; geändert durch RdErl. v. 24.9.2013, Nds. MBl. S. 713) vorsehen (1 Einstellplatz je 10 bis 20 qm Verkaufsnutzfläche), entspricht das der zentralen Lage des Vorhabens, das nahezu optimal an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden ist (Planbegründung, S. 20-23; Abwägung, S. 106-108). Angesichts dessen ist die Annahme, ein großer Teil der Besucher und Mitarbeiter werde mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, berechtigt. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass es getrennter Ein- und Ausfahrtsbereiche für Kurz- und Dauerparker bedurft hätte. Die entsprechenden Erwägungen der Antragstellerin sind spekulativ und legen - da eine solche Trennung keineswegs die Regel darstellt - eine entsprechende Notwendigkeit nicht ansatzweise substantiiert dar. Die Erwägung der Antragsgegnerin, eine solche Trennung der Zufahrten unterbleibe (schon) aus Platzgründen, ist demgegenüber tragfähig (Abwägung, S. 108).

Die auf die Gebäudehöhen bezogenen Einwände der Antragstellerin beruhen auf einem Missverständnis. Der Plan setzt für die Kerngebiete MK1 bis MK3 - die Beigeladene hat zu Recht darauf hingewiesen - nicht eine bestimmte Geschossigkeit, sondern Geschossflächenzahlen, verbunden mit maximalen Gebäudehöhen, fest. Die Staffelung der Geschossflächenzahl orientiert sich an dem Bestand (Planbegründung, S. 39).

Die Festsetzung von Gehrechten (§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BauGB) in Nr. 1.4 und 2.4 der textlichen Festsetzungen ist ebenfalls frei von Abwägungsfehlern. Der Zweck des beanstandeten Gehrechts G1 liegt darin, im Bereich der am E. /Neuer K. bzw. in der D. -straße angeordneten Bushaltestellen - und nur dort - einen ausreichenden Raum für wartende Fahrgäste und zugleich für Fußgänger bereitzustellen (Planbegründung, S. 36); dieser Zweck ist legitim und vermag die mit der Festsetzung verbundene Beeinträchtigung des Grundeigentums zu rechtfertigen. Eine Pflicht zur Anpassung des Gebäudebestands ist damit nicht verbunden. Dass der Plan für das Eckgrundstück D. -straße 68/67 kein Gehrecht festsetzt, liegt darin begründet, dass dort keine Bushaltestelle vorhanden ist. Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan die Überbauung einzelner mit Gehrechten belegter Flächen bzw. eine geringere lichte Höhe als 6 m vorsieht, ist dem entgegenzuhalten, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan insoweit, nämlich hinsichtlich der entsprechenden Gebäudeversprünge, unverbindlich und demzufolge im Baugenehmigungsverfahren zu klären ist, inwieweit Ausnahmen nach Nr. 1.4.1 und Nr. 2.4 i. V. mit § 31 Abs. 1 BauGB bzw. Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt werden können. Dass die Festsetzungen städtebaulich auch auf mittlere Sicht nicht zu realisieren sind, ist nicht ersichtlich; gerade gewerblich genutzte Immobilien im Innenstadtbereich sind im Gegenteil immer wieder an neue Anforderungen des Marktes anzupassen.

Soweit die Antragstellerin die Erforderlichkeit der lichten Höhe der Gehrechtsbereiche in Frage stellt, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Aus dem Fachbeitrag Lufthygiene aus dem August 2013 geht hervor, dass sich Luftschadstoffe im Bereich von Arkaden sammeln (S. 19-20). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin dem mittels der Festsetzung von Mindesthöhen begegnen möchte, und zwar am E. wie an der D. -straße gleichermaßen.

Nicht zu beanstanden sind die Festsetzungen zu verringerten Grenzabständen zu den Straßenverkehrsflächen in Nr. 1.5 und 2.5 der textlichen Festsetzungen. Diese sehen vor, dass im Bereich der H. -straße, der mit „A“ gekennzeichneten Fläche und dem Teil der D. -straße, der im Geltungsbereich des Bebauungsplanes liegt, der Grenzabstand 0,25 H, mindestens jedoch 3,0 m beträgt. Rechtsgrundlage für diese Festsetzung ist § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB; danach können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen festgesetzt werden.

Die im Jahr 2007 mit dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BauGBÄndG 2007, BGBl. I S. 3316) eingeführte Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB findet in Niedersachsen Anwendung. Zwar sieht die Niedersächsische Bauordnung - anders als andere Bauordnungen - kein System von Abstandsflächen, sondern ein System des Punktabstands vor (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und 4 NBauO) vor. Der in § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB verwendete Begriff der Abstandsfläche ist indes nicht im technischen Sinne zu verstehen, sondern ungeachtet des verwendeten Systems auf den nach dem jeweiligen Landesrecht erforderlichen Grenzabstand zu beziehen (zweifelnd Gierke, in: Brügelmann, BauGB, § 9 Rn. 113z <Stand der Bearbeitung: Januar 2009>). Das folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die den Gemeinden die Möglichkeit geben soll, aus städtebaulichen Gründen vom Bauordnungsrecht des jeweiligen Landes abweichende Maße der Abstandsflächentiefe festzusetzen (vgl. BT-Drs. 16/3308, S. 17). Dieser Sinn und Zweck ist nicht davon abhängig, welches abstandsrechtliche System dem Landesrecht zugrunde liegt; auch die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis, dass der Begriff der Abstandsflächen im technischen Sinne verwendet werden sollte.

§ 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB schließt die Befugnis ein, neben einer größeren auch eine geringere Tiefe vorzusehen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 20.11.2009 - 7 D 124/08.NE -, juris Rn. 66 ff.; Urt. v. 15.4.2011 - 7 D 68/10.NE -, juris Rn. 55; ebenso der Mustererlass zum BauGBÄndG 2007, S. 12; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 9 Rn. 42d <Stand der Bearbeitung: Juni 2012>; Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 9 Rn. 21c <Stand der Bearbeitung: April 2008>; Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 9 Rn. 31; Spannowsky, in: BeckOK BauGB, § 9 Rn. 9 <Edition 27>; Schulte, BauR 2007, 1514 <1526>). Der Gesetzeswortlaut, der in allgemeiner Form die Festsetzung abweichender Maße gestattet, ist in diesem Sinne eindeutig. Für eine vereinzelt erwogene teleologische Reduktion der Vorschrift bieten weder der Sinn und Zweck der Vorschrift noch ihre Entstehungsgeschichte einen hinreichenden Anhaltspunkt (a.A. VG Oldenburg, Beschl. v. 29.4.2008 - 4 B 824/08 -, V. n. b.; zweifelnd auch Gierke, in: Brügelmann, a. a. O., § 9 Rn. 113ac; offen gelassen von Senat, Urt. v. 22.10.2008 - 1 KN 215/07 -, juris Rn. 46 = BRS 73 Nr. 18; Urt. v. 17.10.2012 - 1 KN 46/10 -, V. n. b.).

Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist - wie ausgeführt - darauf gerichtet, den Gemeinden die Möglichkeit  zu geben, aus städtebaulichen Gründen vom Bauordnungsrecht des jeweiligen Landes abweichende Maße der Abstandsflächentiefe festzusetzen. Diese Zielsetzung erfasst größere wie geringere Abstände gleichermaßen. Zwar dürfte in der Praxis insbesondere angesichts des seit dem Jahr 2012 gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 NBauO auf 0,5 H verringerten Regelgrenzabstands eher die Festsetzung größerer Abstände eine Rolle spielen, während geringere Abstände schon vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB eine Ausnahme darstellen dürften. Gerade in dicht bebauten Innenstadtbereichen und historisch gewachsenen Stadtquartieren, in denen bereits eine Bebauung mit zu geringen Grenzabständen vorhanden ist, kommt jedoch im Hinblick auf § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB eine Verringerung des Regelgrenzabstands durchaus in Betracht (vgl. Mustererlass zum BauGBÄndG 2007, S. 13).

Auch die Entstehungsgeschichte gestattet keine einschränkende Auslegung von § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB. In der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 8. November 2006 heißt es zu den Gründen für die Einführung der Vorschrift (vgl. BT-Drs. 16/3308, S. 17):

„Anlass hierfür ist die Anpassung des Abstandsflächenrechts zahlreicher Landesbauordnungen an § 6 Abs. 5 der Musterbauordnung 2002 (MBO 2002). Diese Regelung senkt die Tiefe der Abstandsfläche von zuvor 1,0 H auf das Maß von 0,4 H, zielt ausweislich der Begründung zur MBO 2002 „ausschließlich auf einen bauordnungsrechtlich zu sichernden Mindeststandard und verfolgt keine städtebaulichen Nebenziele (mehr)“. Um auch dann, wenn das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht nur noch gefahrenabwehrrechtlichen Zwecken dient, städtebaulich gebotene Abstandsflächen vorsehen zu können, soll den Gemeinden die neue Festsetzungsmöglichkeit gegeben werden.“

Daraus folgt: Zwar war der Anlass für die Einführung der Vorschrift der Trend zu einer Verringerung des Grenzabstands. Ungeachtet dessen hat der Gesetzgeber die Vorschrift aber in allgemeiner Weise formuliert und es den Gemeinden generell ermöglicht, die ihrer Ansicht nach städtebaulich gebotenen Grenzabstände festzusetzen. Hätte er eine demgegenüber eingeschränkte Regelungsabsicht verfolgt, wäre es ein Leichtes gewesen, eine solche explizit zu formulieren. Dabei mag es sein, dass dem Gesetzgeber eine Vergrößerung der Abstände in besonderer Weise vor Augen stand. Dies schließt es aber nicht aus, dass in Ausnahmefällen geringere Abstände städtebaulich geboten sein können.

§ 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB bewirkt dem Wortlaut der Vorschrift zufolge, dass im Geltungsbereich einer entsprechenden Festsetzung der rechtlich erforderliche Grenzabstand ein von der Landesbauordnung abweichendes Maß aufweist. Mit anderen Worten verdrängt die Festsetzung zum Abstandsmaß die Vorschrift des § 5 Abs. 2 NBauO; die Vorschrift findet im Geltungsbereich der Festsetzung keine Anwendung (vgl. Mitschang/Reidt, a. a. O.; Gaentzsch, a. a. O., § 9 Rn. 21a), sodass die Verwirklichung der Festsetzung des Bebauungsplans nicht auf die bauordnungsrechtliche Möglichkeit einer Verringerung des Grenzabstands - in Niedersachsen nur im Wege der Abweichung nach § 66 NBauO (vgl. LT-Drs. 16/3195, S. 71) - angewiesen ist (a.A. Gierke, in: Brügelmann, a. a. O., § 9 Rn. 113ap ff.; Boeddinghaus, BauR 2007, 641 <648 f.>). Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers. Nach seinem Willen soll mit dem Wort „abweichend“ ausgedrückt werden, dass Festsetzungen zum Maß der Abstandsflächentiefe in Bebauungsplänen dem Abstandsflächenrecht der Landesbauordnungen vorgehen. Für die Berechnung der Abstandsflächentiefe verbleibt es hingegen bei den Vorschriften der Landesbauordnungen (vgl. BT-Drs. 16/3308, S. 17).

Kompetenzrechtliche Schwierigkeiten wirft dieses Rechtsverständnis nicht auf (a. A. Gierke, in: Brügelmann, a. a. O., § 9 Rn. 113ak ff.). § 74 Abs. 1 Nr. 18 GG verleiht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Boden- und damit für das Städtebaurecht. In diesem Rahmen hält sich § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB, und zwar auch insoweit, als eine abweichende Festsetzung den vom Landesgesetzgeber aus Gründen der Gefahrenabwehr für erforderlich gehaltenen Mindestabstand verringert (vgl. zu dieser Zielsetzung des Abstandsrechts in Niedersachsen LT-Drs. 16/3195, S. 71). Denn den Ländern steht es nicht zu, im Rahmen ihrer Kompetenz zur Gefahrenabwehr den bodenrechtlich motivierten Regelungen des Bundesrechts zuwiderzuhandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975 - 2 BvL 9/74 -, juris Rn. 26 = BVerfGE 40, 261 [BVerfG 28.10.1975 - 2 BvR 883/73]); die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen werden - soweit eine Kollisionslage besteht - nach dem Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG) derogiert (vgl. zutreffend Schulte, BauR 2007, 1514 <1525>). Das Bestehen einer Kollisionslage lässt sich nicht mit der Begründung verneinen, nicht § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB, sondern nur die niederrangige Festsetzung im Bebauungsplan kollidiere mit den landesrechtlichen Abstandsvorschriften (so aber Gierke, in: Brügelmann, a. a. O., § 9 Rn. 113al f.). Die Kollisionslage besteht vielmehr unmittelbar zwischen § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB, der aus städtebaulichen Gründen geringere als die bauordnungsrechtlich geltenden Abstände gestattet, und § 5 NBauO, der - anders als etwa Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBauO - nur in seinem Absatz 5, im Übrigen aber keinen generellen Vorbehalt für abweichende planungsrechtliche Regelungen kennt und Abweichungen sonst nur unter den engen Voraussetzungen des § 66 NBauO erlaubt. Bundesrecht gestattet den Gemeinden mithin für den Bereich eines Bebauungsplans (oder Teilen davon) eine Regelung, die ihnen das Landesrecht grundsätzlich verwehrt. An dem Bestehen einer Kollisionslage ändert auch § 29 Abs. 2 BauGB nichts. Die Regelung führt nicht etwa dazu, dass das Bauplanungsrecht nach Maßgabe des Bauordnungsrechts gilt, sondern sie betrifft ausschließlich das Baugenehmigungsverfahren und setzt damit die Maßgeblichkeit planerischer Festsetzungen bereits voraus (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.9.1989 - 4 NB 24.89 -, juris Rn. 10 = NVwZ 1990, 361 = BRS 49 Nr. 5, zu § 29 Abs. 4 BauGB a. F.).

Ungeachtet dessen ist die gefahrenabwehrrechtliche Zielsetzung des Landesrechts bei der gemäß § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung, und zwar namentlich im Rahmen des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB (Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse), zu berücksichtigen (vgl. zutreffend Gaentzsch, a. a. O., § 9 Rn. 21c). Das gilt insbesondere für die von § 5 NBauO bezweckte Ausleuchtung der Aufenthaltsräume mit Tageslicht im fensternahen Bereich (vgl. LT-Drs. 16/3195, S. 71). Nur besondere städtebauliche Gründe können insofern Abstriche erfordern (so schon Senat, Urt. v. 17.10.2012, a. a. O.); von dieser Möglichkeit ist auch der Landesgesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien ausgegangen (vgl. LT-Drs. 16/3195, S. 72 u. a. zu verringerten Abständen in Kerngebieten).

Nach diesen Maßgaben erweist sich die Festsetzung der auf 0,25 H verringerten Grenzabstände zu den Straßenverkehrsflächen als frei von Abwägungsfehlern. Die Festsetzung zielt darauf ab, das Einkaufszentrum und die Bebauung der angrenzenden Kernbereichsflächen in die bestehende Stadtstruktur zu integrieren (Planbegründung, S. 34 und 42). Diese ist im Plangebiet und seiner Umgebung bereits heute von Gebäuden geprägt, die unmittelbar an den Straßenraum angrenzen und aufgrund ihrer Höhe auch unter Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 NBauO den Regelgrenzabstand von 0,5 H (deutlich) unterschreiten. An diese Baustruktur knüpfen die Festsetzungen zulässigerweise an. Die Einhaltung des Regelgrenzabstands hätte demgegenüber zur Folge, dass neu zu errichtende Gebäude entweder deutlich von der Straße zurücktreten oder aber in ihrer Höhe deutlich unterhalb des Bestands bleiben müssten. Beides ist städtebaulich nicht erwünscht. Die damit zugleich bewirkte Dichte der Bebauung entspricht der Lage der betroffenen Grundstücke im unmittelbaren Innenstadtbereich, mithin der vom Plangeber vorgefundenen Situation des Grundeigentums. Die weitere Festsetzung, dass benachbarte Verkehrsflächen öffentlicher Straßen für die Bemessung des Grenzabstandes bis zu ihrer Mittellinie dem Baugrundstück zugerechnet werden dürfen, hat angesichts des - wie ausgeführt - auch im Bereich einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB geltenden § 6 Abs. 1 Satz 1 NBauO nur deklaratorische Bedeutung.

Das Einkaufszentrum entfaltet keine erdrückende Wirkung zu Lasten der benachbarten Grundstücke. Das gilt insbesondere für die Grundstücke H. -straße 1a und D. -straße 71-78. Die erdrückende Wirkung eines Bauvorhabens stellt einen Ausnahmefall dar; ein solcher kommt erst dann in Betracht, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des Eingemauertseins oder eine Gefängnishofsituation hervorruft. Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass es die bislang vorhandene Situation lediglich verändert, reicht hierfür nicht aus (vgl. Senat, Beschl. v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 -, juris Rn. 13 = ZfBR 2007, 284 = BRS 71 Nr. 88; Beschl. v. 19.1.2012 - 1 ME 188/11 -, juris Rn. 47).

Dies vorausgeschickt geht von dem Vorhaben keine erdrückende Wirkung aus. Für das Grundstück H. -straße 1a ist zwar anzuerkennen, dass sich die gegenwärtige Situation deutlich verschlechtert. Während der Blick nach Süden und Südwesten bislang weithin unverstellt ist, steht dem vorhandenen Baukörper in einem Abstand von rund 8-10 m zukünftig ein ähnlich hohes Gebäude gegenüber; zudem wird der Blick nach Südwesten durch den Eingangsbereich des Einkaufszentrums begrenzt. Von einem Gefühl des Eingemauertseins - dieser Begriff ist wörtlich zu nehmen - kann gleichwohl keine Rede sein. Dies folgt schon aus der erheblichen Höhe des Gebäudes H. -straße 1a sowie seiner Lage im Innenstadtbereich, wo allgemein eine dichte, der hier geplanten vergleichbare Bebauung vorherrscht. Zudem steht auch das Gebäude H. -straße 1a direkt an der Straße und hält den Regelgrenzabstand bei weitem nicht ein. Die rückwärtige Grundstückssituation auf dem Grundstück entspricht schon heute einer geschlossenen Bauweise; die Rüge, deren Festsetzung im Bebauungsplan sei erdrückend, weil den Nachbarn nunmehr das gleiche Recht zugestanden werde, ist offensichtlich nicht überzeugend.

Für die rückwärtige Bebauung auf den Grundstücken D. -straße 71-78, die im Kerngebiet MK3 liegen, gilt Vergleichbares. Auch diese Gebäude liegen im Innenstadtkern; zudem sind die rückwärtigen Nutzungen - Spielhalle, Döner-Imbiss, Nebengebäude ohne Fenster, Stellplätze) kaum schutzwürdig. Soweit das Einkaufszentrum hier ab dem ersten Obergeschoss auskragt, entbindet das nicht von der Einhaltung des Grenzabstands von 0,25 H.

Nicht zu beanstanden ist die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche. Dass die Gebäude D. -straße 65 und 67 rechtlich gesicherte Fluchtwege aufweisen, die in den Geltungsbereich des Vorhaben- und Erschließungsplans führen, ist weder konkret dargetan noch ersichtlich.

Frei von Abwägungsfehlern ist die Behandlung des Gewerbe- und Verkehrslärms. Die Antragsgegnerin hat die entsprechenden Immissionen in dem Fachbeitrag Schallschutz vom 27. August 2013 gutachterlich ermitteln lassen. Die Antragstellerin zeigt Fehler des Gutachtens nicht auf. Soweit sie meint, der Bebauungsplan sehe eine offene Ausfahrt zur Großen G. -straße hin vor, während das Gutachten von einer geschlossenen Ausführung ausgehe, trifft das nicht zu. Sowohl für den Anlieferungsbereich als auch für die Parkhauszufahrt legt das Gutachten geöffnete Toren zugrunde (S. 11-12).

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus rügt, der Bebauungsplan führe nicht zu Verbesserungen der Belastung durch Verkehrslärm in der D. -straße und am E., trifft das zwar zu. Die Antragsgegnerin war indes nicht verpflichtet, das hiesige Vorhaben zum Anlass für eine umfassende Lärmsanierung beider Straßenzüge zu nehmen. Es ist ausreichend, dass sich die vorgefundene Situation, die durch die Überschreitung von Lärmgrenzwerten geprägt ist, nicht planbedingt verschärft. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Eine dem Bebauungsplan zuzurechnende Verschärfung der Immissionssituation tritt nicht ein (vgl. Gutachten, S. 19). Den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse hat die Antragsgegnerin mit der Festsetzung von Lärmpegelbereichen und Anforderungen an die Ausführung der Lüftungsanlagen Rechnung getragen (Nr. 1.6 und 2.6 der textlichen Festsetzungen). Zudem durfte die Antragsgegnerin - wie ausgeführt - davon ausgehen, dass sich die Lärmsituation am E. durch den geplanten und mittlerweile mindestens teilweise fertiggestellten Rückbau auf zwei Fahrspuren für den Individualverkehr deutlich verbessert.

Von dem Vorhaben gehen keine unzulässigen Immissionsbelastungen für das Grundstück H. -straße 33-34 aus. Das Gutachten zeigt, dass die im Kerngebiet geltenden Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Gewerbelärm erheblich unterschritten werden (S. 18). Das Gleiche gilt für die Belastung mit Verkehrslärm. Diese unterschreitet die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV erheblich. Bei der von der Antragsgegnerin vorgesehenen Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der Großen G. -straße auf 30 km/h bleibt die Belastung am Gebäude H. -straße 33 im Wesentlichen gleich; am Gebäude H. -straße 34 sinkt sie gegenüber dem Ist-Zustand um mehr als 10 dB(a) tags und nachts (Anlage 9).

Zu Unrecht erhebt die Antragstellerin den Vorwurf, die Antragsgegnerin habe sich mit Planungsalternativen, namentlich mit dem Konzept der Initiative „Lebendiges B.“, nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die Planbegründung (S. 18-20) enthält im Gegenteil eine ausführliche und den Anforderungen in jeder Hinsicht (mehr als) genügende Darstellung der Vor- und Nachteile der Alternativplanung. Dass aus Sicht des Rates die Nachteile überwiegen, liegt in seinem planerischen Ermessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i. V. mit § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat veranschlagt für jedes der drei betroffenen Geschäftshäuser einen Wert von 50.000,- EUR und halbiert den sich ergebenden Betrag im Hinblick auf die Vorläufigkeit der angestrebten Entscheidung (vgl. Nr. 18 lit. b der Streitwertannahmen des Senats, NdsVBl. 2002, 192).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).