Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.12.2014, Az.: 17 MP 7/14
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.2014
- Aktenzeichen
- 17 MP 7/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42592
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.08.2014 - AZ: 9 B 13/14
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Vorsitzender der 9. Kammer - vom 26. August 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde, über die gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 944 ZPO wegen der Dringlichkeit der Sache, deren Erledigung eine mündliche Anhörung nicht erfordert, der Vorsitzende des Fachsenats entscheidet, hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen für den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Verfügung zu Recht verneint. Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses und nimmt auf diese Bezug. Auch mit dem Beschwerdevorbringen ist ein Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden, was für den Erlass einer einstweiligen Verfügung aber erforderlich wäre (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Verfügung zu verpflichten, die Durchführung der „Dienstvereinbarung Servicecenter (DV SC) bei der A.“ vom 9. Juli 2014 zu unterlassen, bis eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Dienstvereinbarung ergangen oder eine Einigung zwischen dem Antragsteller und der Beteiligten über die Regelungsinhalte der strittigen Dienstvereinbarung herbeigeführt ist, hat auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg.
Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren sind Leistungs- und Verpflichtungsanträge, mit denen Ansprüche auf ein Tun oder Unterlassen geltend gemacht werden, nur dann zulässig, wenn und soweit das Personalvertretungsrecht dem jeweiligen Antragsteller eine durchsetzungsfähige Rechtsposition einräumt (BVerwG, Beschluss vom 11.5.2011 - 6 P 4.10 -, juris Rdnr. 36 m.w.N.). Dazu gehören generell alle im Personalvertretungsrecht speziell normierten materiell- und verfahrensrechtlichen Ansprüche, die der Ausübung und Durchsetzung der Rechte der Personalvertretungen auf Teilhabe am verwaltungsinternen Entscheidungsverfahren dienen (BVerwG, Beschl. vom 29.6.2004 - 6 PB 3.04 -, PersV 2004, 436). Der vom Antragsteller geltend gemachte Unterlassungsanspruch wird davon nicht erfasst. Eine Verpflichtung der Dienststelle, eine bestimmte Maßnahme zu unterlassen, kann vom Personalrat im Beschlussverfahren nicht begehrt werden. Das Bundespersonalvertretungsgesetz räumt den Personalvertretungen nicht das im Beschlussverfahren verfolgbare Recht ein, den Dienststellen die Durchführung bestimmter, der Mitbestimmung unterliegender Maßnahmen zu untersagen (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 15.12.1978 - 6 P 13/78 -, juris Rdnr. 43; Beschl. v. 15.3.1995 - 6 P 28/93 - juris Rdnr. 20; Beschl. v. 3.7.2013 - 6 PB 10/13 -, juris Rdnr. 6; Nds. OVG, Beschl. v. 20.8.1991 -17 M 8357/91 - n.v.).
Gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG entscheiden die Verwaltungsgerichte (u. a.) über die Rechtsstellung der Personalvertretungen. Darunter fallen zwar auch ohne ausdrückliche Erwähnung Streitigkeiten, die die Zuständigkeit der Einigungsstellen und damit die Rechtmäßigkeit ihrer Beschlüsse betreffen, weil das Verfahren vor der Einigungsstelle Teil der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte der Personalvertretung ist. Die daraus herzuleitende Befugnis des Personalrats, einen Beschluss der Einigungsstelle auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, erstreckt sich jedenfalls auf solche Rechtsvorschriften, die zugunsten der Beschäftigten gelten (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG). Auch wenn deswegen in personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren beantragt werden kann, rechtswidrige Beschlüsse der Einigungsstelle kassatorisch zu beseitigen, und es insoweit auch der Durchsetzung konkreter Rechtspositionen des sog. Innenrechts und nicht nur der Klärung von Zuständigkeiten dienen mag (BVerwG, Beschl. vom 28.6.2000 - 6 P 1.00 -, BVerwGE 111, 259 <262>), ergibt sich daraus kein hinreichender Beleg dafür, dass dem Antragsteller ein - im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sicherbarer - Anspruch auf Unterlassung der Durchführung der Dienstvereinbarung zustehen soll, weil - wie er geltend macht - sein hinsichtlich dieser Maßnahme bestehendes Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG nicht gewahrt worden sei und der dazu ergangene Beschluss der Einigungsstelle, an den die Beteiligten gemäß § 71 Abs. 4 Satz 2 BPersVG gebunden sind, nicht im Einklang mit dem geltenden Recht stehe (§ 71 Abs. 3 Satz 4 BPersVG). Die Anordnung solcher Folgen einer fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats geht über den Bereich hinaus, der durch das Bundespersonalvertretungsgesetz geregelt und dem besonderen personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren zugewiesen ist. Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass den Interessen der Personalvertretung auch im vorliegenden Fall hinreichend gedient ist, wenn ihr Beteiligungsrecht und seine etwaige Verletzung durch den Beschluss der Einigungsstelle im Hauptsacheverfahren durch das Gericht festgestellt oder der Beschluss der Einigungsstelle wegen des angeblichen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften (vgl. § 71 Abs. 3 Satz 4 BPersVG) aufgehoben wird, weil die Beteiligte als Körperschaft des öffentlich Rechts verpflichtet ist, eine solche gerichtliche Entscheidung zu respektieren und von ihr erwartet werden kann, dass sie alles unternimmt, um ihrer vom Gericht festgestellten gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.
Gesetzessystematisch spricht für diese Auffassung vor allem, dass - worauf bereits das Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat - dem Bundespersonalvertretungsgesetz eine dem § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entsprechende Regelung fehlt, wonach der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz beim Arbeitsgericht beantragen kann, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen (vgl. Rehak, in: Lorenzen/u.a., BPersVG, zu § 83 Rdnr. 55 <Stand: September 2014>).
Der Einwand des Antragstellers, die Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 GG gebiete es, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, der über die Feststellung des Rechts hinausgehen und auch dessen Durchsetzung dienen müsse, greift nicht durch. Die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ersetzt das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs nicht, sondern setzt ihn gerade voraus. Fehlt es im Bundespersonalvertretungsgesetz, anders als im Betriebsverfassungsrecht und im Unterschied zur Gesetzeslage in Niedersachsen (§ 63 NPersVG), an einem an eine Verletzung von Mitbestimmungsbefugnissen anknüpfenden materiell-rechtlichen Unterlassungsanspruch, so lässt er sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht begründen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG lässt auch nicht die Annahme zu, die materiell-rechtlichen Regelungen im Bundespersonalvertretungsgesetz müssten im Lichte des prozessrechtliche Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Weise ausgelegt werden, dass den Personalvertretungen bei einer möglichen Verletzung von Mitbestimmungsrechten gegen die Dienststelle ein materiell-rechtlicher Unterlassungsanspruch zusteht. Dafür besteht kein Bedürfnis, weil die Beteiligte an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG).