Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.07.2016, Az.: 2 ME 90/16
50% Anker; Bestehensgrenze; Dokumentationsechtheit; Eignung von Prüfungsfragen; Form der Prüfung; Gleitklausel; IMPP Abkommen; multiple choice; Prüfungsrichtlinie; Schriftlichkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.07.2016
- Aktenzeichen
- 2 ME 90/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43463
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 30.03.2016 - AZ: 4 B 379/15
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs 4 ÄAppO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zu den Rechtsgrundlagen für eine - teilweise im Multiple Choice-Verfahren durchgeführte - Erfolgskontrolle (Wiederholungsprüfung) zur Erlangung eines Leistungsnachweises für eine leistungsnachweispflichtige Lehrveranstaltung im Rahmen des Studiums der Humanmedizin an der Georg August Universität Göttingen.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 4. Kammer - vom 30. März 2016 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt, im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zur Wiederholung der Erfolgskontrolle im Fach „Praktikum der Chemie für Mediziner“ zugelassen zu werden.
Sie unterzog sich am 22. September 2014 erfolglos der zweiten Wiederholung dieser Erfolgskontrolle. Mit Bescheid vom 23. Oktober 2014 wurde ihr mitgeteilt, dass der Erwerb einer Bescheinigung für die regelmäßige und erfolgreiche Absolvierung des Praktikums damit für sie ausgeschlossen sei. Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte sie geltend, es habe bei ihr am Prüfungstag krankheitsbedingt eine verdeckte Prüfungsunfähigkeit bestanden; sie bitte um Ermöglichung einer weiteren Wiederholung. Mit Bescheid vom 20. März 2015 wurde der Widerspruch unter Auseinandersetzung mit den Anforderungen an einen Nachweis der Prüfungsunfähigkeit zurückgewiesen.
Das Verwaltungsgericht hat den mit einer Reihe von Erwägungen begründeten Antrag mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Änderung des angegriffenen Beschlusses.
Gegenstand der rechtlichen Überprüfung ist dabei zwar der endgültige Ausschluss vom Bestehen des Praktikums, der drei erfolglose Versuche voraussetzt, nicht aber auch noch die konkrete Bewertung der ersten beiden Durchgänge. Hier hat die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren allein in Bezug auf den dritten Versuch Gründe für eine Nichtbewertung geltend gemacht; den Misserfolg der ersten beiden Versuche hat sie hingenommen. Unter diesen Umständen konnte der Widerspruchsbescheid ohne weitere Prüfung von der Erfolglosigkeit der ersten beiden Versuche als gemeinsam akzeptierter Tatsachengrundlage ausgehen und sich auf die Auseinandersetzung mit den von der Antragstellerin vorgebrachten Gründen für die Nichtbewertung des dritten Versuchs beschränken. Darin liegt keine Sachentscheidung.
Soweit die Antragstellerin im Hinblick auf die Bezeichnung der Antragsgegnerin Zweifel geäußert hat, hat sie diese nach rechtlichen Hinweisen des Senats nicht mehr vertieft. Tätig zu werden hatte und tätig geworden ist der Sache nach die „Georg-August-Universität Göttingen Stiftung öffentlichen Rechts - Universitätsmedizin -“; daran ändern auch Variationen in Bezug auf die jeweils handelnde Stelle in den verwendeten Briefköpfen nichts, weil die grundlegende Information über die verantwortliche Körperschaft bereits in der Fußzeile der Schreiben abgelegt ist.
Maßstab der rechtlichen Überprüfung ist hier die Studienordnung für den Studiengang Humanmedizin in ihrer Neufassung Seite 1738 der amtlichen Mitteilung der Georg-August-Universität vom 27. September 2013. Diese ersetzt nach ihrem § 15 die bisherige Studienordnung. Dass sie hiermit auch für Studierende gilt, die ihr Studium bereits vorher aufgenommen hatten, ist unschädlich, wenn sie die Lage dieser Studierenden rechtlich nicht verschlechtert. Für letzteres trägt die Beschwerde nichts vor.
Überprüfungsmaßstäbe ergeben sich demgegenüber nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - aus der undatierten „Prüfungsrichtlinie“, die nach Angaben der Antragsgegnerin vom Fakultätsrat am 9. Februar 2015 verabschiedet worden sein soll. Anders als die Richtlinien für die Durchführung von leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltungen und die Bewertung von Leistungsnachweisen nach § 27 ÄAppo (Anlage 1 zur Studienordnung), die nach § 2 Abs. 6 der Studienordnung an deren normativer Geltung teilhaben soll, sind Anhaltspunkte dafür, dass der „Prüfungsrichtlinie“ in irgendeiner Form Normqualität zukommen könnte, nicht hervorgetreten. Sie soll zwar nach ihrer Präambel einen Standard setzen, der für Prüfende und Prüflinge an der Universitätsmedizin Göttingen verbindlich ist und die Rechtssicherheit der Prüfungen in allen Teilschritten erhöht, gibt aber tatsächlich nur im Sinne einer Qualitätssicherung Handreichungen für eine Ausgestaltung der Prüfungen, die rechtliche Risiken vermindert. Rechtliche Wirkungen kann sie allenfalls insoweit entfalten, als eine entsprechende Handhabung zur ständigen Verwaltungspraxis wird, auf die sich Studierende dann nach Art. 3 Abs. 1 GG zu ihren Gunsten berufen können.
Die Mutmaßung der Antragstellerin, dass diese Richtlinie schon im Entwurfsstadium die Verwaltungspraxis geprägt haben könnte, ist indes nicht belegt und hat auch keine Wahrscheinlichkeit für sich. Unabhängig davon würde auch die vorgezogene Anwendung einer solchen Richtlinie nicht zur Folge haben, dass ihre Vorgaben im gesamten Umfang als gelebte Verwaltungspraxis zu fingieren wären, sondern es käme auf das jeweilige Detail an. Zu den insoweit angesprochenen Einzelpunkten trägt die Beschwerde jedoch nichts Verwertbares vor. Unwahrscheinlich ist vor allem, dass in Bezug auf die Gleitklausel ein Verfahren praktiziert wird, das - wie die Antragstellerin meint - nicht der Prüfungsordnung entspricht.
Soweit die Antragstellerin die Übersendung der Protokolle der Fakultätsratssitzung der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen vom 29. Juli 2013 (Beschluss über die Studienordnung, namentlich über ihre Anlage 1) und der Vorstandssitzung der Universitätsmedizin der Georg-Augustin-Universität Göttingen vom 12. September 2013 (Genehmigung der Studienordnung, namentlich ihrer Anlage 1) beantragt hat, sieht der Senat hierzu ebensowenig Anlass wie zuvor das Verwaltungsgericht.
Allerdings sind die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Kammerbeschl. v. 25.7.1996 - 1 BvR 638/96 - NVwZ 1997, 479) jedenfalls dann, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausrichten, gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, wenn diese Versagung zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führt. Dies bedeutet auch, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen muss, wenn dazu Anlass besteht. Dann verlangt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, dass sich die Gerichte auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit berechtigten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und damit Gültigkeit von entscheidungserheblichen Normen sowie mit den Möglichkeiten ihrer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auseinandersetzen.
„Berechtigte Zweifel“ in diesem Sinne sind indes nicht hervorgetreten. Die Antragstellerin hat lediglich die Hoffnung geäußert, Mängel der Prüfungsordnung entdecken zu können. Aus dem Normtext selbst leitet sie formale oder inhaltliche Mängel nicht her. Der Erlass von Prüfungsordnungen ist unter formalen Gesichtspunkten nicht gesteigert fehleranfällig, sondern gehört eher zu den Routineaufgaben der Hochschulen. Der Senat sieht es deshalb nicht als geboten an, im Eilverfahren „ins Blaue hinein“ Unterlagen anzufordern.
Im Ergebnis zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 der Anlage 1 zur Studienordnung nicht dargelegt ist. Soweit darin das Erfordernis aufgestellt ist, dass bestimmte Erfolgskontrollen den formalen Voraussetzungen für Multiple-Choice-Prüfungsfragen des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz entsprechen müssen, ergibt sich daraus gerade nicht, dass die Dienste des IMPP in Anspruch genommen werden müssen. Nach Art. 3 des IMPP-Abkommens (Nds. MBl. 2003, 209) gilt dieses unmittelbar nur für staatliche Prüfungen nach der Approbationsordnung, nicht auch für universitäre Erfolgskontrollen bei leistungsnachweispflichtigen Lehrveranstaltungen. „Zuständige Stellen der Länder“ im Sinne dieses Abkommens sind daher die Landesprüfungsämter. Das Abkommen enthält entgegen der Auffassung der Antragstellerin selbst keine Regelungen über die „formalen Voraussetzungen“ von Prüfungsfragen. Im Internet-Auftritt des IMPP sind diese ebenfalls nicht unmittelbar angesprochen, sondern nur die „formale Korrektheit“ (Entspricht die Frage den vom IMPP verwendeten Aufgabentypen?) und die „formale Qualität“. Einige Informationen über die inhaltliche und technische Ausgestaltung der Prüfungsaufgaben sind jedoch den dort vorgehaltenen „Praktischen Hinweisen zur Durchführung der schriftlichen Prüfungen nach der Approbationsordnung für Ärzte zu entnehmen“, etwa dass fünf Antwortmöglichkeiten zur Verfügung stehen, dass die „Bestantwort“ zu markieren ist, welche Aufgabentypen es gibt und wieviel Zeit für die Beantwortung der Aufgaben angesetzt wird. Dass die hier streitige Erfolgskontrollen hiervon abweichen, ist nicht geltend gemacht.
Soweit § 8 Abs. 3 der Anlage 1 zur Prüfungsordnung § 14 Abs. 4 ÄAppO für die Bewertung der Erfolgskontrolle bzw. Teilerfolgskontrolle für anwendbar erklärt, ergibt sich daraus die rechtliche Verpflichtung zu einer Überprüfung der Prüfungsaufgaben, u.U. mit der Folge, dass fehlerhaft gestellte Aufgaben nicht zu berücksichtigen sind. Das Unterbleiben oder die Schlechterfüllung einer solchen Überprüfung wird allerdings für sich genommen nicht sanktioniert (vgl. dazu OVG Magdeburg, Beschl. v. 30.3.2015 - 3 M 7/15 -, juris Rdnr. 21). Das Verwaltungsgericht ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass der Prüfling für einen Erfolg im Eilverfahren etwaige Aufgabenmängel selbst konkret rügen muss. Soweit die Antragstellerin meint, eine Überprüfung der gestellten Prüfungsaufgaben hätte auch dazu führen können, dass einzelne Prüfungsaufgaben ausgetauscht würden, auch wenn diese für sich betrachtet nicht fehlerhaft wären, gibt § 14 Abs. 4 ÄAppO den „zuständigen Stellen“ eine Kompetenz hierfür gerade nicht. Rechtsfolge der Feststellung der Fehlerhaftigkeit einer Prüfungsaufgabe ist nur deren Nichtberücksichtigung bei der Feststellung des Prüfungsergebnisses. Das hängt offenbar damit zusammen, dass die Überprüfung nach § 14 Abs. 4 ÄAppO „vor der Feststellung des Prüfungsergebnisses“ stattzufinden hat, mit anderen Worten erst nach der eigentlichen Prüfung und damit unter Berücksichtigung dort festgestellter Auffälligkeiten. Für einen vorgängigen Austausch von Prüfungsfragen ist hiernach in diesem Verfahrensabschnitt kein Raum.
Die von der Antragstellerin erhobenen Zweifel an der Dokumentationsechtheit des elektronischen Verfahrens greifen nicht durch. Maßstab können insoweit nicht Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Wahlcomputer-Entscheidung sein (Urt. v. 3.3.2009 - 2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07 -, BVerfGE 123, 39 = NVwZ 2009, 708), weil es keine dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl entsprechenden Grundsatz der Öffentlichkeit universitärer Prüfungen gibt und sich die Gefährdungslage durchgreifend unterscheidet. Die Gefahr äußerer Eingriffe mit dem Ziel einer Verfälschung des Ergebnisses ist bei einem Wahlcomputer ungleich höher als bei einer Universitäts-EDV, von der im Übrigen anzunehmen ist, dass sie angesichts der Vielzahl der von ihr zu leistenden Aufgaben in Forschung und Lehre sehr hohen Zuverlässigkeitsanforderungen genügen muss. Auch in anderen Bereichen öffentlicher Aufgabenerledigung vertraut der Gesetzgeber darauf, dass Eingaben am Computer unverfälscht verarbeitet werden können, z.B. bei der Justiz im Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr und der elektronischen Aktenführung. Ein allgemeines Misstrauen in die Verlässlichkeit von Datenerfassungen wäre deshalb nicht gerechtfertigt. Es ist deshalb nicht geboten, dass im elektronischen Frage-und-Antwort-System bei jeder Auswahlfrage zusätzlich zum Anklicken der ausgewählten Antwort noch eine Bestätigungsmöglichkeit vorgehalten wird, dass wirklich diese Antwort angeklickt worden ist.
Soweit die Antragstellerin beanstandet, die Wiederholungsteilerfolgskontrolle sei entgegen § 12 Abs. 2 Satz 3 der Anlage 1 zur Studienordnung nicht in der Form des Erstversuchs durchgeführt worden, setzt sie sich nicht hinreichend mit der Begriffsbestimmung der „Form“ in § 8 der Anlage auseinander. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 können Erfolgskontrollen und Teilerfolgskontrollen „mündlich, schriftlich oder praktisch in folgender Form, auch in Kombination sowie Online an elektronischen Eingabegeräten durchgeführt werden:
Schriftliche Erfolgskontrollen bzw. Teilerfolgskontrollen, veranstaltungsbegleitende Kolloquien, Referate, mündliche Prüfungen, praktische Leistungen und Testate, z.B. objektiv strukturierte klinische Überprüfungen (OSCE)“.
Als voneinander zu unterscheidende „Formen“ sind mithin nur die in der eingerückten Passage aufgeführten Kontrollvarianten definiert. Soweit nach Satz 2 „schriftliche“ Erfolgskontrollen und Teilerfolgskontrollen auch vollständig oder teilweise im Multiple-Choice-Verfahren und auch rechnergestützt durchgeführt werden können, erweitert dies nur den Begriff der Schriftlichkeit, nicht die Aufzählung von zulässigen Formen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hat also ein Formwechsel nicht stattgefunden und auch die von Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rdnr. 28 eingeforderte normative Grundlage ist gegeben (vgl. hierzu auch Kalberg, DVBl. 2009, 21). Soweit das Verwaltungsgericht Hannover in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2008 (- 6 B 5583/08 -, juris) ausgeführt hat, bei Beantwortung von Prüfungsfragen am Bildschirm liege keine „schriftliche“ Prüfung vor, hatte es sich mit den hier geltenden Prüfungsvorschriften nicht auseinanderzusetzen. Sein Hinweis auf § 3 a VwVfG ging fehl, weil die Ablegung einer Prüfung keine „elektronische Kommunikation“ im Sinne dieser Vorschrift darstellt (vgl. Zimmermann, WissR 2012, 312, 314). Dass die Antragsgegnerin aus anderen Gründen gehindert gewesen wäre, die Ablegung einer Prüfung am Bildschirm als schriftliche Prüfung zu definieren, drängt sich trotz der beträchtlichen Dehnung des Begriffes der Schriftlichkeit nicht auf. Der Senat verkennt nicht, dass der eher unbefangene Umgang mancher Hochschulen mit dem Einsatz elektronischer Organisationsmittel - etwa dem Einsatz von Internetportalen für die Kommunikation mit den Studierenden - klärungsbedürftige Fragen aufwirft; deren Beantwortung erfordert indes, innerhalb des eher breiten Anwendungsbereiches des § 9 VwVfG darauf zu achten, ob zugleich die Anwendungsvoraussetzungen etwa der §§ 35 ff. VwVfG oder sonstiger spezieller Vorschriften gegeben sind, was bei einzelnen Prüfungsleistungen nicht zwingend der Fall ist (vgl. z.B. Morgenroth, NVwZ 2014, 32).
Auf die Frage einer Verletzung von Rügeobliegenheiten kommt es hiernach nicht mehr an.
Soweit die Antragstellerin die Eignung der gestellten Prüfungsaufgaben rügt (u.a. unter Hinweis auf OVG Münster, Urt. v. 16.12.2008 - 14 A 2154/08 -, NVwZ-RR 2009, 422), ist richtig, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte - ohne einheitliche Linie im Detail - gerade bei Multiple-choice-Prüfungen hohe Anforderungen gestellt werden. Anzumerken ist insoweit allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung hervorgehoben hat, der Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG umfasse die akademische Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Satzungsbefugnis in Prüfungsfragen (vgl. Kammerbeschluss v. 26.6.2015 - 1 BvR 2218/13 -, NVwZ 2015, 1444). Auch wenn eine Prüfungsordnung, die die Möglichkeit der Multiple-choice-Prüfungen eröffnet, nicht zwingend zugleich Einzelheiten der Prüfungsausgestaltung regeln muss, ist damit auch die konkrete Umsetzung - also etwa das Erfordernis einer „Bestantwort“, die Möglichkeit mehrfacher richtiger Antworten und die Möglichkeit des Punktabzugs für unzutreffende Antworten - in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit einbezogen. Diese ist mit den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG, der die Rechte der Prüflinge schützt, in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht angängig, dass die Gerichte möglicherweise wohlerwogene Prüfungssysteme mit eher pauschalen Erwägungen zu Fall bringen. So hält es der Senat nicht ohne Weiteres für angemessen, bei der Möglichkeit von Mehrfach-Antworten unbesehen jeden Punktabzug für Falschantworten als ungeeignet für die Bewertung der Leistungen des Kandidaten anzusehen, wie es bei dem von der Antragstellerin angesprochenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster anklingt. Dies ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls. Die These, bei medizinischen Prüfungen sei eine Falschantwort gleichsam wertfrei, berücksichtigt nicht hinreichend, dass eine falsche medizinische Einschätzung beim Patienten verheerende Folgen haben kann, selbst wenn teilweise richtige Maßnahmen getroffen werden. Es ist deshalb nicht von der Hand zu weisen, dass bei medizinischen Prüfungen auch darauf abgestellt wird, ob teilweise vorhandene Kenntnisse durch daneben bestehende Fehleinschätzungen ihrer dem gedachten Patienten günstigen Wirkung beraubt werden. Mit anderen Worten stellt es eine unzulässige Verkürzung der Eignungsprüfung von Prüfungsfragen dar, wenn als Motiv für Punktabzüge allein das Bestreben unterstellt wird, einer „Ratetaktik“ von Prüfungskandidaten entgegenzuwirken.
Unbeschadet dessen setzt sich die Antragstellerin mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts, bei einem Anteil von 6,82 % seiner Ansicht nach unzulässiger Fragen fehle es an der Kausalität für den Misserfolg bei der Teilerfolgskontrolle, nicht hinreichend auseinander. Sie hält dem im Ergebnis lediglich entgegen, es lasse sich nicht ausschließen, dass sich ein Prüfling an einer fehlerhaft ausgestalteten Prüfungsaufgabe „aufhänge“, so dass ihm die Zeit für Beantwortung anderer Aufgeben fehle. Sie trägt jedoch nicht vor, dass es sich gerade bei ihr so verhalten habe. Im Übrigen ist auch das Maß der „Stressresistenz“ zulässiger Bewertungseinfluss für medizinische Prüfungen.
Ebenfalls für nicht kausal hat das Verwaltungsgericht den Umstand gehalten, dass die Teilerfolgskontrolle nicht durchgängig Multiple-choice-Fragen enthielt, sondern auch „offene Fragen“, also Mischcharakter hatte. Das ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin durch die Studienordnung nicht ausgeschlossen. Wie sie selbst nicht übersieht, sollen solche Erfolgskontrollen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 der Anlage 1 zur Studienordnung „vollständig oder teilweise“ im Multiple-choice-Verfahren durchgeführt werden können. Soweit andere Bestimmungen dieser Anlage Regelungen enthalten, die sich auf „reine“ Multiple-choice-Prüfungen beziehen, folgt daraus nicht ohne Weiteres eine innere Widersprüchlichkeit der Prüfungsregelungen mit der Folge, dass Mischformen generell als unzulässig anzusehen wären. Grundregelung ist für die Frage der Zulässigkeit von Mischformen vielmehr der insoweit eindeutige § 8 Abs. 1 Satz 2. Detailregelungen für reine Multiple-choice-Prüfungen sind daher zuvörderst dahin auszulegen, dass sie ihren Regelungsgehalt auch bei Mischformen so weit wie möglich zur Geltung bringen. Erst wenn unüberbrückbare Widersprüche zu Tage treten, die sich auch durch eine systematische Auslegung nicht überwinden lassen, kommt die Nichtigkeitsfolge in Betracht.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragstellerin, die Bestehensgrenzen des § 10 der Anlage 1 zur Studienordnung verstießen gegen höherrangiges Recht. Dies hatte allerdings das Bundesverfassungsgericht für eine anders ausgestaltete Bestehensregel angenommen (Beschl. v. 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 -, BVerfGE 80, 1 = NVwZ 1989, 850). Die darauf erfolgte Änderung des § 14 ÄAppO soll nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zu verfassungsgemäßen Verhältnissen geführt haben (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rdnr. 600). Die hier einschlägige Regelung des § 10 der Anlage 1 der Studienordnung hat das Regelungsmodell des § 14 Abs. 6 ÄAppO heutiger Fassung mit Modifikationen übernommen, u.a. einem „50 %-Anker“ bei Anwendung der Gleitklausel. Vergleichbare Regelungen waren bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 26.4.2007 - 4 BS 29/07 -, n.v.; OVG Koblenz, Beschl. v. 19.1.2009 - 10 B 11244/08 -, juris; OVG Magdeburg, Urt. v. 23.7.2014 - 3 L 243/13 - und Beschl. v. 30.3.2015 - 3 M 7/15 - beide juris). Der Senat folgt bei summarischer Prüfung im Eilverfahren der letztgenannten, ausführlich begründeten Entscheidung (dort Rdnrn. 7 ff.), der nichts hinzuzufügen ist. Soweit die hier in Rede stehende Regelung die Gleitklausel für Wiederholungsklausuren abweichend von der allgemeinen Regel (22 %) auf 12 % festlegt, wenn nicht mehr als 15 % Erstteilnehmerinnen und Erstteilnehmer teilnehmen, wirft die Beschwerde im Grundsatz nachvollziehbar die Frage auf, weshalb die Grenze gerade bei 15 % gezogen wird und nicht etwa bei 12 % oder bei 17 %. Dem könnte im Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden. Das bloße Aufwerfen einer solchen Frage führt aber nicht bereits dazu, dass im Eilverfahren grundlegende Zweifel an der Befugnis des Normgebers zu einer solchen Regelung gesät wären. Bei der Festlegung von Schwellenwerten ist - ähnlich wie bei Stichtagsregelungen - eine Orientierung an trennscharfen Abgrenzungskriterien, die zwingend zu einem bestimmten Zahlenwert führen, häufig nicht möglich; der Normgeber muss dann aus diesem seiner Natur nach „unscharfen“ Übergangsbereich notgedrungen einen bestimmten Wert auswählen. Hält er sich dabei innerhalb der Bandbreite des sachlich Vertretbaren, begegnet dies nicht dem hier erhobenen Willkürvorwurf. Das schließt nicht aus, dass die konkrete Festsetzung eines Schwellenwertes sachlich in Frage gestellt wird. Dies bedarf jedoch einer inhaltlichen Auseinandersetzung der Beschwerdebegründung mit der normativen Regelung an sich. Dafür haben hier erbetenen und von der Antragsgegnerin nicht übermittelten Daten der in Rede stehenden Prüfungen allenfalls eine sehr mittelbare Bedeutung, weil die fragliche Regelung nicht in Ansehung gerade dieser - späteren - Prüfungsdurchgänge getroffen worden ist, sondern vor dem Hintergrund der umfassenderen Prüfungserfahrungen vor Erlass der Regelung. Der Antragstellerin ist einzuräumen, dass dem Rechtsschutzsuchenden eine fundierte Infragestellung solcher Prüfungsregelungen nur schwer möglich ist, zumal - trotz neuerer Formulierung „prozeduraler“ Anforderungen an Normgebungsverfahren - der Normgeber solcher untergesetzlicher Normen im Normgebungsverfahren keinem Begründungszwang unterliegt. Vor dem Hintergrund, dass solche Fragen im Hauptsacheverfahren näher abgeklärt werden können, ist es gleichwohl nicht geboten, Normen im Eilverfahren schon dann unter „Unwirksamkeitsverdacht“ zu stellen, wenn ihnen allein entgegengehalten wird, auch die Festlegung eines anderen Schwellenwertes sei denkbar gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.