Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.12.2011, Az.: 1 LA 79/11

Zulassung der Berufung im Zusammenhang mit einem Streit bzgl. der Verweigerung einer Baugenehmigung für einen Stellplatz wegen zu geringer Stellplatzlänge

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.12.2011
Aktenzeichen
1 LA 79/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 29752
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:1201.1LA79.11.0A

Fundstellen

  • DVBl 2012, 122
  • FStNds 2012, 430-432
  • NJW-Spezial 2012, 78
  • NdsVBl 2012, 79-80

Redaktioneller Leitsatz

Ein Stellplatz im Sinne des § 46 Abs. 1 S. 1 NBauO ist nur genehmigungsfähig, wenn er sich nach seinen Maßen allgemein für diesen Zweck eignet.

Gründe

1

Die Kläger begehren für einen Stellplatz vor ihrem Haus eine nachträgliche Baugenehmigung, welche die Beklagte aus denkmalschutzrechtlichen Gründen und wegen zu geringer Stellplatzlänge verweigert.

2

Das Verwaltungsgericht hat ihre auf Erteilung der Baugenehmigung mit der Maßgabe, dass auf dem Stellplatz nur Fahrzeuge mit einer Gesamtlänge bis zu 4,91 m abgestellt werden dürfen, gerichtete Klage abgewiesen, weil Stellplätze nach § 4 Abs. 1 GaVO 5 m lang sein müssten. Hier stünden zwischen Straße und Hauswand nur 4,91 m zur Verfügung. Die gemauerte Einfassung eines Kellerfensters schränke den Platz zusätzlich auf 4,40 m ein. Die Kläger könnten ihren Geländewagen zwar so einparken, dass der Fahrzeugüberhang über den Kellerschacht rage. Das gelte aber nicht für normale Kraftfahrzeuge. Außerdem werde auch bei kürzeren Fahrzeugen Raum zum Öffnen der Heckklappe benötigt. Schließlich würden ungeübte und ortsfremde Fahrer ein Fahrzeug nicht so dicht an die Hauswand stellen.

3

Mit ihrem dagegen gerichteten Zulassungsantrag machen die Kläger geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht verkenne, dass es sich um einen ausschließlich eigengenutzten Stellplatz handeln solle. Ihr Fahrzeug lasse sich dort ohne Überhang auf den Gehweg abstellen. Auf solche Stellplätze sei die Garagenverordnung nicht anwendbar; sie gelte nur für Parkhäuser und Stellplatzanlagen, die für einen unbestimmten Nutzerkreis vorgehalten würden und deshalb Platz für alle handelsüblichen Fahrzeugtypen bieten müssten. Bei einem rein privaten Stellplatz sei eine solche Vorsorge nicht erforderlich. Im Übrigen könnten sie die Fläche in Richtung auf die Kellerfensterumrandung leicht aufschütten, so dass auch Nicht-Geländewagen dort mit Überhang über das Kellerfenster parken könnten.

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Die Beklagte tritt dem entgegen.

5

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

6

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634; Beschl. d. 2. K. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546; vgl. Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Das ist den Klägern nicht gelungen.

7

Das Zulassungsvorbringen geht nicht auf die (auch zuvor zwischen den Beteiligten nicht erörterte) Frage ein, ob in Genehmigungsverfahren dieser Art möglicherweise nach § 75a NBauO der Prüfungsumfang zu beschränken, zumindest § 46 NBauO also unbeachtlich wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 27.3.2007 - 1 ME 102/07 -, NdsVBl 2007, 199). Auch unter Berücksichtung des Umstandes, dass die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht überspannt werden dürfen (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634), entspricht es nicht dem Sinn des Zulassungsrechts, dass das Oberverwaltungsgericht solche Fragen erstmals von sich aus aufgreift. Im Übrigen liegt es nahe, dass es den Klägern unbeschadet der Regelung des § 75a NBauO vor dem Hintergrund des bereits zuvor eingeleiteten Beseitigungsverfahrens gerade darauf ankam, eine verbindliche Entscheidung auch zur erforderlichen Länge des Einstellplatzes zu erlangen.

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Soweit die Kläger meinen, die Zwecktauglichkeit des vorgesehenen Stellplatzes sei an ihren individuellen Nutzungsabsichten zu messen und es komme nicht darauf an, ob darauf beliebige Typen von Kraftfahrzeugen abgestellt werden könnten, verkennt dies die Funktion des Baugenehmigungsverfahrens. Zwar bestimmt grundsätzlich der Bauherr, was das Vorhaben ist. Für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit ist aber eine gewisse Typisierung geboten, weil Baugenehmigungen nicht personen- und augenblicksgebunden sind, sondern typischerweise über lange Zeiträume hinweg wirken und dabei von einer Abfolge unterschiedlicher Nutzer in Anspruch genommen werden. Infolgedessen wäre es z.B. sachwidrig, von den generellen Anforderungen an Türhöhen und Treppenmaßen abzusehen, nur weil ein Bauherr selbst kleingewachsen ist. Ein Stellplatz im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist deshalb nur genehmigungsfähig, wenn er sich nach seinen Maßen allgemein für diesen Zweck eignet.

9

Maßgaben in einer Baugenehmigung, die das Bauvorhaben auf einen "maßgeschneiderten Zweck" reduzieren, sind zwar für eine Reihe von Fallgestaltungen als taugliches Mittel zur interessengerechten Konfliktlösung anerkannt. Das gilt jedoch nicht für die Bemaßung von Stellplätzen. Im Fall eines Eigentümerwechsels würde sich ein Rechtsnachfolger - wenn er davon überhaupt Kenntnis erhält - kaum daran gebunden sehen, dass der den fraglichen Stellplatz nur mit einem Kleinwagen nutzen darf, sondern mit einem größeren Auto auch den Gehwegraum in Anspruch nehmen. Eine dauerhafte Problemlösung ist mit einer solchen Maßgabe zur Baugenehmigung nicht zu erwarten.

10

Soweit die Beklagte die erforderliche Länge von Stellplätzen mit 5 m aus § 4 Abs. 1 GaVO herleitet, kann offen bleiben, wie weit der Geltungsanspruch dieser Verordnung unmittelbar reicht. Auch wenn mit "Einstellplätzen" dort nur solche in Garagen gemeint sein sollten, ergibt sich daraus immerhin ein gewichtiger Anhaltspunkt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 15.5.1992 - 11 A 890/91 -, BRS 54 Nr. 158, [...] Rdnr. 40: "gewisse fachliche Konkretisierung") dafür, wie Einstellplätze allgemein beschaffen sein müssen, denn in Garagen parkende Autos sind nicht typischerweise länger als andere Autos. Jedenfalls für notwendige Einstellplätze im Sinne des § 47 Abs. 2 NBauO dürfte sich die Bauaufsichtsbehörde an diesen Maßangabe orientieren können (vgl. auch homepage Stadt Oldenburg, Anliegen A-Z, PKW-Stellplatz, Nr. 2, 1. Absatz), denn deren jederzeitige Benutzbarkeit ist nicht nur für den jeweiligen Bauherrn, sondern für den vom Gesetz bestimmten Benutzerkreis - also auch Besucher - sicherzustellen.

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Die als Alternative in Betracht kommenden Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Straßenentwurf, Ausgabe 2005 (EAR 05; vgl. dazu beispielsweise VG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.6.2011 - 6 K 4130/09 -, [...] Rdnr. 32) sind möglicherweise kritisch zu überdenken. Diesen entnahm das VG Gelsenkirchen in der zitierten Entscheidung, Stellplätze sollten eine Länge von 4,74 m aufweisen. Das könnte mittlerweile "zu kurz" gegriffen sein. Denn Mitteilungen über die Abmessungen eines typischen Mittelklassewagens zufolge (Wikipedia zu VW-Passat, der am stärksten nachgefragten Version dieses klassischen Mittelklassewagens) hat sich dessen Länge von 1973 bis heute von 4,20 m auf 4,77 m vergrößert.

12

Auf diesen Wagentyp ist aus den oben genannten Gründen abzustellen. Daher muss es möglich sein, diese Länge auf dem Grundstück so unterzubringen, dass die hintere Stoßstange nicht mehr in den Straßengrund hineinragt. Außerdem muss "vorne" bei realistischer Betrachtungsweise ein gewisser Puffer verbleiben. Denn ein durchschnittlicher Fahrer wird schon zur Schonung der recht teuren Frontpartie es nicht darauf ankommen lassen wollen, diese mit der rauen Hauswand in Kontakt zu bringen. Nicht eingeschlossen in diesem Fahrzeugtyp ist eine nur geländewagentypische Bodenfreiheit.

13

Um einen notwendigen Einstellplatz handelt es sich hier zwar nach Auffassung der Beklagten nicht, offenbar weil bei ursprünglicher Genehmigung des Wohngebäudes entsprechende Anforderungen noch nicht bestanden. Nicht notwendige Stellplätze müssen zwar stets die Anforderungen des § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO einhalten, nicht aber ohne Weiteres die Mindestmaße analog § 4 Abs. 1 GaVO erreichen. Gründe dafür, weshalb einem Bauherrn die Anlegung eines (rechtlich nicht gebotenen) kleinen Einstellplatzes für ein kleines Auto versagt sein sollte, sind nicht ersichtlich.

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Anders verhält es sich jedoch wiederum dann, wenn der fragliche Einstellplatz 1. faktisch die Funktion eines notwendigen Einstellplatzes erfüllt - nämlich den einzigen Einstellplatz am Wohngebäude darstellt - und 2. auf dem Grundstück räumlich so angeordnet ist, dass seine unzureichende Länge auf Dauer praktisch zwingend zur Inanspruchnahme benachbarten Verkehrsraums führt. Das ist nicht nur eine (im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfende) Frage der Berührung privater Rechte Dritte ("Überbau"), sondern eine Frage der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO. Der für den Fußgängerverkehr gewidmete Bürgersteig darf regelmäßig nicht durch angrenzende Nutzungen mit in Anspruch genommen werden. Zwar kann es insoweit genehmigungsfähige Ausnahmen geben, für die eine Sondernutzungserlaubnis zu erteilen wäre. Zu den insoweit in Betracht zu ziehenden Fällen gehört jedoch derjenige der Anlegung eines zu kurzen Einstellplatzes nicht.

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Danach bietet jedenfalls dieser Fall keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln und grundsätzlicher Klärung der maßgeblichen Regelwerke. Denn muss die Möglichkeit, die Schachtabdeckung zu überfahren, außer Betracht bleiben und beträgt der Abstand zwischen Kellerschacht und Straße nur 4, 40 m, dann "reicht" es auf keinen Fall. Die Möglichkeit, den Stellplatz in Richtung Kellerfensterumrandung leicht aufzuschütten, um auch Nicht-Geländewagen ein "Überfahren" der Kellerfensterumrandung zu erlauben, haben die Kläger im Schriftsatz vom 16. Mai 2011 zwar angesprochen, aber nicht zum Gegenstand ihres Genehmigungsantrags gemacht.

16

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

17

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 154 Abs. 2, 159 S. 2 VwGO, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

18

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).