Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.03.2012, Az.: 1 LA 13/12

Bevorstehen eines konkreten Generationswechsels als Voraussetzung für die Privilegierung bzgl. Zulässigkeit von Altenteilerhäusern

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.03.2012
Aktenzeichen
1 LA 13/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 13114
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0302.1LA13.12.0A

Fundstellen

  • BauR 2012, 1229-1230
  • KommJur 2012, 275-276
  • NVwZ-RR 2012, 431
  • NdsVBl 2012, 193-194
  • NordÖR 2013, 274
  • ZfBR 2012, 488

Amtlicher Leitsatz

Die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB setzt bezogen auf die Zulässigkeit von Altenteilerhäusern voraus, dass ein Generationswechsel konkret bevorsteht.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg, weil der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf den der Kläger sein Zulassungsbegehren stützt, nicht vorliegt.

2

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (Nds. OVG, Beschl. v. 1. Dezember 2011 - 1 LA 79/11 -, DVBl 2012, 122; BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634; Beschl. d. 2. K. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546; vgl. Gaier, NVwZ 2011, 385, 388 ff.). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragenden Gründe gestützt, kann ein Berufungszulassungsantrag daher nur dann Erfolg haben, wenn für jedes der die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts selbstständig tragenden Begründungselemente ein Zulassungsgrund dargelegt worden ist und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1. Februar 1990 - 7 OB 19.90 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22; Nds OVG, Beschl. v. 17. November 2011 - 8 LA 54/11 -, [...] Rn. 3). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist (Nds. OVG, Beschl. v. 4.1.2012 - 5 LA 85/10 -, Nds. Rechtsprechungsdatenbank = [...] Rn. 16).

3

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Zulassung der Berufung gemäߧ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Senat macht sich gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und verweist auf sie. Im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen ist das Folgende zu ergänzen:

4

Das Vorbringen des Klägers,

"das Verwaltungsgericht Lüneburg prüft im angefochtenen Urteil ausschließlich, ob das vom Kläger zur Genehmigung gestellte Altenteilerwohnhaus mit Carport auf dem Flurstück 35/4, Flur 6, Gemarkung C. als Bestandteil eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes baurechtlich zulässig ist; dabei geht das Verwaltungsgericht Lüneburg davon aus, 'Hofstelle' des klägerischen Nebenerwerbsbetriebes sei dessen Wohnhaus auf dem Grundstück Steindamm 21, welches etwa 600 m bis 700 m von dem geplanten Baugrundstück entfernt belegen sei (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seiten 1, 2 und 6)",

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trifft nicht zu. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt. Es hat zunächst festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch, ein Altenteilerwohnhauses mit Carport im Außenbereich zu errichten, nicht zusteht, weil das Altenteilerwohnhaus hier mangels eines konkret bevorstehenden Generationswechsels nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb diene. Bereits deshalb scheide eine Privilegierung seines Vorhabens gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aus. Erst im Anschluss daran führt das Verwaltungsgericht aus, dass "das Vorhaben ferner noch aus einem weiteren Grund nicht als landwirtschaftlich privilegierte Nutzung im Außenbereich einzuordnen [ist]", nämlich wegen der mangelnden unmittelbaren Nähe des Altenteilerwohnhauses zur Hofstelle (UA, Seite 6).

6

Das weitere Vorbringen des Klägers,

"Insofern hat das Verwaltungsgericht Lüneburg den klägerischen Vortrag missverstanden bzw. fehlinterpretiert: Denn dem Kläger geht es darum, auf dem hinzuerworbenen Grundstück Bockelkathener Straße 18, zu welchem auch das Baugrundstück gehört, wieder eine (neue) Hofstelle zu dem von ihm zurzeit im Nebenerwerb betriebenen [...] zu etablieren (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seite 2)",

7

ist nicht geeignet, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen. Da das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf zwei selbständig tragende Gründe gestützt hat, hätte der Kläger auch ernsthafte Zweifel an der vom Verwaltungsgericht vorangestellten Begründung, das Altenteilerwohnhaus diene mangels eines konkret bevorstehenden Generationswechsels nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb, geltend machen müssen. Dies ist dem Kläger nicht gelungen.

8

Sein Vorbringen,

das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, "ob ein solches Altenteilerwohnhaus an der Privilegierung eines im Wiederentstehen befindlichen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebes teilnimmt, dessen Hofstelle sich auf dem Grundstück Bockelkathener Straße 18 befindet (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seiten 4 und 5)",

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rechtfertigt keine andere Entscheidung. Denn das Altenteilerwohnhaus dient auch nicht dem im Wiederentstehen befindlichen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebes des Klägers auf der Hofstelle Bockelkathener Straße 18. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Altenteilerwohnhaus dem notwendigen Generationswechsel zur Verfügung stehen und damit dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen müsse. Voraussetzung einer Privilegierung sei daher, dass der Generationswechsel, dem die Errichtung eines Altenteilerhauses dienen soll, konkret ansteht und der bisherige Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes den Wohntrakt der Hofstelle für den Hoferben, der den Betrieb nun übernehmen will, freimache. Damit folgt das Verwaltungsgericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Beschluss vom 20. Juni 1994 (- 4 B 120.94 -, BRS 56 Nr. 70). In diesem Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht zu dem Merkmal des "Dienens" bezogen auf die Zulässigkeit von Altenteilerhäusern folgendes ausgeführt:

"... dient ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb nur dann, wenn es aus der Sicht des Landwirts auf vernünftigen Erwägungen beruht und die vom Gesetz verlangte Zuordnung "auf Dauer" gewollt und gesichert ist. Dies setzt auf der Grundlage einer auf Generationen angelegten landwirtschaftlichen Betätigung grundsätzlich Planungen voraus, die für die gesamte Dauer der betrieblichen Existenz berechnet sind (...). Der Maßstab des vernünftigen Landwirts führt zur Unzulässigkeit solcher (Altenteiler-) Häuser, für deren Errichtung kein konkreter Bedarf besteht. So liegt es, wenn auf der Hofstelle Wohnraum vorhanden ist, der ausreicht, um die Wohnbedürfnisse der Familie unter Einschluss der ersten und der zweiten Altenteilergeneration zu befriedigen. Selbst im Falle eines aktuellen Bedarfs muss indes mangels dauerhafter Sicherung der Zweckbestimmung die Genehmigung versagt werden, wenn für einen Unterbringungsbedarf über den nächsten Generationenwechsel hinaus nichts ersichtlich ist. Denn der Privilegierung liegt die Erwägung zugrunde, Vorsorge für den Fall zu treffen, dass sich die Notwendigkeit abzeichnet, einen für die Dauer der Existenz des Betriebes voraussehbaren, bei jeder zukünftigen Hofübernahme wieder auftretenden Wohnraumbedarf zu decken (...). Erleichtert werden soll nicht lediglich die Versorgung des demnächst aus dem Betrieb ausscheidenden Betriebsinhabers mit Wohnraum. Maßgeblich ist vielmehr, ob im Betrieb aufgrund der Betriebsabläufe und der Wirtschaftsweise unabhängig von einem aktuellen Bedürfnis im Rahmen des ständigen Generationenwechsels ein Bedarf dafür vorhanden ist, einen Altenteiler unterzubringen. Auf die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Antragstellers kommt es nicht ausschlaggebend an (...)."

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In Anwendung dieser Grundsätze muss eine dienende Funktion des beabsichtigten Altenteilerwohnhauses verneint werden, weil ein konkreter Bedarf für ein Altenteilerwohnhaus hier nicht besteht. Ein Generationswechsel stand - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht konkret bevor. Daran hat sich bis zum heutigen Tage auch nichts geändert. Der Kläger hat im Zulassungsverfahren Tatsachen, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigten könnten, nicht vorgetragen. Vielmehr bekräftigt der Kläger, dass er das "Ziel" habe, "nach seiner Pensionierung als Justizwachtmeister den landwirtschaftlichen Betrieb wieder zu einem Vollerwerbsbetrieb auszubauen und in diesem Zusammenhang eine neue Hofstelle aufzubauen (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seite 3)". Auch weist er - wie bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - darauf hin, dass seine Tochter im Hauptberuf Verwaltungsangestellte ist, "aber als Haupterwerbslandwirtin tätig sein möchte, sobald die entsprechenden Rahmenbedingungen für einen existenzsichernden Haupterwerbsbetrieb (wieder eine eigene Hofstelle und ausreichend große Nutzflächen) vorliegen (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seiten 3 und 7)". Demnach steht weder die Hofübernahme durch die Tochter konkret bevor, noch besteht Klarheit darüber, zu welchem Zeitpunkt der Kläger überhaupt pensioniert wird. Nach dem Vorbringen des Klägers ist seine Pensionierung noch nicht einmal absehbar: Er könnte "bereits im Herbst d.J. [...], jedenfalls im Herbst 2015 in den Ruhestand gehen (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seite 3)". Diese aktuellen Planungen erfüllen - entgegen der Auffassung des Klägers - damit nicht die Mindestanforderungen, die an einen konkreten, bevorstehenden Generationswechsel zu stellen sind. Daher besteht derzeit weiterhin kein Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung.

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Ferner kann der Kläger nicht mit Erfolg rügen,

es "hätte die rechtliche Möglichkeit in Erwägung gezogen werden müssen, z.B. durch eine Baulast zu sichern, dass das Altenteilerwohnhaus für seine besondere Zweckverwendung im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes verfügbar sein muss; [...] (Zulassungsvorbringen vom 20. Januar 2012, Seiten 5 und 7".

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Denn die Eintragung einer Baulast hilft - wie der Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Februar 2012 zutreffend ausgeführt hat - nicht darüber hinweg, dass hier die baurechtlichen Voraussetzungen für die Baugenehmigung eines Altenteilerwohnhauses im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht vorliegen.