Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.12.1990, Az.: 3 L 165/90
Abtrennung eines genossenschaftlichen Jagdbezirkes wegen des Erwerbes einer Grundstücksfläche mit eigenem Eigenjagdbezirk; Angliederung einer durch einen Grundstückserwerb entstandenen Enklave eines Jagdbezirkes an einen Eigenjagdbezirk; Zustimmung eines Jagdpächters zu einer Abrundung gemeinschaftlicher Jagdflächen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.12.1990
- Aktenzeichen
- 3 L 165/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 23509
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:1206.3L165.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Schleswig - 06.08.1990 - AZ: 7 A 46/90
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 BJagdG
- § 5 Abs. 2 BJagdG
- § 6 S. 1 BJagdG
Verfahrensgegenstand
Jagdbezirksabrundung
Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Eichhorn,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Schnuhr und Dr. Berkenbusch sowie
den ehrenamtlichen Richter Dützmann und
die ehrenamtliche Richterin Fricke
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 7. Kammer - vom 6. August 1990 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) sind erstattungsfähig. Die der übrigen Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Beigeladene zu 1) ist Eigentümer des Gutes ... mit einer Fläche von etwa 240 ha, das mit seinen Grundstücksflächen einen Eigenjagdbezirk bildet. Er erwarb 1984 das Flurstück ... Flur ... Gemarkung ... zur Größe von 5,4776 ha, das bis dahin zum angrenzenden Jagdbezirk der Jagdgenossenschaft S..., der Klägerin, gehörte. Durch diesen Erwerb wurde zugleich eine Teilfläche von rund 9,5 ha (die Flurstücke 5, 6 und 7 Flur 2) von dem rund 800 ha großen genossenschaftlichen Jagdbezirk ... abgetrennt; die Verbindung zu diesem Jagdbezirk bestand nur noch über einen etwa 10 bis 12 m breiten öffentlichen Weg.
Mit Schreiben vom 1. April 1986 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Jagdbehörde, die durch den Erwerb entstandene Enklave (Flurstücke ..., ... und ... Flur ...) aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk ... aus- und seinem Eigenjagdbezirk anzugliedern. Der Beklagte hörte neben dem Kläger den Vorstand des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes ... und den Inhaber des Eigenjagdbezirks ... an, die gleichfalls Interesse an einer Angliederung äußerten, und lehnte sodann den Antrag mit Bescheid vom 20. April 1988 ab. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 1) nahm der Beklagte die Überprüfung erneut auf, hob seinen ablehnenden Bescheid am 27. Juni 1988 auf und gliederte durch den hier angefochtenen Bescheid vom 16. Januar 1989 die Flurstücke ..., ... und ... Flur ... Gemarkung ... dem Eigenjagdbezirk ... an. Zur Begründung führte er u.a. aus:
"... Durch den beschriebenen Flächenneuerwerb ist eine Enklave aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk ... entstanden, die von dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk ..., dem Eigenjagdbezirk ... und dem Eigenjagdbezirk Ihres Mandanten umschlossen wird. Der zwischen dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk ... und der abgetrennten Teilfläche vorhandene Weg von 10 m Breite kann den Zusammenhang zur größeren Flächen des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes ... nicht herstellen. Bei rund 9 ha ist auch kein neuer Jagdbezirk entstanden, so daß die Fläche einem oder mehreren Jagdbezirken anzugliedern ist. Hierbei halte ich es zur ordnungsgemäßen Jagdausübung für angemessen, diesen Teil dem Eigen Jagdbezirk ... zuzuschlagen, da die Grenzen dieses und des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes ... dadurch rund werden und damit ein jagdlich günstiger Grenzverlauf entsteht. Die Jagdpflege und Jagdausübung wird auf kleineren Teilstücken, die nur über Wege zu erreichen sind, oder Grenzlinien mit kleinen Ein- und Ausbuchtungen erheblich behindert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Das Überwechseln des gejagten Wildes, auch der krankgeschossenen Tiere, in andere Reviere ist wahrscheinlicher als bei begradigten Grenzlinien und somit rundgestalteten Bezirken. Durch eine mögliche Angliederung der streitbefangenen Fläche an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk ... würde sich die ohnehin schmale Grenze in Richtung gemeinschaftlicher Jagdbezirk ... und Eigenjagdbezirk ... versetzen und um ein schmales Teilstück ergänzen (an der breitesten Stelle rund 320 m). So würde ein langer schmaler Erweiterungsbereich entstehen, der der ordnungsgemäßen Jagdausübung nicht förderlich sein könnte. Auch eine Angliederung an den Eigenjagdbezirk ... wäre nicht tunlich, da hier eine schmale Ausbuchtung die bestehende runde Grenze nicht verbessern würde. Von diesem Eigenjagdbezirk ist außerdem kein Interesse an der Angliederung der betreffenden Fläche bekundet worden. Durch die Angliederung der 9,5 ha großen Teilfläche an den Eigenjagdbezirk Ihres Mandanten wird eine eindeutig verbesserte Grenzlinie zwischen den Jagdbezirken und damit eines der Erfordernisse der ordnungsgemäßen Jagdpflege und Jagdausübung hergestellt..."
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie damit begründete, die östliche Teilfläche des vom Beigeladenen zu 1) erworbenen 5,4776 ha großen Grundstücks, nämlich 1,4 ha, rage als eine sogenannte Handtuchfläche in den gemeinschaftlichen Jagdbezirk ... hinein. Aus jagdrechtlichen Gründen könne hier die Jagd vom Beigeladenen zu 1) nicht ausgeübt werden. Es sei fehlerhaft, wenn die Jagdbehörde diese Folgen dadurch verhindere, daß eine Fläche von ca. 9,5 ha vom Bezirk der Klägerin abgetrennt und dem Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1) zugeschlagen werde. Richtig sei es, wenn die allein nicht jagdfähige Fläche von ca. 1,4 ha bei dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin verbleibe, ebenso wie die angrenzenden Flurstücke 5, 6 und 7 Flur 2.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 8. Januar 1990 mit der Begründung zurück, die Teilfläche von 1,4 ha gehöre zu dem rund 5,5 ha großen Flurstück ... Flur ..., das Verbindung zu den übrigen Flächen des Eigenjagdbezirks des Beigeladenen zu 1) habe und kraft Gesetzes mit dem Eigentumserwerb dessen Bestandteil geworden sei. Es sei nicht Sinn der Abrundungsvorschriften, eine Teilfläche nur deshalb zu bilden, um keine Enklave entstehen zu lassen. Ein Flächenausgleich an anderer Stelle sei bei der Größe des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der Klägerin (rund 800 ha) und der hier abgetrennten Fläche (rund 9,5 ha) nicht geboten.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie halte die vorgenommene Abrundung für rechtswidrig. Sie sei weder aus Gründen der Jagdpflege noch der Jagdausübung notwendig gewesen. Die Entscheidung sei auch deshalb fehlerhaft, weil der Jagdpächter, der Beigeladene zu 2), der Neuabrundung nicht zugestimmt habe. Dieser habe die Flurstücke 5, 6 und 7 vor dem Eigentumserwerb des Flurstücks ... Flur ... durch den Beigeladenen zu 1) gepachtet; dieser Pachtvertrag laufe bis zum 31. März 1998.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide vom 16. Januar 1989 und 8. Januar 1990 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, von dem Flurstück ... Flur ... Gemarkung ... den in der Klageschrift grün schraffierten Teil vom Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1) in einer Größe von 1,4 ha abzutrennen und ihn dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Klägerin anzugliedern, ferner die Flurstücke ..., ... und ... Flur ... Gemarkung ... an den Jagdbezirk der Klägerin anzugliedern, hilfsweise,
die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, erneut unter Beachtung der Rechtsansicht des Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) hat gleichfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6. August 1990 mit der Begründung abgewiesen, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Das Gericht folge der Auffassung des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden. Einer Zustimmung des beigeladenen Jagdpächters zu der getroffenen Abrundung habe es nicht bedurft.
Gegen diese Entscheidung führt die Klägerin Berufung, mit der sie ihr Vorbringen weiterverfolgt. Sie beantragt,
den Gerichtsbescheid zu ändern und nach ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 1) beantragt - gleichfalls,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsvorgänge (ein Hefter) verwiesen.
II.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beeinträchtigen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO),
Nach § 5 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes in der Fassung vom 29. September 1976 (BGBl. I S. 2849) - BJagdG - können Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Die Formulierung "wenn dies ... notwendig ist" bedeutet, daß zwingende Gründe den Eingriff rechtfertigen müssen; bloße Zweckmäßigkeitserwägungen reichen dafür nicht aus. Notwendig ist eine Abrundung dann, wenn sie sich aus der Sicht eines objektiven, jagdlich erfahrenen Betrachters bei der Beurteilung der örtlichen Verhältnisse als sachdienlich aufdrängt. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nach den dem Senat vorliegenden kartenmäßigen Darstellungen vor. Durch den Erwerb des Flurstücks ... Flur ... Gemarkung ... durch den Beigeladenen zu 1) war eine Fläche entstanden, die zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk ... keine Verbindung mehr hatte. Der zwischen dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk und der abgetrennten Teilfläche vorhandene Weg mit einer Breite von 10 bis 12 m konnte einen Zusammenhang nicht herstellen, wie sich aus § 5 Abs. 2 BJagdG ergibt (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 8.3.1990 - 3 C 34.87 -, BVerwGE 85, 33 ). Das hatte zur Folge, daß auf dieser rund 9 ha großen Fläche die Jagd ruhte, § 6 Satz 1 BJagdG. Die Fläche mußte deshalb einem der angrenzenden Jagdbezirke angegliedert werden. Die Art und Weise, wie diese Angliederung erfolgte, stand nach § 5 Abs. 1 BJagdG ("können") im Ermessen der Jagdbehörde, deren Entscheidung im Rahmen des § 114 VwGO von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt auf Rechtsfehler nachprüfbar ist. Daß dem Beklagten bei der von ihm getroffenen Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen wäre, ist nicht erkennbar. Er hat, wie die ausführliche Begründung seines Bescheides vom 16. Januar 1989 und die ergänzenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 1990 zeigen, alle für und gegen eine Abrundung sprechenden Erwägungen gesehen und diese entsprechend ihrem Zweck sachgemäß gegeneinander abgewogen. Durch die Angliederung der Fläche an den Eigenjagdbezirk des Beigeladenen zu 1) wird eine gegenüber den bisherigen Verhältnissen eindeutig verbesserte Grenzlinie zwischen den benachbarten Jagdbezirken erreicht. Das dient den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Jagdpflege und Jagdausübung, denn es vermindert die Gefahr von Jagdunfällen durch Schußverletzungen und die Möglichkeit der Verletzung von Jagdrechten im Grenzbereich. Die angefochtene Entscheidung ist danach nicht zu beanstanden.
Das muß auch für die von der Klägerin vorgeschlagene mit dem Hauptantrag angestrebte anderweitige Grenzziehung gelten. Wenn die Jagdbehörde es abgelehnt hat, ein flurstücksmäßig einheitliches Grundstück, daß kraft Gesetzes zu einem anderen Jagdbezirk gehört, nur deshalb zu unterteilen, um keinen Flächenverlust für die Klägerin entstehen zu lassen, ist das nicht zu beanstanden. Das muß jedenfalls bei den hier vorliegenden Größenverhältnissen gelten. Daß ein Jagdpächter einer Abrundung zustimmen müßte, ist weder im Bundes- noch im Schleswig-Holsteinischen Landesrecht vorgesehen.
Auch dem Hilfsantrag konnte nicht entsprochen werden. Da die angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen sind, konnten sie nicht aufgehoben werden; für eine Verpflichtung des Beklagten, erneut über eine Angliederung zu entscheiden, war daher kein Raum mehr.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach lediglich der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) für erstattungsfähig zu erklären, da er einen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Schnuhr
Dr. Berkenbusch