Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.06.2006, Az.: 8 LA 285/04

Auswirkungen der Verkleinerung eines Gemeindegebiets infolge einer Umgliederung auf den gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Gemeinde; Jagdbezirksrechtliche Zuordnung einer Fläche; Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Durchbrechung des Grundsatzes der Übereinstimmung von Gemeindegebiet mit den Grenzen der gemeinschaftlichen Jagdbezirke

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.06.2006
Aktenzeichen
8 LA 285/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 36062
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0620.8LA285.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 06.10.2004 - AZ: 3 A 42/03

Fundstellen

  • AUR 2006, 428-430 (Volltext mit amtl. LS)
  • NdsVBl 2006, 312-314
  • NuR 2006, 796-798 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Mit der Verkleinerung des Gemeindegebiets scheidet der betroffene Gebietsteil automatisch auch aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der Gemeinde aus, deren Gebiet verkleinert wird

Gründe

1

Der auf das Vorliegen der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Zulassungsantrag ist hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin zu 1) begründet, im Übrigen unbegründet.

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Die Beteiligten streiten um die jagdbezirkliche Zuordnung einer ca. 52 ha großen Fläche, die durch Verordnung des Regierungspräsidenten in Osnabrück vom 1. Juni 1972 aus der Gemeinde F., in der sich (im Übrigen) der Jagdbezirk der Klägerin zu 1) befindet, in die Stadt G., in deren Gebiet der Jagdbezirk der Beigeladenen liegt, umgegliedert worden ist.

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Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil - unter Bezugnahme auf das zuvor hinsichtlich der jetzigen Klägerin zu 1) und der Beigeladenen ergangene Urteil derselben Kammer vom 15. August 2001 (3 A 27/00) - entschieden, dass durch die Grenzänderung die umgegliederte Fläche kraft Gesetzes aus dem Jagdbezirk der Klägerin zu 1) ausgeschieden sei. Die betroffenen Grundstücke seien dadurch jedoch nicht automatisch dem Jagdbezirk der Beigeladenen zugewachsen. Vielmehr gehöre diese Grundfläche seither gar keinem Jagdbezirk mehr an; auf ihr ruhe dementsprechend gemäß § 6 Satz 1 BJagdG die Jagd. Der Beklagte habe die streitige Fläche daher mit konstitutiver Wirkung einem Jagdbezirk angliedern müssen. Dies habe er durch eine nunmehr von den Klägern angegriffene Verfügung getan, indem er die Fläche dem Jagdbezirk der Beigeladenen und nicht dem der Klägerin zu 1) angegliedert habe. Diese Entscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Sie folge dem aus § 8 Abs. 1 BJagdG zu entnehmenden Grundsatz, dass das Gemeindegebiet und die Grenzen der gemeinschaftlichen Jagdbezirke in der Regel übereinstimmen sollen. Der Beklagte sei hingegen nicht verpflichtet gewesen, die streitige Fläche stattdessen auf den Antrag der Klägerin zu 1) deren Bezirk anzugliedern.

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Die Kläger greifen das verwaltungsgerichtliche Urteil schon in seinem Ausgangspunkt an. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich durch die Grenzänderung zu Lasten der politischen Gemeinde F. zugleich auch der (bis dahin) in der Gemeinde F. befindliche Jagdbezirk der Klägerin zu 1) verkleinert habe und die von der Grenzänderung betroffene Fläche seitdem keinem Jagdbezirk mehr zugehöre. Stattdessen habe die Änderung der politischen Gemeindegrenzen den Umfang des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der Klägerin zu 1) unberührt gelassen. Die streitige Fläche gehöre bis heute unverändert zu ihrem Jagdbezirk. Dies folge aus der entsprechenden Anwendung von Art. 8 Abs. 1 LJagdG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 2. Februar 1978 (Nds. GVBl. S. 110), der auf Grund der Ermächtigung in Art. II des Gesetzes vom 2. Februar 1978, das damalige LJagdG "in neuer Artikelfolge" bekannt zu machen, in der nachfolgend neu bekannt gemachten Gesetzesfassung vom 24. Februar 1978 (Nds. GVBl. S. 217) zu Art. 11 LJagdG 1978 geworden ist. Nach Art. 11 Abs. 3 LJagdG 1978 sei Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 zudem rückwirkend für die hier bereits im Jahr 1972 erfolgte Gebietsänderung zu berücksichtigen. Es bestünden somit ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der anderslautenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Zumindest weise der Rechtsstreit insoweit aber besondere rechtliche Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, da zu der aufgeworfenen Rechtsfrage nach der entsprechenden Anwendung des Art. 11 LJagdG 1978 auf Gebietsänderungen "weder gerichtliche Entscheidungen noch einschlägige Literatur ersichtlich seien." Beide geltend gemachten Zulassungsgründe greifen hier jedoch nicht durch.

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Nach der bundesrahmenrechtlichen Regelung in § 8 Abs. 1 BJagdG bilden alle Grundflächen einer Gemeinde oder abgesonderten Gemarkung, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie im Zusammenhang mindestens 150 ha umfassen. Aus dieser Bestimmung folgt unbestritten der Grundsatz, dass das Gemeindegebiet und die Flächen eines oder mehrerer darin befindlicher gemeinschaftlicher Jagdbezirke übereinstimmen sollen. Entgegen der Annahme der Kläger gilt dieser Grundsatz nicht nur bei der Entstehung von gemeinschaftlichen Jagdbezirken. Er ist mit der Folge der Veränderung des gemeinschaftlichen Jagdbezirks oder gar mit der Folge seines Untergangs vielmehr auch dann zu berücksichtigen, wenn sich nachträglich Änderungen im Gemeindegebiet ergeben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.1983 - 3 B 78/82 -, NuR 1984, 21 f. = JE IV Nr. 54, und v. 16.1. 1987 - 3 B 8/86 -, Buchholz 451.16 § 7 BJagdG Nr. 5 = JE II Nr. 88). Dementsprechend hat das erkennende Gericht bereits mit Beschluss vom 12. September 1995 (- 3 M 4539/95 -, JE II Nr. 128, S. 15) unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 1983 entschieden, dass sich mit der Änderung des Gemeindegebiets zwangsläufig auch die Grenzen der gemeinschaftlichen Jagdbezirke ändern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.1983, a.a.O.).

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Dieser aus § 8 Abs. 1 BJagdG zu entnehmende Rechtsgrundsatz ist für den hier maßgebenden Fall der Grenzänderung auch nicht - wie die Kläger vortragen - durch Landesjagdrecht, nämlich durch Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 (vgl. heute § 14 Satz 1 NJagdG) in entsprechender Anwendung verändert worden. Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 regelt seinem Wortlaut nach nur zwei - hier nicht gegebene - Fälle von Gebietsänderungen, nämlich den Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einer neuen und die Eingliederung einer Gemeinde in andere Gemeinden. (Nur) In diesen beiden Fällen sollen die gemeinschaftlichen Jagdbezirke in ihrem bisherigen Umfang Bestand haben. Es ist schon sehr fraglich, ob durch diese Sonderregelung der sich aus § 8 Abs. 1 BJagdG ergebende Grundsatz der Identität des Gemeindegebiets mit dem Gebiet oder den Gebieten gemeinschaftlicher Jagdbezirke überhaupt in Frage gestellt wird. Denn Art. 11 LJagdG 1978 geht wiederum auf den bereits durch Gesetz vom 6. März 1973 (Nds. GVBl. 1973) eingeführten Art. 7a LJagdG 1973 zurück. Danach blieben bei einem Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einer neuen Gemeinde oder der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde die gemeinschaftlichen Jagdbezirke im Gebiet der neuen oder der vergrößerten Gemeinde bestehen. Der Gesetzgeber wollte dadurch gleichsam vorab durch Landesgesetz von der bundesrahmenrechtlichen Möglichkeit des § 8 Abs. 3 BJagdG Gebrauch machen, auf dem größeren Gebiet der neuen Gemeinde mehrere selbständige Jagdbezirke in einer Mindestgröße von 250 Hektar zuzulassen (Meyer-Ravenstein, Jagdrecht in Niedersachsen, § 8 BJagdG, Rn. 20 f., m.w.N.). Dadurch sollte verhindert werden, dass es zu einem vorübergehenden Untergang einer Jagdgenossenschaft kommt (LT-Drs. 7/1124, S. 7). Hingegen ist nicht ersichtlich, dass - wie die Kläger geltend machen - anlässlich der kommunalen Gebietsreform in Niedersachsen vom Grundsatz der Identität zwischen Gemeindebezirk und gemeinschaftlichem Jagdbezirk abgewichen werden sollte, und dies nicht nur bei der aktuellen, sondern darüber hinausgehend bei allen Gebietsänderungen. Ebenso wenig ist erkennbar, dass dieses Ziel mit der Änderung des Art. 7 a LJagdG 1973 durch das o.a. Gesetz vom 2. Februar 1978 verfolgt wurde. Dadurch sollte vielmehr nur "klargestellt" werden, dass der frühere Art. 7a LJagdG 1973 auch anzuwenden sei, wenn eine Gemeinde in mehrere andere Gemeinden eingegliedert werde, und nicht nur in eine andere (LT-Drs. 8/2246, S. 16). Es spricht daher Überwiegendes dafür, dass Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 schon in den ausdrücklich geregelten Fällen der Auflösung ganzer Gemeinden nicht zur Bildung gemeindegebietsüberschreitender gemeinschaftlicher Jagdbezirke führt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 8.10.1981 - 14 OVG B 44/81 -).

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Erst recht ist Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 daher nicht der von den Klägern favorisierten entsprechenden und rückwirkenden Anwendung auf den - hier gegebenen - Fall einer bloßen Grenzänderung zwischen zwei im übrigen fortbestehenden Gemeinden zugänglich (Nds. OVG, Beschl. v. 12.9.1995, a.a.O.). Bei dieser Fallgestaltung verbleibt es vielmehr bei dem sich bundesrechtlich aus § 8 Abs. 1 BJagdG ergebenden Grundsatz, dass sich als Folge der - hier bezogen auf das Gebiet der Gemeinde F. - Verkleinerung des Gemeindegebiets zugleich auch der betroffene gemeinschaftliche Jagdbezirk in dieser Gemeinde, vorliegend also der Bezirk der Klägerin zu 1), verkleinert. Die Existenz der Klägerin zu 1) erlischt dadurch nicht. Ihr (unstreitig) verbleibender Bezirk beträgt immer noch mehr als die in § 12 Abs. 1 NJagdG festgelegte Mindestgröße. Bei dieser Rechtslage erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der umstrittenen Frage, inwieweit der Landesgesetzgeber zu der vormals in Art. 7a LJagdG 1973 bzw. Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 und nunmehr in § 14 Satz 1 NJagdG n.F. enthaltenen Regelung überhaupt befugt (gewesen) ist (vgl. dazu nur OLG Celle, Beschl. v. 16.8.1979 - 7 W 14/79 -, AgrarR 1980, 52; Meyer-Ravenstein, a.a.O., m.w.N.) und ob die von den Klägern geltend gemachte, noch darüber hinausgehende erweiternde Auslegung dieser landesrechtlichen Bestimmung auf alle Fälle der Änderung von Gemeindegebietsgrenzen mit Bundesrecht vereinbar wäre.

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Die Kläger wenden gegen die dargelegte Ansicht, dass sich durch die 1972 erfolgte Grenzänderung gemäß § 8 Abs. 1 BJagdG zugleich der Bezirk der Klägerin zu 1) verkleinert habe, sinngemäß hilfsweise weiterhin ein, dass diese Rechtsfolge jedenfalls dann nicht eintrete, sondern es zumindest vorübergehend bei den bisherigen Verhältnissen bleibe, wenn die betroffene Grundfläche andernfalls - wie vorliegend vom Verwaltungsgericht angenommen - nicht mehr zu einem Jagdbezirk gehöre. Eine solche Rechtsfolge sei nämlich unzulässig. Auch dieser Einwand trifft jedoch nicht zu, wie bereits aus § 6 Satz 1 BJagdG folgt. Darin ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass u.a. auf Grundflächen, die zu keinem Jagdbezirk gehören, die Jagd ruht. Solche zu keinem Jagdbezirk gehörenden Grundflächen sind nicht nur ursprünglich, d.h. bei In-Kraft-Treten des Bundesjagdgesetzes vorhanden gewesen. Sie können auch durch natürliche Vorgänge neu entstehen. Ferner ist in der Rechtsprechung zu Recht anerkannt, dass sich auch "in Anwendung der §§ 7 und 8 BJagdG", d.h. in Folge von Rechtsänderungen Grundflächen ergeben können, die weder einem Eigenjagdbezirk noch einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk zuzuordnen sind, so dass auf ihnen gemäß § 6 BJagdG zunächst die Jagd ruht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.1.1987, a.a.O.). Es kann deshalb offen bleiben, ob das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, die streitige Fläche sei nicht automatisch dem Gebiet der Beigeladenen zugewachsen, wie dies heute für eine vergleichbare Fallgestaltung ausdrücklich § 12 Abs. 2 NJagdG zu entnehmen ist.

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Eine abweichende Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus Schreiben des Beklagten vom 28. Januar 2000. Darin teilt der Beklagte auf Weisung der Bezirksregierung Weser-Ems den Beteiligten zwar mit, dass sich durch die Gebietsreform in Anwendung von Art. 11 Abs. 1 LJagdG 1978 keine Veränderung der Grenzen der Klägerin zu 1) ergeben habe. Die Klägerin zu 1) macht aber im Zulassungsantrag selbst nicht geltend, dass diesem oder einem anderen, inhaltlich ähnlichen Schreiben des Beklagten Verwaltungsaktqualität zukomme und es deshalb auf die nach den vorherigen Ausführungen abweichende Rechtslage nicht ankomme.

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Das Verwaltungsgericht hat es deshalb zu Recht abgelehnt, auf den Hauptantrag der Klägerin festzustellen, dass die streitige Fläche unverändert zu ihrem Jagdbezirk gehört. Auch besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sind insoweit nicht gegeben. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht vielmehr in Übereinstimmung mit der vorgenannten einschlägigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. Schließlich ergibt sich die besondere Schwierigkeit der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auch nicht allein daraus, dass das Verwaltungsgericht als Kammer entschieden und den Rechtsstreit nicht auf den Einzelrichter übertragen hat. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner ohnehin zu einem anderen Zeitpunkt ergehenden Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht an die Einschätzung des Verwaltungsgerichts über die Schwierigkeit des Verfahrens gebunden (vgl. Nds. OVG, Besch. v. 27.3.1997 - 12 M 1731/97 -, NVwZ 1997, 1225 ff.).

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Aus den vorherigen Darlegungen folgt zugleich, dass das auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gestützte Zulassungsbegehren der Kläger zu 2) und 3) ebenfalls keinen Erfolg haben kann. Insoweit kann dahinstehen, ob ihr Feststellungsantrag unter den hier gegebenen Voraussetzungen neben dem Begehren der Klägerin zu 1) überhaupt zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag jedenfalls zu Recht als unbegründet angesehen. Die Kläger zu 2) und 3) sind auf der Grundlage des mit der Klägerin zu 1) im März 2000 geschlossenen Jagdpachtvertrags nicht berechtigt, auf der streitigen Fläche das Jagdrecht auszuüben. Der Klägerin zu 1) steht nämlich aus den genannten Gründen seit 1972 an der Fläche kein Jagdrecht mehr zu, das sie an die Kläger zu 2) und 3) hätte verpachten können. Eine sinngemäß von den Klägern zu 2) und 3) geltend gemachte ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, wonach Jagdpächter, an die bei Abschluss des Pachtvertrages mit einer Jagdgenossenschaft wirksam die Jagdausübung übertragen werden konnte, dies gleichsam aus "fortwirkendem Recht" auch dann weiterhin tun können, wenn die betroffene Fläche nachträglich auf Grund einer kommunalen Gebietsänderung nicht mehr zu dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk der verpachtenden Jagdgenossenschaft gehört, sondern jagdbezirksfrei wird oder einem anderen gemeinschaftlichen Jagdbezirk zugehört, ist nicht vorhanden. Es ist auch fraglich, ob es insoweit eine planwidrige und durch entsprechende Anwendung des § 14 BJagdG zu schließende Lücke gibt (vgl. Meyer-Ravenstein, a.a.O., § 14 BJagdG, Rn. 20 f.). Dies kann hier aber dahin stehen, da nicht einmal die Voraussetzungen des vorgenannten Rechtssatzes vorliegen. Zu dem allein maßgebenden Zeitpunkt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.4.1990 - 3 M 11/90 -, JE II Nr. 110, S. 21 f.) im März 2000, an dem der Jagdpachtvertrag zwischen den Klägern geschlossen worden ist, gehörte die streitige Fläche seit langem nicht mehr zum Jagdbezirk der Klägerin zu 1). Für ein "fortwirkendes Recht" auf Bejagung durch die Kläger zu 2) und 3) als Jagdpächter ist daher kein Raum. Ebenso wenig existiert ein Rechtsgrundlage für den Erwerb und den Fortbestand eines solchen Rechts im "guten Glauben" an die Berechtigung des Verpächters.

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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen allerdings an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass der Klägerin zu 1) auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch nicht zusteht, ihr die bedingt durch die Gemeindegebietsänderung "verloren gegangene" Fläche durch jagdrechtliche Verfügung wieder anzugliedern.

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Voraussetzung für den Erlass einer solchen Abrundungsverfügung ist gemäß § 5 Abs. 1 BJagdG, dass dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Betrifft der Erlass der Abrundungsverfügung eine größere Exklave, d.h. eine bislang jagdbezirksfreie Fläche, so ist dieses Erfordernis in der Regel gegeben. Denn entsprechende Flächen bedürfen grundsätzlich der jagdlichen Pflege und der gewissenhaften Bejagung, um ein erhebliches Wildschadensrisiko zu verhindern (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.1.1998 - 3 L 4745/95 -, JE II Nr. 140, S. 11, 15 = RdL 2000, 14 ff.; OVG Koblenz, Urt. v. 28.2.2001 - 8 A 10973/00 - JE II Nr. 145 S. 1, 4 = RdL 2001, 180, m.w.N.). Ist hingegen eine Fläche betroffen, die zu einem Jagdbezirk gehört, so muss die Abrundung durch (sonstige) zwingende Gründe gerechtfertigt sein; bloße Zweckmäßigkeitserwägungen reichen dafür nicht aus. Notwendig ist eine Abrundung danach, wenn sie sich aus Sicht eines objektiven, jagdlich erfahrenen Betrachters bei der Beurteilung der örtlichen Lage als sachdienlich aufdrängt (OVG Lüneburg, Urt. v. 6.12.1990 - 3 L 165/90 -, RdL 1991, 293 f.).

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Besteht danach die Notwendigkeit zur Angliederung, so besagt das Gesetz nicht ausdrücklich, zu welchen von mehreren in Betracht kommenden Jagdbezirken dies zu erfolgen hat. Der Behörde steht vielmehr ein Ermessen zu, das sich am Zweck der Ermächtigung zu orientieren hat. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, die betroffene Fläche - unabhängig von ihrer Größe (OVG Koblenz, a.a.O., m.w.N.) - einem anliegenden gemeinschaftlichen Jagdbezirk einer anderen Gemeinde anzugliedern. Zwar enthält das Bundesrecht - wie dargelegt - in § 8 Abs. 1 BJagdG den Grundsatz, dass gemeinschaftliche Jagdbezirke und Gemeindegebiet übereinstimmen sollen. Es handelt sich allerdings nur um einen Grundsatz. Durchbrechungen sind möglich. So lässt § 8 Abs. 2 BJagdG auf Antrag die Bildung eines gemeindegebietsüberschreitenden, gemeinschaftlichen Jagdbezirkes zu. Außerdem kann es dann zu einem teilweisen Auseinanderfallen von Gemeindegebiet und gemeinschaftlichem Jagdbezirk kommen, wenn eine ältere Abrundungsverfügung auch im Falle einer nachträglichen Gebietsänderung Bestand hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.1996 - 3 C 4/95 -, Buchholz 451.16 § 5 BJagdG Nr. 28). Ergänzend bestimmt § 12 Abs. 3 Satz 1 NJagdG für den Fall, dass ein bisheriger gemeinschaftlicher Jagdbezirk nicht mehr die erforderliche Mindestgröße aufweist und es deshalb der Neuzuordnung dieser Flächen bedarf, ausdrücklich, dass die betroffenen Flächen zwar vorrangig einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk oder einem Eigenjagdbezirk in derselben Gemeinde, hilfsweise aber eben auch einem anliegenden gemeinschaftlichen Jagdbezirk in einer anderen Gemeinde anzugliedern sind. Rechtlich ausgeschlossen ist es demnach nicht, eine Fläche auch einem anliegenden, aber in einer anderen Gemeinde befindlichen Jagdbezirk anzugliedern. Eine solche Entscheidung kann unter Umständen vielmehr geradezu geboten sein, wenn nämlich die gemeindlichen Grenzen so ungünstig verlaufen, dass die Ausübung des Jagdrechts nur von dem Jagdbezirk einer angrenzenden Gemeinde aus möglich ist.

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Hieran gemessen bestehen ernstliche, im Zulassungsverfahren nicht näher aufklärbare Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Beklagten, den Antrag der Klägerin zu 1) auf Angliederung der streitigen Fläche an ihren Jagdbezirk vollständig abzulehnen. Denn die Klägerin zu 1) hat sich gerade darauf berufen, dass das umstrittene Gebiet nur von ihrem Bezirk, nicht aber vom Gebiet der Beigeladenen aus bejagt werden könne. Zwischen dem Jagdbezirk der Beigeladenen und der streitigen Fläche befinde sich durchgehend eine trennende Bebauung, so dass sich das umstrittene Gebiet für die Beigeladene als Exklave darstelle. Dies trifft nach den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Karten jedenfalls für das Gebiet westlich des A. zu und könnte zumindest eine teilweise Angliederung an den Bezirk der Klägerin zu 1) rechtfertigen. Weder der Beklagte noch die Beigeladene sind diesem Vorbringen bislang substantiiert mit jagdfachlichen Erwägungen entgegen getreten. Auch das Verwaltungsgericht hat die jagdlichen Verhältnisse vor Ort insoweit nicht näher aufgeklärt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass Bebauungsgrenzen und Jagdbezirksgrenzen nicht übereinstimmen müssten. Dies trifft als solches zu, trägt aber nicht den daraus gezogenen Schluss, dass es nicht geboten sei, das streitige Gebiet ganz oder zumindest teilweise dem Bezirk der Klägerin zu 1) wieder anzugliedern. Ob dafür die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, ob das der Beklagten dann zustehende Ermessen trotz der Gemeindegebietsüberschreitung zu Gunsten der Klägerin zu 1) reduziert und inwieweit ggf. zum Ausgleich auch ein Flächentausch zu erwägen ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 23.1.1998, a.a.O.), wird daher im Berufungsverfahren zu klären sein.

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Soweit der Zulassungsantrag Erfolg hat, wird das Antragsverfahren daher unter dem Aktenzeichen

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als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124 a Abs. 5 Satz 5 VwGO).

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Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, einzureichen (§ 124 a Abs. 6 Satz 1 und 2 VwGO). Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Antrag gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124 a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 bis 5 VwGO).

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Soweit der Zulassungsantrag erfolglos bleibt, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 2 ZPO; die Kosten der Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt hat, sind nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig. Soweit das Zulassungsverfahren als Berufungsverfahren fortgeführt wird, bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 20.1 des sogenannten Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525 ff.). Nach Ziffer 20.1 beträgt der Wert eines Verfahrens um den Bestand und die Abgrenzung von Jagdbezirken, wie er vorliegend von der Klägerin zu 1) geführt wird, 10.000,- EUR. Davon entfallen jeweils 5.000,- EUR auf den Feststellungsantrag und den Verpflichtungsantrag. Der von den Klägern zu 2) und 3) gestellte Antrag betrifft i. S. des § 45 Abs. 1 GKG denselben Gegenstand wie die von der Klägerin zu 1) gestellten Anträge und wirkt sich deshalb nicht streitwerterhöhend aus.