Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.12.1990, Az.: 18 L 14/89
Dienstanweisung für landeseigene Krankenhäuser ; Personalrechtliche Vertretungsberechtigung eines Verwaltungsleiters eines Landeskrankenhauses; Wirksamkeit eines Erlasses des Sozialministers
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.12.1990
- Aktenzeichen
- 18 L 14/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1990, 19240
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:1219.18L14.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 16.02.1989 - AZ: PL VG 19/87
Rechtsgrundlagen
- § 8 NdsPersVG
- § 83 Abs. 3 ArbGG
Verfahrensgegenstand
Vertretung des Leiters der Dienststelle gemäß § 8 Nds. PersVG
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 19. Dezember 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schwermer sowie
die ehrenamtlichen Richter Knies und Schalitz
beschlossen:
Gründe
I.
Am 1. Oktober 1987 trat die vom Niedersächsischen Spezialminister erlassene Dienstanweisung für die landeseigenen Krankenhäuser in Kraft. Diese trifft in § 2 Abs. 2 und 3 folgende Regelung:
"(2)
Die Krankenhausleitung besteht aus:1.
dem Ärztlichen Direktor/der Ärztlichen Direktorin2.
dem Verwaltungsleiter/der Verwaltungsleiterin3.
dem Pflegedienstleiter/der Pflegedienstleiterin.(3)
Die Mitglieder der Krankenhausleitung werden im Verhinderungsfall durch ihre Stellvertreter in der Funktion nach Abs. (2) vertreten."
Die Dienstanweisung trifft in § 8 Abs. 4 ferner folgende Regelung:
"Leiter der Dienststelle i.S. des Nieders. Personalvertretungsgesetzes ist der Ärztliche Direktor/die Ärztliche Direktorin. Er/Sie wird durch den Verwaltungsleiter/die Verwaltungsleiterin vertreten."
Der Antragsteller hat am 13. Oktober 1987 die Fachkammer angerufen und geltend gemacht: Die Vertretungsregelung in § 8 Abs. 4 der Dienstanweisung des Sozialministers vom 1. Oktober 1987 sei mit § 8 Abs. 1 Satz 2 des Nds. Personalvertretungsgesetzes - Nds. PersVG - nicht vereinbar. Der beteiligte Leiter des Landeskrankenhauses habe keinen ständigen Vertreter, und ein Beamter des höheren Dienstes sei beim Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf nicht beschäftigt. Der nach § 8 Abs. 4 der Dienstanweisung als ständiger Vertreter des Leiters der Dienststelle vorgesehene Verwaltungsleiter sei beim Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf lediglich Beamter des gehobenen Dienstes und demzufolge nicht vertretungsberechtigt.
Der Antragsteller hat beantragt,
festzustellen, daß der Verwaltungsleiter beim Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf nicht berechtigt sei, den Beteiligten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG zu vertreten.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und im wesentlichen geltend gemacht: § 8 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG sei nicht zu entnehmen, daß der Vertreter des Leiters der Dienststelle ein Beamter des höheren Dienstes sein müsse. Es müsse lediglich durch die Geschäftsverteilung oder durch einen sonstigen Organisationsakt sichergestellt sein, daß der ständige Vertreter die Befugnis habe, den Dienststellenleiter in allen Angelegenheiten der Dienststelle zu vertreten.
Der Nds. Sozialminister hat beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und vorgetragen: Der Antragsteller habe kein rechtlich geschütztes Interesse an der begehrten Feststellung. Im übrigen würden die Nds. Landeskrankenhäuser zwar jeweils von einem dreiköpfigen Kollegialorgan, der sog. Krankenhausleitung, bestehend aus dem Ärztlichen Direktor, dem Verwaltungsleiter und dem Pflegedienstleiter geführt. Leiter der Dienststelle i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nds. PersVG sei jedoch nicht die Krankenhausleitung, sondern der Ärztliche Direktor. Dessen ständiger Vertreter i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG sei der Verwaltungsleiter, der als Mitglied der Krankenhausleitung über alle Angelegenheiten des Hauses, insbesondere auch über die Personalangelegenheiten informiert sei. Zwar könne der Verwaltungsleiter den Ärztlichen Direktor nicht in allen Fällen, insbesondere nicht in dessen Funktion als Ärztlicher Direktor vertreten. Ebensowenig könnten der Ärztliche Direktor oder sein Vertreter Vertretungsfunktionen im Bereich der Verwaltung übernehmen. Ein ständiger Vertreter, der Kompetenzen für alle Funktionsbereiche innerhalb eines Landeskrankenhauses besitze, könne demzufolge nicht bestellt werden. Deshalb sei es folgerichtig, die Vertretung des Dienststellenleiters i.S. von § 8 Nds. PersVG einem weiteren ständigen Mitglied der Krankenhausleitung zu übertragen.
Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluß vom 16. Februar 1989 die beantragte Feststellung getroffen und im wesentlichen ausgeführt: Unter dem Gesichtspunkt der "Wiederholungsgefahr" bestehe ein rechtlich geschütztes Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung. Diese sei auch im Sinne des Antragstellers zu treffen. § 8 Abs. 4 Satz 2 der Dienstanweisung vom 1. Oktober 1987, wonach der Ärztliche Direktor als Leiter der Dienststelle i.S. des Nds. PersVG durch den Verwaltungsleiter vertreten werde, sei mit § 8 Abs. 1 Satz 2 Kds. PersVG nicht vereinbar. Denn nach dieser Bestimmung könne sich der Leiter der Dienststelle durch seinen ständigen Vertreter oder einen Beamten des höheren Dienstes vertreten lassen. Der Verwaltungsleiter beim Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf sei jedoch kein Beamter des höheren Dienstes. Er sei auch nicht "ständiger Vertreter" des Dienststellenleiters. Wer ständiger Vertreter des Dienststellenleiters sei, bestimmten die Geschäftsverteilung, die Geschäftsordnung, die Satzung oder die entsprechenden organisatorischen Regelungen. In jedem Fall müsse es sich bei der ständigen Vertreter des Dienststellenleiters um diejenige Person handeln, die ihn ständig in allen Angelegenheiten der Dienststelle vertrete. Das sei hier jedoch beim Verwaltungsleiter nicht der Fall. Nach der Vertretungsregelung in § 2 Abs. 3 der Dienstanweisung vom 1. Oktober 1987 würden die Mitglieder der Krankenhausleitung im Verhinderungsfall durch ihre Stellvertreter in der Funktion nach § 2 Abs. 2 vertreten. Daraus folge, daß der Ärztliche Direktor im Falle seiner Verhinderung nicht durch den Verwaltungsleiter vertreten werde, sondern durch diejenige Person, die ihn in dieser Funktion vertrete. Vom Verwaltungsleiter werde er nur in den Fällen vertreten, in denen es sich um Angelegenheiten nach dem Nds. PersVG handele. Die Bestellung eines solchen besonderen Vertreters nur für die Angelegenheiten der Personalvertretung sei jedoch unzulässig. Daran ändere es nichts, daß der Verwaltungsleiter Mitglied der Krankenhausleitung und nach § 10 der Dienstanweisung mit den Personalangelegenheiten der Dienststelle befaßt sei. Ebenso sei es unerheblich, daß er gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 der Dienstanweisung in Angelegenheiten, für die die Krankenhausleitung insgesamt zuständig sei, zusammen mit dem Ärztlichen Direktor zeichnungsbefugt sei. Trotz dieser herausgehobenen Funktion sei er - worauf es allein ankomme - nicht berechtigt, den Ärztlichen Direktor in allen Angelegenheiten der Dienststelle zu vertreten.
Gegen diesen ihm am 15. März 1989 zugestellten Beschluß hat der Nds. Sozialminister am 12. April 1989 Beschwerde eingelegt, die er am 9. Mai 1989 begründet hat. Zur Begründung der Beschwerde führt er im wesentlichen aus: Gerügt werde nach wie vor die Zulässigkeit des Antrags. In der Sache gehe es dem Grunde nach darum ob Vertreter der Dienststelle i.S. von § 8 Abs. 1 Nds. PersVG eine Einzelperson sein könne, wenn die Leitung der Dienststelle aus drei Personen bestehe. Wenn personalvertretungsrechtlicher Dienststellenleiter in einem solchen Fall eine Einzelperson sein könne, müsse es auch zulässig sein, die Vertretung dieser Person in Personalvertretungsangelegenheiten auf einen weiteren Angehörigen des Leitungsgremiums zu übertragen. Die Forderung des Verwaltungsgerichts, daß es sich bei dem ständigen Vertreter des Dienststellenleiters i. S. von § 8 Abs. 1 Nds. PersvG nur um eine Person Landein dürfe, die ihn ständig in allen Angelegenheiten der Dienststelle vertrete, sei in den Nds. Landeskrankenhäusern auch vor Erlaß der Dienstanweisung nicht zu erfüllen gewesen. Die Nds. Landeskrankenhäuser seien von ihrer Größe und Struktur so organisiert, daß es formal, aber auch dienststellenplanmäßig keinen ständigen Vertreter des Ärztlichen Direktors gegeben habe und gebe. Zu Unrecht werde im übrigen davon ausgegangen, daß Leiter der Dienststelle i.S. von § 8 Abs. 1 Nds. PersvG stets eine natürliche Person sein müsse. In der Literatur werde auch die Ansicht vertreten, daß auch ein Gremium bzw. ein Team Leiter der Dienststelle sein könne. Dies entspreche modernen Organisationsformen, die das Personalvertretungsrecht nicht verhindern könne, zudem materielle Interessen der Personalvertretung nicht beeinträchtigt würden und formelle Nachteile nicht erkennbar seien.
Der Nds. Sozialminister beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten mit den Schriftsätzen der Beteiligten und den von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Nds. Sozialministers ist unzulässig; denn der Sozialminister war nicht am Verfahren zu beteiligen und ist daher auch nicht beschwerdebefugt.
Die Beteiligung am Beschlußverfahren gemäß § 85 Abs. 2 Nds. PersVG i.V.m. §§ 20 ff. ArbGG setzt voraus, daß eine aus dem materiellen Personalvertretungsrecht sich ergebende Position einer Person oder Stelle durch die begehrte Entscheidung unmittelbar berührt wird (BVerwG, Beschl. v. 15.12.1978 - 6 P 13.78 -, PersV 1980, 145). Das ist auf Seiten des Sozialministers jedoch nicht der Fall.
Die durch Rechte und Pflichten begründeten Rechtsbeziehungen zwischen den Personalvertretungen und der öffentlichen Verwaltung beruhen auf der Partnerschaft des jeweiligen Personalrats mit der Dienststelle, bei der er gebildet ist. Das ergibt sich aus den §§ 1, 1a, 82 f. Nds. PersVG. Aus dieser Zuordnung ergibt sich weiter, daß in einem vom Personalrat eingeleiteten Beschlußverfahren grundsätzlich nur die Dienststelle in ihrer personalvertretungsrechtlichen Stellung unmittelbar berührt ist, deren Personalrat bestimmte Rechte geltend macht oder die Erfüllung bestimmter Pflichten fordert. In diesen Fällen ist allein die diesem Personalrat partnerschaftlich zugeordnete Dienststelle - hier das Landeskrankenhaus Wunstorf - und nicht die übergeordnete Dienststelle - hier der Nds. Sozialminister - zu beteiligen (BVerwG, a.a.O.). Das allein entspricht auch der auf das Betriebsverfassungsgesetz abgestellten Systematik des § 83 Abs. 3 ArbGG. Dem danach als "Partner" des Betriebsrats am Beschlußverfahren beteiligten Arbeitgeber entspricht nach der rechtlichen Ausgestaltung des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens der Dienststellenleiter (§§ 8, 65 bis 67 a, 70, 72 Nds. PersVG). Er allein ist der am streitigen Personalvertretungsverhältnis unmittelbar Beteiligte. Da ihm ebenso wie dem Personalrat im Verhältnis zueinander Rechte zustehen und Pflichten auferlegt sind, ist er - trotz fehlender Rechtsfähigkeit - wie der Personalrat der Beteiligte des personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahrens, und zwar - soweit es sich um Rechte und Pflichten zwischen Personalrat und Dienststelle handelt - der alleinige Beteiligte (BVerwG, a.a.O.).
Eine Abweichung von dieser nach dem Partnerschaftsprinzip grundsätzlich bestehenden Rechts- und Verfahrenslage könnte nur dann gelten, wenn der Sozialminister neben dem Beteiligten selbst personalvertretungsrechtliche Befugnisse gegenüber dem Antragsteller auszuüben oder bestimmte Pflichten ihm gegenüber zu erfüllen hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Sozialminister steht in keiner personalvertretungsrechtlichen Beziehung zum Antragsteller, sondern allein der Beteiligte.
Erweist sich somit, daß der Sozialminister zu Unrecht zum Verfahren hinzugezogen worden ist, dann könnte sich eine Befugnis, von Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, für ihn dann ergeben, wenn er - wie es allgemein den Voraussetzungen eines Rechtsmittels entspricht - durch die angefochtene Entscheidung beschwert wäre, d.h. wenn ihm durch die Entscheidung zu Unrecht eine Verpflichtung auferlegt oder das Bestehen einer Verpflichtung festgestellt worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Feststellung, daß der Verwaltungsleiter beim Nds. Landeskrankenhaus Wunstorf nicht berechtigt ist, den Beteiligten personalvertretungsrechtlich zu vertreten, betrifft den Nds. Sozialminister nicht unmittelbar, sondern berührt nur mittelbar seine Befugnis, die Organisation der seiner Aufsicht unterstehenden Landeskrankenhäuser im Rahmen der Gesetze durch Verwaltungsvorschriften zu regeln. Diese nur mittelbare Auswirkung allein führt weder eine Beteiligung am Beschlußverfahren herbei, noch begründet sie eine die Einlegung eines Rechtsmittels rechtfertigende Beschwer (BVerwG a.a.O.).
Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerten.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die dafür vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Ladwig
Schwermer
Knies
Schalitz