Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.12.1990, Az.: 21 A 102/88

Heranziehung von Arbeitgebern zu Abschiebungskosten; Beschäftigung von Asylbewerbern ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis im Bereich des Obstanbaus

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.12.1990
Aktenzeichen
21 A 102/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 12967
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:1207.21A102.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 03.05.1987 - AZ: 8 VG A 286/87

Fundstellen

  • InfAuslR 1991, 191-193 (Volltext mit red. LS)
  • ZAR 1991, 97 (red. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Heranziehung zu Abschiebungskosten.

Prozessführer

des Herrn ...

Prozessgegner

den Landkreis ...

Redaktioneller Leitsatz

Die Heranziehung von Arbeitgebern, die Asylbewerber ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis beschäftigen, ist sachlich gerechtfertigt, weil ein solches Verhalten dazu beiträgt, dass erwerbswillige Ausländer sich unter mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylrechts in die Bundesrepublik begeben und mangels freiwilliger Ausreise abgeschoben werden müssen. Im Bereich des Obstanbaus machen Sinn und Zweck der Vorschrift es dringend erforderlich, jeden Arbeitgeber, der Asylbewerber illegal als Obstpflücker beschäftigt, mit dem Kostenrisiko zu belasten. Kriterien, wie eine kurze Beschäftigungsdauer, geringe soziale Integration im Betrieb, kein hoher Gewinn am einzelnen Arbeitnehmer, weitgehende Selbstbestimmung hinsichtlich Dauer und Geschwindigkeit der Arbeit, können keine andere Beurteilung der Sachlage rechtfertigen.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat der 21. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Coordts,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Petersen und
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Claaßen sowie
die ehrenamtlichen Richter Humborg und Leveling
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 3. Mai 1988 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Abschiebungskosten.

2

Bei einer Polizeikontrolle am 30. Juli 1986 wurde festgestellt, daß auf der Kirschplantage des Klägers u.a. 31 Asylbewerber als Kirschenpflücker tätig waren. Unter ihnen befanden sich der pakistanische Staatsangehörige ... und der indische Staatsangehörige .... Sie wurden im April 1987 nach rechtskräftig negativem Abschluß ihrer Asylverfahren in ihre Heimatländer abgeschoben. Dabei entstanden Abschiebungskosten in Höhe von insgesamt 4.931,70 DM. Mit Bescheiden vom 11. September 1987 gab der Beklagte dem Kläger gemäß § 24 Abs. 6 b des Ausländergesetzes - AuslG - auf, diese Kosten zu tragen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung ... mit Bescheid vom 27. Oktober 1987 als unbegründet zurück.

3

Der Kläger hat daraufhin fristgerecht Klage erhoben und im wesentlichen geltend gemacht: Es handele sich bei den Asylbewerbern um keine Arbeitnehmer im Sinne des § 24 Abs. 6 b AuslG; denn sie hätten keine fremdbestimmte Arbeit verrichtet und seien nicht in seinem Betrieb integriert gewesen. Im übrigen stelle die Kostenforderung eine unverhältnismäßige Folge seines Verhaltens dar, weil er die beiden abgeschobenen Asylbewerber nur während eines Vormittages beschäftigt und an ihnen lediglich sehr wenig verdient habe.

4

Der Kläger hat beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 11. September 1987 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom 27. Oktober 1987 aufzuheben.

5

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er hat die Ansicht vertreten, es habe sich bei den beiden Asylbewerbern um Arbeitnehmer im Sinne des § 24 Abs. 6 b AuslG iVm § 19 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG - gehandelt. Die Heranziehung des Klägers sei verhältnismäßig.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 3. Mai 1988 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die beiden abgeschobenen Asylbewerber seien Arbeitnehmer im Sinne des § 24 Abs. 6 b AuslG iVm § 19 Abs. 1 AFG gewesen; denn sie hätten sich gegenüber dem Kläger in einer persönlichen Abhängigkeit, insbesondere einer Weisungsunterworfenheit befunden; sie hätten zu einem festgesetzten Zeitpunkt an der Kirschplantage zum Arbeitsbeginn erscheinen müssen; der Kläger und sein Bevollmächtigter hätten ihnen Eimer und Leitern ausgehändigt und bestimmte Kirschbaumreihen zum Abpflücken zugewiesen; zwar hätten die Asylbewerber selbst bestimmen können, ob sie bis zum Ende des Arbeitstages pflücken und am nächsten Tag wieder kommen wollten; auch die Schnelligkeit ihrer Arbeit hätten sie selbst bestimmen können; damit unterscheide sich ihr Status aber nicht deutlich von dem anderer Arbeitnehmer, insbesondere von Akkordarbeitern; das Arbeitsverhältnis der Asylbewerber sei zwar möglicherweise jederzeit kündbar gewesen, soweit sie sich aber zur Arbeit bereiterklärt hätten, hätten sie sich jedoch in eine persönliche Abhängigkeit vom Kläger begeben.

8

Die Heranziehung des Klägers zu den Abschiebungskosten sei - so hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt - bei den Besonderheiten des hier vorliegenden Einzelfalles allerdings unvereinbar mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; die Kostenlast stelle eine unverhältnismäßige Folge des Verhaltens des Klägers dar, weil er die beiden Asylbewerber nur an einem einzigen Vormittag beschäfigt und durch ihre Tätigkeit lediglich einen Gewinn von maximal 50 bis 60,00 DM erzielt habe (was ca. 1 % der Abschiebungskosten ausmache), auch hätte die Beschäftigung ohne Eingreifen der Polizei spätestens nach fünf Tagen enden sollen.

9

Der Beklagte hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berufung eingelegt und sie im wesentlichen folgendermaßen begründet: Das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verkannt. Es hätte nicht entscheidend auf die nur kurze Beschäftigungsdauer der beiden Asylbewerber, die Geringfügigkeit des durch die Beschäftigung erzielten Gewinns sowie die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Asylbewerber im Bundesgebiet abstellen dürfen; zumindest hätte es aber berücksichtigen müssen, daß die Beschäftigungsdauer auf der Kirschplantage wegen der nur achttägigen Erntezeit schon naturgemäß kurz sei und lediglich polizeiliches Eingreifen die unerlaubte Beschäftigung der abgeschobenen Asylbewerber beendet habe. Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme des Klägers müsse entscheidend auf den Grad der Vorwerfbarkeit seines Verhaltens abgestellt werden; dabei sei zu berücksichtigen, daß der Kläger die gebotene Sorgfalt bei der Einstellung der ausländischen Arbeitnehmer in erheblichem Maße habe vermissen lassen. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts führe letztlich dazu, daß die Obstbauern künftig Asylbewerber ohne das Risiko, die Abschiebungskosten tragen zu müssen, beschäftigen könnten, weil die Beschäftigungsdauer vorgegebenermaßen nur kurz und der Gewinn des Arbeitgebers im Verhältnis zur Höhe der Abschiebungskosten offenbar nur niedrig sei.

10

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil insoweit, als darin eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angenommen worden ist; das Verwaltungsgericht habe zu Recht darauf abgestellt, daß die Asylbewerber nur einen Vormittag bei ihm gearbeitet hätten und ihm daraus nur ein geringer Gewinn erwachsen sei. Der Kläger wendet sich indessen gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, daß bei den abgeschobenen Asylbewerbern ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 24 Abs. 6 b AuslG vorgelegen habe; dies sei mangels genügender sozialer Integration nicht der Fall gewesen; daß die Asylbewerber zu einem festgesetzten Arbeitsbeginn hätten erscheinen müssen, beruhe nicht auf einer persönlichen Abhängigkeit von ihm, sondern auf den Eigenarten des Arbeitsmarktes; gegen ein Arbeitsverhältnis spreche vor allem, daß die Asylbewerber ihre Schnelligkeit und Arbeitsdauer vollkommen selbständig hätten bestimmen können; mit Akkordarbeitern seien sie lediglich insoweit vergleichbar, als auch sie nach dem Ergebnis ihrer Arbeit, welches u.a. durch die Schnelligkeit geprägt gewesen sei, bezahlt worden seien.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des beiderseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage als unbegründet abweisen müssen.

15

1.

Das Gericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß das in § 24 Abs. 6 b AuslG aufgestellte Tatbestandsmerkmal der Beschäftigung eines Arbeitnehmers hier erfüllt ist. Das Merkmal muß unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Kostenpflicht des Arbeitgebers ausgelegt werden (vgl. BVerwG, InfAuslR 1988, 98, 99):

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§ 24 Abs. 6 b AuslG verfolgt zum einen arbeitsmarktpolitische Zielsetzungen. Die Vorschrift soll Arbeitgeber veranlassen, Asylbewerber nicht ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis zu beschäftigen. Da das Kostenrisiko abschreckend wirkt, trägt es zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von Asylbewerbern bei. Dies liegt im öffentlichen Interesse, weil für Ausländer der Anreiz vermindert wird, allein aus wirtschaftlichen Gründen in der Bundesrepublik politisches Asyl zu beantragen (vgl. BVerwG, a.a.O. sowie Kanein, AuslR, 4. Aufl. 1988, § 24 AuslG Rdz. 4).

17

§ 24 Abs. 6 b AuslG bezweckt - als Kostenvorschrift - ferner die Sicherung des Kostenersatzes für Abschiebungen, der gegenüber dem abgelehnten Asylbewerber zumeist nicht realisierbar ist. Um zu verhindern, daß die Abschiebungskosten der Allgemeinheit zur Last fallen, rechnet die Vorschrift die Kosten (auch) demjenigen zu, der den Asylbewerber ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis beschäftigt hat. Dies ist sachlich gerechtfertigt, weil sein Verhalten dazu beigetragen hat, daß erwerbswillige Ausländer sich unter mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylrechts in die Bundesrepublik begeben und mangels freiwilliger Ausreise abgeschoben werden müssen. Der Beschäftigende hat damit die erheblichen sozialen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten und Mißstände in Kauf genommen, zu denen die Anwesenheit von Wirtschaftsflüchtlingen führen kann und zu deren Bekämpfung die Regelung in § 24 Abs. 6 b AuslG ebenfalls geschaffen worden ist. Neben dem arbeitsmarktpolitischen Ziel und dem Finanzierungszweck dient die Vorschrift also auch allgemeinen ordnungsrechtlichen und sozialen Zielsetzungen (vgl. z.B. BVerwG, a.a.O.).

18

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben des Gesetzgebers läßt sich das Vorliegen einer Arbeitnehmerbeschäftigung im vorliegenden Fall nicht verneinen, und zwar insbesondere auch nicht mit den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumenten. Sinn und Zweck des § 24 Abs. 6 b AuslG entspricht es, die illegale Beschäftigung von Asylbewerbern nicht erst bei einer gewissen Dauerhaftigkeit, einer verstärkten sozialen Integration des Arbeitnehmers und einem nennenswerten Gewinn des Arbeitgebers mit dem Kostenrisiko der Vorschrift zu belasten. Denn auch bei kurzzeitigen Beschäftigungen, die dem Arbeitgeber naturgemäß meistens keinen hohen Gewinn verschaffen und regelmäßig keine verstärkten Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufkommen lassen, entstehen die arbeitsmarktpolitischen, finanziellen und ordnungsrechtlichen Probleme, vor denen § 24 Abs. 6 b AuslG gerade schützen will. So schafft auch die Erwartung, daß in der Bundesrepublik durch kurzzeitige Beschäftigungen Geld zu verdienen ist, bei erwerbswilligen Ausländern einen starken Anreiz, aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten und unter mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylrechts in die Bundesrepublik einzureisen und nicht mehr freiwillig in die Heimat zurückzukehren. Da die Höhe des Arbeitgebergewinns für den Ausländer uninteressant ist und auch die soziale Integration sowie die genaue Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses für ihn im Verhältnis zum Verdienst meistens nur zweitrangig sein dürfte, kann es für das Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Arbeitnehmerbeschäftigung auf diese Gesichtspunkte nicht entscheidend ankommen.

19

Ob die dargelegten Grundsätze für alle Bereiche des Arbeitslebens gelten, mag dahingestellt bleiben. Im hier ausschließlich interessierenden Bereich des Obstanbaus machen Sinn und Zweck des § 24 Abs. 6 b AuslG es jedenfalls dringend erforderlich, jegliche illegale Beschäftigung von Asylbewerbern als Obstpflücker mit dem Kostenrisiko der Vorschrift zu belasten. Denn die vom Kläger angeführten Kriterien - kurze Beschäftigungsdauer, geringe soziale Integration im Betrieb, kein hoher Gewinn am einzelnen Arbeitnehmer, weitgehende Selbstbestimmung hinsichtlich Dauer und Geschwindigkeit der Arbeit - liegen beim Obstanbau schon angesichts der kurzen Erntezeit und des häufigen Arbeitnehmerwechsels geradezu typischerweise vor. Die Bedeutung des § 24 Abs. 6 b AuslG, insbesondere auch seine Abschreckungswirkung, würde demnach in dem für die illegale Beschäftigung von Ausländern aber bedeutsamen Bereich des Obstanbaues praktisch leerlaufen, wenn man an das Tatbestandsmerkmal der Arbeitnehmerbeschäftigung die vom Kläger genannten Maßstäbe anlegte. Außerdem wäre einer Umgehung des § 24 Abs. 6 b AuslG in diesem Fall Tür und Tor geöffnet, da sich das Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Beschäftigung in der überwiegenden Zahl der Fälle kaum mehr nachweisen ließe. Schließlich ist zugunsten einer weiten Auslegung des § 24 Abs. 6 b AuslG auch noch zu berücksichtigen, daß für die Arbeit als Pflücker auf einer Obstplantage immer, also nicht nur bei einer bestimmten Beschäftigungsdauer, eine Arbeitserlaubnis gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 AFG erforderlich ist, weil in allen Fällen auch dort - entsprechend dem Zweck der Vorschrift (vgl. dazu BSG, BSGE 54, 14, 18; BVerwG, InfAuslR 1988, 98, 100) - die Kontrolle des Arbeitsmarktes im Interesse des Vorrangs deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer gewährleistet sein muß.

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2.

Die somit nach § 24 Abs. 6 b AuslG grundsätzlich zulässige Heranziehung des Klägers zu den Abschiebungskosten ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Sie verstößt weder gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser besagt, daß das gewählte Mittel und der gewählte Zweck zueinander in einem vernünftigen Verhältnis stehen müssen; das Maß der den einzelnen treffenden Belastung muß noch in einem angemessenen Verhältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen (vgl. z.B. BVerfG, BVerfGE 38, 302;  76, 51; Leibholz-Rinck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 1989, Art. 20 Rdz. 776). Zu berücksichtigen sind neben der Belastung des Klägers mit den Abschiebungskosten also zum einen die finanziellen Vorteile, die ihm aus der Beschäftigung der abgeschobenen Asylbewerber erwachsen sind. Insoweit besteht hier für sich genommen ein krasses Mißverhältnis. Dem Sinn und Zweck des § 24 Abs. 6 b AuslG liefe es allerdings zuwider, wenn man sich darauf beschränkte, den Gewinn des Arbeitgebers in Relation zur Höhe der Abschiebungskosten zu setzen. Dies würde zu dem willkürlichen Ergebnis führen, daß bei einer teuren Abschiebung hohe Arbeitgebergewinne erzielt worden sein müßten, während bei niedrigen Abschiebungskosten schon geringe Gewinne ausreichten, wobei in beiden Fällen ungewiß bliebe, bei welchem Zahlenverhältnis noch eine Angemessenheit gegeben sein soll. Bei einer derartigen Gegenüberstellung kann es daher nicht sein Bewenden haben. Vielmehr muß bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weiterhin berücksichtigt werden, welche Zielsetzungen und Vorteile mit der Heranziehung des Klägers zugunsten der Allgemeinheit verfolgt und erreicht werden. Bei Beachtung auch dieses Gesichtspunkts erscheint die finanzielle Belastung des Klägers in Höhe von 4.931,70 DM nicht mehr unverhältnismäßig:

21

Der Senat hat die Ziele, denen die Heranziehung nach § 24 Abs. 6 b AuslG im Interesse der Allgemeinheit dient, bereits oben im einzelnen dargelegt. Ihnen kommt auch im vorliegenden Zusammenhang entscheidendes Gewicht zu: Wer einen Asylbewerber ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt, nutzt dessen Arbeitsbereitschaft zu seinem Vorteil. Sein auf persönliche Bereicherung gerichtetes Verhalten schadet der Allgemeinheit, weil es andere erwerbswillige Ausländer dazu verleiten kann, aus wirtschaftlichen Gründen unter mißbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylrechts in das Bundesgebiet einzureisen und sich hier möglichst lange zum Zwecke des Erwerbs aufzuhalten. Da die freiwillige Ausreise dieser Ausländer häufig nicht gesichert ist, werden in vielen Fällen typischerweise Abschiebungen erforderlich. Deswegen dürfen angesichts der schwerwiegenden Folgen, die vor allem in arbeitsmarktpolitischer, sozialer und polizeilicher Hinsicht mit dem Zustrom arbeitsuchender Scheinasylanten verbunden sind, die Abschiebung und ihre Kosten auch einem Arbeitgeber zugerechnet werden, der - wie der Kläger - in vorwerfbarer Weise Asylbewerber ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt hat. Dieser Arbeitgeber steht aufgrund seines eigenen Verhaltens zu den Abschiebungskosten in einer besonderen Beziehung, die es nicht als willkürlich oder unverhältnismäßig, sondern als sachlich gerechtfertigt erscheinen läßt, daß er anstelle der Allgemeinheit für die Kosten der Abschiebung aufkommen muß (vgl. BVerwG, BVerwGE 59, 13, 21 [BVerwG 23.10.1979 - 1 C 48/75]; BVerwG, InfAuslR 1986, 273).

22

Der Senat verkennt insoweit nicht, daß die Heranziehung zu Abschiebungskosten gemäß § 24 Abs. 6 b AuslG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, BVerwGE 59, 13, 22 [BVerwG 23.10.1979 - 1 C 48/75]; BVerwG, NVWZ 1987, 1086) "im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise eine unverhältnismäßige Folge des Verhaltens des Arbeitgebers darstellen" kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier selbst angesichts der kurzen Beschäftigungsdauer, der schwachen sozialen Integration der Arbeitnehmer und des geringen Gewinns des Arbeitgebers nicht vor. Das zu schützende Allgemeininteresse muß auch bei einer derart beschaffenen Tätigkeit noch als so gewichtig angesehen werden, daß weiterhin ein angemessenes Verhältnis zur Belastung des Klägers angenommen werden kann. Die wirksame Einhaltung der Zielsetzung des § 24 Abs. 6 b AuslG setzt gerade voraus, daß jegliche illegale Beschäftigung von Asylbewerbern als Obstpflücker - unabhängig von Dauer und Gewinn - unterbunden wird. Erst eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers auch bei einer nur kurzen Beschäftigungsdauer und einem nur geringen Gewinn läßt - bei vergleichsweise hohen Abschiebungskosten - die in der Haftungsvorschrift des § 24 Abs. 6 b AuslG (auch) liegende Abschreckungsfunktion wirksam zum Tragen kommen (vgl. OVG Münster, DöV 1983, 426, 427). Nur sie verhindert darüber hinaus wirksam eine Umgehung des § 24 Abs. 6 b AuslG durch den Einwand, daß die Asylbewerber nur kurzzeitig und bei geringem Gewinn beschäftigt worden seien. Eine Unvereinbarkeit mit dem Gesetzeszweck und damit eine Unverhältnismäßigkeit träte erst ein, wenn mit der Beschäftigung von Ausländern ein so hohes Kostenrisiko verbunden wäre, daß es Arbeitgeber davon abhalten könnte, überhaupt ausländische Arbeitnehmer zu beschäftigen. Davon kann hier indessen keine Rede sein. Um das Haftungsrisiko auszuschließen, hätte sich der Kläger lediglich nach der Arbeitserlaubnis der beschäftigten Ausländer erkundigen müssen (vgl. BVerwG, NJW 1980, 1243, 1244). Diese ihn im übrigen nur unwesentlich belastende Maßnahme hat der Kläger unterlassen, obwohl ihm bekannt sein mußte, daß ausländische Arbeitnehmer nur bei Vorliegen einer Arbeitserlaubnis im Obstanbau beschäftigt werden dürfen. Er hat damit bewußt das Risiko auf sich genommen, für etwaige Nachteile aus dem Gesetzesverstoß einstehen zu müssen. Als Vorteil hat er sich daraus einen finanziellen Gewinn versprochen, und zwar vor allem auch deshalb, weil der zu entrichtende Stundenlohn sehr niedrig war. Daß der Kläger an den beiden abgeschobenen Asylbewerbern nur sehr wenig verdient hat, ist im übrigen vornehmlich nicht auf das Verhalten des Klägers, sondern auf das Einschreiten der Polizei zurückzuführen (vgl. auch BVerwG, InfAuslR 1986, 273). Bei einer derartigen Bewertung der Klägerinteressen einerseits und der betroffenen Allgemeininteressen andererseits läßt sich nicht mehr feststellen, daß das Maß der den Kläger treffenden Belastung außer Verhältnis stünde zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Coordts, Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht
Petersen, Richter am Oberverwaltungsgericht
Claaßen, Richter am Verwaltungsgericht