Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.03.2012, Az.: 1 LA 140/09

Ermessensüberprüfung in Fällen eines später für unwirksam erklärten Bebauungsplans mit einer Beseitigungsanordnung für nicht plankonforme bauliche Anlagen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.03.2012
Aktenzeichen
1 LA 140/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 15257
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0309.1LA140.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 09.06.2009 - AZ: 2 A 316/07

Amtlicher Leitsatz

Zur Ermessensüberprüfung in Fällen, in welchen die Gemeinde zur Bereinigung einer "Waldsiedlung" einen später durch das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2011 (- 4 CN 7.10 -, BauR 2012, 466) für unwirksam erklärten Bebauungsplan erlassen und diesen mit Beseitigungsanordnungen für nicht plankonforme bauliche Anlagen flankiert hat (hier: Wohnhaus mit Nebenanlagen).

Gründe

1

Die Kläger wenden sich gegen eine Beseitigungsanordnung der Beklagten für ein Wohnhaus und Nebenanlagen auf ihrem Grundstück Dependahl C. in D..

2

Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem 8.691 m2 großen Grundstück (Gemarkung D., Flur 3, Flurstück 48/249) um dasjenige, für welches ein früherer Pächter namens E. am 13. November 1956 vom Landkreis F. als damals zuständiger Bauaufsichtsbehörde eine (nachträgliche) Baugenehmigung für ein Wochenendhaus mit einer "bewohnbaren Grundfläche" (zwei Zimmer, Flur und Kochnische) von 38 m2 erhalten hatte. Mit vorderer Überdachung von 1,85 m Ausladung und Dachüberständen an den anderen Seiten war das Gebäude mit 6 m x 9,50 m bemaßt.

3

Am 17. März 1983 schloss der Kläger mit der damaligen Eigentümerin, einer Frau G., einen notariellen Kaufvertrag über das Flurstück 48/249. Ein zugehöriger Lageplan zeigte ein Gebäude etwa in der genehmigten Größe, allerdings an einem anderen Standort.

4

Bei einer Überprüfung von Bautätigkeiten stellte ein Mitarbeiter der Beklagten im November 1984 fest, dass das Dach abgedichtet wurde.

5

Am 18. Februar 1988 beantragte der Kläger eine Befreiung von den Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung, weil er die schadhafte Holzverschalung seines in den dreißiger Jahren errichteten Wohnhauses durch eine Klinkersteinverblendung vor einer Dämmung mit Mineralwollmatten ersetzen wolle. Den Antrag nahm er kurz darauf zurück.

6

Am 1. Februar 1990 hörte die Beklagte den Kläger an, weil auf seinem Grundstück inzwischen ein komplettes massives Einfamilienhaus entstanden sei. Der Kläger gab mit Schreiben vom 7. Mai 1990 an, das Wohnhaus sei von einem früheren Grundstücksbesitzer im Zeitraum von 1935 bis 1937 nach damaliger Rechtslage legal errichtet worden. Er habe die Baugenehmigung übergeben wollen, sei aber vorher verstorben. Die Bauaufsichtsbehörde sei auf Akteneinsichtsantrag wegen ihres auf die Namen der Bauherren bezogenen Aktenarchivierungssystems nicht in der Lage gewesen, diesem Grundstück Bauakten zuzuordnen. Im Winter 1984/85 habe sich die Beklagte davon überzeugt, dass legale Renovierungsarbeiten durchgeführt würden.

7

Am 22. Januar 1993 erteilte der Landkreis F. eine Erlaubnis nach § 10 NWG zur Einleitung von Abwasser über eine Mehrkammergrube mit anschließender Untergrundverrieselung.

8

Nach Eingaben der "Bürger Union B. " wies die Bezirksregierung Lüneburg die Beklagte mit Erlass vom 5. Juli 1995 darauf hin, gegen eine frühere Genehmigung des Wohnhauses spreche der Umstand, dass die Deutsche Grundkarte 1 : 5000 mit Nachträgen von 1987 ein solches Gebäude nicht darstelle. Diese Nachträge seien auf Grund eines Bildfluges erfolgt.

9

Im August 1995 stellte die Beklagte bei einer formblattmäßigen Bestandsaufnahme auf dem Grundstück ein Wohnhaus von 260 m2 Grundfläche mit Dachausbau, zwei Ställe, einen Carport und ein Spielhaus fest.

10

Der Kläger bestritt mit Schreiben vom 13. September 1995, dass sein Wohnhaus eine Fläche von 260 m2 habe, und wies darauf hin, dass die Bauakten des Landkreises F. im Zeitraum 1942/1945 teilweise durch einen kriegsbedingten Brand vernichtet worden seien.

11

Am 18. November 2005 unterrichtete die Beklagte die Kläger über das Inkrafttreten des Bebauungsplans "D. - H. ", wonach auf ihrem Grundstück nur ein Hauptgebäude von 90 m2 Grundfläche, ein Nebengebäude von 35 m2 und eine Terrasse von 15 m2 zulässig seien. Nach einem Gesprächsvermerk der Beklagten vom 10. Januar 2006 soll der Kläger geäußert haben, dass das alte Wochenendhaus als Kern des Hauses verwendet worden und ein Teilabriss deshalb nicht möglich sei; die Richtigkeit dieses Vermerks ist bestritten. Mit Schreiben vom 18. April 2006 erklärte er sich allenfalls zu Veränderungen im Bereich der Nebengebäude bereit. Auf eine erneute Anhörung äußerte er sich zunächst nicht mehr. Zu dieser Zeit entstandene Lichtbilder zeigen ein im Erdgeschoss verklinkertes Wohngebäude, im Übrigen auch ein großes Baumhaus, ein Schwimmbecken und Sichtschutzelemente. Auf einem Lageplan (Beiakten A Bl. 118) ist die Flächengröße des Wohngebäudes mit 177,96 m2 angegeben. Nach einem späteren Vermerk vom 15. Juni 2006 (Beiakten A Bl. unpaginiert) ist diese Angabe dem Geo-Informationssystem (GIS) entnommen, das Dachüberstände und überdachte Terrassen nicht einbeziehe. Mit Schreiben vom 12. September 2006 erklärte der Kläger wieder Gesprächsbereitschaft; zu einer Einigung kam es nicht.

12

Mit der angegriffenen Verfügung vom 13. Dezember 2006 gab die Beklagte den Klägern auf, das Wohnhaus, zwei alte Holzschuppen, das Schwimmbecken, das Baumhaus, die Sichtschutzelemente und die Grundstückeinfriedungen zu beseitigen. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 13. November 2007 zurück.

13

Die darauf erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die fraglichen baulichen Anlagen seien formell wie materiell illegal und das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Die Baugenehmigung aus dem Jahr 1956 sei nur für ein kleines Wochenendhaus erteilt worden; die Anlage zum Kaufvertrag von 1983 zeige kein anderes Gebäude auf dem Grundstück. Auch der Kaufpreis entspreche nicht demjenigen für eine Wohnhausbebauung. Das Vorliegen weiterer Genehmigungen hätten die Kläger nicht beweisen können. Nach dem inzwischen beschlossenen Bebauungsplan seien die baulichen Anlagen nicht genehmigungsfähig. Sollte der Bebauungsplan unwirksam sein, seien sie als Außenbereichsvorhaben unzulässig. Das gelte auch für die Einfriedung, selbst wenn diese genehmigungsfrei sei, denn sie unterliege jedenfalls materiell den Anforderungen des Bauplanungsrechts. Die Beklagte sei dem Gleichheitssatz gerecht geworden, indem sie systematisch vorgegangen sei. Vertrauensschutz könne nicht geltend gemacht werden. Ein milderes Mittel bestehe nicht, weil die Kläger einen Rückbau für nicht möglich erklärt hätten; außerdem sei es Sache des Betroffenen, Austauschmittel anzubieten. Die Kläger hätten schließlich genügend Zeit gehabt, um sich auf die Situation einzustellen.

14

Einen Normenkontrollantrag des Klägers hat der Senat mit Urteil vom 8. September 2010 (- 1 KN 129/07 -, Volltext unter www.rechtsprechung.niedersachsen.de und [...]; unterschiedliche abgekürzte Fassungen in BauR 2011, 1131, DVBl. 2010, 1381, AUR 2010, 376 und BRS 76 Nr. 35) abgelehnt; das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Urteil mit Urteil vom 27. Oktober 2011 (- 4 CN 7.10 -, NuR 2012, 56 = RdL 2012, 38) geändert und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Auf beide Entscheidungen wird Bezug genommen.

15

Mit ihrem auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger im Wesentlichen geltend:

16

Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Genehmigungsbedürftigkeit der Nebenanlagen ausgegangen. Die Holzschuppen seien nach Nr. 1.1 des Anhangs zu § 69 Abs. 1 NBauO genehmigungsfrei, weil ihr Brutto-Rauminhalt weniger als 20 m3 betrage. Sie seien zusammen mit dem Wohnhaus zwischen 1935 und 1937 errichtet worden. Das Schwimmbecken bedürfe nach Nr. 9.7 des Anhangs keiner Genehmigung, weil es weniger als 10 m vom Wohnhaus entfernt liege, sein Beckeninhalt geringer sei als 100 m3 und seine Grundfläche 15 m2 betrage. Das Baumhaus, das inzwischen nicht mehr existiere, sei weder mit dem Erdboden verbunden gewesen noch habe es auf ihm geruht; im Übrigen sei es ebenfalls der Nr. 1.1 des Anhangs unterfallen. Darüber hinaus habe es nicht im Eigentum der Kläger gestanden, sondern sei nur im Sinne des§ 95 BGB Scheinbestandteil des Grundstücks gewesen, weil es von ihrem Sohn zusammen mit Freunden gebaut worden sei. Sie hätten daher nicht als Adressaten einer Beseitigungsverfügung herangezogen werden dürfen. Die Sichtschutzelemente stellten Einfriedungen im Sinne der Nr. 6.1 des Anhangs und zugleich Elemente der Gartengestaltung im Sinne der Nr. 9.1 dar. Die Grundstückseinfriedungen seien viele Jahrzehnte alt und von jeher genehmigungsfrei gewesen wie jetzt noch nach § 69 Abs. 1 NBauO. Die fehlende Genehmigungsbedürftigkeit sei im Rahmen der Ermessensausübung von durchgreifender Bedeutung.

17

Es sei anzunehmen, dass das Wohngebäude tatsächlich genehmigt worden sei; dafür sprechende Anhaltspunkte habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht gewürdigt, auch nicht im Rahmen der Überprüfung der Ermessensbetätigung. Es sei fraglich, ob die von der Beklagten herangezogene Baugenehmigung aus dem Jahr 1956 überhaupt das Grundstück der Kläger betreffe. Die Angaben zum Abstand des genehmigten Gebäudes von der Straße und zur Bahn passten zu ihrem Grundstück nicht. Nichts anderes ergebe sich aus einer in einem Parallelverfahren eingereichten Karte aus dem Jahr 1937. Selbst wenn man darin auf einem Eckgrundstück des Weges "Depenthal" den Namen "E. " identifizieren würde, zeige diese Karte einen Stichweg, der auf dem in der Bauakte befindlichen Lageplan nicht vorhanden sei. Auch im Übrigen fehle es an Übereinstimmungen. Die frühere Eigentümerin habe ihnen versichert, das auf ihrem Grundstück vorhandene Gebäude sei in der Zeit von 1935 bis 1937 in seinen heutigen Abmessungen mit Baugenehmigung errichtet worden. Sie sei dann vor Vertragsunterzeichnung gestorben; der Vertrag sei mit ihren Erben geschlossen worden. Diese Umstände seien einem Vertreter der Beklagten mündlich am 15. März 1990 und mit Schreiben vom 7. Mai 1990 geschildert worden; ein dazu aufgenommener Aktenvermerk fehle heute in der Bauakte. Diese sei nicht von vornherein paginiert und erwiesenermaßen lückenhaft gewesen. Der Vermerk auf dem heutigen Blatt 20 der Bauakte sei jedenfalls erst auf Rüge wieder aufgetaucht; insgesamt bestehe der Eindruck, dass in der Bauakte Fälschungen vorgenommen worden seien. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spreche der geringe Kaufpreis für das Grundstück nicht gegen das damalige Vorhandensein des Wohnhauses, weil dieses renovierungsbedürftig gewesen sei.

18

Dem Außenbereich könne ihr Grundstück angesichts der Entstehungsgeschichte des Gebiets nicht zugerechnet werden. Nach der Bestandsaufnahme durch die Beklagte seien mindestens 155 Baugenehmigungen für Wochenend- und Wohnhäuser erteilt worden. Hinzu komme eine Vielzahl von Änderungs-, Ergänzungs- und Nachtragsgenehmigungen, die die bauliche Situation verfestigt hätten. Es gebe über 200 Gebäude und Baugrundstücke bzw. -parzellen. Seit Bekanntmachung des Bebauungsplans sei eine Vielzahl weiterer Genehmigungen erteilt worden. Das Gebiet stelle inzwischen einen Ortsteil von D. dar. Es handele sich nicht um willkürliche Streubebauung, sondern die Bebauung orientiere sich an einem Gerüst von Erschließungsstraßen; das Gebiet sei seit langem vollständig erschlossen. In der Nähe gebe es zwei Kindergärten, eine Grundschule, Kirche und Bahnhof. Inmitten des Gebiets liege das Sanatorium Haus I., das weiter ausgebaut werde. Der Eindruck eines "großen Abstands", auf den das Verwaltungsgericht allein verweise, beruhe allein darauf, dass sich aus der ursprünglich weit einsehbaren Heidefläche ein Wald entwickelt habe, in den die Siedlung eingebettet sei. Dass die Baugrundstücke großzügig zugeschnitten seien, stehe der Annahme eines Bebauungszusammenhangs nicht entgegen. Im Übrigen liege inzwischen - nach weitgehender Umsetzung des an sich unwirksamen Bebauungsplans - auch eine organische Siedlungsstruktur vor.

19

Richtigerweise sei deshalb von Innenbereichslage auszugehen. Selbst wenn die Beurteilung aber auf § 35 Abs. 2 BauGB gestützt werde, ergebe sich keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange. Insbesondere sei die Besiedlung an dieser Stelle gewollt und von der Beklagten unterstützt worden. Die Nebenanlagen seien solche, die typischerweise keinen planungsrechtlichen Bedenken begegneten. Ein Wohnhaus habe der (unwirksame) Bebauungsplan an dieser Stelle gerade zulassen wollen. Es habe nach den Bauakten für dieses Gebiet aber auch früherer Genehmigungspraxis entsprochen, Wohn- und Wochenendhäuser zuzulassen. Die Bewaldung habe sich erst mit der Bebauung entwickelt und werde daher nicht beeinträchtigt; ebenso wenig ergebe sich ein Widerspruch zur Darstellung als Waldfläche im Flächennutzungsplan.

20

Darüber hinaus verstoße das Vorgehen der Beklagten gegen den Gleichheitssatz. Zunächst sei zwar davon auszugehen, dass die jahrzehntelange Genehmigungspraxis dem geltenden Recht entsprochen habe. Unterstelle man jedoch - wie das Verwaltungsgericht -, dass diese Baugenehmigungen zu Unrecht erteilt worden seien, dürfe es den Klägern nicht zum Nachteil gereichen, dass sie keine Baugenehmigung vorweisen könnten. Hinzu komme, dass die Beklagte nunmehr auch Bauten legalisieren wolle, für die nicht vollen Umfangs eine Baugenehmigung vorliege. Im Übrigen sei die mit dem Bebauungsplan vorgenommene Clusterbildung willkürlich gewesen. Insgesamt liege dem Vorgehen kein schlüssiges System zugrunde. Die Festsetzungen des unwirksamen Bebauungsplans könnten nicht als Ermessensleitfaden dienen. Die Kläger und einige andere Eigentümer würden willkürlich "herausgepickt".

21

Der Umstand, dass sich andere Bewohner der Waldsiedlung auf eine Baugenehmigung berufen könnten, stehe einem gleichmäßigen Einschreiten gegen sämtliche Bauten in diesem Gebiet nicht entgegen. Da diese Baugenehmigungen nach jetziger Behördenauffassung rechtswidrig erteilt worden seien, seien sie nach § 48 VwVfG unter Ausgleich eines eventuellen Vermögensnachteils zurückzunehmen. Vertrauensschutz bestehe indessen nicht, weil diese Baugenehmigungen alle nachträglich erteilt worden seien und damit nicht die Grundlage für Investitionen gebildet hätten. Angesichts der Intention des § 35 BauGB sei die Rücknahme dieser Baugenehmigungen ohne Weiteres ermessenfehlerfrei möglich gewesen. Auf Duldungen könne sich die Beklagte von vornherein nicht berufen, weil diese kein baurechtlich zulässiges Handlungsmittel seien. Duldungen seien auch tatsächlich gar nicht ausgesprochen, geschweige den schriftlich erteilt worden.

22

Hinzu komme, dass die Beklagte nach Unwirksamerklärung des Bebauungsplanes nun neu planen müsse. Der ursprüngliche Aufstellungsbeschluss sei noch nicht ordnungsgemäß abgearbeitet; das Verfahren müsse zu Ende geführt werden. Der erneuten Abwägungsentscheidung auch über die baulichen Anlagen der Kläger könne durch die Beseitigungsanordnung nicht ermessensfehlerfrei vorgegriffen werden.

23

Ferner sei Verwirkung eingetreten. Das Grundstück sei bereits 1984 und 1990 bauaufsichtlich überprüft worden, ohne dass Anlass zu Beanstandungen gesehen worden sei.

24

Schließlich verstoße die Beseitigungsanordnung gegen das Übermaßverbot, weil nach dem Bebauungsplan ein Gebäude mit geringerer Grundfläche zulässig gewesen wäre. Eine Rückbauanordnung sei ohne Weiteres möglich gewesen. Die vom Verwaltungsgericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogenen Entscheidungen beträfen Fälle, in denen die Anlage/Nutzung insgesamt unzulässig gewesen seien.

25

Das Ermessen sei schließlich generell nur unzureichend ausgeübt worden. Die Beklagte habe schon den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und ihr Ermessen dann zu Unrecht an den Festsetzungen des Bebauungsplans ausgerichtet. Sie begründe die Verfügung ausschließlich mit dem Verstoß gegen Festsetzungen des (unwirksamen) Bebauungsplans. Die jahrzehntelange, von den Behörden unterstützte Entwicklung der Bebauung bleibe unberücksichtigt. Die Beseitigung eines Wohnhauses, das immerhin Lebensmittelpunkt einer Familie sei, werde nicht anders behandelt als die Beseitigung einer Nebenanlage.

26

Die Sache weise vor dem Hintergrund der langjährigen Entwicklung des Gebiets besondere Schwierigkeiten auf. Das Verwaltungsgericht habe den Behörden einfach zahlreichen und jahrzehntelangen Rechtsbruch unterstellt, was nicht plausibel sei. Es spreche auch viel dafür, dass schon die Landschaftsschutzverordnung aus dem Jahr 1942 unwirksam sei. Zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit in der Vergangenheit hätte der ermessensrelevante Sachverhalt weiter aufgeklärt werden müssen. Schwierig sei hier insbesondere auch die Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich. Das Gebiet sei seit Jahrzehnten bebaut; es weise eine große Anzahl an Wohneinheiten und Gebäuden sowie dort wohnenden und sich aufhaltenden Menschen auf. Die Entfernung von Infrastruktureinrichtungen sei nicht größer als bei anderen Baugebieten. Der Siedlungsbereich sei im Verhältnis zum übrigen Siedlungsbereich von D. nicht untergeordnet, sondern habe erhebliches Gewicht. Er sei voll erschlossen. Insoweit seien die Erwägungen des Verwaltungsgerichts über pauschale, die Besonderheiten des Sachverhalts nicht treffende Ausführungen nicht hinausgegangen.

27

Auch die Überprüfung der Ermessensentscheidung stelle sich hier als besonders schwierig dar. Das gelte zunächst für die Frage, ob bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans auf die die Prüfungsmaßstäbe der §§ 34, 35 BauGB zurückgegriffen werden dürfe. Zweifelhaft sei, ob Ermessenserwägungen, die auf der Annahme der Wirksamkeit des Bebauungsplans beruhten, auch für den Fall der Unwirksamkeit ausreichten.

28

Schließlich habe die Sache grundsätzliche Bedeutung. Es stellten sich die Rechtsfragen:

  • Kann sich der Umstand, dass zu Unrecht die Genehmigungsbedürftigkeit einer baulichen Anlage angenommen worden ist, auf die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsverfügung auswirken? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Folge?

  • Ist die Annahme eines Bebauungszusammenhangs i.S.v. § 34 BauGB ausgeschlossen, wenn die Baulichkeiten "mit großem Abstand" zueinander und "willkürlich" errichtet worden sind und der Blickkontakt zwischen den Gebäuden wegen der Waldlage eingeschränkt, zum Teil auch ausgeschlossen ist?

  • Wann liegt eine "willkürlich entstandene Streubebauung" vor?

  • Wann kann man einer über achtzig Jahre hinweg entstandenen gemischt genutzten Wochenendhaus- und Dauerwohnsiedlung, die vollständig erschlossen worden ist, die über 200 Gebäude und Baugrundstücke/-parzellen und viele 100 Bewohner aufweist, die ca. ein Drittel der gesamten Siedlungsfläche (unter Einschluss der in Rede stehenden Siedlung) des Ortes ausmacht, die wesentlich zur Auslastung der örtlichen Infrastruktur beiträgt, den Status eines im Zusammenhang bebauten Ortsteil versagen?

  • Darf das Gericht bei Überprüfung einer Beseitigungsverfügung, die allein der Durchsetzung bestimmter Festsetzungen eines B-Plans dient, offen lassen, ob der B-Plan ganz oder teilweise in den hier relevanten Festsetzungen unwirksam ist, weil das Vorhaben auch nach § 35 BauGB (oder nach § 34 BauGB) nicht zulässig wäre?

  • Darf das Gericht auf § 35 BauGB (oder § 34 BauGB) als Prüfungsmaßstab abstellen, wenn es von der Unwirksamkeit des B-Plans überzeugt wäre? Oder müsste es jedenfalls dann, wenn die Begründung der Beseitigungsverfügung wie hier keine (substantiellen) alternativen Eressenserwägungen für den Fall enthält, dass nicht der B-Plan, sondern § 35 BauGB (oder § 34 BauGB) der Prüfungsmaßstab wäre, die Verfügung aufheben, weil es ansonsten - unzulässigerweise - seine Ermessenserwägungen an die Stelle der Erwägungen der Behörde setzen würde?

  • Findet § 15 NBauO auf Grundstücke, die im Außenbereich liegen, aber qualifiziert (Wohnhaus, Wochenendhaus, Nebengebäude) bebaut sind, Anwendung?

  • Müssen die Gesichtspunkte, dass nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist, dass für ein Gebäude eine Genehmigung erteilt, wenn auch heute nicht mehr auffindbar ist, und dass die heute vorhandenen Gebäude in der Vergangenheit gute Aussichten gehabt hätten, wie andere vergleichbare bauliche Anlagen auch, genehmigt zu werden, wenn man um eine Genehmigung nachgesucht hätte, im Rahmen des in § 89 NBauO eröffneten Ermessens berücksichtigt werden?

  • Ist es zulässig, zur Umsetzung der B-Plan-Festsetzung "zulässige Grundfläche für Hauptgebäude 50 qm" bzw. einer entsprechenden grundflächenbezogenen Festsetzung die Beseitigung des gesamten Hauses/der gesamten baulichen Anlage anzuordnen? Ist es nicht vielmehr in Analogie zum Immissionsschutzrecht so, dass nur angeordnet werden darf, dass rechtmäßige Zustände hergestellt werden - also Erreichen des Zielwertes Grundfläche 50 qm o.ä. -, dass aber die Wahl der Mittel dem Adressaten der Anordnung zu überlassen ist?

  • Hätte bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nicht im Übrigen überprüft werden müssen, ob ein Rückbau, wenn nicht auf 90 qm, so evtl. aber auf 100 qm o.ä. möglich gewesen wäre?

  • Müssen Ermessenserwägungen im Regelfall dann nicht mehr angestellt und in der Begründung des Bescheids nicht mehr im Einzelnen dokumentiert werden, wenn sich die Verfügung auf die Umsetzung von Festsetzungen eines B-Plans richtet?

  • Was gilt, wenn die Festsetzung, um deren Umsetzung es geht, unwirksam ist?

  • Müssen dann die Aspekte, die im Bauleitplanverfahren in die Abwägung eingestellt worden sind, ergänzend/hilfsweise im Rahmen des Ermessens nach § 89 NBauO berücksichtigt werden, um die Rechtswidrigkeit der Verfügung zu vermeiden?

29

Soweit der Senat zwischenzeitlich über den Normenkontrollantrag des Klägers entschieden habe, sei richtigzustellen, dass der Kläger im Jahr 1989 nicht dem Landkreis F. als Bauaufsichtsbehörde das Fotografieren seines Grundstücks untersagt habe, sondern nur einem Vertreter ihrer unteren Naturschutzbehörde, der durch die Fensterscheibe in das Innere des Gebäudes habe fotografieren wollen. Soweit es um die Frage alter Bausubstanz gehe, habe jederzeit die Möglichkeit bestanden, sie durch Augenschein festzustellen. Unverständlich sei der Hinweis des Senats, dass das Grundstück der Kläger am Rande des zersiedelten Gebiets liege. Nach der Bebauungsplankarte liege es inmitten des Plangebiets. Es weise nirgendwo direkten Kontakt zu unberührtem naturbelassenen Gelände auf und werde auf drei seiner vier Seiten von bebauten Grundstücken und von der Straße Dependahl begrenzt. Die Feststellung, dass die erstmalige Bebauung des klägerischen Grundstücks eine unzulässige Erweiterung einer Splittersiedlung dargestellt habe, hätte zumindest Kenntnis des damaligen Zustandes vorausgesetzt. Unzutreffend sei, dass das Maß der Bebauung dasjenige der Nachbarschaft überschreite. Das Gebäude auf dem Grundstück Nr. 204 habe eine deutlich größere Grundstücksfläche von 274 m2; das Sanatorium "Haus I. " weise über 1.000 m2 Gebäudegrundfläche auf. Die angeblich kleinen Wohnhäuser in der näheren Nachbarschaft seien tatsächlich nicht klein, wie sich aus vorgelegten Lichtbildern zweifelsfrei ergebe. Hätte man die Grenzen der Cluster anders gezogen, gäbe es keine "Ausreißer". Unzutreffend sei, dass im Jahr 1983 ein Mitarbeiter der Gemeinde D. das Bauwerk besichtigt habe. Es habe sich um einen Mitarbeiter des Bauamts der Beklagten gehandelt.

30

Die Beklagte tritt dem mit ausführlicher Begründung entgegen. Auch nach Unwirksamerklärung des Bebauungsplans hält sie an ihrem Beseitigungsverlangen fest und erläutert in diesem Zusammenhang das von ihr zugrunde gelegte System des Einschreitens.

31

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

32

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht erst vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, sondern bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, NVwZ 2010, 634).

33

Das ist den Klägern nicht gelungen.

34

Soweit die Kläger nach Abschluss des Normenkontrollverfahrens neu, d.h. nicht nur unter Vertiefung früheren Vorbringens vorgetragen haben, hätte der Senat dies an sich nach § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO unberücksichtigt zu lassen, sieht angesichts der Besonderheiten der Verfahrensabläufe aber von einer genaueren Unterscheidung zwischen altem und neuem Vorbringen ab.

35

Der Senat hat sich zur Sach- und Rechtslage bereits ausführlich in seinem Urteil vom 8. September 2010 (- 1 KN 129/07 -, a.a.O.) geäußert; darauf nimmt er Bezug. Soweit das Bundesverwaltungsgericht dieses Urteil geändert und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, hat es sich nur zu einer bestimmten Fragestellung geäußert, so dass der Senat nicht gehindert ist, im Übrigen an seiner Rechtsauffassung festzuhalten.

36

Das gilt zunächst hinsichtlich der Beurteilung der Waldsiedlung als Außenbereich. Insoweit hat der Senat in dem genannten Urteil ab Seite 29 ausgeführt:

"Voraussetzung bei alledem ist, dass das Gebiet zuvor überhaupt Außenbereichscharakter hatte. Wäre es als Innenbereich anzusehen gewesen, hätte eine Fehleinschätzung durch die Antragsgegnerin zugleich einen durchgreifenden Abwägungsmangel bedeutet, weil die Eigentümerinteressen bei Innenbereichslage wesentlich anders zu Buche schlagen als bei Außenbereichslage.

Der Senat folgt insoweit im Ergebnis der Beurteilung der Antragsgegnerin, die in verschiedenen Einzelfällen bereits durch Entscheidungen des Verwaltungsgerichts bestätigt worden ist. Ausschlaggebend ist dabei nicht erst die Frage des Bebauungszusammenhanges, sondern die der Ortsteilsqualität. Die dafür erforderliche Bewertung erfordert keine Augenscheinseinnahme; der Senat kann sich auf eine Sichtung des vorliegenden Karten- und Bildmaterials beschränken (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.1991 - 4 C 1.91 -, NVwZ-RR 1992, 227). Das Abschreiten der Waldwege eines 115 ha großen Gebiets, das wegen Bewaldung kaum Durchblicke erlaubt, erbrächte keine vergleichbaren Erkenntnisse. Der Lageplan, der Bestandteil des Bebauungsplanes ist, beruht zudem auf einer umfänglichen Bestandsaufnahme der vorhandenen Baulichkeiten. Dass diese Bestandsaufnahme Fehler in einer nennenswerten Größenordnung aufweist, ergibt sich auch in Ansehung der in den Planungsakten befindlichen Stellungnahmen der Planbetroffenen nicht.

Der Senat beurteilt den vormaligen und jetzigen Zustand des Plangebiets als Außenbereichsfläche. Die insoweit maßgeblichen Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht zuletzt in seinem Beschluss vom 2. April 2007 (- 4 B 7.07 -, BauR 2007, 1383) wie folgt zusammengefasst:

"Die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu stellen sind, ist im Grundsatz in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach ist ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (zusammenfassend Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - BVerwGE 31, 20[BVerwG 06.11.1968 - IV C 2.66]<21 f.>). Ortsteil i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 31.66 - BVerwGE 31, 22[BVerwG 06.11.1968 - BVerwG IV C 31.66]<26 f.>). Für die Frage, ob ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt, kommt es auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an. Die Gründe für ihre Genehmigung sind unerheblich. Auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen. Es kommt weder auf die Zweckbestimmung noch auf die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an (Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 31.66 - a.a.O. S. 27).

Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - a.a.O. S. 21; Beschluss vom 15. September 2005 - BVerwG 4 BN 37.05 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 205 m.w.N.). Zur Bebauung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören in der Regel nur bauliche Anlagen, die geeignet sind, dem Gebiet ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (Beschluss vom2. März 2000 - BVerwG 4 B 15.00 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 198 m.w.N.). Dazu können auch landwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken dienende Betriebsgebäude gehören. Welche Bedeutung Straßen und Wegen für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich zukommt, ergibt sich ebenfalls nur aus einer Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten (Beschluss vom 10. März 1994 - BVerwG 4 B 50.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 165 m.w.N.)."

Hier schließt die Aufeinanderfolge der Baulichkeiten einen Bebauungszusammenhang jedenfalls im näheren Umfeld des Grundstücks des Antragstellers nicht von vornherein aus. Die Abstände betragen zum Haus Nr. 12 knapp 50 m, zum Haus Nr. 6 knapp 55 m und zum rückwärtigen Haus (Nr. 11) gut 65 m. Bei dem 1956 genehmigten Wochenendhaus wären die Abstände nur minimal größer gewesen. Zwar mag die Sicht durch die Bewaldung verdeckt sein; auch das spricht jedoch nicht zwingend gegen einen Bebauungszusammenhang.

Wegen Fehlens einer organischen Siedlungsstruktur ist jedoch bereits das Vorliegen eines Ortsteiles zu verneinen; es handelt sich um eine unorganische Streubebauung. Zwar enthält § 34 Abs. 1 BauGB anders als § 34 Abs. 1 BBauG nicht mehr das Erfordernis, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben die charakteristische Siedlungsstruktur berücksichtigen muss. Für die Ortsteilsqualität ist jedoch weiterhin auf eine organische Siedlungsstruktur abzustellen (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 34 Rdnrn. 14 ff.). Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 6. November 1968 (- IV C 31.66 -, BVerwGE 31, 22) ausgeführt, Ortsteil sei jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitze und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sei. Letzteres erfordere nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handeln müsste. Auch eine unterschiedliche, ja u.U. sogar eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung könne einen Ortsteil bilden. Ebenso wenig komme es auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung an. Erforderlich sei auch nicht, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspreche, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpere oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung trete. Der Ortsteil brauche sich ferner nicht als ein Schwerpunkt der baulichen Entwicklung eines Gemeinwesens darzustellen. Das sei für das Vorliegen eines Ortsteiles lediglich ausreichend, nicht dagegen notwendig. Entsprechendes gelte für die Zuordnung zu einem Schwerpunkt sowie dafür, dass die vorhandene Bebauung ein gewisses eigenständiges Leben gestatten müsse. Auch wenn es an alledem fehle, könne ein - nach der Zahl seiner Bauten nicht ungewichtiger - Bebauungszusammenhang Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein. Diese Anforderung schließe nur das ein, was in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 BBauG) dem inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BBauG entspreche, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereiches. An einer solchen Angemessenheit fehle es beispielsweise bei einer Anhäufung von behelfsmäßigen Bauten. Auch eine völlig regellose und in dieser Anordnung geradezu funktionslose Bebauung möge ebenso wie - unter entsprechenden Voraussetzungen - eine bandartige oder einzeilige Bebauung die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen können.

Andererseits ist nicht bereits aus einer großen Zahl vorhandener Baulichkeiten auf eine Siedlungsstruktur zu schließen; so hat etwa das Bundesverwaltungsgericht bei 550 ortsfest aufgestellten Wohnwagen offen gelassen, ob diese Bebauung nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitze und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur und damit ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil sei (Urt. v. 3.4.1987 - 4 C 43.84 -, NVwZ 1988, 144). Auch die Moordörfer, die Gegenstand des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1986 waren (- 4 B 41.86 -, NVwZ 1986, 1014), waren nicht durchweg klein.

Die Beurteilung der Frage, ob die vorhandene Siedlungsstruktur organisch ist, kann sich mit dem Zeitablauf zu Gunsten wie zu Lasten von Bauwilligen verändern. Das gilt z.B. für die Fälle einer Gemeindeneugliederung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.1984 - 4 C 56.79 -, NVwZ 1984, 434). Auch im vorliegenden Fall kommt es deshalb nicht mehr darauf an, wie sich die Siedlungsstruktur der früheren Gemeinde D. darstellte; Maßstab ist vielmehr das jetzige Gebiet der Antragsgegnerin (vgl. BVerwG,Beschl. v. 19.9.2000 - 4 B 49.00 -, NVwZ-RR 2001, 83).

Ob eine Streusiedlung eine ursprünglich bestehende Ortsteilsqualität auch ohne Gemeindeneugliederung verlieren kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Maßgeblich ist allerdings nicht (mehr) ein Vergleich der Waldsiedlung mit den sonstigen Siedlungsstrukturen zur Zeit ihrer Entstehung, also vor allem der Nachkriegszeit, in welcher die Siedlungsstrukturen allgemein noch weniger geordnet waren. Maßstab sind vielmehr inzwischen die wesentlich besser strukturierten Verhältnisse der Gegenwart. Schon ein flüchtiger Blick auf den Lageplan des Plangebiets selbst verdeutlicht, dass die Waldsiedlung mit den Verhältnissen in den nördlich angrenzenden, städtebaulich geordneten Bereichen praktisch nichts gemein hat. Das beginnt bei den Parzellenstrukturen: Überwiegend besteht das Plangebiet noch aus vergleichsweise riesigen Grundstücken, in die ohne erkennbare Systematik - wohl auf Pachtparzellen - eine Vielzahl kleinerer Baulichkeiten eingestreut ist; insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt deutlich von demjenigen, der Gegenstand des Urteils des OVG Weimar vom 28. Mai 2003 war (- 1 KO 42/00 -, BRS 66 Nr. 95). Die Bauten verstecken sich eher im Wald als dass sie einen Bebauungszusammenhang herauszukehren versuchen. Nur in kleineren Bereichen - vor allem entlang der Straße Am Alten Schützenplatz und unregelmäßiger zwischen Lönsweg und Dependahl - sind die Flächen in Baugrundstücksgröße parzelliert. Auch die Erschließungssituation ist ungünstig: Überwiegend sind die Gebäude nur über Waldwege erreichbar, die nicht entfernt den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) entsprechen. Sie reichen für eine gebäudenahe Abfallaufnahme mit üblichen Müllfahrzeugen nicht aus, weshalb der jetzt streitige Bebauungsplan Abfallsammelplätze entlang der einzigen größeren Straße vorsieht, der Kirchenallee (K 72). Darüber hinaus fehlt es in dem 115 ha großen Gebiet an Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Kinderspielplätzen, Buslinien und anderen Einrichtungen, die bei der Planung eines Wohngebietes heutzutage nicht vernachlässigt werden dürfen. Zwar mögen die Bewohner dies teilweise sogar als vorteilhaft empfinden, zumal entsprechende Einrichtungen nördlich des Plangebiets zu finden sind, der Wald einen einzigen großen Spielplatz darstellt und es im Übrigen gerade den Reiz einer solchen Siedlung ausmacht, dass sie zivilisationsferner sei als standardisierte Wohngebiete. Die bewusste Hinnahme solcher Abstriche kann jedoch umgekehrt nicht als Argument dafür herhalten, dass es sich nicht um eine Streusiedlung, sondern um einen Ortsteil handele.

Im Übrigen hat eine gezielte, nämlich Hinweise des Antragstellers aufnehmende Nachschau in der mündlichen Verhandlung mit Google Maps ergeben, dass im Gebiet der Antragsgegnerin keine Siedlungsbereiche aufzufinden sind, die eine vergleichbare Struktur aufweisen. Die betrachteten Gebiete wiesen durchweg dichtere Bebauung und geordnete Strukturen auf."

37

In Ansehung des Vorbringens der Kläger ist insoweit zu ergänzen, dass die weitere, auf den Festsetzungen des Bebauungsplans beruhende Bautätigkeit nicht zu einer organischen Siedlungsstruktur geführt hat. Anders wäre es gewesen, wenn ein Baugebiet festgesetzt und entsprechend bebaut worden wäre. Das war hier aber gerade nicht das Planungsziel, sondern es sollte nur der vorhandene Zustand mit gewissen Modifikationen "festgeschrieben" werden, um dem bisherigen Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Das ändert nichts am Charakter der vorhandenen Streubebauung, zu deren Entstehungsgeschichte der Senat in seinem Normenkontrollurteil bemerkt hat:

"... zutreffend darauf verweisen, dass das Plangebiet mit etwa 200 Hauptgebäuden und vielen Nebenanlagen schon "vollgebaut" sei, dass hierfür die erforderliche Infrastruktur bereit gestellt worden sei (Straßen und Wege, Ver- und Entsorgung) und dass auch der Landkreis F. und das Forstamt J. zwischen Landschaftsschutz, forstlichen Anliegen und fortgeschrittener Bebauung Unverträglichkeiten moniert hätten. Es ist auch richtig, dass die Bebauung nicht nur großenteils illegal entstanden ist, sondern auch nicht rechtzeitig durch striktes bauaufsichtliches Vorgehen "eingebremst" wurde. Dabei hat die Zersiedelung offenbar vor 1937 eingesetzt, wie der in einem anderen Verfahren (- 1 LA 352/07 -) vorgelegte und hier in Bezug genommene "Aufteilungsplan" der Landesgruppe Groß Hamburg der Kleingärtner im Reichsverband der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e.V. zeigt, wonach das heutige Plangebiet für die Bebauung mit Wochenendhäusern parzelliert werden sollte und teilweise schon entsprechend bebaut war. Dass dieser Plan in irgendeiner Weise behördliche Akzeptanz erfahren hat, ist nicht bekannt. Gleichwohl ist die tatsächliche Parzellierung und Bebauung dem Aufteilungsplan im Wesentlichen gefolgt.

Die weitere, von der Gemeinde wohl unterstützte Zersiedelung dieser Gegend hatte offenbar ihre Gründe darin, dass kriegsbedingt Behelfsheime für Flüchtlinge und Ausgebombte erforderlich wurden. Diese Behelfsheime verloren zwar einige Zeit nach dem Krieg ihre Daseinsberechtigung, spätestens mit dem Ende der Wohnraumbewirtschaftung im Jahr 1965 (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 29.6.1979 - 1 OVG A 192/77 -, Die Gemeinde 1980, 62; Urt. v. 4.10.1979 - VI OVG A 45/76 -, BRS 36 Nr. 103; Urt. v. 24.3.1988 - 1 OVG A 92/87 -, n.v.; Beschl. v. 9.7.1999 - 1 L 2626/99 -, [...]; OVG Schleswig, Urt. v. 25.11.1991 - 1 L 115/91 -, BRS 54 Nr. 206; Urt. v. 27.4.1994 - 1 L 104/93 -, NuR 1996, 44 [OVG Schleswig-Holstein 27.04.1994 - 1 L 104/93]). Tatsächlich bildeten sie jedoch den Kern einer Zersiedelungsentwicklung vor allem im bewaldeten Umland von Hamburg, derer die Bauaufsichtsbehörden nicht Herr wurden, wurden nämlich vielfach zu Wohn- oder Wochenendhäusern umgestaltet und zogen zahlreiche Folgevorhaben nach sich. Die auch schon vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes restriktive Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Zulässigkeit von solchen Vorhaben fand nicht überall Beachtung. Weitgehend wurde auch eine jedenfalls provisorische, teilweise auch komfortable Infrastruktur eingerichtet."

38

Gleichwohl konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung zum Normenkontrollverfahren - wie oben wiedergegeben - u.a. an Hand von Luftbildern hinreichend davon überzeugen, dass diese Entwicklung bis dahin nicht zur Entstehung eines Ortsteils geführt hatte. Dass danach noch nennenswerte bauliche Maßnahmen ergriffen worden sind, ergibt sich aus dem Beteiligtenvorbringen nicht. Das schließt es auch aus, hier auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zurückzugreifen (Urt. v. 29.5.1981 - 4 C 34.78 -, BVerwGE 62, 250 = NJW 1982, 196), wonach auch eine aufgelockerte Bebauung auf großzügig zugeschnittenen Grundstücke eine prägende Kraft für bislang unbebaute Grundstücke haben und damit lenkenden Einfluss auf die weitere Bebauung ausüben kann. Das ist nur innerhalb eines Ortsteils möglich.

39

Nicht ersichtlich ist, weshalb die Kläger die Äußerung des Senats in Zweifel ziehen, ihr Grundstück liege am Rand des zersiedelten Gebiets. Insoweit kommt es weder auf die Festlegung des Plangebiets noch auf Grundstücksgrenzen oder Straßenverläufe an, sondern allein auf die Stellung von Baukörpern.

40

Soweit die Kläger darauf verweisen, im Jahre 1984 habe nicht ein Bediensteter der Gemeinde D. ihr Wohngebäude überprüft, sondern ein Mitarbeiter des Bauamtes der Beklagten, folgt daraus nichts zu ihren Gunsten. Maßgeblich ist vielmehr, dass es nicht ein Mitarbeiter des damals zuständigen Landkreises F. war.

41

Ferner hat der Senat in dem genannten Urteil zur baurechtlichen Zulässigkeit der Anlagen Stellung genommen, deren Beseitigung verlangt wird (ab S. 46):

"Insgesamt beschränken die Regelungen des Bebauungsplanes das Grundeigentum nicht unerheblich. Dass das Eigentum in solchen Fällen in der Abwägung großes Gewicht hat, ist in der Rechtsprechung des Senats in jüngerer Zeit häufiger hervorgehoben worden (in waldrechtlichen Zusammenhängen z.B. Urteile v. 5.9.2007 - 1 KN 25/07 und 1 KN 47/07 -, AUR 2008, 402 [OVG Niedersachsen 05.09.2007 - 1 KN 25/07] und 407). Hier ist es noch angemessen berücksichtigt. Überwiegend - soweit nämlich keine Baugenehmigungen vorlagen - werden die Grundstücke aufgewertet. Waren sie vorher als Außenbereichsgrundstücke den (verfassungskonformen, vgl. z.B. Kau, ZfBR 2009, 120) Einschränkungen des § 35 BauGB unterworfen, ist jetzt jedenfalls ein großer Teil der vorhandenen Bebauung legalisiert, teilweise mit der Möglichkeit maßvoller Erweiterung. Zwar mag eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB angesichts des Umfangs tatsächlich vorhandener Bebauung besonders begründungsbedürftig sein. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Rechtsposition hinsichtlich der ungenehmigten Gebäude bislang deutlich schwächer war als nach einer Legalisierung durch Bebauungsplan. Denn die maßgeblichen öffentlichen Belange waren in ihrem Gewicht zwar dadurch geschmälert, dass es in diesem Gebiet seit langem eine von den Vorgaben des öffentlichen Baurechts gelöste Entwicklung gegeben hat, aber nicht aufgehoben. Bestehende Landschaftseingriffe machen den Außenbereich nicht ohne weiteres aufnahmefähig für jedweden weiteren Eingriff (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.8.79 - 4 C 8.78 -, BauR 1980, 49). Hier ist die Umgebung vielmehr immer noch zugleich geprägt durch vitale Natur, insbesondere durch kräftige Bewaldung. Darüber hinaus sind gerade solche ungeregelt gewachsenen Waldsiedlungen ihrer Gebäudesubstanz nach typischerweise nicht auf lange Zeiträume angelegt, so dass auch Abgänge zu erwarten sind, selbst wenn Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen stattfinden. Der Schutz der öffentlichen Belange ist deshalb noch "lohnend" und unterliegt hier keinen anderen Kriterien als bei anderen Außenbereichsbauten.

Da die Abwägung hier von einer umfassenden Bestandsaufnahme ausgegangen ist und die individuellen Grundstücksverhältnisse berücksichtigt hat, läge ein durchschlagender Abwägungsfehler allerdings auch dann vor, wenn die baulichen Anlagen des Antragstellers entgegen der Annahme der Antragsgegnerin genehmigt oder jedenfalls materiell legal waren (vgl. zur Bedeutung von Bestandsaufnahmen z.B. OVG Münster, Urt. v. 28.5.2009 - 10 D 33/07.NE -, [...]).

Das war jedoch nicht der Fall.

Der Antragsteller beharrt zwar darauf, dass das vorhandene Gebäude zwischen 1935 und 1937 legal errichtet worden sei. Dafür gibt es in den vorhandenen Bauakten jedoch keine Bestätigung. Diese schließen einen solchen Geschehensablauf vielmehr aus.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist nicht zweifelhaft, dass die vorgelegten Bauakten das Grundstück des Antragstellers betreffen. Zwar entstammt der im Jahr 1956 eingereichte Lageplan (Beiakten A zu 1 LA 140/09, Bl. 1 und 226) nicht dem Liegenschaftskataster, sondern ist handgezeichnet, allerdings wohl im Wege des "Durchpausens". Er stimmt jedoch genau mit den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten am "Knie" des Weges Dependahl überein, darüber hinaus mit dem in dem Parallelverfahren vorgelegten "Aufteilungsplan" für Wochenendhäuser aus dem Jahr 1937, der für das südliche Nachbargrundstück bereits den Namen der im Jahr 1956 aufgetretenen Pächterin E. und für ein westlich angrenzendes Grundstück die Namen K. und L. angab. Dass der Bauantrag den Abstand von Straßen und Eisenbahnen gleichermaßen mit 800 m angab, spricht nicht gegen diesen Befund. Der Abstand zum Bahnhof ist damit einigermaßen korrekt wiedergegeben, während der nächstgelegene Punkt der Kirchenallee etwa 650 m entfernt liegt. Eine besondere Präzision dieser Luftlinienangaben stellte aber angesichts der Art des Vorhabens auch kein Essentiale des Bauantrags dar.

Für die Fläche des jetzigen Grundstücks des Antragstellers ist in dem "Aufteilungsplan" kein Gebäude eingezeichnet, obwohl es nach den Angaben des Antragstellers vorher entstanden sein soll. Der 1956 für das damalige Pachtgrundstück gestellte Bauantrag des Herrn E. betraf nur ein kleines Wochenendhaus. Dass zu diesem Zeitpunkt an praktisch gleicher Stelle schon ein größeres Wohnhaus stand, ist auszuschließen. Zwar hat die damalige Gemeinde D. nach örtlicher Überprüfung mit Schreiben vom 17. Oktober 1956 - also vor Erteilung der Baugenehmigung - an den Landkreis F. berichtet, der Bau des Wochenendhauses sei bereits ausgeführt worden. Von einem deutlich größeren Wohnhaus war jedoch nicht die Rede. Hinzu kommt, dass die beteiligten Behörden großen Wert auf die Einhaltung des Wochenendhauscharakters gelegt haben. Die Baugenehmigung ist vom Landkreis F. mit der sowohl auf dem Lageplan als auch auf der Bauzeichnung grün eingestempelten Nebenbestimmung versehen worden (Beiakten A zu 1 LA 140/09, Bl. 209, 226):

"Das Wochenendhaus darf nur in der Zeit vom 15. April bis 15. Oktober und an einzelnen Wochentagen zu Wohn- und Übernachtungszwecken benutzt werden unter der Voraussetzung, dass dauernd eine andere feste Wohnung vorhanden ist."

42

Die Gemeinde D. hatte mit dem damaligen Bauherrn am 20. August 1956 einen "Anbau-Vertrag" geschlossen, dessen § 9 lautete:

"Der Eigentümer verpflichtet sich, für sich und seine Rechtsnachfolger das auf dem Grundstück der Meyerschen Erben errichtete Haus nur als Wochenendhaus zu benutzen. Ansprüche auf Unterhalt der Wege und Strassen, sowie Anlage von elektrischer Beleuchtung und Wasserversorgung dürfen der Gemeinde gegenüber nicht gestellt werden."

Das alles wäre in hohem Maße sinnwidrig gewesen, wenn bereits an etwa der gleichen Stelle ein Wohnhaus gestanden hätte. Ebenso unverständlich wäre die Herrn E. seinerzeit erteilte Auflage, das Gebäude innerhalb von drei Jahren mit einem Satteldach zu versehen.

Nach alledem kann mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass zwischen 1935-37 und 1956 ein genehmigtes Wohnhaus bestand. Auch für die Zeit zwischen 1956 und 1983 sind Baugenehmigungen nicht belegt. Insoweit kann der Antragsteller keine Beweiserleichterungen für sich in Anspruch nehmen. Zwar mag es sein, dass die Bauakten des früher zuständigen Landkreises F. für den Kriegs- und Vorkriegszeitraum brandbedingte Lücken aufwiesen. Für die Nachkriegszeit sind vergleichbare Verluste jedoch nicht dargetan. Auch das früher offenbar nach Namen geordnete Archivierungssystem des Landkreises F. kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass tatsächlich erteilte Baugenehmigungen nicht mehr aufgefunden werden könnten. Es ist Sache des Grundstückskäufers, selbst sicherzustellen, dass er vom Verkäufer alle für das Grundstück bedeutsamen Dokumente erhält. Im Übrigen hat der Umstand, dass Eigentümer und Pächter gewechselt haben, aber auch nicht zu entscheidenden Wissenslücken geführt. Wer zu welchen Zeiten Grundeigentümer war, lässt sich dem Grundbuch entnehmen. Ohne Probleme ist auch herausgefunden worden, dass der frühere Pächter E. 1956 eine Baugenehmigung erhalten hatte. In D. waren darüber hinaus noch detaillierte Kenntnisse über die Entwicklung der Waldsiedlung vorhanden, wie einerseits der für die Planung erstellte Vermerk der damaligen Ortsbürgermeisterin vom 14. Mai 2002 und andererseits der in dem Parallelverfahren vorgelegte "Aufteilungsplan" der Kleingärtner zeigten, der für eine etwa dem Grundstück des Antragstellers entsprechende Parzelle den Pächternamen "M. " aufweist. Insgesamt bestanden damit genug Ansatzpunkte, um auch vermeintliche Lücken in der Pachtgeschichte des Grundstücks hinreichend füllen zu können. Dies war allerdings nicht Sache der Bauaufsichtsbehörde, sondern des sich auf eine angebliche Baugenehmigung berufenden Grundstückseigentümers. Insoweit hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung zwar zum Ausdruck gebracht, dass er im gemeindlichen Umfeld danach gefragt habe; das ist aber nicht in einer Weise substantiiert und dokumentiert, die seiner Darlegungs- und Beweislast genügen könnte.

Kann mithin nur von der 1956 erteilten Baugenehmigung für ein Wochenendhaus ausgegangen werden, ist weiter zweifelhaft, ob dieses Wochenendhaus überhaupt der Genehmigung entsprechend ausgeführt worden ist. Denn der Lageplan zum notariellen Kaufvertrag vom 17. März 1983 weist zumindest einen abweichenden Standort auf.

Soweit sich die Antragsgegnerin bereits vor der jetzigen Bestandsaufnahme für den Bebauungsplan um belastbare Informationen über die Verhältnisse auf dem Grundstück des Antragstellers bemüht hat, hat der Antragsteller dies nicht durchweg unterstützt, obwohl er ab 1983 nicht nur als Eigentümer (§ 61 NBauO), sondern auch als Bauherr für die Zustände auf seinem Grundstück verantwortlich war (§ 57 NBauO). Er hat sich z.B. 1989 gegen das Fotografieren seines Grundstücks verwahrt und ohne vorherige Genehmigung bauliche Tätigkeiten entfaltet. Das gilt nicht nur für die zahlreichen Nebenanlagen, sondern auch für das Hauptgebäude. Das 1956 genehmigte Wochenendhaus - nach Angaben des damaligen Bauherrn E. ein "Typenhaus (Meisterhaus)" - war nach den Bauvorlagen mit Ausnahme des Schornsteins nicht gemauert; in der Bauzeichnung sind eine Isolierung mit Dämmplatten und eine Stülpschalung angedeutet. Mit zunächst am 18. Februar 1988 gestelltem Antrag auf Befreiung von Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung (Beiakten A zu 1 LA 140/09, Bl. 61) machte der Antragsteller geltend, sein Wohnhaus sei außen mit einer Holzverschalung umgeben, die sehr schadhaft und reparaturanfällig sei. Nachdem schadhafte Hölzer ausgewechselt seien, sollten deshalb auf sämtlichen Außenwänden 4 cm dicke Mineralwollmatten befestigt und davor nach einer 2 cm starken Luftschicht ein Klinkerstein als Verblender eingesetzt werden. Die Klinkerwand solle auf einem 80 cm tiefen Betonstreifenfundament stehen und mit Ankern an der Hauswand befestigt werden. Die Dicke der Klinkerverblendung betrage 11,5 cm. Obwohl der Antragsteller diesen Antrag mit Schreiben vom 14. April 1988 wieder zurückgenommen hat, ist auf Lichtbildern des Hauses nunmehr eine Verklinkerung zu erkennen. Selbst wenn das Haus als solches genehmigt worden wäre, spricht einiges dafür, dass schon diese Maßnahme die Schutzwirkung einer unterstellten Genehmigung hätte entfallen lassen.

Unter diesen Umständen gibt der Vortrag des Antragstellers, es lasse sich notfalls durch ein baufachliches Gutachten beweisen, dass Teile des Gebäudes aus den dreißiger Jahren stammten, dem Senat keinen Anlass, von sich aus entsprechende Nachforschungen in Auftrag zu geben. Es ist Sache des darlegungs- und beweisbelasteten Antragstellers selbst, derartigen Vortrag hinreichend zu substantiieren, nämlich zunächst dahin, dass sich überhaupt noch alte Bausubstanz nachweisen lässt - z.B. im Wege einer Probenentnahme durch einen Bausachverständigen -, und des Weiteren dahin, dass diese alte Bausubstanz noch wesentliche Teile des Gebäudes ausmacht, also die Schutzwirkung einer unterstellten Baugenehmigung fortbestehen lassen könnte. Beides ist nicht ansatzweise nachvollziehbar dargetan.

Was die Nebenanlagen angeht, waren und sind diese nach § 69 NBauO im Zusammenhang mit dem Anhang in seinen verschiedenen Fassungen überwiegend nicht genehmigungsfrei und im Übrigen planungsrechtlich unzulässig. Soweit sie - wie Einfriedungen (Anhang Nr. 6.1) oder Wasserbecken (Anhang Nr. 9.7) - nur als Nebenanlage eines höchstens 50 m entfernten Gebäudes mit Aufenthaltsräumen von einer Genehmigung freigestellt sind, gilt dies nur im Verhältnis zu ihrerseits genehmigten oder zumindest legal errichteten Hauptgebäuden (vgl. auch Senatsbeschl. v. 22.7.2010 - 1 LA 175/10 -, www.dbovg.niedersachsen.de und [...] zum Verhältnis Neben- und Hauptanlage). Das genehmigte Wochenendhaus existiert jedoch in seiner genehmigten Gestalt nicht mehr; für das Wohnhaus liegt keine Baugenehmigung vor. Allein die Möglichkeit, auf Grund des neuen Bebauungsplanes eine Genehmigung für ein zurückgebautes Hauptgebäude erhalten zu können, reicht insoweit nicht aus.

Sinngemäß gilt dies auch für Bauten in Gärten und zur Freizeitgestaltung im Sinne der Nr. 9 des Anhangs; sie setzen ebenfalls eine legale Hauptnutzung voraus. Weder der Sichtschutz (vgl. dazu Senatsurt. v. 26.2.1988 - 1 OVG A 149/86 -, Gemeinde 1988, 241) noch das Baumhaus sind deshalb genehmigungsfrei. Das Lichtbild vom Baumhaus (Beiakte A zu 1 LA 140/09, Bl. 177) zeigt im Übrigen ein voluminöses Holzgebilde, das offenbar nicht - wie der Name andeuten könnte - von einem Baum getragen wird, sondern von einer Stützkonstruktion. Es ist also eine im Sinne des § 2 Abs. 1 NBauO mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Bauprodukten hergestellte Anlage. Unter die Freistellung nach Nr. 1.1 des Anhangs fällt es nicht, weil beim Rauminhalt - wie bei einem Hochsitz (vgl. Senatsurt. v. 17.10.1988 - 1 OVG A 108/85 -, Gemeinde 1989, 81) - auch der von der Tragekonstruktion eingefasste Raum unterhalb der Kanzel in die Berechnung des umbauten Raums einzubeziehen ist; nach dem vorliegenden Lichtbild überschreitet dies 20 m3 deutlich. Ob es sich bei dem Baumhaus - wie der Antragsteller meint - um einen Scheinbestandteil des Grundstücks handelt, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Die beiden Schuppen waren zwar möglicherweise nach Nr. 1.1 des Anhangs zu § 69 seit deren Änderung im Jahre 2002 genehmigungsfrei. Durch Änderung des § 29 BauGB bereits im Jahr 1998 ist jedoch klargestellt worden, dass die Anwendung des Bauplanungsrechts nicht von der landesrechtlichen Genehmigungs- oder Anzeigebedürftigkeit abhängig ist, wenn sie es denn war (offen gelassen in BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82 -, BVerwGE 72, 300 = NVwZ 1986, 208 [BVerwG 19.12.1985 - BVerwG 7 C 65.82]).

Alle beanstandeten baulichen Anlagen waren und sind materiell illegal.

Durch den jetzigen Bebauungsplan sind sie nicht gedeckt, weil dieser nur ein Hauptgebäude von 90 m2 Grundfläche zulässt, auf welche sich das vorhandene Gebäude nach der Überzeugung der Kläger auch nicht zurückbauen lässt. Die übrigen baulichen Anlagen sind schon deshalb unzulässig, weil kein plangemäßes Hauptgebäude besteht, dessen Nutzung sie dienen könnten; ein seinerseits unzulässiges Hauptgebäude reicht nicht aus. Der Senat hat bereits entschieden, dass Nebenanlagen ohne Hauptanlage unzulässig sind (Urt. v. 14.8.1998 - 1 L 4038/96 -, [...]). Zwar wird es im Allgemeinen möglich sein, ein Baugenehmigungsverfahren für eine Nebenanlage schon abzuschließen, bevor die Hauptanlage errichtet ist, wenn damit zu rechnen ist, dass die Hauptanlage zeitgleich realisiert wird. Auch einem Beseitigungsverlangen für eine vorzeitig errichtete Nebenanlage wird entgegengehalten werden können, dass der Bau der Hauptanlage unmittelbar bevorsteht. Hier hat der Antragsteller jedoch erst kurz vor der mündlichen Verhandlung eine Bauvoranfrage für ein möglicherweise plangemäßes Hauptgebäude gestellt. Das verändert weder die planungsrechtliche Situation für sich schon noch bietet es eine Grundlage für die Annahme, dass das jetzige Hauptgebäude in absehbarer Zeit einem geänderten, plangemäßen weichen wird. Gegen diese rechtliche Beurteilung durch den Senat kann nicht eingewandt werden, die Antragsgegnerin sei in Bezug auf den Carport anders verfahren, habe nämlich dessen Beseitigung nicht verlangt. Ein solches Entgegenkommen entfaltet keine Bindungswirkung für die Behandlung anderer Nebenanlagen. Es stellt insbesondere keinen Anwendungsfall des Gleichheitssatzes dar.

Die Unzulässigkeit als Nebenanlage lässt zwar die Möglichkeit offen, dass die fraglichen baulichen Anlagen für sich genommen nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 35 BauGB zulässig sind bzw. nach § 35 BauGB zulässig waren, insoweit also das Schicksal des Hauptgebäudes teilen. Auch das ist hier jedoch nicht der Fall.

Wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 9. Juni 2009 (- 2 A 316/07 -) nach Augenscheinseinnahme befunden hat, beeinträchtig(t)en die baulichen Anlagen auf dem Grundstück des Antragstellers verschiedene öffentliche Belange im Sinne des§ 35 Abs. 3 BauGB, namentlich die natürliche Eigenart der Landschaft (Nr. 5). Diese hatte zwar schon durch vielfältige Bebauung im jetzigen Plangebiet gelitten. Gerade das Grundstück des Antragstellers liegt aber am Rande des zersiedelten Gebiets. Die kleinen Wochenendhäuser der Pächter hatten den Waldcharakter hier noch nicht entscheidend zurücktreten lassen. Soweit der Antragsteller geltend machen, das jetzige Waldgebiet habe sich aus einer zunächst baumlosen Heidefläche entwickelt, kann dies angesichts des Vermerks der damaligen Ortsbürgermeisterin von D. vom 14. Mai 2002 über die Entwicklung des Gebiets als richtig unterstellt werden. "Heidelandschaft" ist jedoch kein natürlicher Zustand, sondern Folge einer bestimmten Bewirtschaftungsform. Wenn die Schafhaltung 1901 aufgegeben worden ist, bestand bis 1956 und später ausreichende Zeit für die Entwicklung eines natürlichen Walbewuchses. In den Karten sind die Grundstücke seinerzeit auch als bewaldet dargestellt worden. Die kleinen, im Wald versteckten Wochenendhäuser haben die Landschaft vor allem noch nicht aufnahmebereit für größere Wohnhäuser gemacht, die wie das des Antragstellers den Rahmen der "Umgebungsbebauung" sprengen. Im Übrigen entspricht es auch nicht der natürlichen Eigenart einer "baumlosen Heidelandschaft", mit Wohn- oder Wochenendhäusern bebaut zu werden.

Ob zugleich ein Verstoß gegen eine wirksame Landschaftsschutzverordnung vorlag, kann unentschieden bleiben. Die Erneuerung dieser Landschaftsschutzverordnung im Jahre 1997 zeigt allerdings, dass das Gebiet aus landschaftsschützerischer Sicht noch nicht verloren gegeben worden war. Darin läge auch ein innerer Widerspruch zu dem Grund der Besiedlung dieses Gebiets. Dazu mag in der Kriegs- und Nachkriegszeit zwar auch die reine Not beigetragen haben. Ansonsten erfolgte die Besiedlung an dieser Stelle jedoch nicht wegen günstiger Grundstückspreise, sondern weil die Nähe zur Natur gesucht wurde. Solche Bestrebungen können zwar auch in eine Zerstörung dessen umschlagen, was als Erstrebenswert angesehen wurde. Grundsätzlich kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Bewohner einer solchen Waldsiedlung Natur und Landschaft ohne Maß zurückdrängen.

Das Wohngebäude des Antragstellers stellt ferner eine unerwünschte Zersiedelung im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB dar. Danach werden öffentliche Belange beeinträchtigt, wenn ein Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass der Bebauungsplan die vorhandene Bebauung im Wesentlichen belässt. Denn er geht nicht positiv davon aus, dass sich das Gebiet für eine Besiedelung eignet, sondern schließt lediglich in Anerkennung der normativen Kraft des Faktischen einen Kompromiss zwischen einer Schonung der nun einmal entstandenen Besiedlung und der Walderhaltung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 26.5.1967 - VI V25.66 -, BVerwGE 27, 137 = DVBl 1968, 43 [BVerwG 26.05.1967 - BVerwG IV C 25.66]) will das Gesetz mit der genannten Regelung einer Zersiedlung des Außenbereichs entgegentreten, d.h. einer zusammenhanglosen oder aus anderen Gründen unorganischen Streubebauung. Allein die Gefahr, dass sich dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben später auf benachbarten Grundstücken weitere Vorhaben anschließen könnten, reicht danach allerdings nicht aus, die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten zu lassen. Es muss vielmehr hinzutreten, dass mit der Begründung dieser Gefahr zugleich ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. Zwar wird das bei Wohnbauten im Außenbereich regelmäßig der Fall sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Außenbereich grundsätzlich von allen nicht unmittelbar seinem Wesen und seiner Funktion entsprechenden Baulichkeiten freigehalten werden soll. Dieser Grundsatz rechtfertigt sich nicht nur aus der bodenrechtlichen Eigenart und Sonderstellung des Außenbereichs. Er rechtfertigt sich darüber hinaus in gleicher Weise aus der Einsicht, dass das dringliche Bedürfnis nach einer gesunden Siedlungsstruktur im Allgemeinen eine nicht der Funktion des Außenbereichs zugeordnete Bebauung als eine zu missbilligende Zersiedlung erscheinen lässt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Solche Ausnahmen wären etwa anzunehmen, wenn sich die Streubebauung im Außenbereich als die herkömmliche Siedlungsform darstellt. Dann wird sich in den Grenzen, die durch dieses Herkommen gezogen sind, auch die Beibehaltung dieser Siedlungsform nicht als ein Vorgang der Zersiedlung werten lassen. Eine Ausnahme kann sich ferner - je nach den konkreten Gegebenheiten - dann rechtfertigen, wenn ein Vorhaben an dem geplanten Standort in eine durchaus organische Beziehung zu einer bereits vorhandenen Bebauung tritt, vorausgesetzt allerdings, dass es sich bei dieser Bebauung selbst nicht um eine zu missbilligende Splittersiedlung handelt.

Schon die erstmalige Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück des Antragstellers stellte sich hiernach als ohne weiteres unzulässige Erweiterung einer Splittersiedlung dar, weil damit der Bereich der Bebauung in die bislang freie Natur vorrückte. Aber auch dann, wenn man lediglich auf eine spätere Erweiterung des Bauwerks abstellt, liegt hierin eine unzulässige Verfestigung. Letztere ist zwar nicht aus sich heraus bereits "unerwünscht". Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 3. Juni 1977 (- IV C 37.75 -, BVerwGE 54, 73 = BauR 1977, 398) als Grund für eine Missbilligung in Betracht gezogen, dass das hinzutretende Vorhaben mit Ansprüchen verbunden ist, deren Befriedigung in der unmittelbaren Umgebung möglich sein sollte, die sich aber in der vorhandenen Splittersiedlung nicht befriedigen lassen. So liege es häufig bei den zur dauernden Benutzung bestimmten Wohnhäusern und dem von ihnen ausgehenden alltäglichen Lebensbedarf. Die Unvereinbarkeit mit einer geordneten Siedlungsstruktur könne sich ferner daraus ergeben, dass das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitze und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten würden. Wesentlich könne außerdem das Verhältnis sein, das zwischen dem Umfang der bereits vorhandenen Splittersiedlung und dem hinzutretenden Vorhaben bestehe. Fehle es dem hinzutretenden Vorhaben an einer deutlichen Unterordnung, so werde kaum jemals angenommen werden können, dass dies gleichwohl siedlungsstrukturell keinen Bedenken begegne. Ein Verstoß gegen die Erfordernisse einer geordneten Siedlungsstruktur könne aber auch darin liegen, dass in einer nach der Art der Bebauung sozusagen gemischten Splittersiedlung, in der durch die vorhandene Mischung gewisse Spannungen angelegt sind, ein hinzutretendes Vorhaben geeignet sei, weitere Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen.

Hier werden zusätzliche Ansprüche an die Infrastruktur durch ein Einzelvorhaben kaum ausgelöst, wenn schon 200 Gebäude vorhanden sind. Das Wohngebäude des Antragstellers ist nach diesen Maßstäben jedoch geeignet, Vorbildwirkung für weitere Bebauung zu entfalten. Es füllt nicht nur eine Lücke in der Streubesiedlung auf, sondern überschreitet das Maß der in der Nachbarschaft vorhandenen Bebauung deutlich; im Sinne der für die Planung vorgenommenen Klassifizierung handelt es sich um einen "Ausreißer". Ohne den Bebauungsplan war und wäre nicht von der Hand zu weisen, dass andere Grundstücksnutzer genehmigt oder - wie es vielfach der Handhabung in der Vergangenheit entsprach - ungenehmigt "nachzuziehen" versuchen und die an sich schon unerwünschte Streusiedlung damit noch einmal erheblich nachverdichten.

Auch ohne Erörterung einer solchen Vorbildwirkung hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem inmitten von 550 ortsfest aufgestellten, nachträglich legalisierten Wohnwagen ein Wochenendhaus errichtet worden war, öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB beeinträchtigt gesehen (Urt. v. 4.3.1987 - 4 C 43.84 -, NVwZ 1988, 144):

"Werden ortsfest aufgestellte Wohnwagen durch feste Bauten ersetzt, so stellt dies den Tatbestand der Verfestigung einer Splittersiedlung dar. Der Umstand, daß später ein Teil der Anlagen, nämlich die ortsfest aufgestellten Wohnwagen, durch Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung formell "legalisiert" worden sind, ändert an der materiellrechtlichen Beurteilung nichts. Zwar kann den bauaufsichtlich genehmigten Anlagen aufgrund der Bindungswirkung des feststellenden Teils der Baugenehmigung nicht mehr entgegengehalten werden, sie seien materiell illegal. Die Eigentümer oder Nutzer der nicht genehmigten Wochenendhäuser können sich jedoch im Rahmen der Beurteilung ihrer Wochenendhäuser nach § 35 BBauG nicht auf die Legalisierung der ortsfest aufgestellten Wohnwagen berufen. Die materielle Illegalität ihrer Wochenendhäuser besteht fort. Die Genehmigung für ein Wochenendhaus wäre auch zu versagen, wenn das inmitten der Wohnwagen-"Siedlung" liegende Grundstück des Klägers bisher nicht bebaut oder wenn auf ihm ein Wohnwagen aufgestellt wäre; denn ein solches Vorhaben wäre als Erweiterung oder als Verfestigung einer Splittersiedlung unzulässig."

Auch dies deckt aber nicht schon alle Fallgestaltungen einer unerwünschten Zersiedlung ab. Nach Auffassung des Senats kann diese gerade bei einer ausgedehnten Streubebauung auch unabhängig davon vorliegen, ob das hinzutretende Gebäude als solches den Rahmen des Vorhandenen überschreitet. Tut es dies nicht, kann - wie hier im Verhältnis zu über 200 vorhandenen Gebäuden - an einer "Unterordnung" kaum gezweifelt werden. Die stetige, immer weiter fortschreitende Nachverdichtung einer unorganischen Streubebauung mit gleichartigen Gebäuden ist jedoch für sich genommen nachgerade der städtebaulich gravierendste Fall einer Zersiedlung und kann nicht anders als unerwünscht angesehen werden.

Die Nebenanlagen sind für sich genommen nicht abweichend zu beurteilen, sondern teilen planungsrechtlich das Schicksal der Hauptanlage.

Ist damit - abgesehen von dem von einer Beseitigung verschonten Carport - die Bebauung insgesamt unzulässig, kommt es für die bauleitplanerische Abwägung im Ergebnis nicht mehr darauf an, ob der ergangenen Beseitigungsanordnung Ermessensfehler entgegen stehen. Denn Bebauungspläne sind auf die Zukunft ausgerichtet; sie brauchen materiell illegalen Bestand nicht zu legalisieren, sondern können auch darauf bauen, dass alte Gebäude abbrennen oder sonstwie abgängig werden. Der Eigentumsschutz verlangt nicht, dass materiell illegale Gebäude in solchen Fällen wieder errichtet werden dürfen.

Im Übrigen wären jedenfalls ausräumbare Ermessensfehler, etwa Verstöße gegen den Gleichheitssatz, in diesem Zusammenhang schon deshalb unbeachtlich, weil sie auch nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes noch geheilt werden können.

Dass eine ordnungsgemäße Ermessensausübung hier zu einem dauernden Verbleib der Baulichkeiten führen müsste, ist aber auch nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 9. Juni 2009 (- 2 A 316/07 -) bereits eingehend mit Ermessensfragen befasst (Gleichheitssatz, Austauschmittel, Befolgungsfrist, Begründungsfrist); die Möglichkeit dauerhafter Einschreitenshindernisse tritt insofern nicht hervor. Der Antragsteller meint zwar, aus Vorgängen um eine Bauüberprüfung im Jahre 1984 herleiten zu können, er habe damals eine Bestätigung der baurechtlichen Zulässigkeit bekommen, die einem späteren Einschreiten entgegenstehe. Damit verkennt er den Charakter der damaligen Vorgänge jedoch völlig. Es hat - auf Hinweis wegen angenommenen Schwarzbaus - lediglich ein Bediensteter der damaligen Gemeinde D. einen Blick auf das Bauwerk geworfen und festgestellt, dass nur das Dach abgedichtet wurde. Aktenmäßig beschränkte sich der Vorgang auf die Vorder- und Rückseite eines einzigen Blattes Papier (Bl. 20 der Bauakte), auf dem auch ein anderer gemeldeter Schwarzbau abgehandelt worden ist. Dafür, dass dieses Blatt auf kriminelle Art vorübergehend verheimlicht worden sei, spricht nichts. Rechtliche Folgerungen lassen sich aus dem Vorgang ohnehin nicht ziehen. Ein Vertrauenstatbestand konnte durch die damalige Gemeinde D. schon deshalb nicht bewirkt werden, weil sie nicht Bauaufsichtsbehörde war. Auch die zuständige Behörde bindet sich in solchen Fällen für die Zukunft allenfalls dann, wenn sie entsprechende Erklärungen in der Form einer Zusicherung nach § 38 VwVfG abgibt, d.h. u.a. schriftlich. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Schutzwürdiges Vertrauen ist gegenüber der Antragsgegnerin auch nicht dadurch entstanden, dass diese auf das Schreiben des Antragstellers vom 7. Mai 1990 nicht geantwortet hat. Hierauf sind nicht die Grundsätze anzuwenden, die für "kaufmännische Bestätigungsschreiben" entwickelt worden sind. Danach gilt unter bestimmten Umständen bei Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben der Vertrag entsprechend dem Inhalt des Schreibens als zustande gekommen (BGH, Urt. v. 31.1.1994 - II ZR 83/93 -, NJW 1994, 1288). Die Voraussetzungen hierfür liegen schon deshalb nicht vor, weil es hier nicht um Vertragsabsprachen zwischen Kaufleuten geht. Auch bei dieser Rechtsfigur gilt aber im Übrigen, dass der Empfänger dann nicht unverzüglich zu widersprechen braucht, wenn sich der Inhalt des Schreibens so weit von dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung entfernt, dass der Absender mit dem Einverständnis des Empfängers nicht rechnen kann. In vergleichbarer Weise konnte der Antragsteller hier nicht erwarten, dass die Antragsgegnerin sein Schreiben als gemeinschaftlich getragenes Besprechungsergebnis verstehen werde; es handelte sich vielmehr nur um seinen eigenen Rechtsstandpunkt, der - wie dieses Urteil zeigt - nicht jeden überzeugt.

Dass das Verlangen nach einem Abriss des Gebäudes oder einem Rückbau hier unverhältnismäßig wäre, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass mit der Errichtung eines Gebäudes gewisse Werte geschaffen worden sind, steht einem bauaufsichtlichen Einschreiten nicht entgegen. Jeder Bauherr hat die Möglichkeit, seine Investitionen dadurch zu sichern, dass er sich eine Baugenehmigung erteilen lässt. Diese schützt ihn im Regelfall selbst dann, wenn sie materiellem Recht zuwider erteilt worden ist, wie dies in einigen Fällen im Plangebiet vorgekommen ist. Wer sich dem formellen Bauordnungsrecht nicht unterwerfen mag, trägt selbst das Risiko dafür, dass sich sein Bauwerk als materiell illegal erweist. Das bauaufsichtliche Einschreiten ist dann die Regelfolge der Bauordnungswidrigkeit; ein "Für und Wider" braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, d.h. der hier (ausnahmsweise) in Kauf zu nehmenden Duldung eines rechtswidrigen oder ordnungswidrigen Zustandes, bestehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1980 - 4 B 67.80 - BRS 36 Nr. 93; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/ Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 89 Rdnr. 51; vgl. zu verschiedenen Ausnahmen OVG Lüneburg,Beschl. v. 8.5.1987 - 6 B 10/87 -, NVwZ 1989, 170). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Auch die Berufung darauf, dass in vergleichbaren Fällen früher (möglicherweise krass) illegale Baugenehmigungen erteilt worden seien, hilft nicht weiter, weil allein in der Existenz einer Baugenehmigung in der Regel ein sachlicher und tragfähiger Grund dafür liegt, die Fälle ungleich zu behandeln (so letztlich auch OVG Bremen, Urt. v. 15.2.1994 - 1 BA 1/93 -, NVwZ 1995, 606); etwas anderes gilt (regelmäßig) nur, wenn die rechtswidrige Baugenehmigung einem Dritten erst während des auf bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den Betroffenen erteilt wird (vgl. Senatsurt. v. 31.3.1995 - 1 L 4223/93 -, NVwZ-RR 1996, 6; OVG Schleswig, Urt. v. 4.5.1994 - 1 L 82/93 -, [...]).

Was das Baumhaus anbetrifft, wäre dessen Bestand rechtlich auch dann nicht dauerhaft gesichert, wenn es sich - wie der Antragsteller meint - um einen Scheinbestandteil seines Grundstücks handelte. Insofern stellt sich lediglich die Frage, wer richtiger Adressat der Beseitigungsverfügung zu sein hat. Diese kann jedenfalls auch an den Grundstückseigentümer gerichtet werden, der nach § 61 NBauO dafür verantwortlich ist, dass bauliche Anlagen und Grundstücke dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Im Übrigen mag zwar ein Baumhaus - ähnlich wie eine Kinderschaukel oder ein Sandkasten (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1991 - V ZR 196/90 -, NJW 1992, 1101 [BGH 25.10.1991 - V ZR 196/90]) - im Sinne des § 95 BGB ein Scheinbestandteil des Grundstücks sein, wenn es nur für einen vorübergehenden Zweck errichtet wurde. Der vorübergehende Zweck ergibt sich jedoch nicht schon aus dem Umstand, dass eine Anlage Kindern oder Jugendlichen dient. So stellt sich eine Kinderschaukel oder ein Sandkasten bei dem Spielplatz von Mehrfamilienhäusern eher als dauerhafter Grundstücksbestandteil dar, weil er von mehreren Kindergenerationen benutzt wird. Es muss deshalb auf der Hand liegen, dass die fragliche Anlage in der Absicht errichtet worden ist, sie nach zeitweiligem Gebrauch wieder zu beseitigen. War dies nicht vorgesehen, weil die Anlage auf dem Grundstück nicht stört oder sogar bei einem etwaigen Verkauf als werterhöhend angesehen wird, handelt es sich nicht um einen Scheinbestandteil."

43

Die Begründung des Zulassungsantrags gibt keinen Anlass, hiervon abzurücken.

44

Nach wie vor ist kein Zweifel daran möglich, dass die 1956 einem Herrn E. erteilte Baugenehmigung das hier streitige Grundstück betraf. Das folgt nicht nur daraus, dass der Lageplan eine Parzellensituation zeigt, wie es sie schon nach dem "Aufteilungsplan" von 1937 in der Waldsiedlung nur ein einziges Mal gerade an dieser Stelle gab, sondern auch daraus, dass bei den Parzelleninhabern signifikante Übereinstimmungen zwischen dem Aufteilungsplan und dem Lageplan bestehen. Nicht nur der Name "E. " wird in beiden Plänen für das Grundstück der Kläger genannt, sondern zusätzlich für das Grundstück Lönsweg 13 in beiden Plänen die Namen K. und L., worauf die Kläger nicht eingehen. Das enthebt die Sachlage jeder Möglichkeit nur zufälliger Übereinstimmungen.

45

Soweit die Kläger richtig gestellt sehen wollen, dass sie im Jahr 1989 dem Landkreis F. nicht generell das Fotografieren ihres Grundstücks verboten hätten, ergibt sich aus dem Schreiben des Klägers vom 23. November 1989 etwas anderes. Darin heißt es:

"Hiermit wird sämtlichen Mitarbeitern des Landkreises F. zeitlich unbefristet untersagt, auf meinem Grundstück, gelegen in B. -D., Im Deependahl C., zu fotografieren oder irgendwelche Bildaufzeichnungen durchzuführen oder durchführen zu lassen."

46

Soweit die Kläger meinen, entgegen der Auffassung des Senats hätten sie das Vorhandensein alter Bausubstanz nicht selbst darlegen und beweisen müssen, weil jederzeit die Möglichkeit bestanden habe, sie durch Augenschein festzustellen, geht dies am Sachverhalt vorbei. Durch Augenschein kann nur festgestellt werden, was offen zutage liegt. Hinter eine wohl über 10 cm starke Verklinkerung kann jedoch ohne deren Beseitigung nicht geblickt werden. Die Kläger haben auch nicht vorgetragen, dass die tragenden Bauteile von den Innenräumen her unverkleidet zugänglich sind.

47

Die angefochtene Verfügung weist keine Ermessensfehler auf. Nach der Rechtsprechung des Senats hat die Bauaufsichtsbehörde gegen baurechtswidrige Zustände regelmäßig einzuschreiten. Ein "Für und Wider" braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme vorliegen (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 31.1.2002 - 1 MA 4216/01 -, BauR 2002, 772 - auch zum Begriff "intendiertes Ermessen"; Urt. v. 5.9.2007 - 1 LB 43/07 -, [...]; Beschl. v. 19.5.2010 - 1 ME 81/10 -, ZfBR 2010, 585). Dabei ist es auch unschädlich, wenn die Behörde die Begründung der Baurechtswidrigkeit anders gefasst hat, als es nach dem die Anschauungen läuternden Widerspruchs- und Klageverfahren schließlich das Gericht tut (vgl. z.B. Senatsurt. v. 5.11.1985 - 1 A 151/84 -, BauR 1986, 325), soweit der Behörde damit nicht eine Entscheidung anderen Inhalts untergeschoben würde.

48

Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die hier fraglichen baulichen Anlagen bereits vor Erlass des Bebauungsplans baurechtswidrig waren. Nicht einmal das ursprüngliche Wochenendhaus war baurechtmäßig errichtet, weil sein tatsächlicher Standort von dem 1956 genehmigten abwich (vgl. Senatsurt. v. 24.1.1986 - 1 A 168/84 -Gemeinde 1986, 265). Dass möglicherweise auf entsprechenden Antrag in gleicher Weise (rechtswidrige) Baugenehmigungen erteilt worden wären wie für andere Grundstücke, rechtfertigt nicht, solche Genehmigungen praktisch zu fingieren. Die Schutzwirkung einer Baugenehmigung kann aus guten Gründen nur für sich geltend machen, wer sein Bauvorhaben - und sei es auch nur nachträglich - ordnungsgemäß zur behördlichen Überprüfung gestellt hat, zumal es sonst - wie hier - auch Streit darüber geben kann, in welcher Gestalt bauliche Anlagen im Zeitpunkt der fingierten Genehmigung überhaupt vorhanden waren. AuchArt. 14 GG erfordert nicht, losgelöst von den Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Verfahrensrechts schon die mehr oder weniger vage Möglichkeit zu honorieren, dass früher einmal falsch entschieden worden wäre.

49

Im Übrigen hat die Beklagte den Umstand, dass ein siedlungsstruktureller Missstand über Jahrzehnte hinweg behördlich nicht verhindert, sondern auch aktiv unterstützt worden war, zuvörderst durch Aufstellung eines Bebauungsplanes berücksichtigt. Sowohl die hierzu geleisteten Vorarbeiten (z.B. Bestandsaufnahme) als auch die in der planerischen Abwägung - die durch die Unwirksamerklärung des Bebauungsplans in der Sache nicht entwertet ist - berücksichtigten Belange sind in die Begründung der danach getroffenen Eingriffsmaßnahmen eingeflossen. Der ausführliche Widerspruchsbescheid stützt die Beseitigungsanordnung in der Sache auch nicht auf den Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans, sondern darauf, dass die fraglichen baulichen Anlagen bereits früher baurechtswidrig waren und durch den Bebauungsplan nicht nachträglich zulässig geworden sind.

50

Die Richtigkeit dieser Erwägungen bleibt unberührt davon, dass das Bundesverwaltungsgericht den Bebauungsplan später für unwirksam erklärt hat. Damit ist nur wieder der vorherige Zustand einer durch Planfestsetzungen nicht beeinflussten Baurechtswidrigkeit eingetreten. Die genannte Entscheidung verpflichtet die Beklagte auch nicht, die Planung mit Wohngebietsfestsetzungen zu erneuern. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr die Einschätzung der Antragsgegnerin als richtig unterstellt, die Überplanung von "Waldsiedlungen" sei städtebaulich nicht befriedigend geregelt.

51

Soweit der Senat in seinem Normenkontrollurteil vom 8. September 2010 den Gedanken gestreift hat, das Planungsermessen der Beklagten sei möglicherweise bereits zu einer Planungspflicht verdichtetet gewesen, scheidet dies nach den Gründen des nachfolgenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2011 nunmehr aus. Ziel der Planung einer Waldsiedlung war es nach einer vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffenen Formulierung, die Anwohner, die zum Teil schon mehrere Jahrzehnte im Plangebiet lebten, "aus der Illegalität zu holen". Ist dies nach geltendem Planungsrecht so nicht möglich, folgt daraus auch unter dem Gesichtspunkt einer planerischen "Alternativlosigkeit" nicht etwa, dass die Beklagte jetzt in Abkehr von der genannten Zielsetzung verpflichtet wäre, ein Wohngebiet zu planen - mit notwendigerweise erheblichen infrastrukturellen Veränderungen - und damit den noch fortbestehenden Waldcharakter endgültig aufzugeben. Kann sie ihr Ziel, einen angemessenen Ausgleich zwischen den gegenläufigen, im Senatsurteil vom 8. September 2010 näher erläuterten Belangen zu schaffen, infolge der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgericht mit zulässigen planerischen Mitteln nicht erreichen, darf sie sich auf eine Ordnung des Gebiets mit den Mitteln der Bauaufsicht beschränken, muss dies dann allerdings auch tun.

52

Fehl geht in diesem Zusammenhang die Annahme, nach Unwirksamerklärung des Bebauungsplans unterliege es weiterhin der Entscheidung des Rats der Beklagten, wie mit den fraglichen baulichen Anlagen umzugehen sei. Richtig ist, dass der Rat einen neuen Bebauungsplan aufstellen könnte, was einer Beseitigungsanordnung unter Umständen den Boden entzöge. Für eine entsprechende Absicht bestehen aber keine Anzeichen. Darüber hinausgehende Einflüsse auf die Durchführung der Bauaufsicht hat der Rat jedoch nicht; die Bauaufsicht gehört nicht zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden.

53

Ohne dass dies von den Klägern in der Begründung des Zulassungsantrags geltend gemacht worden ist, weist der Senat darauf hin, dass die Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung erhöht sein können, wenn im Zusammenhang mit einem ungenehmigten Gebäude, das nunmehr beseitigt werden soll, zuvor anderweitige Genehmigungen erteilt worden sind, etwa für ein Kläranlage (vgl. Senatsurt. v. 27.2.1981 - 1 A 64/79 -, BRS 38 Nr. 205). Auch der Kläger hat am 22. Januar 1993 eine wasserrechtliche Genehmigung zur Einleitung von Abwasser über eine Mehrkammergrube mit anschließender Untergrundverrieselung in das Grundwasser erhalten. Dies musste die Beklagte jedoch nicht zu einem Absehen von der Beseitigungsanordnung veranlassen. Denn Zielrichtung der angefochtenen Verfügung war an sich nicht, die Kläger letztlich zu einer Komplettbeseitigung der Baulichkeiten zu veranlassen. Das geht auch aus der Begründung des Widerspruchsbescheides, in dem die Gespräche über einen möglichen Rückbau dargestellt werden, mit hinreichender Deutlichkeit hervor. Wenn die Beklagte gleichwohl nach Scheitern dieser Gespräche die Beseitigung des gesamten Wohngebäudes angeordnet hat, trug dies dem Umstand Rechnung, dass die behördliche Anordnung eines Rückbaus nur in Ausnahmefällen zulässig und tunlich ist, etwa wenn nachträgliche Veränderungen eines Ursprungsbaus ohne Weiteres wieder rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerfG, 1. K. d. 1. Senats, Beschl. v. 2.9.2004 - 1 BvR 1860/02 -, BauR 2006, 97). Im Übrigen, d.h. wenn für einen Rückbau verschiedene Möglichkeiten offen stehen, darf die Behörde eigenen Dispositionen des Eigentümers darüber nicht vorgreifen, auf welche Weise er rechtmäßige Zustände herstellen will. Es entspricht deshalb ständiger Rechtsprechung, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist, wenn die Behörde bereit ist, Vorschläge des Eigentümers über die Art des Rückbaus als Austauschmittel entgegenzunehmen. Diese Bereitschaft ergab sich hier bereits aus den im Vorfeld der Verfügung geführten Gesprächen. Entgegen der Ansicht der Kläger beschränkt sich diese Rechtsprechung auch nicht auf Fälle, in welchen die bauliche Anlage in ihrer Gesamtheit rechtswidrig ist (vgl. Senatsbeschl. v. 6.5.2011 - 1 ME 14/11 -, NJW 2011, 2228 [OVG Niedersachsen 06.05.2011 - 1 ME 14/11]).

54

Vor diesem Hintergrund entwertete die Beseitigungsanordnung nicht zugleich die erteilte wasserrechtliche Erlaubnis, denn die Beklagte konnte davon ausgehen, dass die Kläger einen Rückbau als Austauschmittel anbieten und die Kläranlagen mit einem zurückgebauten Gebäude weiterhin nutzen könnten. Dass diese Möglichkeit nach der Unwirksamerklärung des Bebauungsplans nunmehr entfallen ist, beruht auf eigenen Entscheidungen des Klägers und führt nicht nachträglich zur Ermessenfehlerhaftigkeit der Verfügung.

55

Das Ermessen ist auch unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und des Gleichheitssatzes nicht fehlerhaft ausgeübt worden. Der Senat hat bereits in seinem Normenkontrollurteil ausgeführt:

"Dass das Verlangen nach einem Abriss des Gebäudes oder einem Rückbau hier unverhältnismäßig wäre, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass mit der Errichtung eines Gebäudes gewisse Werte geschaffen worden sind, steht einem bauaufsichtlichen Einschreiten nicht entgegen. Jeder Bauherr hat die Möglichkeit, seine Investitionen dadurch zu sichern, dass er sich eine Baugenehmigung erteilen lässt. Diese schützt ihn im Regelfall selbst dann, wenn sie materiellem Recht zuwider erteilt worden ist, wie dies in einigen Fällen im Plangebiet vorgekommen ist. Wer sich dem formellen Bauordnungsrecht nicht unterwerfen mag, trägt selbst das Risiko dafür, dass sich sein Bauwerk als materiell illegal erweist. Das bauaufsichtliche Einschreiten ist dann die Regelfolge der Bauordnungswidrigkeit; ein "Für und Wider" braucht nur dann abgewogen zu werden, wenn der Fall so geartet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, d.h. der hier (ausnahmsweise) in Kauf zu nehmenden Duldung eines rechtswidrigen oder ordnungswidrigen Zustandes, bestehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1980 - 4 B 67.80 - BRS 36 Nr. 93; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/ Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 89 Rdnr. 51; vgl. zu verschiedenen Ausnahmen OVG Lüneburg, Beschl. v. 8.5.1987 - 6 B 10/87 -, NVwZ 1989, 170). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte. Auch die Berufung darauf, dass in vergleichbaren Fällen früher (möglicherweise krass) illegale Baugenehmigungen erteilt worden seien, hilft nicht weiter, weil allein in der Existenz einer Baugenehmigung in der Regel ein sachlicher und tragfähiger Grund dafür liegt, die Fälle ungleich zu behandeln (so letztlich auch OVG Bremen, Urt. v. 15.2.1994 - 1 BA 1/93 -, NVwZ 1995, 606); etwas anderes gilt (regelmäßig) nur, wenn die rechtswidrige Baugenehmigung einem Dritten erst während des auf bauaufsichtlichen Einschreitens gegen den Betroffenen erteilt wird (vgl. Senatsurt. v. 31.3.1995 - 1 L 4223/93 -, NVwZ-RR 1996, 6; OVG Schleswig, Urt. v. 4.5.1994 - 1 L 82/93 -, [...])."

56

Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschl. v. 21.12.1990 - 4 B 184/90 -, [...]; Beschl. v. 22.4.1995 - 4 B 55.95 -, BRS 57 Nr. 248) und des OVG Lüneburg (vgl. z.B. Urt. v. 24.9.1977 - I A 218/74 -, OVGE 33, 347; Urt. v. 29.10.1993 - 6 L 72/92 -, BauR 1994, 92; Urt. v. 26.8.1994 - 1 L 311/91 -, BRS 56 Nr. 205; Urt. v. 31.3.1995 - 1 L 4223/93 -, BauR 1995, 831), dass die Bauaufsichtsbehörde gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, wenn sie bei einem bauaufsichtlichen Einschreiten systemwidrig ein Vorgehen gegen vergleichbare, d.h. auch räumlich benachbarte Verstöße unterlässt. Das Erfordernis der Systemgerechtigkeit würde aber missverstanden, wenn man darin die Pflicht der Baubehörde verankert sähe, stets "Tabula rasa" zu machen und unterschiedslos die Beseitigung jedweder baulicher Anlage in einem bestimmten räumlichen Umkreis zu verlangen (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 22.12.2011 - 8 A 11101/11 -, DVBl. 2012, 250 - " Pirmasenser Amnestie"). Es ist vielmehr anerkannt, dass gewisse Differenzierungen zulässig sein können. So kann es in Bezug auf die zeitliche Komponente des Einschreitens z.B. auch systemgerecht sein, zunächst ein "Musterverfahren" durchzuführen oder sonstige zeitliche Staffelungen vorzunehmen, wenn nur sichergestellt ist, dass nicht am Ende einzelne Baurechtsverstöße gleicher Art ohne bauaufsichtliche Reaktion bleiben. Hinsichtlich der Art der Baurechtsverstöße und ihrer Korrektur hindert der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit die Bauaufsichtsbehörde z.B. nicht von vornherein, sich auf ein Einschreiten gegen eine bestimmte, d.h. schwerwiegendere Art von Baurechtsverstößen zu beschränken oder eine bestimmte Art des Einschreitens zu präferieren, also z.B. statt der regelmäßig gebotenen vollständigen Beseitigung - soweit nach dem oben Gesagten zulässig - nur einen Rückbau zu verlangen. Der Bauaufsichtsbehörde steht mithin häufig eine ganze Bandbreite von Einschreitensvarianten zu Gebote, innerhalb derer sie sich ohne Verstoß gegen das Erfordernis der Systemgerechtigkeit bewegen kann.

57

Das hat die Beklagte hier in zulässiger Weise getan. Sie hat zunächst - schon für die später gescheiterte Bauleitplanung - eine umfassende Bestandsaufnahme der vorhandenen Baulichkeiten vorgenommen und danach in sachgerechter Weise drei Fallgruppen gebildet, nämlich

  • genehmigte bauliche Anlagen

  • wegen Übereinstimmung mit den Festsetzungen des (unwirksamen) Bebauungsplans "aktiv" geduldete bauliche Anlagen und

  • ungenehmigte, nicht geduldete bauliche Anlagen.

58

Was in diesem Sinne "genehmigte" bauliche Anlagen waren, unterliegt zwar einer Wertung, weil es insoweit wiederum eine Bandbreite von faktischen Möglichkeiten gibt. Der Senat versteht das Vorgehen der Beklagten so, dass sie nicht auf eine völlige Übereinstimmung von Genehmigung und vorhandener Bebauung abgestellt hat, sondern es hat ausreichen lassen, wenn überhaupt durch eine Baugenehmigung zum Ausdruck gekommen ist, dass das fragliche Gebäude grundsätzlich Schutz genießen sollte, etwa auch bei einer Änderungs- oder Erweiterungsgenehmigung für ein ursprünglich nicht genehmigtes Gebäude. Zwar verbietet sich eine über den ausdrücklichen Erklärungsinhalt einer Baugenehmigung hinausgehende rechtliche Wertung als stillschweigende Genehmigung weiterer seinerzeit bereits vorhandener Baulichkeiten wegen der weitreichenden Rechtsfolgen der Erteilung einer Baugenehmigung (vgl. Senatsbeschl. v. 9.8.1985 - 1 B 59/85 -, n.v.); für eine systemgerechte Ermessensausübung kann daran jedoch angeknüpft werden.

59

Dem kann nicht entgegengehalten werden, nur ein Vorgehen gegen alle - d.h. auch gegen die genehmigten und geduldeten - Bauwerke werde dem Gleichheitssatz gerecht. Die Rücknahme einmal erteilter Baugenehmigungen nach § 48 VwVfG ist - ganz abgesehen von der Frist des Absatzes 4 dieser Vorschrift - an engere Voraussetzungen gebunden als eine von vornherein ausgesprochene Versagung. Der Senat hat die damit verbundenen Fragen in anderem Zusammenhang, nämlich in Bezug auf das Fortbestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses für ein Normenkontrollverfahren nach vollständiger Ausnutzung der Planfestsetzungen gestreift, wobei allerdings die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG im Vordergrund stand. Nach "erstem Durchgang" im Prozesskostenhilfeverfahren (Beschl. v. 26.5.2008 - 1 KN 37/08 -, [...]) hat er mit Urteil vom 22. Oktober 2008 in der gleichen Sache ausgeführt:

"Auch wenn die Rechtswidrigkeit der hier erteilten Baugenehmigung unterstellt wird, folgt daraus nicht die Annahme, dass der Landkreis als Baugenehmigungsbehörde ihre Rücknahme aussprechen wird.

Zwar sind bei der Ermessensausübung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG - wie die Antragsteller hervorheben - auch die Interessen von Drittbetroffenen gebührend zu berücksichtigen. Das gilt aber gerade und erst recht auch für die Interessen des Bauherrn selbst. Zwar hat dieser nach § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwVfG Anspruch auf Ausgleich des ihm entstehenden Vermögensnachteils, wobei hier Gründe dafür, dass sein Vertrauen nicht schutzwürdig wäre, weder geltend gemacht noch ersichtlich sind. Es spricht aber schon viel dafür, dass ein zu erwartender finanzieller Ausgleich das Erfordernis nicht ausräumt, schon bei der Ermessensbetätigung Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen, weil der in § 48 Abs. 3 VwVfG geregelte Vermögensschutz möglicherweise nicht für jede Fallgestaltung einen verfassungsrechtlich hinreichenden Ausgleich für den sonst bestehenden Vertrauensschutz durch Bestandsschutz darstellt (vgl. OVG Münster, Urt. v.14.7.2004 - 10 A 4471/01 -, BauR 2005, 696; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 48 Rdnrn. 134, 137; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 75 Rdnr. 83; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 48 Rdnrn. 178 ff.). Das kann vor allem dann eine Rolle spielen, wenn einem vergleichsweise geringfügigen Rechtsverstoß wirtschaftlich weitreichende Folgen der Rücknahme für den Betroffenen gegenüberstehen, die durch den Ausgleich des Vertrauensschadens nur zum Teil aufgefangen werden.

Auch die finanziellen Auswirkungen für die öffentliche Hand müssen in solchen Fällen nicht ohne weiteres aus den Ermessenserwägungen ausgeblendet werden. Zwar wird die These vertreten, dass bei der Entscheidung über die Rücknahme wegen des öffentlichen Interesses an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes keine fiskalischen Überlegungen angestellt werden dürfen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 48 Rdnr. 185). Schon die zu erwartende finanzielle Dimension des hier auszugleichenden Vermögensnachteils erfordert jedoch eine genauere Betrachtung. Nicht jeder Rechtsverstoß wiegt gleich schwer (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl. 2006, § 75 Rdnr. 86); es liegt deshalb nahe, von einer Rücknahme jedenfalls dann abzusehen, wenn der zu erwartende finanzielle Ausgleich in seiner Höhe in einem eindeutigen Missverhältnis zu dem zu korrigierenden Rechtsverstoß steht. Mit anderen Worten wäre es nicht ermessensfehlerhaft, die Korrektur eines Bagatellverstosses zu verweigern, wenn hierzu Millionenaufwendungen erforderlich würden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass sich die Baugenehmigungsbehörde gegen solche Fälle absichern kann. Denn zum einen verbleibt dabei das Risiko, dass ihr der Ersatz im Einzelfall verweigert wird und sie deshalb ihrerseits mit den üblichen Prozessrisiken einen Rechtsstreit führen muss, und zum anderen erhöht die Einbeziehung solcher Fälle in den Versicherungsschutz die Kosten für die Versicherung insgesamt, so dass solche Beträge auf die eine oder die andere Weise im Ergebnis doch wieder einem sinnvolleren Einsatz für das öffentliche Wohl entzogen werden.

Schließlich drängt sich aus Gründen der Gesetzessystematik auf, dass § 48 VwVfG nicht in einer Weise ausgelegt werden darf, die § 51 VwVfG "leer laufen" lässt. Die Behörde muss deshalb auch bei der Ermessenentscheidung nach § 48 Abs. 1 VwVfG Folgerungen daraus ziehen können, dass ein Anspruch auf Wiederaufgreifen nach§ 51 VwVfG nicht besteht. Eine Berufung darauf ist deshalb in aller Regel nicht ermessensmissbräuchlich, wenn sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes nicht gerade aufdrängt (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 48 Rdnr. 90)."

60

Gilt dies schon für Bauvorhaben, die von betroffenen Nachbarn angegriffen werden, ist der Ermessensrahmen dann noch enger, wenn Drittrechte nicht in Rede stehen.

61

Unabhängig gehören Schwarzbauten und genehmigte Bauten nicht in dieselbe "Vergleichsgruppe". Auch der Umstand, dass ein ganzes Gebiet baurechtlich "bereinigt" werden soll, ändert daran nichts. Er begründet eine Vergleichbarkeit nur unter einem bestimmten Aspekt, der aber nicht den ganzen Lebenssachverhalt abschließend prägt. Wer durch Stellung eines Bauantrages nicht nur zeigt, dass er sich rechtstreu verhalten will, sondern damit auch das Risiko einer negativen Entscheidung - bei nachträglicher Antragstellung also auch eines behördlichen Einschreitens - eingeht, hat in höherem Maße Anspruch auf Vertrauensschutz als ein Bauherr, der bewusst oder fahrlässig das Genehmigungsverfahren unterläuft. Das kann auch bei der Aufstellung eines Konzepts für ein Einschreiten berücksichtigt werden.

62

Geboten ist auch nicht, schlichte Schwarzbauer und Inhaber von Duldungen ohne Weiteres derselben Vergleichsgruppe zuzurechnen. Die Duldung - etwa in der Gestalt einer Zusicherung im Sinne des § 38 VwVfG - ist zwar nur selten "Mittel der Wahl" im öffentlichen Baurecht, sondern meistens nur Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit im Angesicht komplexer Probleme. Sie ist bei manchen Fallgestaltungen aber auch sinnvoll und rechtlich einwandfrei, etwa wenn die Beseitigung eines evident rechtswidrigen Außenbereichsgebäudes wegen Alters und/oder Krankheit seiner gegenwärtigen Bewohner hinausgeschoben werden soll. Darüber hinaus kann eine auch nur faktische Duldung unter besonderen Umständen Vertrauenstatbestände schaffen, die bei einem Einschreiten zu berücksichtigen sind. Es ist deshalb anerkannt, dass Duldungen in der einen oder anderen Weise rechtliche Relevanz zukommen kann (vgl. insbesondere OVG Koblenz, Urt. v. 22.12.2011 - 8 A 11101/11 -, DVBl. 2012, 250 - "Pirmasenser Amnestie").

63

Soweit die Beklagte auf eine Übereinstimmung mit den Festsetzungen des (unwirksamen) Bebauungsplans abgestellt hat, hat der Senat den darin niedergelegten Differenzierungsmaßstab in seinem Normenkontrollurteil nicht beanstandet. Er hat vielmehr ausgeführt:

"Die dabei vorgenommene Clusterbildung, die für verschiedene Teile des Plangebiets unter Orientierung am vorhandenen Baubestand zu differenzierten Grundflächenvorgaben geführt hat, ist sachgerecht. Auch bei der Festsetzung eines Baugebiets ist dessen Unterteilung in Bereiche unterschiedlicher Nutzung völlig normal; nicht in jedem Teil eines Baugebiets müssen die gleichen Maßzahlen gelten. Wenn hierfür geeignete Kriterien verwandt worden sind, stellt sich die Frage eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht. Zwar können dabei Abgrenzungen auftreten, die so bei Innenbereichslage wegen Abstellens auf die "nähere Umgebung" nicht ohne Weiteres möglich wären. Ein "Meistbegünstigungsgrundsatz" der Art, dass dem Antragsteller mindestens genauso viel Grundfläche zugesprochen werden müsste wie nur irgendeinem anderen Begünstigten im Plangebiet, folgt daraus jedoch nicht.

Soweit der Antragsteller die Bestanderfassung als unzureichend beanstandet, findet dies in den Planungsakten keine Bestätigung (vgl. zu den Einzelheiten der Erfassung S. 7 ff. der Planbegründung). Es bestand kein Anlass, die vorhandene - genehmigte und ungenehmigte - Bebauung noch genauer zu erfassen. Für die genehmigten Bauten sieht der Plan ohnehin Nutzungszahlen vor, die auf den genehmigten Bestand Rücksicht nehmen. Bei den nicht genehmigten baulichen Anlagen wäre selbst bei unterstellter Innenbereichslage nicht in jedem Falle von materieller Legalität auszugehen; ein voluminöses Wohnhaus fügt sich in eine Umgebung aus kleinen Wochenendhäusern nicht ohne weiteres ein. Es ist nach dem Inhalt der Planungsakten auch nicht ersichtlich, dass bei der Bestandsaufnahme durchschlagende Fehler unterlaufen sind. ..."

64

Unter diesen Umständen war dem Gebot der Systemgerechtigkeit dadurch Genüge getan, dass die Beklagte ausschließlich gegen gänzlich ungenehmigte bauliche Anlagen vorging, welche an die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht angepasst werden konnten oder sollten.

65

Auch bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans verbleibt es dabei, dass es sich um eine sachgerechte Differenzierung handelte. Insoweit stellt sich nicht die Frage des - jedenfalls nach früherer Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 17.8.1984 - 1 OVG A 138/81 -, BRS 42 Nr. 218) gebotenen - nachträglichen Unter-Kontrolle-Haltens einer noch nicht vollzogenen Beseitigungsanordnung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, weil die Unwirksamerklärung des Bebauungsplans nicht nachträglich die Rechtslage ändert.§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO knüpft die Unwirksamerklärung an die Voraussetzung, dass das Gericht "zu der Überzeugung" kommt, "daß die Rechtsvorschrift ungültig ist"; das Gericht ändert also die Rechtslage nicht konstitutiv, sondern klärt nur die vorgegebene Rechtslage (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 51 Rdnr. 100 m.w.N.). Unbeschadet des Umstands, dass die Bauaufsichtsbehörde selbst keine Verwerfungskompetenz für Bebauungspläne hat, kann sich deshalb aus der Rückschau erweisen, dass ihre Ermessenserwägungen auf fehlerhaften Grundlagen fußten.

66

Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, ist die Beklagte allerdings nicht eingeschritten, weil der Bebauungsplan dies vorsah, sondern weil die fraglichen baulichen Anlagen ursprünglich baurechtswidrig waren; der Bebauungsplan hat insoweit nur unter der Fragestellung eine Rolle gespielt, ob er ein "Gegenrecht" begründete. Er bot nicht selbst schon die Grundlage für ein Einschreiten und wurde mithin auch nicht von der Beklagten "durchgesetzt", sondern bestimmte - neben anderen Faktoren wie vorhandenen Baugenehmigungen - nur den Rahmen dessen mit, welche Baulichkeiten von einem Einschreiten verschont bleiben konnten bzw. sogar neu errichtet oder erweitert werden durften. Das Einschreiten selbst erforderte im Einzelfall weit mehr an tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen als einen schlichten Vergleich mit den Festsetzungen des neuen Bebauungsplans, so dass die Beklagte auch auf einvernehmliche Lösungen mit den Betroffenen bedacht und in vielen Fällen damit auch erfolgreich war. Mit anderen Worten spielte der Bebauungsplan für das System des Einschreitens zwar eine gewichtige, aber im Einzelfall nur begünstigende Rolle. Diese begünstigende Wirkung war ihrerseits nicht willkürlich, sondern zielte auf einen vernünftigen Kompromiss zwischen den gegenläufigen Belangen ab und entsprach diesem Ansatz auch inhaltlich. Das wird durch den Umstand nicht entkräftet, dass der Bebauungsplan wegen mangelnder Rechtsgrundlage für eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 10 BauNVO für unwirksam erklärt worden ist. Ist mithin auch bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans nach wie vor davon auszugehen, dass er sachgerechte Differenzierungen zugrunde legte, wird die Ermessensbetätigung der Beklagten durch die Unwirksamerklärung des Bebauungsplans nicht gleichsam "infiziert". Zwar stehen nunmehr einige Grundstückseigentümer möglicherweise besser da, als wenn die Bereinigung des Gebiets von vornherein nur mit bauaufsichtlichen Mitteln in Angriff genommen worden wäre. Das ist aber kein Ausdruck von Systemwidrigkeit, sondern gerade von konsequentem Verwaltungshandeln auf der Rechtsgrundlage eines Bebauungsplanes, für den die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Baugenehmigungsbehörde keine Verwerfungskompetenz hatte.

67

Wegen besonderer Schwierigkeiten der Sach- oder Rechtslage (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist die Berufung nicht zuzulassen. Das ist nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B.Beschl. v. 31.8.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsVBl. 1999, 95; vgl. ferner Gaier, NVwZ 2011, 385, 390) erst dann der Fall, wenn das Zulassungsantragsvorbringen schwierige Fragen aufwirft, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen. Davon ist nach den obigen Ausführungen nicht auszugehen.

68

Die Berufung ist schließlich auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

69

Von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung und Anwendung geboten erscheint (vgl. Gaier, NVwZ 2011, 385, 390).

70

Hier ist ein Teil der aufgeworfenen Fragen bereits durch das Normenkontrollurteil beantwortet worden. Auch wenn dieses selbst durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geändert worden ist, wirkt sich dies auf die vom Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandeten Passagen nicht weiter aus.

71

Im Übrigen sind die vom Kläger formulierten Rechtsfragen auf der Grundlage der vorangegangenen Ausführungen des Senats nicht entscheidungserheblich. Insbesondere kommt es auf die Frage eines Bebauungszusammenhanges nicht an, weil der Senat die Ortsteilsqualität verneint. Wann eine "willkürlich entstandene Streubebauung" vorliegt, ist Frage des Einzelfalls und keiner verallgemeinernden Antwort zugänglich. Hinsichtlich der Frage, ob die Ortsteilsqualität verneint werden darf, geht der Senat von anderen tatsächlichen Grundlagen aus als der Kläger mit der Formulierung seiner Rechtsfrage; vor allem stellt er siedlungsstrukturell nicht auf den Ort D. ab, sondern auf das Gemeindegebiet der Beklagten, in das der Ort D. eingemeindet worden ist. Zudem ist die "Waldsiedlung" nicht "vollständig erschlossen"; wie oben ausgeführt, fehlt es hierfür an wesentlichen Infrastruktureinrichtungen.

72

Auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens lässt sich die Frage beantworten, ob das Gericht bei der Überprüfung einer Beseitigungsverfügung offen lassen darf, ob ein zugrunde liegender Bebauungsplan ganz oder teilweise unwirksam ist. Das ist ohne Weiteres der Fall, wenn eine Überprüfung nach beiden Alternativen zum gleichen Ergebnis führt. Die Prämisse des Klägers, dass die Beseitigungsverfügung allein der Durchsetzung bestimmter Festsetzungen des Bebauungsplans gedient habe, teilt der Senat nicht. Die angegriffenen Bescheide gehen vielmehr davon aus, dass die hier fragliche bauliche Anlage ohne den Bebauungsplan ohnehin unzulässig war, und prüfen der Sache nach - mit verneinendem Ergebnis -, ob der Bebauungsplan sie nachträglich genehmigungsfähig gemacht hat.

73

Aus dem gleichen Grund stellt sich hier auch die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der Dokumentierung von Ermessenserwägungen nicht.

74

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).