Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.03.2012, Az.: 12 LB 244/10

"Feinsteuerung" der Windenergienutzung allein durch Abschluss städtebaulicher Verträge

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.03.2012
Aktenzeichen
12 LB 244/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 13731
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0308.12LB244.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 13.06.2012 - AZ: BVerwG 4 B 27.12

Fundstellen

  • DVBl 2012, 655
  • DÖV 2012, 570
  • FStBW 2013, 156-158
  • FStNds 2013, 242-244
  • NZBau 2012, 491-492
  • NdsVBl 2013, 19-22
  • NuR 2012, 413-417
  • ZNER 2012, 297-301
  • ZUR 2012, 434-437
  • ZfBR 2012, 371-374

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein städtebaulicher Vertrag, der an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung tritt und mit dem die Kommune die als erforderlich erachtete "Feinsteuerung" der Windenergienutzung allein mit vertraglichen Mitteln zu bewirken versucht, ist mit der Ausgestaltung des Rechts der Bauleitplanung unvereinbar und daher unwirksam.

  2. 2.

    Der Prüfung und Verneinung der Wirksamkeit eines städtebaulichen Vertrags steht nicht die Rechtskraftwirkung eines Urteils entgegen, in dem die Wirksamkeit jenes Vertrags in einem anderen Prozess im Rahmen der tragenden Entscheidungsgründe angenommen wurde.

Tatbestand

1

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin die Zahlung einer Vertragsstrafe von der Beklagten beanspruchen kann.

2

Am 14. April 1999 schlossen die Klägerin und die C. Wind Kraftanlagen GmbH & Co. KG - WP H. -, genannt "C. Wind KG", Rechtsvorgängerin der Beklagten, einen städtebaulichen Vertrag über die Errichtung von 3 Windkraftanlagen in I. - J.. In § 1 des Vertrags heißt es, die C. Wind KG beabsichtige, auf den von ihr angepachteten Flurstücken 61/1, 63/1, 66/1, 71/1, 74 und 75, jeweils Flur 1, Gemarkung J., 3 Windkraftanlagen zu errichten. Mit § 2 des Vertrags verpflichtete sich die Gesellschaft u.a. nur "baugleiche Anlagen" mit einer Maximalnennleistung von je 660 Kilowatt, einer Nabenhöhe von höchstens 60 m über anstehendem Gelände und einem Rotordurchmesser von maximal 50 m zu errichten. § 3 des Vertrags lautet:

3

Planungsgrundlage

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Der vorgesehene Standort für die 3 geplanten Windkraftanlagen ist im Flächennutzungsplan der Stadt als "Vorrangfläche zur Nutzung der Windenergie" ausgewiesen. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass eine Inanspruchnahme des Standortes durch die C. Wind KG nach den Maßgaben dieses Vertrages keiner verbindlichen Bauleitplanung durch die Stadt bedarf.

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§ 4 enthält neben einer Rückbauverpflichtung folgenden "Ausschluss weiterer Anlagen":

6

Die C. Wind KG verpflichtet sich - zur Vermeidung einer Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 DM -, über die 3 geplanten Anlagen hinaus auf der derzeit ausgewiesenen Vorrangfläche keine weiteren Windkraftanlagen zu errichten und im Rahmen des rechtlich Möglichen und Zumutbaren die Errichtung weiterer Windkraftanlagen durch Dritte zu verhindern.

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Die 3 Windkraftanlagen wurden am 18. Juni 1999 genehmigt und kurz darauf auf den Flurstücken 61/1, 63/1 und 74 errichtet.

8

Am 16. November 2000 trat das Regionale Raumordnungsprogramm für den Landkreis Harburg (RROP) in Kraft. Es sieht eine Vorrangfläche für raumbedeutsame Windkraftanlagen u.a. im Bereich der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten gepachteten Flächen vor. Unter Hinweis auf das in Kraft getretene Raumordnungsprogramm bat diese die Klägerin im Mai 2002 und nochmals im Januar 2003 um eine Anpassung des Vertrags vom 14. April 1999. U.a. sollten die Nennleistungs-, die Nabenhöhen- und die Rotordurchmesserbegrenzungen entfallen. Das Ansinnen lehnte die Klägerin jeweils ab.

9

Bereits unter dem 10. Oktober 2002 hatte die K. mbH die Errichtung einer weiteren Windkraftanlage auf dem Flurstück 66/1, Flur 1, Gemarkung J. beantragt. Unter Hinweis auf wirtschaftliche Probleme lehnte die C. Wind KG die von der Klägerin nach Kenntniserlangung von dem Bauantrag erhobene Forderung ab, den Bau der weiteren Windkraftanlage durch die K. mbH zu verhindern. Nach Ersetzen des fehlenden Einvernehmens der Klägerin erteilte der Landkreis Harburg der K. mbH am 28. Mai 2003 die beantragte Baugenehmigung. Die von der Klägerin gegen das Ersetzen ihres Einvernehmens angestrengten Rechtsschutzverfahren blieben ohne Erfolg (Verwaltungsgericht Lüneburg, Beschlüsse vom 3.6.2003 - 2 B 57/03 und 2 B 58/03 -, Urteile vom 4.11.2004 - 2 A 219/03 und 2 A 220/03 -). Im Hinblick auf die von der K. mbH geplante Windkraftanlage erhob die Klägerin gegen die C. Wind KG Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus dem Vertrag vom 14. April 1999. Entsprechend verurteilte das Verwaltungsgericht Lüneburg die Gesellschaft mit - rechtskräftigem - Urteil vom 19. Oktober 2004 (- 2 A 169/03 -), an die Klägerin 25.564,59 EUR zu zahlen.

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Im April 2006 beantragte die L. GbR, die durch denselben Geschäftsführer wie die C. Wind KG und die Beklagte vertreten wurde, die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von 2 größeren Windenergieanlagen auf den Flurstücken 74 und 63/2, jeweils Flur 1, Gemarkung J.. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten kündigte an, im Gegenzug zwei der auf der Grundlage der Genehmigung vom 18. Juni 1999 errichteten kleineren Anlagen zu demontieren. Am 13. September bzw. 20. Dezember 2006 erteilte der Landkreis der L. GbR die beantragte Genehmigung. 2007 wurden entsprechend 2 der kleineren durch die 2006 genehmigten größeren Anlagen ersetzt.

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Bereits am 29. September 2006 hatte die Klägerin Klage mit dem Ziel der Zahlung einer abermaligen Vertragsstrafe erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin ausgeführt: Der städtebauliche Vertrag vom 14. April 1999 sei wirksam. Mit ihm seien im beiderseitigen Interesse die Dinge geregelt worden, die auch in einem Bebauungsplan hätten festgesetzt werden können. Die Vertragsstrafe sei zum zweiten Mal und zwar diesmal dadurch verwirkt, dass ein Dritter, die L. GbR, nicht vertragskonforme Windkraftanlagen im Vertragsgebiet errichten könne. Die C. Wind KG habe es insoweit versäumt, ihre vertragliche Pflicht einzuhalten, entsprechende Anlagen zu verhindern.

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Mit Schreiben vom 8. Februar 2007 kündigte die C. Wind KG den Vertrag vom 14. April 1999 außerordentlich und ordentlich.

13

Die Klägerin hat beantragt,

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die C. Wind KG zu verurteilen, an sie 25.564,59 EUR nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

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Die C. Wind KG hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat zur Begründung ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Der Vertrag sei unwirksam und ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe deswegen von vornherein nicht entstanden. Jedenfalls sei ein etwaiger Anspruch noch nicht fällig oder aber untergegangen. Ihr sei es wirtschaftlich nicht zuzumuten, an dem - mittlerweile auch gekündigten - städtebaulichen Vertrag festzuhalten.

18

Mit Urteil vom 6. August 2007 hat das Verwaltungsgericht der Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung stattgegeben: Die zulässige Klage sei begründet. Die (damalige) Beklagte habe (erneut) die Vertragsstrafe verwirkt. Der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Vertrag sei mit einem rechtlich zulässigen Inhalt wirksam zustande gekommen. Der im Streit befindliche Vertrag sei durch Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet. Den von der Beklagten vertraglich eingegangenen Bauverpflichtungen stünden Rechtsvorschriften nicht entgegen. Die von der Klägerin eingegangene Gegenleistung sei ebenfalls zulässig. Der Vertrag genüge dem Angemessenheitsgebot. Der Vertrag sei auch nicht durch eine wirksame Kündigung vorzeitig beendet worden. In ihm sei ein ordentliches Kündigungsrecht nicht vorgesehen. Anhaltspunkte für eine Kündigung aus wichtigem Grund seien nicht ersichtlich. Die materiellen Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 des Vertrags für eine Verwirkung der Vertragsstrafe lägen vor. Die Vertragsstrafe sei nicht durch die im Jahre 2003 bereits verhängte verbraucht. Im Vertrag sei die Verhängung der Vertragsstrafe an zwei unterschiedliche Tatbestände geknüpft. Dies spreche dafür, dass die Vertragsstrafe jedenfalls dann mehrmals verhängt werden könne, wenn - wie hier - zwei Verstöße vorlägen, die die unterschiedlichen Alternativen des § 4 Abs. 2 beträfen und zu unterschiedlichen Zeiten selbstständig verwirklicht worden seien. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Alt. 2 des Vertrags seien vorliegend erfüllt. Die Beklagte habe die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung gehabt, weil sie die Fläche, auf der die Errichtung der beiden Anlagen am 13. September 2006 genehmigt worden sei, vertragswidrig der L. GbR überlassen habe und die Geschäftsführer beider Gesellschaften identisch seien. Ein anderes Verhalten sei der Beklagten auch zumutbar gewesen. Die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage könnten vorliegend nicht zum Tragen kommen. Die Vertragsstrafe sei auch fällig. Maßgeblich sei insoweit die nunmehr bestehende rechtliche Möglichkeit, jederzeit eine weitere Anlage zu errichten.

19

Der Senat hat auf Antrag der vormaligen Beklagten die Berufung gegen dieses Urteil wegen der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen (Beschluss vom 23. August 2010 - 12 LA 331/07 -).

20

Bereits in einer Vereinbarung vom 24. Juni 2008 hatte die L. GbR angekündigt, auch die dritte der ursprünglich errichteten kleineren Windenergieanlagen durch eine größere ersetzen zu wollen, und sich verpflichtet, der Klägerin 25.564,59 EUR zu zahlen "unter der Voraussetzung", dass der städtebauliche Vertrag vom 14. April 1999 aufgehoben werde. Der Betrag werde mit der Errichtung der neuen Windenergieanlage und nach Bestätigung der (damaligen) Beklagten über die Aufhebung des Vertrags fällig. Die Aufhebung des Vertrags vom 14. April 1999 ist danach bestätigt worden.

21

Im Rahmen ihrer fristgerecht eingelegten Berufungsbegründung trägt die Beklagte, die im April 2011 Rechts- und Pflichtennachfolgerin der C. Wind KG geworden ist, unter Ergänzung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens vor: Der Vertrag vom 14. April 1999 sei auf einen unzulässigen Gegenstand gerichtet. Er sei anstelle eines Bebauungsplans geschlossen worden. Ein solcher "Komplettersatz" verstoße gegen §§ 1-11 BauGB. Die genannten Regelungen seien vorliegend in unzulässiger Weise umgangen worden. Ein anderes Ergebnis würde auch dazu führen, dass die Regelung zum Vorhaben- und Erschließungsplan in § 12 BauGB leerliefe. Der Vertrag verstoße zudem gegen § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Er enthalte keine Gegenleistung der Klägerin. Auch sein § 3 habe nur feststellenden Charakter. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Verwirkung der Vertragsstrafe nicht vor. Sie habe weder tatsächlich noch rechtlich die Möglichkeit gehabt, die Errichtung von Windkraftanlagen durch Dritte zu verhindern. Das Verwaltungsgericht habe zudem fehlerhaft angenommen, dass der - ein Dauerschuldverhältnis begründende - Vertrag nicht ordentlich kündbar sei und ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vorliege.

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Die Beklagte beantragt,

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das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Auch sie ergänzt und vertieft ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Sie führt aus: Der Vertrag vom 14. April 1999 sei zwischenzeitlich einvernehmlich aufgehoben worden. Das setze voraus, dass beide Vertragsparteien ihn bis dahin als wirksam akzeptiert hätten. Die Beklagte verhalte sich treuwidrig, wenn sie einerseits die Zahlung einer weiteren Vertragsstrafe und dann die Aufhebung des Vertrags vom 14. April 1999 vereinbare, anderseits argumentiere, der genannte Vertrag sei von vornherein unwirksam gewesen, jedenfalls aber infolge einer Kündigung unwirksam geworden. Ungeachtet dessen sei die Auffassung der Beklagten aber auch in der Sache unzutreffend. Warum die Ausgestaltung der Bebauung auf einer im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Vorrangfläche für Windenergie nicht durch einvernehmliche vertragliche Regelungen mit dem künftigen Bauherrn möglich sein sollte, sei nicht erkennbar. § 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und § 11 Abs. 4 BauGB eröffneten Gemeinden die Möglichkeit, zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Verhinderung von Fehlentwicklungen, entweder Bebauungspläne aufzustellen oder städtebauliche Verträge zu schließen. Letztere Möglichkeit bestehe jedenfalls dann, wenn - wie hier - faktisch nur ein Adressat einer potentiellen städtebaulichen Planung betroffen sei und ein Vertrag deshalb die städtebauliche Entwicklung in gleicher Weise sicherstelle wie ein Bebauungsplan. Der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags biete dem Vertragspartner der Gemeinde nur Vorteile. Von der Unangemessenheit eines solchen Vertrages könne nicht gesprochen werden. Das gelte auch für den vorliegenden Fall. Der Vertrag sei nicht durch Kündigung beendet worden. Ein ordentliches Kündigungsrecht könne es angesichts der einen Bebauungsplan ersetzenden Funktion des städtebaulichen Vertrags nicht geben. Davon abgesehen sei der Senat angesichts des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2004 gehindert, die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags zu prüfen.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die vom Senat wegen der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage der Klägerin abweisen müssen.

29

Ein Anspruch auf Zahlung der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Vertragsstrafe ist nicht entstanden. Der städtebauliche Vertrag vom 14. April 1999 ist - anders als das Verwaltungsgericht meint - unwirksam (dazu unter 1.). Dem Senat ist es - entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung - auch nicht verwehrt, die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags vom 14. April 1999 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu prüfen (dazu unter 2.). Die Unwirksamkeit des Vertrags ist hier auch zu berücksichtigen (dazu unter 3.).

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1. Regelungsgegenstand des Vertrags sind Belange, die nicht auf dem hier konkret begangenen Weg in zulässiger Weise allein durch vertragliche Vereinbarung geregelt werden können. Die Klägerin hat ihre Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen für das betreffende Gebiet anstelle eines Bebauungsplans allein mit vertraglichen Mitteln zu erfüllen versucht. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht Stand. Durch das Ausweichen auf eine rein vertragliche Gestaltungsform hat sie sich zudem den in einem Planungsverfahren bestehenden Anforderungen entzogen. Dabei war von vornherein absehbar, dass sich der von ihr intendierte Interessenausgleich nicht angemessen in der vertraglich vorgesehenen Weise würde erzielen lassen. Unter den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls liegt hier ein zur Unwirksamkeit des Vertrags führender Formenmissbrauch vor (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 7.2.1985 - III ZR 179/83 -, BGHZ 93, 372, [...] Rdn. 24; BVerwG, Beschluss vom 18.5.1994 - 4 NB 15.94 -, BauR 1994, 485, [...] Rdn. 15; Nds. OVG, Urteil vom 12.1.2011 - 1 KN 28/10 -, NdsVBl 2011, 245, [...] Rdn. 222 f. m.w.N.; Beschluss vom 4.1.2011 - 1 MN 130/10 -, BauR 2011, 805, [...] Rdn. 78 ff.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 10. Aufl., 2007, § 1 Rdn. 18; Söfker, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 1, Stand: Sept. 2011, § 1 Rdn. 18). Dazu im Einzelnen:

31

Der städtebauliche Vertrag vom 14. April 1999 begründet einen Verstoß gegen den aus § 1 Abs. 1, und 3 BauGB folgenden Grundsatz der Planmäßigkeit. Gemäß § 1 Abs. 1 BauGB ist es Aufgabe der Bauleitplanung, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des BauGB vorzubereiten und zu leiten. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Der Grundsatz der Planmäßigkeit lässt es nicht zu, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke (allein) durch andere Mittel als die der Bauleitplanung vorzubereiten und zu leiten. Das schließt - wie sich auch aus § 11 Abs. 1 BauGB ergibt - vertragliche Gestaltungen im Zusammenhang mit einer Bauleitplanung nicht aus (s. auch Beschluss des Senats vom 8.3.2007 - 12 MN 13/07 -, NordÖR 2007, 206, [OVG Niedersachsen 08.03.2007 - 12 MN 13/07] [...] Rdn. 32; Nds. OVG, Urteil vom 3.5.2006 - 1 KN 58/05 -, NdsVBl 2006, 307, [...]; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 10. Aufl., 2007, § 1 Rdn. 18). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde städtebauliche Verträge schließen. Nach Satz 2 der Vorschrift können Gegenstände eines städtebaulichen Vertrags insbesondere sein die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten (Nr. 1); die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, u.a. auch die Durchführung des Ausgleichs im Sinne des § 1a Abs. 3 BauGB (Nr. 2); die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind (Nr. 3); entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Errichtung und Nutzung etwa von Anlagen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien (Nr. 4) und entsprechend den mit den städtebaulichen Planungen und Maßnahmen verfolgten Zielen und Zwecken die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden (Nr. 5).

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Um eine vertragliche Gestaltung im Zusammenhang mit einer Bauleitplanung, wie sie in § 11 Abs. 1 Satz 2 BauGB vorgesehen ist, geht es bei dem in Rede stehenden Vertrag vom 14. April 1999 indessen nicht. Vielmehr ist hier überhaupt kein Bebauungsplan erlassen worden, obwohl die Klägerin an sich Bedarf für eine Ordnung der städtebaulichen Entwicklung im Detail durch Festlegungen auf dieser planerischen Ebene gesehen hat. Anstelle dessen ist indes nur der Vertrag geschlossen worden. Aus dessen die "Planungsgrundlage" regelnden § 3, der einen Hinweis auf den von der Klägerin erlassenen Flächennutzungsplan und weiter eine Feststellung über die Einigkeit der Beteiligten darüber enthält, dass es "keiner verbindlichen Bauleitplanung durch die Stadt" "bedarf", folgt, dass die Beteiligten davon ausgingen, die Aufstellung eines Bebauungsplans könne angesichts der Maßgaben des Vertrags unterbleiben. Mit diesem Vertragspassus haben die Beteiligten ihrer Auffassung Ausdruck verliehen, dass die planerische Konzeption der Klägerin für die im Flächennutzungsplan vorgesehene Vorrangfläche zur Windenergienutzung durch den Vertrag als gesichert angesehen werde. Entsprechend enthält der Vertrag eine Reihe von die Beklagte verpflichtenden Maßgaben, die auch in einem Bebauungsplan hätten geregelt werden können (zur Zulässigkeit einer "Feinabstimmung" durch Bebauungsplan allgemein etwa BVerwG, Beschluss vom 27.11.2003 - 4 BN 61.03 -, [...] Rdn. 8; Nds. OVG, Urteil vom 29.1.2004 - 1 KN 296/02 -, [...] Rdn. 35; zu alledem auch Fest, die Errichtung von Windenergieanlagen in Deutschland, 2010, S. 89 ff.). Dies betrifft namentlich etwa die Höhenbegrenzungen (BVerwG, Beschluss vom 27.11.2003 - 4 BN 61.03 -, [...]; Nds. OVG, Urteil vom 29.1.2004 - 1 KN 296/02 -, [...] Rdn. 52), die Festlegung der Zahl der Windkraftanlagen (BVerwG, Urteil vom 21.10.2004 - 4 C 3.04 -, BVerwGE 122, 117, [...] Rdn. 46) und der Anlagenstandorte (Nds. OVG, Urteil vom 21.12.2010 - 12 KN 71/08 -, [...] Rdn. 29) sowie die Bestimmungen betreffend die Errichtung eines runden Trägerturms aus Stahlbeton oder -rohr, die Rotoren mit drei Rotorblättern und den vorzunehmenden Anstrich (vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.4.2011 - 8 A 320/09 -, NWVBl 2011, 468, [...] Rdn. 142). Darüber hinaus enthält § 2 des Vertrags auch Verpflichtungen, die wohl in einem Bebauungsplan nicht in zulässiger Weise hätten festgesetzt werden können. Dies gilt jedenfalls für die Verpflichtung zur Errichtung "baugleiche(r) Anlagen", (zur Unzulässigkeit der Festsetzung "Anlagen gleichen Typs" Nds. OVG, Urteil vom 29.1.2004 - 1 KN 296/02 -, [...] Rdn. 41; s. auch OVG NRW, Urteil vom 14.4.2011 - 8 A 320/09 -, NWVBl 2011, 468, [...] Rdn. 150). Manche Maßgaben erschienen, wären sie Gegenstand eines Bebauungsplans, zumindest problematisch (dies dürfte in Bezug auf die Festsetzung sich im Uhrzeigersinn drehender Rotorblätter gelten, vgl. dazu Nds. OVG, Urteil vom 29.1.2004 - 1 KN 296/02 -, [...] Rdn. 41 einerseits und OVG NRW, Urteil vom 14.4.2011 - 8 A 320/09 -, NWVBl 2011, 468, [...] Rdn. 144 andererseits).

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Mit seinem - einen Bebauungsplan vollständig ersetzenden - Inhalt kann der Vertrag vom 14. April 1999 nicht den Beispielsfällen des § 11 Abs. 1 BauGB zugeordnet werden kann. Er kann auch nicht als nach § 11 Abs. 4 BauGB zulässig angesehen werden. Danach bleibt die Zulässigkeit anderer städtebaulicher Verträge unberührt. Die Zulässigkeitsgrenzen vertraglicher Regelungen liegen dort, wo Sinn und Zweck des Gesetzes und daher "innere Gründe" die Möglichkeit vertraglicher Gestaltung ausschließen (BVerwG, Beschluss vom 9.5.1997 - 4 N 1.96 -, BVerwGE 104, 353, [...] Rdn. 28; Beschluss vom 5.1.1999 - 4 BN 28.97 -, DÖV 1999, 557, [...]). Das ist hier der Fall. Städtebauliche Verträge dürfen weder an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung treten, noch dürfen sie die Bauleitplanung zu einer lediglich formalen Hülle werden lassen. Städtebauliche Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen dürfen auch nicht etwa allein mit Mitteln des Privatrechts erfüllt werden. Entsprechende Verträge wären mit der Ausgestaltung des Rechts der Bauleitplanung unvereinbar vor allem in Bezug auf das Abwägungsgebot, die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange und den Satzungscharakter des Bebauungsplans, der Dritten Rechtsschutzmöglichkeiten sichert (BGH, Urteil vom 7.2.1985 - III ZR 179/83 -, BGHZ 93, 372, [...] Rdn. 24; speziell mit Blick auf die Verfolgung öffentlicher Zwecke mit privatrechtlichen Mitteln; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.12.2007 - 2 A 3.07 -, BauR 2008, 1089, 1092; Nds. OVG, Beschluss vom 4.1.2011 - 1 MN 130/10 -, BauR 2011, 805, [...] Rdn. 78 f.; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 10. Aufl., 2007, § 1 Rdn. 18; Söfker, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 1, Stand: Sept. 2011, § 1 Rdn. 18; zur Unzulässigkeit von Baulasten mit "bebauungsplanersetzender" Wirkung VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.9.2009 - 3 S 1773/07 -, BauR 2010, 753, [...] Rdn. 47 ff.; s. auch BayVGH, Urteil vom 11.4.1990 - 1 B 85 A.1480 -, NVwZ 1990, 979, [...] Rdn. 53). Der hier in Rede stehende städtebauliche Vertrag vom 14. April 1999 stellt - wie dargelegt - einen solchen dar, der an die Stelle der Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung getreten ist. Die Klägerin hat insgesamt auf den Erlass eines Bebauungsplans verzichtet und die aus ihrer Sicht für die Durchsetzung ihrer Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen erforderliche "Feinsteuerung" allein mit vertraglichen Mitteln zu bewirken versucht. Eine umfassende Ermittlung und ein Ausgleich betroffener Belange sowie eine Öffentlichkeitsbeteiligung, wie sie jeweils in einem Bauleitplanverfahren erfolgt wären, war durch die hier gewählte Vorgehensweise nicht gewährleistet. Insofern liegt hier auch nicht der von Teilen der Literatur als zulässig angesehene Fall vor, in dem einzelne Festsetzungen, die auch in dem betreffenden Bebauungsplan vorgesehen werden könnten, stattdessen als planergänzende oder planersetzende Regelung Bestandteil einer vertraglichen Vereinbarung werden. Auch nach dieser Auffassung in der Literatur ist eine - wie hier - vollständige Flucht ins Vertragsrecht unzulässig und sind die jeweils vereinbarten oder vorgesehenen Vertragsinhalte in die Begründung zum Bebauungsplan aufzunehmen, um insbesondere den Erfordernissen der Öffentlichkeitsbeteiligung zu genügen (dazu im Einzelnen Reidt, BauR 2008, 1541, 1543 f.; ders., Festschrift für Krautzberger, 2008, 203, 209 f.; Krautzberger, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Kommentar, Band 1, Stand: Sept. 2011, § 11 Rdn. 166). Auch nach dieser Auffassung können städtebauliche Verträge demnach nur planergänzende, nicht aber einen Bebauungsplan gänzlich ersetzende Funktion haben. Ohne die - einzelfallabhängigen - Grenzen der Zulässigkeit vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten hier abschließend klären zu müssen, steht fest, dass sie jedenfalls vorliegend überschritten worden sind. Dass für das betreffende Gebiet ein Flächennutzungsplan existiert, den die Klägerin zur Steuerung der Windenergienutzung nicht als ausreichend erachtet hat, und über die Zulässigkeit der Vorhaben noch in einem Genehmigungsverfahren zu entscheiden war, führt zu keiner anderen Beurteilung.

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Für einen Formenmissbrauch spricht hier auch, dass sich die Klägerin durch das Ausweichen auf eine vertragliche Gestaltungsform bauplanungsrechtlichen Bindungen entzogen hat. Wie ausgeführt ist das RROP des Landkreises, das eine Vorrangfläche für raumbedeutsame Windkraftanlagen u.a. im Bereich der von der Beklagten gepachteten Flächen vorsieht, am 16. November 2000 in Kraft getreten. Hätte die Klägerin einen Bebauungsplan für das betreffende Gebiet aufgestellt, hätte sie das Vorliegen einer Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB erwägen müssen (BVerwG, Urteil vom 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25, [BVerwG 17.09.2003 - 4 C 14.01] [...] Rdn. 30 ff.; Beschluss vom 14.5.2007 - 4 BN 8.07 -, NVwZ 2007, 953, [...] Rdn. 4; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 20.6.2008 - 12 LA 126/07 -, BauR 2008, 2005). Vorliegend verhielt es sich mit Blick auf den in Streit stehenden städtebaulichen Vertrag vom 14. April 1999 wie folgt: Die Vertragsanpassung, die die (Rechtsvorgängerin der) Beklagten 2002/2003 im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene RROP anstrebte, hatte die Klägerin - wie dargelegt - abgelehnt. Ausweislich eines in ihren Beiakten befindlichen Vermerks vom 18. Juni 2002 sah sie "ein aktuelles Erfordernis für eine Neufassung des städtebaulichen Vertrages" wegen "einer noch ausstehenden Restnutzungsdauer" der bestehenden Windkraftanlagen nicht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin geprüft hat, ob und ggf. inwieweit dem Grunde nach eine Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB bestehen könnte. Dieses Unterlassen lief - unabhängig von den hier gegebenen Umständen und der Notwendigkeit, ggf. im konkreten Fall eine Anpassung vornehmen zu müssen - von vornherein darauf hinaus, § 1 Abs. 4 BauGB leerlaufen zu lassen. Dessen Regelungszweck liegt in der "Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz" zwischen der übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung. Die Pflicht zur Anpassung zielt auf dauerhafte Übereinstimmung der beiden Planungsebenen und kann auch eine kommunale Planungspflicht begründen (BVerwG, Urteil vom 19.9.2003 - 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25, [BVerwG 17.09.2003 - 4 C 14.01] [...] Rdn. 30 ff.; Beschluss vom 14.5.2007 - 4 BN 8.07 -, NVwZ 2007, 953, [BVerwG 14.05.2007 - BVerwG 4 BN 8.07] [...] Rdn. 4). Die Handhabung der Klägerin stellte diese umfassende materielle Konkordanz nicht sicher, sondern nahm entstehende Divergenzen in Kauf.

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Gegen die Zulässigkeit der hier getroffenen vertraglichen Regelung spricht weiter die fehlende Konfliktbewältigung (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 23.1.2002 - 4 BN 3.02 -, NVwZ-RR 2002, 329, [...] Rdn. 7; Beschluss vom 18.5.1994 - 4 NB 15.94 -, BauR 1994, 485, [...] Rdn. 15; Nds. OVG, Urteil vom 12.1.2011 - 1 KN 28/10 -, NdsVBl 2011, 245, [...] Rdn. 222 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.9.2009 - 3 S 1773/07 -, BauR 2010, 753, [...] Rdn. 47 ff.). Es war von vornherein absehbar, dass sich der von der Klägerin intendierte Interessenausgleich nicht wirkungsvoll in der vertraglich vorgesehenen Weise würde sichern lassen. Der städtebauliche Vertrag wirkt grundsätzlich - und auch hier - nur zwischen den Vertragsparteien. Dies macht es regelmäßig unerlässlich, festsetzungsergänzende bzw. festsetzungsersetzende vertragliche Regelungen, soweit sie zulässig sind (dazu bereits oben), durch Baulasten und ranggerechte Dienstbarkeiten sicherzustellen (Bank, in: Brügelmann, BauGB, Kommentar, Band 2, Stand: Okt. 2011, § 11 Rdn. 50). Mit Blick auf das "multilateral" ausgerichtete Interesse der Klägerin an einer "Feinsteuerung" wären entsprechende Maßnahmen auch hier unentbehrlich gewesen. Das zeigt der vorliegende Fall. Für die Lösung des von der Klägerin gesehenen Konflikts hat sich der Vertrag als untauglich erwiesen. Dass - wie die Klägerin geltend macht - seinerzeit nur ein Investor, die C. Wind KG, vorhanden gewesen ist, ändert hieran ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die Klägerin im Hinblick auf die Beeinträchtigungen ihrer planerischen Konzeption eine Vertragsstrafe kassiert hat bzw. - wie hier - noch geltend macht.

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2. Dem Senat war es auch nicht verwehrt, die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags vom 14. April 1999 im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu prüfen. Dieser Prüfung stand nicht die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 19. Oktober 2004 (- 2 A 169/03 -), in dessen Tenor die (damalige) Beklagte (infolge der Errichtung einer nicht vertragskonformen weiteren Windenergieanlage durch die K. mbH) verurteilt wurde, an die Klägerin 25.564,59 EUR zu zahlen, entgegen. Die den Gründen des Urteils vom 19. Oktober 2004 zu entnehmende Auffassung des Verwaltungsgerichts, der städtebauliche Vertrag vom 14. April 1999 sei wirksam, nimmt nicht an der Rechtskraft des Urteils teil. Gemäß § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegen-stand entschieden worden ist. Die zitierte Vorschrift entfaltet Wirkungen bei einer Identität der Streitgegenstände. Sie verhindert, dass ein Streitgegenstand, über den bereits rechtskräftig entschieden worden ist, in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Beteiligten einer erneuten Sachprüfung zugeführt wird (s. etwa BVerwG, Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24, [BVerwG 10.05.1994 - 9 C 501/93] [...] Rdn. 9; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 17. Aufl., 2011, § 121 Rdn. 10; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 3. Aufl., 2010; § 121 Rdn. 42 ff. jew. m.w.N.).

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Vorliegend geht es nicht um denselben Streitgegenstand wie im Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2004. Der Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, also den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (BVerwG, Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24, [...] Rdn. 9 m.w.N.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2004 betraf - wie ausgeführt - eine Vertragsstrafe infolge der Errichtung einer nicht vertragskonformen weiteren Windenergieanlage durch die K. mbH. Im vorliegenden Fall geht es um die abermalige Verurteilung zu einer Vertragsstrafe infolge der späteren Errichtung von zwei weiteren nicht vertragskonformen Windenergieanlagen durch die L. GbR.

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Auch eine Bindungswirkung in Bezug auf die jeweils zu beurteilende Vorfrage der Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags vom 14. April 1999 liegt nicht vor. Eine Bindungswirkung tritt in den Fällen ein, in denen die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Umfang der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess, für den wiederum der seinerzeitige Streitgegenstand maßgebend ist. Rechtskräftig wird nur die Feststellung der Rechtsfolge als Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz. Die Rechtskraft ist auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils beschränkt, also die im Entscheidungssatz des Urteils sich verkörpernde Schlussfolgerung aus Rechtsnorm und Lebenssachverhalt. Hingegen erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf die einzelnen Urteilselemente, mithin nicht auf die tatsächlichen Feststellungen, die Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale, die der Entscheidung zugrunde liegenden vorgreiflichen Rechtsverhältnisse, sonstige Vorfragen sowie die Schlussfolgerungen, auch wenn diese für die Entscheidung tragend gewesen sind. Das bedeutet, dass sich die Rechtskraftwirkung eines Urteils nur dann auf einen zwischen denselben Beteiligten anhängigen anderen prozessualen Anspruch erstrecken kann, wenn die im Urteilsausspruch zum Ausdruck kommende Rechtsfolge - hier also die im Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 19. Oktober 2004 ausgesprochene (erstmalige) Verurteilung zu einer Vertragsstrafe - im dargestellten Sinn für diesen anderen Anspruch (hier die abermalige Verurteilung zu einer Vertragsstrafe) vorgreiflich ist. Das ist hier nicht der Fall. Die rechtliche Vorfrage (die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags), die sowohl für den rechtskräftig entschiedenen als auch für den zu beurteilenden Anspruch von Bedeutung ist, begründet eine Vorgreiflichkeit in diesem Sinne grundsätzlich nicht. Sie wird von der Rechtskraft ausnahmsweise dann erfasst, wenn von der Möglichkeit einer (Zwischen-)Feststellungsklage Gebrauch gemacht wurde (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 18.9.2001 - 1 C 4.01 -, BVerwGE 115, 111, [...] Rdn. 13 ff.; Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501.93 -, BVerwGE 96, 24, [...] Rdn. 10; Beschluss vom 29.1.1992 - 4 NB 22.90 -, NVwZ 1992, 662, [...] Rdn. 9, jew. mit umfangreichen Nachweisen aus der Rspr.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, Kommentar, 15. Aufl., 2010, § 121 Rdn. 8; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Band 2, Stand: Sept. 2011, § 121 Rdn. 47 f.). So liegt es hier nicht. Einen auf die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags bezogenen Feststellungsausspruch hat das Verwaltungsgericht im Tenor seines Urteils vom 19. Oktober 2004 nicht getroffen.

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3. Unabhängig von der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob es der Beklagten wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (ihrer Rechtsvorgängerin) verwehrt sei, sich auf Bedenken gegen die Wirksamkeit des städtebaulichen Vertrags vom 14. April 1999 zu berufen, ist der Senat verpflichtet, dessen - oben festgestellte - Unwirksamkeit zu beachten. Ohne dass es danach noch entscheidend darauf ankommt, hat sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten aber auch nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Soweit die Klägerin dieser widersprüchliches Verhalten vorwirft, gilt: Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Die Parteien dürfen etwa auch ihre Rechtsansichten ändern. Als rechtsmissbräuchlich gilt widersprüchliches Verhalten erst dann, wenn für den anderen Teil (hier die Klägerin) ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Gründe die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 70. Aufl., 2011, § 242 Rdn. 55 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

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Selbst wenn man mit der Klägerin ein widersprüchliches Verhalten der (vormaligen) Beklagten darin sehen wollte, dass Letztere sich im Zusammenhang mit der weiteren Vereinbarung vom 24. Juni 2008 auf eine einvernehmliche Aufhebung des Vertrags vom 14. April 1999 eingelassen habe, was eine Wirksamkeit des Vertrags voraussetze, sie sich im vorliegenden Verfahren demgegenüber auf eine Unwirksamkeit berufe, gibt es keine Anhaltspunkte für einen Vertrauenstatbestand der Klägerin. Im Zeitpunkt der Aufhebung des Vertrags infolge der Vereinbarung vom 24. Juni 2008 lief das Berufungszulassungsverfahren 12 LA 331/07. Der Klägerin war bekannt, dass und aus welchen Gründen die Beklagte die Wirksamkeit des Vertrags vom 14. April 1999 anzweifelte. Die Vereinbarung vom 24. Juni 2008 stellt nicht etwa einen Vergleichsvertrag in dem Sinne dar, dass zur Abgeltung aller Forderungen und Beseitigung aller Unsicherheiten auf erhobene oder noch mögliche Rechtsbehelfe verzichtet werde. Woraus die Klägerin folgert, die (jeweilige) Beklagte werde von einer Weiterverfolgung ihrer Rechte im Berufungszulassungs- und im anschließenden Berufungsverfahren absehen bzw. sich nicht weiter auf eine Unwirksamkeit des Vertrags vom 14. April 1999 berufen, ist nicht ersichtlich. Für einen entsprechenden Vertrauenstatbestand spricht nichts.

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Die Rechtsausübung der Beklagten erscheint auch nicht aus anderen besonderen Gründen als treuwidrig. Es gibt keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass sie aus ihrem früheren Verhalten erhebliche Vorteile gezogen oder ihr Verhalten insgesamt zu einem unlösbaren Selbstwiderspruch geführt hätte (zu diesen Fallgruppen Grüneberg, in: Palandt, BGB, Kommentar, 70. Aufl., 2011, § 242 Rdn. 57 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten erstmals 2002 um eine Vertragsanpassung bemüht hat. Der Klägerin kann nicht verborgen geblieben sein, dass es aus Sicht der Vertragspartnerin Probleme im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis gab. Vor diesem Hintergrund musste sie mit entsprechenden "rechtlichen Weiterungen" rechnen.