Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.03.2012, Az.: 2 ME 161/12

Anspruch eines im Studiengang Humanmedizin nicht immatrikulierten Studierenden auf Zulassung zu einzelnen scheinpflichtigen Lehrveranstaltungen und Leistungskontrollen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.03.2012
Aktenzeichen
2 ME 161/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 15259
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:0320.2ME161.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 20.02.2012 - AZ: 4 B 195/11

Fundstellen

  • DÖV 2012, 608
  • NVwZ-RR 2012, 6
  • NVwZ-RR 2012, 689
  • NdsVBl 2012, 223-224

Amtlicher Leitsatz

Ein Anspruch eines im Studiengang Humanmedizin nicht immatrikulierten Studierenden auf Zulassung zu einzelnen scheinpflichtigen Lehrveranstaltungen und Leistungskontrollen in diesem Studiengang, um dadurch einen beabsichtigten Wechsel in diesen Studiengang oder ein beabsichtigtes Zweitstudium in diesem Studiengang zu erleichtern, folgt weder aus der Studierfreiheit des § 4 Abs. 4 S. 1 HRG noch aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin ist im 2. Fachsemester im Studiengang Zahnmedizin an der Antragsgegnerin immatrikuliert. Sie begehrt mit dem vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, sie vorläufig (nunmehr) am 22. März 2012 zur Klausur innerhalb des im Rahmen des Studiengangs Humanmedizin angebotenen scheinpflichtigen Praktikums "Biologie für Mediziner", dessen Veranstaltungen sie entgegen den Aufforderungen der Antragsgegnerin zuvor besucht hat, zuzulassen, weil sie mit Blick auf die von ihr angestrebte Ausbildung zur Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgien neben einem Abschluss in Zahnmedizin auf einen solchen in Humanmedizin angewiesen sei und deshalb beabsichtige, sich auch in letzteren Studiengang einschreiben zu lassen.

2

Nachdem das Verwaltungsgericht diesen Antrag mit Beschluss vom 20. Februar 2012 mangels Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch abgelehnt hat, verfolgt sie ihr Begehren mit der Beschwerde weiter.

3

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

4

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass - ungeachtet der Frage, ob der Antragstellerin ein Anordnungsgrund zur Seite steht - (jedenfalls) ein Anordnungsanspruch nicht besteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Antragstellerin stehe das Recht auf Teilnahme an sämtlichen von der Antragsgegnerin angebotenen Lehrveranstaltungen einschließlich der diese abschließenden Prüfungen nicht aus ihrer Stellung als Studierende an der Antragsgegnerin zu. Zwar umfasse die Freiheit des Studiums auch die freie Wahl von Lehrveranstaltungen. Diese Studierfreiheit sei aber zum einen studiengangsbezogen, sodass sich ein Studierender lediglich innerhalb des Studiengangs, in dem er immatrikuliert sei, Lehrveranstaltungen frei wählen könne. Zum anderen beschränke die Studienordnung der Antragsgegnerin für den Studiengang Humanmedizin den Zugang zu der genannten Lehrveranstaltung in zulässiger Weise auf Studierende des kapazitätsbeschränkten Studiengangs Humanmedizin. Der Senat macht sich diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

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Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, auf dessen Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt ein anderes Ergebnis nicht.

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1.

Soweit die Antragstellerin zum einen die Reichweite der Studierfreiheit unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur ausdehnt und anführt, ein Studierender könne mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG nach allgemeinem, weitgehend ungeschriebenem Recht auch Lehrveranstaltungen der Hochschule außerhalb des gewählten Studiengangs - vorbehaltlich des in der Studienordnung vorgeschriebenen vorherigen Bestehens bestimmter Leistungskontrollen und mit der Ausnahme von Lehrveranstaltungen in dem medizinischen Studiengang, in denen Patienten vorgestellt würden - frei wählen, folgt der Senat dem nicht. Bereits mit Beschluss vom 10. Januar 2011 - 2 ME 461/10 - (NVwZ-RR 2011, 368 = [...] Langtext Rdnr. 8) hat der Senat ausgeführt, dass die freie Wahl der Lehrveranstaltungen studiengangsbezogen ist, sodass sich ein Studierender lediglich innerhalb des Studiengangs, in dem er immatrikuliert ist, Lehrverstaltungen - innerhalb der Kapazitäten - frei auswählen kann (so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.7.1983 - 10 OVG B 802/83 -, DVBl. 1984, 280; Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.11.1979 - 7 Ce-13186/79 u. a. -, NJW 1980, 662; Hessischer VGH, Beschl. v. 12.10.1982 - VI TG 1047/82 -, [...] Kurztext; Reich, HRG, 10. Aufl. 2007, § 4 Rdnr. 30; ; Peine, in: Knopp/Peine, Brandenburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2010, § 4 Rdnr. 50; Lindner, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 2. Aufl. 2011, S. 568 Rdnr. 163). Hieran wird auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Antragstellerin festgehalten. Ein Studierender hat daher einen Rechtsanspruch auf Teilnahme an einer Prüfung in einem scheinpflichtigen Fach nur in dem Studiengang, für den er eingeschrieben ist, nicht aber auch in dem Studiengang, dessen fachfremde Lehrveranstaltungen er besucht (so auch OVG Saarlouis, Beschl. v. 17.3.1998 - 8 V 6/98 -, [...] Langtext Rdnr. 5 für das dortige Landesrecht). Soweit die von der Antragstellerin angeführte Rechtsprechung (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.1.2009 - 13 B 1893/08 -, [...] Langtext Rdnr. 10 zu § 59 Abs. 1 HR NRW; Beschl. v. 9.10.1979 - 6 L 360/79 -, KMK-HSchR 1980, 188; VG München, Beschl. v. 13.1.1986 - M 10 E 85.5909 -, KMK-HSchR 1986, 890; VG Frankfurt, Beschl. v. 22.5.1981 - V/2 G 2713/81 -, KMK-HSchR 1981, 641; VG Schleswig, Beschl. v. 11.5.1981 - 9 D 256/81, KMK-HSchR 1981, 780; ) und Literatur (Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rdnr. 364) eine andere Auffassung vertreten, und grundsätzlich von dem Recht eines Studierenden auf den Besuch aller, auch fachfremder Lehrveranstaltungen ausgehen, die indes durch die Prüfungsordnung eingeschränkt werden könne, folgt der Senat dem nicht. Eine dem § 59 Abs. 1 des Hochschulgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen vergleichbare Norm, wonach das (grundsätzlich bestehende) Recht zum Besuch von Lehrveranstaltungen außerhalb des gewählten Studiengangs durch den Fachbereich unter bestimmten Voraussetzungen eingeschränkt werden kann, existiert im niedersächsischen Landesrecht nicht. Zudem beinhaltet die in § 4 Abs. 4 Satz 1 HRG normierte freie Wahl von Lehrveranstaltungen im Anschluss an das traditionelle deutsche Hochschulrecht grundsätzlich nur das Recht der Studierenden, fachfremde Lehrveranstaltungen lediglich zur Abrundung seiner Fachrichtung und Vertiefung seiner allgemeinen Bildung zu besuchen (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.11.1979 - 7 Ce-13186/79 u. a. -, a. a. O.; Hessischer VGH, Beschl. v. 12.10.1982 - VI TG 1047/82 -, a. a. O.). Auf diese so verstandene weiterhin grundsätzlich bestehende Studierfreiheit kann sich die Antragstellerin indes nicht berufen. Denn sie will die Leistungskontrolle in dem Praktikum "Biologie für Mediziner" erklärtermaßen nicht lediglich zur Vervollständigung ihrer Allgemeinbildung oder zur Abrundung ihres Studiums, für das sie eingeschrieben ist, ableisten, sondern faktisch mit dem Studium der Humanmedizin beginnen und neben dem Studium der Zahnmedizin das von ihr ebenfalls angestrebte Studium der Humanmedizin betreiben.

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2.

Ungeachtet dessen besteht aber auch nach der von der Antragstellerin angeführten Rechtsprechung im vorliegenden Fall kein Anordnungsanspruch. Denn die Studienordnung der Antragsgegnerin für den Studiengang Humanmedizin (Amtliche Mitteilungen der Antragsgegnerin Nr. 2/2004 v. 25.3.2004 in der Gestalt der Änderung Nr. 23 v. 25.7.2011) beschränkt den Zugang zu der genannten Lehrveranstaltung - dies gilt folgerichtig auch für die Teilnahme an der diese Lehrveranstaltung abschließenden Leistungskontrolle - in zulässiger Weise auf Studierende des Studiengangs Humanmedizin. Nach § 4 Abs. 1 der Anlage 1 dieser Studienordnung sind für eine scheinpflichtige Veranstaltung - zu der das hier in Rede stehende Praktikum gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 der Anlage 1 gehört - (nur) alle Regelstudierenden des Studiengangs Humanmedizin gemäß § 6 der Studienordnung sowie alle Studierenden, die in einem höheren Semester als dem Regelstudiensemester eingeschrieben sind und die nicht schon einmal für diese Veranstaltung zugelassen wurden, zuzulassen. Der Senat versteht diese Bestimmung wie das Verwaltungsgericht als Ausschlussregelung und nicht - wie die Antragstellerin meint - als bloße Vorrangregelung. Dies ergibt sich neben dem eindeutigen Wortlaut bereits daraus, dass in § 4 Abs. 2 bis 4 der Anlage 1 lediglich Vorkehrungen für den Fall getroffen werden, dass nicht alle zugangsberechtigten Studierenden einen Platz erhalten.