Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.03.2012, Az.: 11 ME 44/12
Statthaftigkeit einstweiligen Rechtsschutzes hinsichtlich der Versagung der Erlaubnis für das Halten eines gefährlichen Hundes nach § 8 NHundG
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.03.2012
- Aktenzeichen
- 11 ME 44/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 11377
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0305.11ME44.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 26.01.2012 - AZ: 6 B 4/12
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 8 NHundG
Amtlicher Leitsatz
Hinsichtlich der Versagung der Erlaubnis für das Halten eines gefährlichen Hundes nach § 8 NHundG ist einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
Die Antragstellerin ist Halterin des Rottweilerrüden "Sayles". Mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 stellte der Antragsgegner die Gefährlichkeit des Hundes gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 NHundG (a.F.) fest und ordnete an, dass dieser bis zur Erteilung der für die Hundehaltung erforderlichen Erlaubnis außerhalb des ausbruchsicheren Grundstücks angeleint und mit Maulkorb nur von einer Person geführt werden dürfe, die eine Bescheinigung für die Beantragung der Erlaubnis zum Halten des gefährlichen Hundes mit sich führe. Die Antragstellerin erhob gegen diesen Bescheid Klage und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Mit Beschluss vom 26. November 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab (6 B 43/10), die dagegen erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 4. Januar 2011 zurück (11 ME 525/10). Das Klageverfahren wurde nach Nichtbetreiben des Verfahrens durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10. Mai 2011 eingestellt (6 A 238/10).
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 14. Dezember 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin vom 2. November 2011 auf Erteilung einer Erlaubnis zum Halten und Führen eines gefährlichen Hundes ab und forderte diese unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und der Androhung eines Zwangsgeldes auf, den Hund "Sayles" innerhalb von zwei Wochen an ein Tierheim oder eine andere Person abzugeben. Die Antragstellerin hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben (6 A 16/12), über die noch nicht entschieden worden ist, und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung angeführt, dass sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht gegen die Ablehnung der beantragten Erlaubnis zum Halten und Führen eines gefährlichen Hundes richte. Der Antragsgegner habe durch den bestandskräftigen Bescheid vom 28. Oktober 2010 festgestellt, dass der Hund "Sayles" ein gefährlicher Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 NHundG sei, so dass das Halten dieses Hundes nach § 8 Abs. 1 NHundG der Erlaubnis der Fachbehörde bedürfe. Der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis sei mit dem angefochtenen Bescheid abgelehnt worden. Damit sei auch die Fiktionswirkung des § 9 Satz 2 NHundG erloschen, wonach bei Beantragung einer Erlaubnis das Halten des gefährlichen Hundes bis zur Entscheidung über den Antrag als erlaubt gelte. Die Antragstellerin dürfe seit der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis den Hund daher nicht mehr halten. Die Anordnung, den Hund an ein Tierheim oder an eine andere Person abzugeben, sei auch verhältnismäßig und räume ihr ein Wahlrecht ein.
Die von der Antragstellerin vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Soweit sich die Antragstellerin auf ihr erstinstanzliches Vorbringen bezieht und geltend macht, dass der die Gefährlichkeit ihres Hundes "Sayles" feststellende Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2010 auf Fehlern beruhe und, soweit es die Art und Weise der Gefährlichkeitsfeststellung angehe, verfassungswidrig sei, weil in jenem Verfahren nicht die Möglichkeit bestanden habe, vor der Feststellung der Gefährlichkeit ihres Hundes diese z.B. durch einen Wesenstest zu widerlegen, fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung der Beschwerdegründe nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, die eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung voraussetzt. Wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, ist die Gefährlichkeit ihres Hundes "Sayles" durch den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2010 rechtskräftig festgestellt worden, so dass die Antragstellerin dagegen im vorliegenden Verfahren nicht mehr vorgehen kann. Im Übrigen hat der Senat mit Beschluss vom 4. Januar 2011 (11 ME 525/10), mit dem er die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. November 2010 zurückgewiesen hat, entschieden, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2010 nicht zu beanstanden ist.
Das Vorbringen der Antragstellerin, dass die Versagung der Erlaubnis wesentlich auf Fehlern bei der Feststellung des zugrunde liegenden Sachverhalts beruhe, weil es einen erheblichen Unterschied mache, ob ein Hund "eingesetzt" werde, um eine Körperverletzung oder eine Sachbeschädigung zu begehen und daher allein aus ihrer Verurteilung nicht auf ihre Unzuverlässigkeit geschlossen werden könne, führt ebenfalls nicht zum Erfolg ihrer Beschwerde.
Dabei ist zunächst vorauszuschicken, dass die Antragstellerin mit ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2011 bisher nur einen Anfechtungsantrag gestellt hat. Da sie sich nach ihrem nach § 88 VwGO auszulegenden Klagebegehren nicht nur gegen die angeordnete Abgabe ihres Hundes, sondern auch gegen die Versagung der Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes wendet, wäre ein isolierter Anfechtungsantrag insofern unzureichend. Die Antragstellerin müsste vielmehr, um ihr Rechtsschutzziel vollständig erreichen zu können, auch einen Verpflichtungsantrag auf Erteilung einer Erlaubnis stellen. Dies ist aber im laufenden Klageverfahren noch bis zur mündlichen Verhandlung möglich.
Der von der Antragstellerin gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht nur hinsichtlich der angeordneten Abgabe des Hundes "Sayles" und der Androhung eines Zwangsgeldes, sondern auch hinsichtlich der Versagung der Erlaubnis für das Halten eines gefährlichen Hundes statthaft. Nach § 9 Satz 2 NHundG gilt, wenn die Erlaubnis beantragt wird, das Halten des gefährlichen Hundes bis zur Entscheidung über den Antrag als erlaubt. Da die Klage gegen die Versagung der Erlaubnis nach § 10 Abs. 5 NHundG keine aufschiebende Wirkung hat und mit der Ablehnung des Antrags daher sofort die Erlaubnisfiktion nach § 9 Satz 2 NHundG entfällt, kann der Hundehalter durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO vorläufigen Rechtsschutz erlangen.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2011 gerichtete Klage aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
Der Antragsgegner hat mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Erlaubnis zum Halten ihres gefährlichen Hundes "Sayles" abgelehnt. Das Halten eines Hundes, dessen Gefährlichkeit nach § 7 NHundG festgestellt worden ist, bedarf nach § 8 Abs. 1 NHundG der Erlaubnis der Fachbehörde. Hier ist die Gefährlichkeit des Hundes "Sayles" der Antragstellerin durch den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2010 festgestellt worden. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 b) NHundG ist die Erlaubnis nach § 8 NHundG nur zu erteilen, wenn die Hundehalterin oder der Hundehalter die zum Halten eines Hundes erforderliche Zuverlässigkeit (§ 11) und persönliche Eignung (§ 12) besitzt.
Nach dem vorliegenden Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 11 NHundG nicht besitzt, so dass ihr schon deshalb keine Erlaubnis erteilt werden kann. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 NHundG besitzt die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer wiederholt oder gröblich gegen Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen hat. Beides ist bei der Antragstellerin der Fall.
Dass die Antragstellerin gröblich gegen Vorschriften des NHundG verstoßen hat, ergibt sich aus dem Urteil des Landgerichts B. vom 19. Oktober 2010, mit dem die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts C. vom 1. April 2010 verworfen worden ist. Das Amtsgericht C. hat die Antragstellerin mit dem genannten Urteil wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt. Nach den aufgrund einer umfangreichen Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Landgerichts B. band die Antragstellerin am 25. Dezember 2009 ihren Rottweilerrüden "Sayles" los, nachdem sie ihn zuvor mit einer Reitgerte geschlagen hatte, und veranlasste ihn mittels einer Handbewegung und eines mündlich erteilten Kommandos, auf zwei Frauen und deren Hund, einen kleineren Mischling, loszugehen. Der Hund der Antragstellerin stürzte sich daraufhin auf den anderen Hund, biss diesen und verletzte ihn schwer am Bein, was die Antragstellerin billigend in Kauf nahm. Die Antragstellerin unterließ es weiterhin trotz der Hilferufe der beiden Frauen, gegen den von ihr losgebundenen Hund einzuschreiten. Zudem äußerte sie beim Anblick des verletzten, stark blutenden Hundes kein Bedauern, sondern gab mit den Worten "Das habt ihr nun davon" zu verstehen, dass sie das Verhalten ihres Hundes billigte und den beiden Frauen die Schuld für den Vorfall gab. Nach § 2 NHundG sind Hunde so zu halten und zu führen, dass von ihnen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Antragstellerin hat dadurch, dass sie ihren Hund mit der Reitgerte geschlagen, ihn losgebunden und ihm dann noch das Kommando gegeben hat, auf die Frauen und deren Hund loszugehen, gröblich gegen diese Vorschrift verstoßen, da sie durch ihr eigenes Verhalten die von ihrem Hund ausgehende Gefahr noch erheblich vergrößert hat.
Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, aus der Verurteilung könne nicht auf ihre Unzuverlässigkeit geschlossen werden, kann dem aus den vorstehenden Erwägungen nicht gefolgt werden. Dass der Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid angegeben hat, die Antragstellerin sei wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden, beruht ganz offensichtlich auf einem Versehen, wie sich schon aus der Wiedergabe des Sachverhalts, der zu der Verurteilung geführt hat, ergibt und von dem Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren auch ausdrücklich klargestellt worden ist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann ein gröblicher Verstoß jedenfalls nicht deshalb verneint werden, weil es dabei "nur" zu einer Sachbeschädigung (durch Verletzung eines lebenden Hundes) und nicht zu einer Verletzung von Personen gekommen ist.
Weiterhin hat die Antragstellerin wiederholt gegen Vorschriften des NHundG verstoßen, indem sie ihren Hund "Sayles" am 15. Dezember 2010 und am 28. April 2011 ohne Maulkorb spazieren führte. Denn ein Hund, dessen Gefährlichkeit wie hier durch den Bescheid des Antragsgegners vom 28. Oktober 2010 festgestellt worden ist, ist ab Feststellung der Gefährlichkeit außerhalb ausbruchsicherer Grundstücke anzuleinen und hat einen Beißkorb zu tragen (§ 9 Satz 4 NHundG).
Zudem hat es nach Mitteilung des Antragsgegners am 26. Februar 2012 erneut einen Zwischenfall gegeben, bei dem zwei von der Antragstellerin geführte Rottweiler, die keinen Maulkorb trugen, ohne Vorwarnung einen anderen Hund gebissen und erheblich verletzt haben sollen. Die Trennung der Hunde soll nicht durch die Antragstellerin, sondern durch die Halter des anderen Hundes erfolgt sein. Auch dieser Vorfall dürfte gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin sprechen.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch bezüglich der angeordneten Abgabe des Hundes "Sayles" an ein Tierheim oder eine andere Person nicht begründet, da sich diese nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts als offensichtlich rechtmäßig erweist. Die Antragstellerin hat dagegen auch keine Beschwerdegründe geltend gemacht. Gleiches gilt hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes, die ebenfalls rechtmäßig erfolgt ist.