Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.03.2012, Az.: 4 LC 143/09
Erstattung gewährter Jugendhilfe in der Form der Inobhutnahme und der stationären Unterbringung eines Kindes in einem Kinder- und Jugendheim
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 14.03.2012
- Aktenzeichen
- 4 LC 143/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 12532
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0314.4LC143.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 27 SGB VIII
- § 28 SGB VIII
- § 36 SGB VIII
- § 87 SGB VIII
- § 89b Abs. 1 SGB VIII
Redaktioneller Leitsatz
"Leistung", an deren Beginn § 86 Abs. 2 S. 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpft, sind unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind; eine kurzfristige Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten hat jedoch nach den insoweit entsprechend anzuwendenden §§ 86 Abs. 7 S. 4, 86a Abs. 4 S. 2, 86b Abs. 3 S. 2 SGB VIII außer Betracht zu bleiben. Das gilt auch dann, wenn sich bei einem auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden. Es kommt insofern allein darauf an, ob sich die Hilfegewährung ungeachtet aller Modifikationen, Ergänzungen und Änderungen noch als Fortsetzung der ursprünglichen Leistung darstellt oder vielmehr der Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfes dient.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten der für A. B. in der Zeit vom 17. November 2005 bis zum 28. Februar 2007 geleisteten Jugendhilfe.
Der am 14. September 1994 in C. geborene A. B. verzog nach der Trennung seiner Eltern, die beide sorgeberechtigt sind, im November 2002 mit seinem Vater nach Meißen. Dort gewährte der Beigeladene in den Jahren 2003 bis 2005 verschiedene ambulante Jugendhilfeleistungen. In der Zeit von August 2003 bis August 2005 leistete er aufgrund seiner an die Eltern gerichteten Bescheide vom 9. September 2003 Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsberatung gemäß §§ 27, 28 SGB VIII. Im Oktober / November 2003 erstellte sein Jugendamt einen Hilfeplan gemäß § 36 SGB VIII. Außerdem übernahm er durch Bescheid vom 15. November 2004 für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2004 und durch Bescheid vom 17. August 2005 für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Mai 2005 den Elternbeitrag für die Inanspruchnahme einer Kindertagesstätte. Wegen Verhaltensauffälligkeiten, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf begründeten, besuchte A. B. die Förderschule in Meißen. Ausweislich des fortgeschriebenen Hilfeplans des Jugendamtes des Beigeladenen vom 26. Juli 2005 kam es sowohl in der Schule, wo er nach der Absetzung von Medikamenten im Juli 2005 aus dem Fenster gesprungen war, als auch im Kinderhort zu Konfliktsituationen; eine Fortsetzung der Erziehungsberatung gemäß § 28 SGB VIII wurde deshalb als geeignet und notwendig angesehen. Nachdem der Vater des Kindes das Jugendamt des Beigeladenen darüber unterrichtet hatte, dass sein Sohn nach einem Ferienaufenthalt bei seiner Mutter nicht mehr in seinen Haushalt zurückkehren werde, stellte der Beigeladene die Gewährung der Hilfe zur Erziehung durch an die Eltern gerichtete Bescheide vom 26. August 2005 ein.
Am 21. Juli 2005 wurde A. von seiner Mutter in Lingen angemeldet. Nach dem Umzug zeigten sich bei ihm erneut Verhaltensauffälligkeiten. Er musste nach kurzer Zeit die Regelschule in Lingen verlassen, weil er versucht hatte, mit einer Lupe ein Feuer zu machen, und keine Regeln akzeptierte. Ab dem Beginn des Schuljahres 2005 / 2006 wurde er von einer beim Jugendamt der Beklagten tätigen Sozialpädagogin pädagogisch betreut und begleitet. Diese führte unter anderem am 2. August 2005 ein Gespräch mit der Kindesmutter und ihrem neuen Ehemann, bei dem auch A. anwesend war, und am 31. August 2005 ein Gespräch u. a. mit der Kindesmutter, einer Lehrerin von A. und dem Leiter der Schule, die A. zu diesem Zeitpunkt besuchte. Um 5. September 2005 führte sie außerdem einen Hausbesuch bei der Kindesmutter durch. A. wurde ferner gemeinsam mit seinen Geschwistern stundenweise von einer Tagesmutter betreut, deren Kosten von der Beklagten getragen wurden. Nach der Rücksprache der Sozialpädagogin mit der Kindesmutter wurde er auf einer staatlich anerkannten Ersatzschule eingeschult. Dort wurde er für die Zeit vom 7. bis 10. November 2005 wegen massiver Auffälligkeiten (Bedrohung anderer Kinder mit dem Messer, Drohung aus dem Fenster zu springen etc.), wegen der die Förderschule unter dem 22. November 2005 eine unterstützende sozialintegrative Einzelförderung beim Jugendamt der Beklagten beantragte, vom Unterricht suspendiert.
Am 9. November 2005 wurden A. und seine Geschwister durch das Jugendamt der Beklagten in Obhut genommen, nachdem seine Mutter und ihr neuer Ehemann im Beisein der Kinder stark alkoholisiert Auto gefahren waren. Am 10. November 2005 wurden die Kinder zur Kindesmutter zurückgebracht, nachdem diese sich bereit erklärt hatte, eine sozialpädagogische Familienhilfe für zehn Stunden wöchentlich zu akzeptieren. Beim ersten vereinbarten Besuch durch eine Mitarbeiterin der Beklagten am 15. November 2005 wurde jedoch niemand angetroffen, da die Familie die Wohnung fluchtartig verlassen hatte und bei einer ihr bekannten Familie in Lengefeld im Zuständigkeitsbereich des Klägers untergetaucht war. Durch Beschluss des Familiengerichts Lingen vom 17. November 2005 wurde den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder vorläufig entzogen und dem Jugendamt der Beklagten als Pfleger übertragen. A. und seine Geschwister wurden noch am selben Tag durch das Jugendamt des Klägers in Obhut genommen und in das Kinder- und Jugendzentrum Haus D. in Lengefeld gebracht. Das Familiengericht Lingen hob durch Beschluss vom 23. November 2005 die vorläufige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts wieder auf, nachdem die Kindeseltern gegenüber dem Familiengericht erklärt hatten, die für das Wohl der Kinder notwendigen Maßnahmen mit zu tragen. A. verblieb danach zunächst in einer separaten Schutzstelle für Notunterbringungen bei Inobhutnahmen in dem Kinder- und Jugendzentrum in Lengefeld. Nachdem die Eltern sich mit seiner dortigen weiteren Unterbringung einverstanden erklärt und einen entsprechenden Antrag auf Gewährung von Jugendhilfe gestellt hatten, wurde A. in diesem Kinder- und Jugendzentrum ab dem 10. Januar 2006 stationär untergebracht und erstellte der Kläger am 14. März 2006 einen Hilfeplan gemäß § 36 SGB VIII. Am 1. März 2007 verzog die Kindesmutter mit ihrer Familie nach Chemnitz.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 14. März 2006 die Übernahme der für A. aufgewandten Kosten. Zur Begründung führte er aus, dass seine örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme sich aus § 87 SGB VIII ergebe. Für die daran anschließenden Jugendhilfeleistungen nach § 27 i.V.m. § 34 SGB VIII sei er gemäß § 86d SGB VIII zum vorläufigen Tätigwerden verpflichtet gewesen. Für die verauslagten Jugendhilfekosten werde Kostenerstattung von der Beklagten verlangt, weil A. im Sommer 2005 nach Lingen verzogen sei und dort bei seiner Mutter seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet habe. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 14. März 2007 ab und führte zur Begründung an, die Prüfung der Angelegenheit habe ergeben, dass eine fortdauernde Zuständigkeit des Beigeladenen gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII bestehe.
Nachdem der Kläger beim Beigeladenen ebenfalls erfolglos um Kostenerstattung nachgesucht hatte, hat er am 29. November 2007 Klage erhoben und zu deren Begründung vorgebracht, die Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen aufgewendet habe, seien gemäß § 89b SGB VIII von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet worden sei. A. habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner Mutter in Lingen gehabt, so dass die Beklagte für die Inobhutnahme und die daran anschließenden Leistungen als gemäß § 86 Abs. 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger kostenerstattungspflichtig sei. Eine Erstattungspflicht des Beigeladenen sei demgegenüber nicht ersichtlich, da dieser am 17. November 2005 Leistungen der Jugendhilfe für A. nicht erbracht habe. Die Einstellung der Leistungen durch den Beigeladenen im August 2005 sei wegen des Wohnortwechsels des Kindes nicht zu beanstanden. A. sei dem Jugendamt der Beklagten bereits seit August 2005 bekannt gewesen und man habe dort bereits umfangreiche Hilfen, wie beispielsweise sozialpädagogische Familienhilfe und sozialintegrative Einzelförderung, für das Kind ins Auge gefasst. In jedem Falle sei die Hilfegewährung durch ihn rechtmäßig gewesen, da beide sorgeberechtigten Elternteile einen entsprechenden Jugendhilfeantrag gestellt hätten und mit der Form der Hilfegewährung einverstanden gewesen seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm die in der Zeit vom 17. November 2005 bis 28. Februar 2007 für A. B. entstandenen Jugendhilfekosten in Höhe von 39.651,54 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und zur Begründung vorgetragen, ihrer Auffassung nach habe am 17. November 2005 noch eine Grundzuständigkeit des Beigeladenen nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII bestanden, weil zu diesem Zeitpunkt die vom Beigeladenen im Jahre 2003 begonnene Leistung der Jugendhilfe fortgeführt worden sei. A. habe vor seinem Umzug nach Lingen bei seinem Vater in Meißen im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und dort unterschiedliche Leistungen der Jugendhilfe erhalten. Für diese Leistungen sei zweifelsfrei die örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen gegeben gewesen. Der Minderjährige habe auch nach seinem Wohnortwechsel durchgängig Leistungen der Jugendhilfe benötigt. Nach seinem Zuzug in ihren Bereich habe man festgestellt, dass A. in seiner Entwicklung derart gestört sei, dass er ein engmaschiges Regelwerk benötige, um sein alltägliches Leben bewältigen zu können. Die notwendigen Hilfen seien durch ihr Jugendamt gewährt bzw. in die Wege geleitet worden. Alle Maßnahmen seien als einheitliche Jugendhilfeleistung zu sehen. Damit sei der Beigeladene nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zuständig geblieben und gegenüber dem Kläger kostenerstattungspflichtig, weil das Kind vor Leistungsbeginn am 20. August 2003 seinen gewöhnlichen Aufenthalt beim Kindesvater in Meißen gehabt habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte durch das angefochtene Urteil vom 23. April 2009 verurteilt, an den Kläger die für A. B. im Zeitraum vom 17. November 2005 bis 28. Februar 2007 entstandenen Jugendhilfekosten in Höhe von 39.651,54 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2007 zu zahlen, und zur Begründung ausgeführt:
"Die Klage ist als Leistungsklage zulässig und begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten als örtlichen und sachlichen Leistungsträger zu. Die sachliche Zuständigkeit der Beklagten ist nicht streitig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII, der auf den vorausgehenden Satz 1 Bezug nimmt. Demnach ist der Träger örtlich zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, bei dem das Kind seinerseits vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn - wie hier - beiden Elternteilen die Personensorge gemeinsam zusteht, sie aber verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben. Bei gemeinsamer Personensorge und verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten der Elternteile versagt die Personensorge als alleiniges Kriterium für die Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit. Die Zuständigkeitsüberprüfung bedient sich in diesen Fällen gem. § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII eines Hilfskriteriums, indem die Zuständigkeit dort begründet wird, wo das Kind oder der Jugendliche "vor Beginn der Leistung" zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies bedingt zweierlei Feststellungen: Zum einen ist unumgänglich, den Zeitpunkt "des Beginns der Leistung" festzustellen; zum anderen ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes festzustellen, wobei für die Bestimmung der Zuständigkeit der letzte gewöhnliche Aufenthalt maßgebend ist, der mit einem der gewöhnlichen Aufenthalte eines der Elternteile zusammenfällt.
Im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten streitig, auf welchen Zeitpunkt hier der "Beginn der Leistung" festzulegen ist. Dies hängt entscheidend mit der Fragestellung zusammen, was als "Leistung" im Sinne des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zu gelten hat. Zum Begriff "vor Beginn der Leistung" im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 SGB VIII hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 29.01.2004 (- 5 C 9.03 -, in BVerwGE 120, 116 ff.) Folgendes ausgeführt: ....
Bei Anlegung der hiernach vorgeschriebenen Gesamtbetrachtung ergibt sich Folgendes: Sieht man als "Beginn der Leistung", die A. in den Jahren 2003 bis 2005 vom Landkreis Meißen bewilligt wurden, so wäre die örtliche Zuständigkeit - worauf die Beklagte abhebt - hier verblieben und die Beklagte nicht kostenerstattungspflichtig. Unstreitig ist, dass A. bereits in Meißen eine Förderschule besuchte, weil Verhaltensauffälligkeiten sonderpädagogischen Förderbedarf geboten. Das Schulamt regte Erziehungsberatung und die Überweisung von A. in die Kinder- und Jugendpsychiatrie zur medikamentösen Einstellung an. Es fand eine intensive Erziehungsberatung statt und es wurde gem. § 36 SGB VIII im November 2003 ein Hilfeplan erstellt. Da A. einen häufigen Wechsel von Bezugspersonen erlebt hatte, war als Schwerpunkt der Erziehungsberatung vorgesehen, mit ihm Konfliktstrategien zu erarbeiten und zu trainieren. Die Erziehungsberatung wurde über das Frühjahr 2004 hinaus fortgesetzt und es wurde eine geeignete Einrichtung für die Betreuung von A. am Nachmittag gesucht und gefunden. A. wurde medikamentös eingestellt und im November 2004 sah man die Ausgestaltung der Hilfe in einer auslaufenden Phase, zumal der Vater von A. mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebte und beide bemüht waren, Erziehungsdefiziten in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Jugendamt zu begegnen. Bei weiterem positiven Hilfeverlauf war zu diesem Zeitpunkt die Beendigung der Hilfegewährung vorgesehen. Im Juli 2005 kam es jedoch wiederum in der Schule nach Absetzung der Medikamente zu erheblichen Verhaltensauffälligkeiten und Konfliktsituationen, so z.B. wollte A. aus dem Fenster springen etc.. Eine Fortsetzung der begleitenden Hilfe wurde als notwendig vom Landkreis Meißen angesehen. Aufgrund des Umzugs von A. wurde die Hilfe dann jedoch durch bestandskräftigen Bescheid vom 26.08.2005 eingestellt. Mit dem Umzug von A. kam es zu einer Unterbrechung der Hilfe, da der Landkreis Meißen - pflichtwidrig - das Jugendamt der Beklagten von A. s Verhaltensauffälligkeiten und der nach seiner Auffassung notwendigen Fortsetzung der begleitenden Hilfemaßnahmen nicht unterrichtete. Ähnliche Begleitung wie A. sie in Meißen erfuhr, wurde dann auch ab September durch das Jugendamt der Beklagten durchgeführt, da sich bei A., der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nunmehr bei der Mutter hatte, wiederum erhebliche Verhaltensauffälligkeiten zeigten, die unterschiedliche schulische Maßnahmen - Umschulung von der Regelschule auf die Förderschule, über Zurücksetzen von der 4. in die 3. Klasse bis hin zur Ausschulung - notwendig machten.
Zur Überzeugung der Kammer kann es offen bleiben, ob die Unterstützungsleistungen, die A. durch das Jugendamt der Beklagten bis zu seiner Inobhutnahme durch das Jugendamt in Lengefeld erfuhr, als Fortsetzung des in Meißen angelegten Hilfeprozesses angesehen werden kann. Gegen eine Fortsetzung könnte sprechen, dass die Hilfe in Meißen förmlich eingestellt wurde und es zu einer Leistungsunterbrechung kam. Insoweit ist festzuhalten, dass § 86 Abs. 2 SGB VIII keine Regelung trifft, ob und wenn ja ab wann eine Unterbrechung zur Änderung der Zuständigkeit führen soll. Solche Regelungen finden sich u.a. in § 86 Abs. 7 SGB VIII (betreffend Asylbewerber), in § 86 a Abs. 4 SGB VIII (betreffend junge Volljährige) und in § 86 b Abs. 3 SGB VIII (betreffend Wohnformen für Mütter/ Väter und Kinder), wonach Unterbrechungen der Hilfeleistungen von bis zu drei Monaten jeweils außer Betracht bleiben sollen. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 86 Abs. 2 SGB VIII gerade nicht. Inwieweit die genannten Umstände es ausschließen, die in Meißen begonnene Hilfe insoweit noch als einheitlichen Hilfeprozess anzusehen, kann jedoch vorliegend dahinstehen, da zur Überzeugung der Kammer mit der Aufnahme des A. im Kinder- und Jugendzentrum Haus D. in Lengefeld in jedem Fall ein qualitativ veränderter jugendhilferechtlicher Bedarf deutlich wird, der nicht nur die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfs verschiebt, sondern eine qualitativ völlig andere Hilfeart erfordert und damit einen Zuständigkeitswechsel auslöst. Allerdings kann der "Beginn der Leistung" insoweit nicht auf den 17.11.2005 verlegt werden, an dem A. in Lengefeld in Obhut genommen wurde, denn der Gesetzgeber hat die Inobhutnahme nicht dem Begriff der Leistung zugeordnet. In § 2 Abs. 1 SGB VIII unterscheidet er ausdrücklich zwischen den im folgenden Abs. 2 aufgelisteten "Leistungen" und den in Abs. 3 aufgezählten "anderen Aufgaben", bei denen unter Ziffer 1 die Inobhutnahme ausdrücklich aufgeführt ist. Die zuständigkeitserhebliche Neuleistung beginnt zur Überzeugung der Kammer mit der stationären Unterbringung gem. §§ 27, 34 SGB VIII, die mit Einverständnis und auf Antrag der Eltern des A. ab 10.01.2006 begann. Von diesem Zeitpunkt an konnte von einem qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarf nicht mehr die Rede sein. Eine relevante Zäsur, die einen fortlaufenden Hilfeprozess ausschließt, sieht die Kammer im Beginn der stationären Leistungen im Verhältnis zu vorangehender ambulanter Betreuung des A.. Der Einschnitt in die Hilfegewährung ist dermaßen gravierend, dass hier ein Neubeginn der "Leistung" zu sehen ist. Letztendlich kann in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der erheblich intensivere Hilfebedarf für A. auch durch sein Umfeld in Lingen mit ausgelöst wurde. Die familiären Verhältnisse, in die A. in Lingen geriet, boten ihm als verhaltensauffälligem Kind zu wenig Strukturen, um - ähnlich wie in Meißen - mit ambulanter Betreuung seinen Weg in der Gesellschaft finden zu können. Die Mutter von A. war nicht nur mit der Erziehung aller vier Kinder vollständig überfordert, sondern auch aufgrund eigener, noch nicht bewältigter Suchtprobleme kaum imstande, A. den notwendigen Halt zu geben und ihm Grenzen aufzuzeigen. Während der Vater mit seiner neuen Partnerin in Meißen bemüht war, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten, um A. letztendlich selbständig die notwendige Hilfe zukommen lassen zu können, gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen der Mutter von A. und dem Jugendamt als äußerst schwierig. Frau E. wehrte die Hilfe des Jugendamtes lange Zeit ab und war nach dem Eindruck der Kammer erst durch das familiengerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht bereit, notwendige Hilfen, die zu diesem Zeitpunkt von der zuständigen Sozialpädagogin bereits in einer stationären Unterbringung in einem Kleinstheim mit engmaschiger Betreuung gesehen wurden, zu akzeptieren.
Die Verpflichtung des Klägers nach Beendigung der Inobhutnahme in Lengefeld zum vorläufigen Tätigwerden folgt aus § 86 d SGB VIII. Nach dieser Vorschrift ist der örtliche Träger der Jugendhilfe zum Tätigwerden verpflichtet, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche bei Leistungserbringung tatsächlich aufhält, wenn die örtliche Zuständigkeit nicht feststeht oder der zuständige örtliche Träger nicht tätig wird. Die Vorschrift will nachteilige Folgen für den Leistungsberechtigten abwenden, die sich aus der mitunter schwierigen Feststellung des örtlichen Trägers oder aus der Untätigkeit des zuständigen Trägers ergeben. Im vorliegenden Fall wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht in Lingen am 23.11.2005 die Notwendigkeit der stationären Unterbringung von A. erkannt und die Durchführung dieser Jugendhilfeleistung mit Einverständnis der Eltern beschlossen. Die örtliche Zuständigkeit des letztendlich verpflichteten Jugendhilfeträgers für diese als notwendig befundene Leistung stand bei Leistungserbringung nicht fest. Der Kläger hat sich seit Beginn der Maßnahme ergebnislos um die Feststellung des zuständigen örtlichen Trägers bemüht. Weder das Jugendamt Meißen noch das Jugendamt der Beklagten waren bereit, die örtliche Zuständigkeit anzuerkennen und die Kosten zu übernehmen. Da sich - wie oben erwähnt - Zuständigkeitszweifel nicht zu Lasten des Hilfebedürftigen auswirken dürfen, dauert damit die Leistungspflicht des Klägers so lange an, bis die Feststellung der örtlichen Zuständigkeit abgeschlossen ist. Im Rahmen eines solchen Tätigwerdens für den zuständigen örtlichen Träger hat der Kläger allerdings die Interessen des kostenerstattungspflichtigen Trägers nach besten Kräften wahrzunehmen. Er trägt nach Maßgabe des § 89 f Abs. 1 SGB VIII ebenso das volle Kostenrisiko für unrechtmäßiges Handeln wie in den Fällen, in denen er als selbst zuständiger örtlicher Träger tätig wird (s. zum Voranstehenden Wiesner, Kommentar zum SGB VIII zu § 86 d Anm. 2 m.w.N.). Im vorliegenden Fall wird seitens der Beklagten pflichtwidriges Handeln des Klägers nicht gerügt. Auch sind für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte für pflichtwidriges Handeln erkennbar. Damit kann der Kläger zum Ausgleich seiner Kostenbelastung für die Zeit ab 10.01.2006, also für die Zeit der stationären Unterbringung des A. im Rahmen der Hilfegewährung nach §§ 27, 34 SGB VIII von der Beklagten auf der Grundlage von § 89 c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII verlangen, da A. bei Beginn dieser Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner in Lingen lebenden Mutter hatte (s. § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII). Für die Inobhutnahme des A., für die der Kläger gem. § 87 SGB VIII örtlich zuständig war und die, wie oben ausgeführt, nicht als Jugendhilfeleistung angesehen werden kann, kann der Kläger Kostenerstattung aufgrund von § 89 b Abs. 1 SGB VIII ebenfalls von der Beklagten verlangen, weil A. im Zeitpunkt der Maßnahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 86 Abs. 2 SGB VIII - wie voranstehend ausgeführt - in Lingen hatte."
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, aus den Unterlagen des Beigeladenen ergebe sich, dass im Falle von A. bereits während seines Aufenthaltes im väterlichen Haushalt in Meißen ein erheblicher jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden habe, der mittels Kindertagesstättenbetreuung und Erziehungsberatung gedeckt worden sei. A. habe bereits in Meißen Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, die mit dem sehr häufigen Wechsel seiner engsten Bezugspersonen verbunden gewesen seien. Im Hilfeplangespräch am 27. Oktober 2003 habe das Jugendamt des Beigeladenen festgestellt, dass A. für seine emotional-soziale Entwicklung einen festen Lebensmittelpunkt benötige. Zusätzlich habe er der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten bedurft. Nach deren Absetzung sei es erneut zu Konfliktsituationen gekommen. Alle am Hilfeprozess beteiligten Mitarbeiter des Beigeladenen seien der einhelligen Meinung gewesen, dass ein Hilfebedarf A. s auch weiterhin bestanden habe. Dennoch habe es das Jugendamt des Beigeladenen unterlassen, ihr Jugendamt von dem Umzug A. s nach Lingen im Sommer 2005 zu unterrichten, den Jugendhilfefall zu übergeben und ihr die notwendigen Jugendhilfeunterlagen zur Verfügung zu stellen, was ihre Arbeit erheblich erleichtert und zu einer besseren Einschätzung der Gesamtsituation geführt hätte. Stattdessen habe der Beigeladene die Hilfe mit Bescheid vom 26. August 2005 eingestellt. Die Eskalationen in den Schulen, die A. in Lingen besucht habe, und das fluchtartige Verlassen der Stadt mit seiner Mutter zeigten deutlich, dass für A. auch nach seinem Umzug in den Haushalt der Kindesmutter mindestens der gleiche Hilfebedarf bestanden habe wie vorher in Meißen. In Anbetracht dieser Gesamtumstände stellten die Inobhutnamen und die spätere Heimunterbringung keine relevante Zäsur, sondern nur eine veränderte Hilfeart im Rahmen des Gesamtprozesses dar. Mit der stationären Hilfemaßnahme sei lediglich die vormals in Meißen begonnene Jugendhilfe in modifizierter Weise ohne signifikante Unterbrechung fortgeführt worden, zumal A. einen kontinuierlichen Hilfebedarf während des gesamten Zeitraums gehabt habe. Kostenerstattungspflichtiger Jugendhilfeträger sei deshalb der Beigeladene.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 4. Kammer - vom 23. April 2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ferner an, dass es sich bei der von den sorgeberechtigten Eltern beantragten und von ihm gewährten Jugendhilfeleistung um eine qualitativ völlig andere Hilfeart gehandelt habe, da die häusliche Situation in der Familie des Kindes im November 2005 eskaliert sei mit der Folge, dass den Eltern durch den Beschluss des Amtsgerichts Lingen vom 17. November 2005 das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig entzogen und dem Jugendamt übertragen worden sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei eine qualitativ andere Hilfeart und damit eine Neuleistung für den Minderjährigen erforderlich gewesen, die dann im Anschluss an die Inobhutnahme als Unterbringung in einem Kleinstheim erfolgt sei.
Der Beigeladene, der durch den Beschluss des Senats vom 30. Januar 2012 gemäß § 65 Abs. 1 VwGO beigeladen worden ist, hat keinen Antrag gestellt. Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei der von ihm bis zum 25. August 2005 gewährten Erziehungsberatung eher um eine niedrigschwellige ehrenamtliche Beratungsleistung gehandelt habe, die mit dem Wegzug des Kindes gegenstandslos geworden sei. Diese Jugendhilfeleistung sei daher rechtmäßig am 26. August 2005 eingestellt worden. Auch wenn am 5. September 2005 ein Hausbesuch der Beklagten im Haushalt der Kindesmutter stattgefunden habe, habe dieser keine Jugendhilfeleistungen ausgelöst. In der am 15. September 2005 stattgefundenen Helferrunde bei der Beklagten sei lediglich diskutiert, aber keine Jugendhilfemaßnahme installiert worden. Am 10. November 2005 habe ein Krisengespräch in der Schule des Kindes stattgefunden. Auch zu diesem Zeitpunkt seien keine konkreten Jugendhilfeleistungen begonnen worden. Erst mit der Inobhutnahme am 17. November 2005 seien erstmals konkrete Jugendhilfeleistungen erforderlich geworden. Aufgrund des Antrages der sorgeberechtigten Eltern vom 23. November 2005 sei A. dann am 10. Januar 2006 stationär untergebracht worden. Ab diesem Zeitpunkt sei von einer für die Zuständigkeit erheblichen Neuleistung von Jugendhilfe auszugehen. Die am 10. Januar 2006 begonnene Hilfegewährung sei gravierend von der bis August 2005 erfolgten Erziehungsberatung abzugrenzen. Ein qualitativ unveränderter Hilfeverlauf sei nicht festzustellen. Erst seit der erstmaligen Unterbringung des Kindes in einem Kinderheim bestehe ein einheitlicher und kontinuierlich anhaltender jugendhilferechtlicher Bedarf, der vom Kläger gedeckt worden sei. Deshalb sei es unerheblich, dass für den Vater des Kindes bis zum 25. August 2005 Erziehungsberatung geleistet worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet.
Diese Entscheidung trifft der Senat nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130 a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht für erforderlich hält.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger die Kosten der A. B. in dem Zeitraum vom 17. November 2005 bis zum 28. Februar 2007 (u. a.) in der Form der Inobhutnahme und der stationären Unterbringung des Kindes in einem Kinder- und Jugendheim gewährten Jugendhilfe in Höhe von insgesamt 39.651,54 EUR zu erstatten, weil der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach §§ 89b Abs. 1, 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII hat.
Nach § 89b Abs. 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen, für die nach § 87 SGB VIII der örtliche Träger zuständig ist, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche sich vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält, aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird. Nach § 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche sich vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält, im Rahmen seiner Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII, die u. a. für den Fall besteht, dass die örtliche Zuständigkeit (wie hier) nicht feststeht, aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach (u. a.) § 86 SGB VIII begründet wird. Anspruchsberechtigt ist danach in beiden Fällen der örtliche Träger, in dessen Bereich das Kind sich vor Beginn der jeweiligen Maßnahme tatsächlich aufgehalten hat. Demnach ist hier der Kläger anspruchsberechtigt, da A. sich ab Mitte November 2005 in dessen Zuständigkeitsbereich tatsächlich aufgehalten hat. Erstattungspflichtig ist in beiden Fällen der örtliche Träger, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet worden ist.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Haben die Elternteile - wie hier nach der Trennung der Eltern von A. im Jahr 2002 - verschiedene gewöhnliche Aufenthalte, ist nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Steht die Personensorge - wie im vorliegenden Fall - den Eltern gemeinsam zu, richtet sich die Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Elternteils, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29.1.2004 - 5 C 9.03 -, BVerwGE 120, 116 ff.) sind "Leistung", an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpft, unabhängig von der Hilfeart und Hilfeform alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne Unterbrechung gewährt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich bei einem auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden. Es kommt insofern auch nicht darauf an, ob die gegenwärtig benötigte Jugendhilfeleistung einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII unterfällt oder innerhalb des SGB VIII nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist als die bisherige Leistung, sondern allein darauf, ob sich die Hilfegewährung ungeachtet aller Modifikationen, Ergänzungen und Änderungen noch als Fortsetzung der ursprünglichen Leistung darstellt oder vielmehr der Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfes dient.
Hier hat der eine kontinuierliche Hilfe erfordernde Hilfebedarf des Kindes A. B. und seiner Eltern sich zwar wegen der Eskalation der familiären Situation im November 2005 erhöht. In qualitativer Hinsicht hat er jedoch im Wesentlichen unverändert und ununterbrochen seit dem Jahr 2002 bestanden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann von einem andersartigen, neu entstandenen Bedarf, der mit der am 10. Januar 2006 begonnenen stationären Hilfe abgedeckt worden ist, keine Rede sein. Denn der Hilfebedarf ist hier darauf zurückzuführen, dass es "schon immer Schwierigkeiten mit der Erziehung" des Kindes gab (Schreiben der Beklagten an das Amtsgericht Lingen vom 17. November 2005), die ihrerseits offenbar auf den ständigen Wechsel der Bezugspersonen, also auf die bereits seit der Trennung der Eltern im Jahr 2002 bestehende familiäre Situation des Kindes zurückgehen. Dementsprechend ist hier seit dem Jahr 2003 ohne Unterbrechung Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in ambulanter und stationärer Form geleistet worden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Beigeladene gewährte dem Kind bzw. seinen Eltern zur Deckung des beschriebenen Hilfebedarfs in den Jahren 2003 bis 2005 verschiedene ambulante Jugendhilfeleistungen. In der Zeit vom 20. August 2003 bis zum 25. August 2005 leistete er aufgrund seiner an die Eltern gerichteten Bescheide vom 9. September 2003 "nach eingehender Beratung im Zusammenwirken von Fachkräften" Hilfe zur Erziehung in Form der Erziehungsberatung gemäß §§ 27, 28 SGB VIII als "geeignete und notwendige Hilfe", also entgegen der von dem Beigeladenen im vorliegenden Verfahren geäußerten Auffassung keineswegs nur eine "niedrigschwellige ehrenamtliche Beratungsleistung". Im Oktober / November 2003 erstellte sein Jugendamt einen Hilfeplan gemäß § 36 SGB VIII. Außerdem übernahm er durch Bescheid vom 15. November 2004 für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2004 und durch Bescheid vom 17. August 2005 für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Mai 2005 den Elternbeitrag für die Inanspruchnahme einer Kindertagesstätte gemäß § 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII. Ausweislich des fortgeschriebenen Hilfeplans des Jugendamts des Beigeladenen vom 26. Juli 2005 kam es sowohl in der Schule, wo A. nach der Absetzung von Medikamenten im Juli 2005 aus dem Fenster gesprungen war, als auch im Kinderhort zu Konfliktsituationen; eine Fortsetzung der Erziehungsberatung gemäß § 28 SGB VIII wurde deshalb vom Jugendamt als geeignet und notwendig angesehen. Wegen des Umzugs des Kindes zu seiner Mutter in Lingen stellte der Beigeladene die Hilfe durch an die Eltern gerichtete Bescheide vom 26. August 2005 mit sofortiger Wirkung ein.
In zeitlicher Überschneidung mit diesen Jugendhilfeleistungen des Beigeladenen und (wegen der fehlenden Informationen seitens des Beigeladenen) ohne Abstimmung der Hilfen aufeinander begann die Beklagte, dem Kind bzw. seiner Mutter ab Sommer 2005 Jugendhilfe zu gewähren, da sich bei ihm auch nach dem Umzug nach Lingen erhebliche Verhaltensauffälligkeiten in der Schule zeigten. Deshalb wurde A. ab dem Beginn des Schuljahres 2005 / 2006 von einer beim Jugendamt der Beklagten tätigen Sozialpädagogin pädagogisch betreut und begleitet. Diese führte unter anderem am 2. August 2005 ein Gespräch mit der Kindesmutter und ihrem neuen Ehemann, bei dem auch A. anwesend war, und am 31. August 2005 ein Gespräch u. a. mit der Kindesmutter, einer Lehrerin von A. und dem Leiter der Schule, die A. zu diesem Zeitpunkt besuchte. Am 5. September 2005 führte sie außerdem einen Hausbesuch bei der Kindesmutter durch. Bei diesen Maßnahmen hat es sich entgegen der Auffassung des Beigeladenen durchaus um "konkrete Jugendhilfeleistungen", nämlich um Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII (wohl in der Form sozialpädagogischer Familienhilfe gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 31 SGB VIII) gehandelt. Außerdem wurde A. gemeinsam mit seinen Geschwistern stundenweise von einer Tagesmutter gemäß §§ 22 ff. SGB VIII betreut. Auch die insoweit anfallenden Kosten wurden von der Beklagten getragen.
Trotz der Einstellung der Hilfe durch die Bescheide des Beigeladenen vom 26. August 2005 ist demnach eine tatsächliche Unterbrechung der Hilfegewährung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu keinem Zeitpunkt eingetreten, vielmehr überschnitten die Jugendhilfeleistungen des Beigeladenen und der Beklagten sich sogar. Im Übrigen hätte in diesem Zusammenhang eine kurzfristige Unterbrechung der Hilfeleistung von bis zu drei Monaten nach den insoweit entsprechend anzuwendenden §§ 86 Abs. 7 Satz 4, 86a Abs. 4 Satz 2, 86 b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ohnehin außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.1.2004, - 5 C 9.03 -, BVerwGE 120, 121 Abs. 2).
Die den oben dargestellten Jugendhilfeleistungen der Beklagten folgenden Inobhutnahmen des Kindes nach § 42 SGB VIII durch die Jugendämter der Beklagten und des Klägers im November 2005 und dessen zunächst ambulante und ab Januar 2006 stationäre Unterbringung in einem Kinder- und Jugendheim im Zuständigkeitsbereich des Klägers als Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1, 2 Satz 1 i.V.m. § 34 SGB VIII (siehe hierzu den Hilfeplan des Jugendamtes des Klägers vom 14. März 2006) infolge einer möglicherweise eingetretenen Verschlechterung seiner Betreuung innerhalb der Familie nach dem Umzug zu der (mit der Erziehung ihrer Kinder offenbar überforderten) Kindesmutter in Lingen im Juli / August 2005 und vor allem der Eskalation der familiären Situation im November 2005 (Autofahrt der Kindesmutter unter erheblicher Alkoholeinwirkung zusammen mit ihrem neuen Ehemann und den Kindern, "Flucht" der Familie in den Zuständigkeitsbereich des Klägers) stellen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Reaktion auf einen andersartigen, neu entstandenen Bedarf des Kindes dar. Nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung handelt es sich bei diesen Maßnahmen vielmehr lediglich um eine Intensivierung der kontinuierlich geleisteten Jugendhilfe zur Deckung des wegen dieser Eskalation zwar gesteigerten, qualitativ aber unveränderten Hilfebedarfs, der offenbar auf den ständigen Wechsel der Bezugspersonen, also auf die bereits seit dem Jahr 2002 bestehende familiäre Situation des Kindes und der deswegen fortwährend bestehenden Schwierigkeiten bei seiner Erziehung zurückzuführen ist. Dem entspricht es, dass hier auch die Hilfeart nicht geändert worden ist. Denn auch bei der stationären Unterbringung des Kindes ab Januar 2006 hat es sich um Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in der Form der Heimerziehung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 34 SGB VIII gehandelt.
Abgesehen davon, dass sich demnach aus der bloßen Steigerung eines qualitativ gleich gebliebenen Hilfebedarfs mit unveränderten Ursachen und der dementsprechenden Intensivierung der Hilfemaßnahmen kein andersartiger, neu entstandener Bedarf ergibt, ist hier entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts aber auch kein erheblich höherer Hilfebedarf nach dem Umzug nach Lingen im Juli / August 2005 festzustellen. Denn bereits vor dem Umzug ist es nach der Absetzung der Medikamente im Juli 2005 zu auffälligen Verhaltensweisen des Kindes im Kinderhort und in der Schule (aus dem Fenster springen) gekommen, wie sie auch kurz nach dem Umzug (Versuch, mit einer Lupe Feuer zu machen) und im November 2005 (Bedrohung anderer Kinder mit einem Messer und Drohung, aus dem Fenster zu springen) in der Schule aufgetreten sind.
Nach allem ist hier die Leistung im Sinne des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII bereits im Jahr 2003, als A. noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seinem (ebenfalls) sorgeberechtigten Vater in Meißen hatte, mit den ersten Jugendhilfemaßnahmen des Beigeladenen begonnen, in den folgenden Jahren ohne Unterbrechung fortgesetzt und dabei entsprechend dem gestiegenen Hilfebedarf des Kindes intensiviert worden. Demzufolge ist der Beigeladene der gemäß § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zuständige und nach §§ 89b Abs. 1, 89c Abs. 1 Satz 2 SGB VIII gegenüber dem Kläger kostenerstattungspflichtige Jugendhilfeträger. Die gegen die Beklagte gerichtete Klage ist demnach unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte folglich zu Unrecht zur Kostenerstattung gegenüber dem Kläger verurteilt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 188 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO bestehen nicht, da die hier entscheidungserheblichen Fragen in der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind. Die vom Verwaltungsgericht, das dieser Rechtsprechung gefolgt ist und sie lediglich unrichtig auf den vorliegenden Fall angewandt hat, für die Zulassung der Berufung angeführten Gründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegen hier daher ersichtlich nicht vor.