Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.03.2012, Az.: 14 PS 1/12
Recht auf Auskunft eines freien Journalisten gegenüber der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde bzgl. einer vollständigen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.03.2012
- Aktenzeichen
- 14 PS 1/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 12687
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0323.14PS1.12.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 21.08.2012 - AZ: BVerwG 20 F 5.12
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs. 1 S. 2, 3 VSG NRW
- § 13 Abs. 2 S. 2, 3 VSG NRW
- § 13 Abs. 3 VSG NRW
Redaktioneller Leitsatz
1.
Der Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich eine förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache voraus, dass es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt.
2.
Bereitet das Bekanntwerden des Inhalts zurückgehaltener Dokumente dem Wohl des betroffenen Landes oder dem Bund Nachteile, ist ihre Geheimhaltung ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls, das eine Verweigerung der Vorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen kann.
3.
Der Bruch einer zugesagten dauerhaften Vertraulichkeit gegenüber den Informanten wäre generell geeignet, die effektive Aufgabenwahrnehmung einer Verfassungsschutzbehörde zu beeinträchtigen, indem die künftige Anwerbung von Informanten erschwert würde.
4.
Die Entscheidungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen.
5.
Die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei bestehendem Geheimhaltungsbedarf erfordert grundsätzlich eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Durch die Ermessenseinräumung wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben.
6.
Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat.
Gründe
I.
In dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Göttingen - ........ - begehrt der Kläger, die Verpflichtung des Beklagten, eine vollständige Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen, hilfsweise, seinen Auskunftsantrag neu zu bescheiden.
Der Kläger ist freier Journalist und Redakteur bei dem Lokalsender "$.".
Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten als niedersächsischer Verfassungsschutzbehörde die Erteilung einer Auskunft über die dort zu seiner Person gespeicherten Daten. Mit undatiertem, bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15. September 2011 eingegangenen Schreiben teilte der Beklagte mit, dass neben allgemeinen biographischen Daten folgende Erkenntnisse über den Kläger gespeichert seien:
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Darüber hinaus wies der Beklagte darauf hin, dass er Erkenntnisse über linksextremistische Aktivitäten des Klägers habe, über diese aus den in § 13 Abs. 2 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz genannten Gründen aber keine Auskunft erteile.
Hierauf beantragte der Kläger mit Schreiben vom 10. Oktober 2011 bei dem Beklagten die Löschung der zu seiner Person gespeicherten Daten, da die Voraussetzungen für eine Speicherung nicht vorlägen. Zeitgleich wandte sich der Kläger an den Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen und bat diesen um Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Auskunftssperre, Anforderung der geheim gehaltenen Akten und Vermittlung bei der von dem Kläger erstrebten vollständigen Auskunftserteilung. Hierauf teilte der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen mit Schreiben vom 26. Oktober 2011 dem Kläger mit, dass der Beklagte zu zwei weiteren Sachverhalten Auskunft erteilen werde, im Übrigen die Verarbeitung der Daten, die Verweigerung der Auskunft und die mangelnde Angabe der Weigerungsgründe datenschutzrechtlich aber nicht zu beanstanden sei. Mit Schreiben vom 11. November 2011 ergänzte der Beklagte seine Auskunft über die zur Person des Klägers gespeicherten Daten um folgende Erkenntnisse:
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Der Kläger hat am 10. Oktober 2011 bei dem Verwaltungsgericht Göttingen Klage erhoben und zunächst beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. September 2011 zu verurteilen, vollständige Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen,
hilfsweise
seinen Auskunftsantrag neu zu bescheiden, und festzustellen, dass seine Beobachtung durch den Beklagten seit dem 10. Juli 2000 und die Erhebung und Speicherung von Daten zu seiner Person durch den Beklagten während dieses Zeitraums rechtswidrig gewesen ist. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, es bestünden keine tatsächlichen Anhaltspunkte für von ihm ausgehende verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Tätigkeiten, die eine Beobachtung oder Datenerhebung und -speicherung durch den Beklagten rechtfertigten.
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2011 hat der Vorsitzende der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen den Beklagten unter anderem aufgefordert, die dort geführten Unterlagen vollständig vorzulegen. Der Beklagte hat mit seiner Klageerwiderung vom 30. November 2011 dem Verwaltungsgericht lediglich einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers geführten Verwaltungsvorgänge (Beiakten A und B im Hauptsacheverfahren vor dem VG Göttingen - ..... -) vorgelegt und mit ergänzendem Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 erklärt, dass die Vorlage der vollständigen bei ihm geführten Vorgänge nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erfolgen dürfe (Sperrerklärung). Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, nach Durchsicht der Akten und Ausübung des Ermessens müsse davon ausgegangen werden, dass ein Bekanntwerden des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenteile dem Wohl des Landes Niedersachsen Nachteile bereiten würde, da durch die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert wäre. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die fraglichen Dokumente geheim zu halten. Weiter begründete der Beklage für die einzelnen zurückgehaltenen Aktenstücke jeweils konkret das Vorliegen der Geheimhaltungsgründe des Schutzes der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, der Informationsquellen und der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter.
Mit Beschluss vom .......... hat das Verwaltungsgericht Göttingen das Verfahren hinsichtlich des klägerischen Feststellungsantrages, dass seine Beobachtung durch den Beklagten seit dem 10. Juli 2000 und die während dieses Zeitraums zu seiner Person durch den Beklagten erhobenen und gespeicherten Daten rechtswidrig gewesen ist, abgetrennt.
Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2011 hat der Kläger seine Klageanträge dahingehend geändert, dass er nun beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Auskunftssperre in dem Bescheid vom 15. September 2011 zu verurteilen, vollständige Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen, hilfsweise, seinen Auskunftsantrag neu zu bescheiden. Mit weiterem Schriftsatz vom 6. Januar 2012 hat der Kläger sinngemäß beantragt, im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beklagten vom 5. Dezember 2011 und der damit verbundenen Weigerung der Vorlage der vom Verwaltungsgericht angeforderten Akten festzustellen.
Auf diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. Februar 2012 das Verfahren gemäß §§ 99 Abs. 2 Satz 4, 189 VwGO zur Durchführung eines Zwischenverfahrens an den zuständigen Fachsenat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts abgegeben.
II.
Der Antrag des Klägers, im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO festzustellen, dass die Weigerung des Beklagten, die vom Verwaltungsgericht Göttingen - Vorsitzender der 1. Kammer - mit Verfügung vom 10. Oktober 2011 erbetenen Akten vollständig vorzulegen, rechtswidrig ist, hat keinen Erfolg.
Der Antrag des Klägers nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auf Entscheidung des nach § 189 VwGO beim Oberverwaltungsgericht gebildeten Fachsenats im selbstständigen Zwischenverfahren ist zulässig.
Der Antrag setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich eine förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache voraus, dass es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt. Das Gericht der Hauptsache muss dabei durch Angabe des Beweisthemas deutlich machen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erheblich ansieht. Je nach Fallkonstellation darf sich das Hauptsachegericht dabei nicht allein auf die Angabe des Beweisthemas und der als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) beschränken, sondern muss in den Gründen des Beschlusses zur Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall - sei es mit Blick auf die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sowie der fachgesetzlichen Ablehnungsgründe - Stellung nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 f. m.w.N.).
An einer solchen Verlautbarung des Verwaltungsgerichts fehlt es hier. Der Vorsitzende der Kammer hat zwar mit der Erstverfügung am 10. Oktober 2011 den Beklagten unter anderem aufgefordert, die dort geführten Unterlagen vollständig vorzulegen. Eine weitere Konkretisierung der für eine Entscheidung als notwendig erachteten Aktenteile hat die Kammer indes nicht vorgenommen. Anhand der Gerichtsakten ist auch in keiner Weise nachzuvollziehen, ob und inwieweit die Kammer die erbetenen Unterlagen für entscheidungserheblich hält.
Die danach fehlende förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits ist nur ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen oder freigegebenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind. Das ist dann der Fall, wenn die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten bereits Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache ist und die dortige Entscheidung von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten, wie von der Behörde oder dem einer Freigabe widersprechenden Beteiligten geltend gemacht, geheimhaltungsbedürftig sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2010 - 20 F 13.09 -, BVerwGE 136, 345, 347 f. m.w.N.).
Hieran gemessen kann im vorliegenden Fall ausnahmsweise noch auf die förmliche Verlautbarung des Verwaltungsgerichts verzichtet werden. Zwar ist die Pflicht zur Vorlage der erbetenen Aktenteile nicht unmittelbar Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Denn der Kläger hat lediglich Auskunft, aber nicht Vorlage der Akten begehrt, und es steht im Ermessen des Beklagten, Verfahren und Form der Auskunftserteilung zu bestimmen (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 4 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz - NVerfSchG - in der Fassung vom 6.5.2009, Nds. GVBl. S. 154, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.10.2010, Nds. GVBl. S. 465). Der Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung ist nach dem bisherigen Vorbringen des Beklagten indes nicht von vorneherein nach § 13 Abs. 1 Sätze 2 und 3 NVerfSchG eingeschränkt oder ausgeschlossen und Anhaltspunkte für das Fehlen der nach § 13 Abs. 2 Sätze 2 und 3 NVerfSchG erforderlichen Ermessensentscheidung bestehen nicht (vgl. zum Entfall der Begründungspflicht: § 13 Abs. 3 NVerfSchG). Daher kommt es entscheidungserheblich offensichtlich auf das tatsächliche Vorliegen der in § 13 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG genannten Weigerungsgründe an, das mangels Angaben des Beklagten hier durch das Verwaltungsgericht nur anhand der zurückgehaltenen und für geheimhaltungsbedürftig erklärten Aktenteile überprüft werden kann.
Der Antrag des Klägers hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die der Weigerung des Beklagten, die vom Verwaltungsgericht Göttingen - Vorsitzender der 1. Kammer - mit Verfügung vom 10. Oktober 2011 erbetenen Akten vollständig vorzulegen, zugrunde liegende Sperrerklärung vom 5. Dezember 2011 ist rechtmäßig.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Bereitet das Bekanntwerden des Inhalts zurückgehaltener Dokumente dem Wohl des betroffenen Landes oder dem Bund Nachteile, ist ihre Geheimhaltung ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 -, BVerfGE 101, 106, 127 f.; BVerwG, Beschl. v. 7.11.2002 - 2 AV 2.02 -, NVwZ 2003, 347, 348), das eine Verweigerung der Vorlage gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen kann. Ein Nachteil in diesem Sinne ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.7.2009, a.a.O.; Beschl. v. 5.2.2009 - 20 F 24.08 -, [...] Rn. 4).
Derartige Geheimhaltungsgründe hat der Beklagte hier geltend gemacht. Er hat mit auf den konkreten Einzelfall bezogenen, aussagekräftigen und nachvollziehbar begründeten Erläuterungen zur Bedeutung der zurückgehaltenen Erkenntnisse und der Notwendigkeit des Quellenschutzes in der Sperrerklärung ausgeführt, dass ein Bekanntwerden des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenteile dem Wohl des Landes Niedersachsen Nachteile bereiten würde, da durch die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert wäre. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die fraglichen Dokumente geheim zu halten.
Der Senat hat sich bei Durchsicht der von dem Beklagten vorgelegten Aktenstücke (Beiakten C und D im Zwischenverfahren 14 PS 1/12) davon überzeugt, dass die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen.
So ist die Bekanntgabe sämtlicher in den durchgehend paginierten Beiakten C und D im Zwischenverfahren 14 PS 1/12 enthaltenen Unterlagen geeignet, die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden zu erschweren. Dies gilt zunächst für Dokumente, die den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde und deren Art und Weise der Informationserhebung wiedergeben. Dasselbe gilt aber auch für Dokumente(nteile) wie Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen. Denn diese sind geeignet, vor allem im Rahmen einer hier möglichen umfangreicheren Zusammenschau, die künftige Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden zu erschweren und Rückschlüsse auf Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung zu ermöglichen. Sie lassen Rückschlüsse auf geheime Einschätzungen und Entscheidungsbildungen der Sicherheitsbehörde auch in Sachfragen zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.8.2007 - 20 F 10.06 -, [...] Rn. 8; Beschl. v. 7.11.2002, a.a.O., S. 347). Und das gilt schließlich auch für solche Dokumente(nteile), die sich auf natürliche Personen zurückführen lassen. Insoweit besteht ein Geheimhaltungsbedürfnis aus Gründen der persönlichen Sicherheit dieser Personen oder zum Schutz von deren beruflich gebotener Anonymität (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.8.2007, a.a.O., Rn. 9; Beschl. v. 4.5.2006 - 20 F 2.05 -, [...] Rn. 4). Die in den zurückgehaltenen Akten ergänzend befindlichen Dokumententeile, für die ein Geheimhaltungsbedarf nicht besteht, sind dem Verwaltungsgericht bereits als Beiakten A und B im Hauptsacheverfahren - ..... - vorgelegt worden. Insoweit besteht keine Weigerung des Beklagten zur Vorlage an das Verwaltungsgericht, deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit in diesem Zwischenverfahren festgestellt werden könnte.
Die in der Beiakte D im Zwischenverfahren 14 PS 1/12 enthaltenen Unterlagen zur Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden würden bei einer Bekanntgabe zudem die zukünftige Zusammenarbeit des Beklagten mit diesen Behörden erschweren.
Schließlich enthalten die Beiakte D im Zwischenverfahren 14 PS 1/12 mit Quellenberichten und die Beiakte C im Zwischenverfahren 14 PS 1/12 mit einer nicht anonymisierten Zusammenfassung dieser Quellenberichte Unterlagen, deren Bekanntgabe die Gesundheit von Personen gefährden könnte. Aus diesen Dokumenten sind Einzelheiten zu Treffen, Zeitpunkten und Teilnehmern erkennbar, die jedenfalls den Beteiligten eine Eingrenzung oder sogar Konkretisierung der für den Beklagten operierenden Informationsquellen ermöglichen und so die Gefahr von körperlichen Übergriffen begründen. Darüber hinaus wäre der Bruch einer zugesagten dauerhaften Vertraulichkeit gegenüber den Informanten generell geeignet, die effektive Aufgabenwahrnehmung des Beklagten als niedersächsische Verfassungsschutzbehörde zu beeinträchtigen, indem die künftige Anwerbung von Informanten erschwert würde (vgl. hierzu: BVerwG, Beschl. v. 10.1.2012 - 20 F 1.11 -, [...] Rn. 26 m.w.N.)
Eine nähere Begründung muss hier unterbleiben, weil die Entscheidungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen.
Die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei danach bestehendem Geheimhaltungsbedarf erfordert grundsätzlich eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Durch die Ermessenseinräumung wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. 31.1.2011 - 20 F 18.10 -, [...] Rn. 9 m.w.N.).
Die Sperrerklärung des Beklagten vom 5. Dezember 2011 genügt diesen Anforderungen noch. Der Beklagte hat - in klarer Abgrenzung zu der nach der fachgesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 2 NVerfSchG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Ablehnung der Auskunftserteilung (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008 - 20 F 44.07 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 49) - das ihm nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eingeräumte Ermessen erkannt und die Interessen des Landes an der Geheimhaltung mit den gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen an effektivem Rechtsschutz und umfassender Aufklärung des Sachverhalts abgewogen. Dabei hat er auch die journalistische Tätigkeit des Klägers berücksichtigt und nachvollziehbar dargestellt, dass diese nicht Anlass der Datenerhebung und -speicherung ist und daher im Rahmen der Abwägung keine gesteigerte Bedeutung erlangen, also das öffentliche Geheimhaltungsinteresse nicht überwiegen kann. Diese Ausführungen sind bezogen auf die individuellen Umstände des vorliegenden Falles zwar sehr kurz gehalten, genügen aber gerade noch den Anforderungen an eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ermessensfehler sind nicht zu erkennen.
Auf den im Hauptsacheverfahren von dem Kläger erhobenen Einwand, die Erhebung und Speicherung von Daten zu seiner Person durch den Beklagten sei schon deshalb rechtswidrig, weil es keine tatsächlichen Anhaltspunkte für von ihm ausgehende verfassungsfeindliche Bestrebungen oder Tätigkeiten gebe, kommt es für dieses Zwischenverfahren nicht an. Der Senat hat nur darüber zu entscheiden, ob die Sperrerklärung des Beklagten gemessen an den dargestellten Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtmäßig ist, nicht hingegen darüber, ob die Datenerhebung und Speicherung durch den Beklagten die fachgesetzlich und gegebenenfalls verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen beachtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.3.2010 - 20 F 16.09 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 57; Beschl. v. 5.2.2009, a.a.O., Rn. 13).